Academia.eduAcademia.edu
Rubel (Hg.) Die Barbaren Roms Alexander Rubel (Hg.) Die Barbaren Roms Inklusion, Exklusion und Identität im Römischen Reich und im Barbaricum (1.-3. Jahrhundert n. Chr.)  Hartung-Gorre Verlag 2016 SAGA Studien zu Archäologie und Geschichte des Altertums, Band II Herausgegeben von Alexander Rubel Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Copyright © 2016 by the Authors Alle Rechte vorbehalten Erste Auflage 2016 HARTUNG-GORRE VERLAG KONSTANZ http://www.hartung-gorre.de ISSN: 2196-7393 ISBN: 978-3-86628-577-4 Inhalt Vorwort ...................................................................................................................................... 7 Alexander RUBEL Überlegungen zum Barbarenbegriff der Römer: Geten, Daker und Thraker in den Augen der Römer ............................................................. 11 Kai BRODERSEN Barbaren bei Plinius d. Ä. und seinem „Affen“ Solinus: Vom kulturbezogenen zum geographischen Barbarenbegriff.................................................. 43 Alexandru POPA Überlegungen zur Erkennung kultureller und ethnischer Identitäten in Dakien und angrenzenden Gebieten................................................................................ 55 Lucreţiu MIHAILESCU-BÎRLIBA Observations on Local Recruiting in Lower Moesia: The Case of Troesmis................................................................................................ 71 Ligia RUSCU Die Bürgerrechtspolitik der flavischen Kaiser in den Griechenstädten der Provinzen Niedermoesien und Thrakien......................................................................... 79 Eduard NEMETH Dies- und jenseits der Südwestgrenze des römischen Dakien. Neuere Forschungsergebnisse ............................................................................................ 97 Dilyana BOTEVA Thracian Tradition and Greco-Roman Aesthetics on the Votive Plaques of the Thracian Rider.......................................................................................................... 117 Dan RUSCU Der Bischof Ulfila zwischen nicänischer „Orthodoxie“ und Homöertum ............................... 131 Sergiu MATVEEV, Artemis BALAN Der Obere Trajanswall und Archäologische Kulturdenkmäler aus den ersten Jahrhunderten n. Chr. im Pruth-Dnjestr Raum. Archäologisch-räumliche Beziehungen …............................................................................141 Erik HRNČIARIK, Klára KUZMOVÁ Evidence of trade and exchange during the Roman Period in Barbaricum (territory of Slovakia) ....................................................................................................... 149 Maurizio BUORA Von der Adria (Aquileia) bis zur mittleren Donau: Das Fibelspektrum römischer Zeit vom 1. Jh. v. Chr. bis zum 6. Jh. n. Chr. .............................................................................. 163 Sergiu MUSTEAȚĂ Antler Manufacturing in the Central and Eastern Europe During Late Antiquity ................... 199 György NÉMETH, András SZABÓ A Lady with a Bone Hairpin in Her Mouth. A Silver Magical Lamella from the Northern Necropolis of Sopianae (Pécs, Hungary). Preliminary Report............................ 239 Vorwort Der vorliegende Band ist das Resultat einer Tagung in Iaşi, die unter dem gleichen Titel zwischen dem 24. und 27. September 2014 stattfand. Die Konferenz wurde gemeinsam von der Universität Konstanz, der Alexandru-Ioan-Cuza-Universität Iaşi und dem Archäologischen Institut der Rumänischen Akademie in Iaşi organisiert. Damit war sie thematisch ein Teil des vom rumänischen Forschungsrat (CNCS-UEFISCDI) finanzierten Forschungsprojekts „The ‚Other‘ in Action. The Barbarization of Rome and the Romanization of the World“ (Code: PN-II-ID-PCE-2012-4-0490). Die Tagung, die zum Ziel hatte, Deutschland-Alumni und mit den deutschen Altertumswissenschaften verbundene Forscher der Disziplinen Archäologie und Alte Geschichte aus den USA, Kanada, Italien, Bulgarien, der Republik Moldau und Rumänien gemeinsam mit deutschen Wissenschaftlern zum Großthema „Romanisierung“ zu versammeln, wurde durch den DAAD großzügig gefördert, ihm gilt zunächst der größte Dank der Organisatoren. Die Universität Konstanz, Partneruniversität der Universität Iaşi, hat die Antragsstellung übernommen, namentlich Ulrich Gotter und der Alumnibeauftragte der Universität Konstanz, Andreas Schmidt, ihnen sei an dieser Stelle auch persönlich gedankt. Großzügigerweise hat die Alexander-vonHumboldt-Stiftung einen Druckkostenzuschuss gewährt, der die Herausgabe des Bandes erst ermöglicht hat. Die hier versammelten Beiträge repräsentieren nur einen Teil der auf der Tagung gehaltenen Vorträge, geben aber einen konzisen Einblick in die Fragestellung, die der Konferenz zugrunde lag, und welche die beteiligten Forscher auf verschiedenen Arbeitsgebieten und in verschiedenen Regionen des römischen Reiches in ihrer täglichen Arbeit verfolgen. Zentrale Fragen betreffen dabei die Integrationsleistung des römischen Reiches, die Fragen des Bürgerrechts und seiner Verleihungsmodalitäten, Fragen nach Identitäten und ihrer Manifestationen innerhalb und außerhalb des Imperiums. Besonders geht es aber auch um die Rolle der so genannten „Barbaren“, die mit dem griechischen Begriff nur unzureichend – auch im römischen Kontext – erfasst werden. Der Austausch mit ihnen und ihren Traditionen, die bei allem Romanisierungsdruck manifest blieben, hat auch Rom und sein Reich beeinflusst. Entsprechend stellt sich der Zugang, den die hier zusammengestellten Beiträge mit einem Fokus auf die römischen Donauprovinzen und deren benachbarte Gebiete suchen, kontextuell folgendermaßen dar: Das römische Reich erstreckte sich von Britannien bis nach Nordafrika, vom heutigen Portugal über Rumänien bis in den Vorderen Orient. Die römischen Eroberer – denn als solche traten sie in der Regel gewaltsam auf – hatten es in der Folge mit unterschiedlichsten Völkern und ihren sehr verschiedenen kulturellen und religiösen Traditionen zu tun. Wie alle vormodernen Imperien war auch das römische im Vergleich zu den modernen (Einheits) Staaten ausgesprochen schlank administriert; im Gegensatz zu den meisten anderen 8 Die Barbaren Roms imperialen Konfigurationen erzielte das Imperium Romanum eine konkurrenzlose integrative Dichte, die sich vor allem in einem porösen kulturellen Kommunikationsraum und erheblicher reichsweiter Normenkonvergenz, etwa in Rechtssystem, Elitenrekrutierung und städtischer Kultur, auszeichnete. Mit Latein und Griechisch bildeten sich zwei gemeinsame Verkehrssprachen heraus, mit dem Kaiserkult entwickelte sich eine Reichsreligion, weiträumige Verbindung von Wirtschaftsräumen und selbst auf der Ebene des täglichen Lebens sind vielfältige Angleichungen nachweisbar (etwa Ess- und Trinkgewohnheiten, die sich deutlich in den archäologischen Befunden ausdrücken, aber auch anderer Kulturpatterns wie Bestattungssitten). Diese Normenkonvergenz lässt sich durch eine zentralistische Kontrolle nur einiger Hundert hauptamtlicher Verwaltungsposten und der wesentlich an den Grenzen stationierten Truppen nicht befriedigend erklären. Wie also organisierte das Imperium erfolgreich die Integration von wilden Berberstämmen in Nordafrika, sowie zugleich auch von keltischen Oppida in Gallien und Germanien, griechischen Großstädten im Osten? Diese Frage ist zweifellos nicht neu, methodisch aber einerseits durch Anstöße aus den postkolonialen Studien neu dynamisiert (und ideologisiert) worden, andererseits bisher und seit dem 19. Jahrhundert strukturell durch eine fruchtlose Unverbundenheit zwischen Reichsprovinzengeschichte und Reichszentrumsgeschichte gehandicapt. Dabei hat eine hochentwickelte Reichsforschung das Imperium nahezu ausschließlich aus der Betrachtung der Provinzen rekonstruiert und konsequenterweise systemische Sachzwänge konstruiert, die den individuellen Kaiser (und die sich verändernde Organisation des imperialen Zentrums) zur quantité negligeable machen. Daneben steht eine biographistisch orientierte Kaisergeschichte, für die das Reich und seine Strukturen nur Theaterkulisse für das individualisierte Handeln des Herrschers und seine persönlichen Umfeldes („Hofes“) darstellt. Mit diesem Nebeneinander von Perspektiven aber lässt sich das Phänomen der Romanisierung als interdependente Einwirkung auf Peripherie und Zentrum gleichermaßen nicht angemessen erfassen. Besonders eine Seite des Phänomens „Romanisierung“ wir dabei systematisch ausgeblendet, nämlich die Wandlungen des „Römertums“ durch den ständigen Kontakt mit den „Barbaren“. Diese Entwicklungen werden nicht zuletzt in der stetigen religiösen Transformation des Reiches durch Aufnahme neuer Gottheiten und deren zunehmende Popularisierung (etwa Mithras) sichtbar, die am Ende zur revolutionärsten Wandlung des Römerreichs führten, als die monotheistische Religion einer orientalischen Sekte im 4. Jahrhundert zur Quasi-Staatsreligion wurde. Dabei geht es auch um die nur selten thematisierte Frage wie die „Barbaren“ ihrerseits das Zentrum kulturell und habituell beeinflusst haben und wie kulturelle und ethnische Identitäten im Sinne multi-identitärer Handlungsmuster stärker in Betracht gezogen werden müssen (Beispiele: Arminius als römischer Bürger und Offizier wie als Anführer eines Aufstands gegen Rom; ein Töpfer in Rheinzabern, der typisch römisches Essgeschirr herstellt: Römer „from 9 to 5“, Kelte/Germane nach „Schichtende“?). Vorwort 9 Um die Handlungsspielräume in der Peripherie und die Rückwirkungen des Reiches auf das Zentrum erfolgreicher aufeinander zu beziehen, bedarf es eines stärker auf Kommunikation basierenden Erklärungsansatzes und einer über die bisherigen imperialen Aktionsmodelle hinausgehenden Konzeption administrativen und identitätsbildenden Handelns. In diesem Sinne versteht sich die Tagung und der vorliegende Band idealerweise auch als Beitrag zur aktuellen Debatte um die zeitübergreifende Natur imperialer Raumordnungen und ihre spezifische Integrationspotenz. Alexander Rubel Iaşi, im Herbst 2016