Josef Fischer
Ernährung
im mykenischen Griechenland
Krakau 2017
Josef Fischer
Ernährung
im mykenischen Griechenland
Krakau 2017
Dieses Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung ohne Zustimmung des Verfassers ist
widerrechtlich.
© 2017 by Josef Fischer
Kontakt: josef.fischer.publikationen@gmail.com
ISBN: 978-83-8104-523-0
Erschienen bei Ridero IT Publishing Sp. z o.o., 31-150 Kraków
Gedruckt von Booksfactory, 71-063 Szczecin (Polen)
2
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort .................................................................................... 5
1. Einleitung ............................................................................. 7
2. Zusammensetzung der Ernährung ...................................... 23
3. Getreide .............................................................................. 31
4. Hülsenfrüchte ..................................................................... 71
5. Früchte und Nüsse .............................................................. 95
6. Gemüse und Gewürze ...................................................... 153
7. Fleisch .............................................................................. 215
8. Milch und Milchprodukte ................................................. 299
9. Honig ................................................................................ 313
10. Fisch ............................................................................... 323
11. Weichtiere ...................................................................... 335
12. Lagerung der Nahrungsmittel ......................................... 347
13. Zubereitung und Verzehr der Speisen ............................ 371
14. Historische Auswertung ................................................. 391
15. Bibliographie .................................................................. 425
3
Vorwort
Vorwort
Diese Arbeit wurde im Jahr 2002 an der Universität Salzburg
als Dissertation aus dem Fach Alte Geschichte und
Altertumskunde vorgelegt. Wenn sie nun, 15 Jahre nach ihrer
Entstehung, unverändert im Druck erscheint, so geschieht das
natürlich mit einigem Zögern. Denn selbstverständlich hat die
Erforschung der bronzezeitlichen Ägäis in der Zwischenzeit
viele Fortschritte gemacht, und die Materialgrundlage, auf der
diese Studie damals beruhte, ist inzwischen deutlich
angewachsen. Dennoch kann der Druck ruhigen Gewissens
verantwortet werden, denn trotz allen neuen Materials sind die
damals erzielten Ergebnisse meines Erachtens durch neue
Forschungen in keiner Weise überholt oder widerlegt worden.
Viele Personen haben zum Entstehen dieser Arbeit
beigetragen. Ich danke meinen beiden Betreuern, Frau Prof.
Sigrid Jalkotzy und Herrn Prof. Herbert Graßl, sowie Herrn
Günther E. Thüry, der bei der Suche und der Beschaffung von
Literatur stets eine große Hilfe war. Dank gilt auch meinen
damaligen Vorgesetzten und Kollegen an der Kommission für
Alte
Geschichte
und Epigraphik des
Deutschen
Archäologischen Instituts in München. Die angenehme
Arbeitsatmosphäre an der Kommission hat viel zu einem
raschen und guten Gelingen der Arbeit beigetragen.
Ebenso danke Frau Manuela Kohl, Frau Caroline Lehmler,
Frau Susanne Mortensen und Herrn Falko von Saldern, die
dankenswerter Weise die mühevolle Aufgabe des
Korrekturlesens verschiedener Teile der Arbeit übernommen
haben. Ein besonderer Dank gilt auch meinen Eltern, die mich
während meines Studiums stets unterstützt haben. Ihnen sei
diese Arbeit gewidmet.
Die Arbeit wurde in der alten Rechtschreibung verfasst und
wird nun auch in dieser im Druck vorgelegt.
5
1. Einleitung
1. Einleitung
1. 1. Allgemeines
Nahrung kommt immer zuerst, ohne sie kann es kein Leben
geben. Der geregelten Versorgung mit Nahrungsmitteln galt
zu allen Zeiten das Hauptaugenmerk der Menschen, da sie die
Grundvoraussetzung für alle weiteren kulturellen Leistungen
einer Gemeinschaft bildet. Die Beschäftigung mit der
Ernährung im prähistorischen Griechenland ist daher
gleichzeitig die Auseinandersetzung mit der wichtigsten
materiellen Grundlage der Kultur der frühen Griechen.
1. 2. Forschungssituation
Die erste und bisher einzige zusammenfassende Arbeit zur
Ernährung im prähistorischen Griechenland, Food in early
Greece von K. F. Vickery, erschien im Jahre 1936. In diesem
Werk faßte der Autor die frühen Forschungen zu den Funden
von Tierknochen, Pflanzenresten und archäologischen
Artefakten sowie sprachwissenschaftliche Überlegungen
zusammen. Aufgrund der ab den sechziger Jahren verstärkt
einsetzenden naturwissenschaftlichen Untersuchungen sowie
der Entzifferung der Linear B-Texte durch Michael Ventris
und John Chadwick ist dieses Werk aber inzwischen als
veraltet zu betrachten. Zwar wurden in der Folgezeit sowohl
von naturwissenschaftlicher als auch von archäologischer bzw.
epigraphischer Seite Teilaspekte des Themas immer wieder
aufgegriffen und behandelt, eine umfassende Synthese fehlt
aber nach wie vor. Neuere Publikationen waren vor allem
naturwissenschaftlich orientiert und berücksichtigten zuwenig
die Ergebnisse der Linear B-Forschung, so etwa der von
Yannis Tzedakis und Holley Martlew herausgegebene Katalog
7
Mykenische Ernährung
zur Ausstellung Minoans and Mycenaeans. Flavours of their
Time im Athener Nationalmuseum im Jahre 1999, der
allerdings durch die Analyse von Gefäßinhalten wertvolles
neues Material zugänglich machte, die ebenfalls 1999
erschienene Monographie The Role of the Traditional
Mediterranean Diet in the Development of Minoan Crete.
Archaeological, Nutritional and Biochemical Evidence von F.
R. Riley oder der von Sarah J. Vaughan und William D. E.
Coulson herausgegebene und im Jahr 2000 erschienene Band
Palaeodiet in the Aegean. Das Buch von Riley, das den
Versuch unternimmt, archäologisches Material und
naturwissenschaftliche
Erkenntnisse
miteinander
zu
vergleichen, liefert durch die Beschränkung auf die
Nahrungsmittel Getreide, Oliven und Fisch allerdings einen
meines Erachtens verzerrten Eindruck der viel reichhaltigeren
und abwechslungsreicheren minoischen Ernährung. Für das
mykenische Festland fehlt eine moderne, umfassende
Darstellung überhaupt.
1. 3. Ziel der Arbeit
Das Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit liegt zunächst
in der Synopse. In der Zusammenschau aller verfügbaren
Quellen soll erstmals ein umfassendes Bild der
spätbronzezeitlichen Ernährung in Griechenland entworfen
werden.
Dadurch
ergeben
sich
zahlreiche
neue
Detailbeobachtungen sowie Rückschlüsse auf die Wirtschaftsund Sozialgeschichte der mykenischen Periode. Die Ernährung
ist natürlich ein ungeheuer weites Feld, nicht alle Aspekte
eines so großen Themenkomplexes können in gleicher Weise
ausführlich behandelt werden. Die vorliegende Arbeit will in
erster Linie darlegen, welche Nahrungsmittel im
spätbronzezeitlichen Griechenland konsumiert wurden, wie sie
zubereitet wurden, und welche Bedeutung sie jeweils hatten.
8
1. Einleitung
1. 4. Quellen
Beschäftigt man sich mit der Ernährung im prähistorischen
Griechenland, so kann man sich auf die verschiedensten
Quellengattungen stützen, etwa die menschlichen Skelettreste
selbst, die Funde von Tierknochen und Pflanzenresten, von
Geräten
zur
Produktion
und
Verarbeitung
von
Nahrungsmitteln sowie von Gefäßen, in denen sich zum Teil
kleinste Rückstände von Speisen erhalten haben. Dazu
kommen die Bilddokumente der minoischen und mykenischen
Kunst sowie die frühgriechischen Linear B-Texte. Weiters
dienen zahlreiche literarische und bildliche Quellen aus
Ägypten und dem Alten Orient ebenso als wertvolles
Vergleichsmaterial, aus dem sich Erkenntnisse über die
mykenische Ernährung gewinnen lassen, wie die Literatur und
Kunst der klassischen Antike.
1. 4. 1. Menschliche Skelette
Eine wesentliche Quelle zur menschlichen Ernährung sind die
menschlichen Knochen selbst.1 Zwar sind menschliche
Skelettreste im Boden einer Vielzahl von chemischen
Prozessen ausgesetzt, doch bleibt oft ein Teil des Knochens,
das Kollagen, gut erhalten. Dieser Teil, der auch für die C14Datierung verwendet wird, ist die Grundlage biochemischer,
ernährungsgeschichtlich
relevanter
Analysen.
Das
Knochenkollagen wird durch die Proteine, welche ein
Lebewesen zu sich nimmt, aufgebaut. Da die verschiedenen
Proteine stabile Isotopenwerte beibehalten, kann durch die
Analyse des menschlichen Knochenkollagens festgestellt
werden, welche Lebensmittel verzehrt wurden. Dabei sind
zwei Elemente besonders aufschlußreich. Der Kohlenstoff1
Siehe zum Folgenden: Bisel/Angel 1985; Tzedakis/Martlew 1999 S. 210ff.
9
Mykenische Ernährung
Isotopen-Wert gibt an, wieviel Protein durch Fische und
andere Meerestiere geliefert wurde, während der StickstoffIsotopen-Wert das Verhältnis zwischen tierischer und
pflanzlicher Ernährung beschreibt.
Die Untersuchung des menschlichen Skelettmaterials erlaubt
auch eine größere Differenzierung innerhalb einer Fundstätte,
sie ermöglicht die Herausarbeitung von Unterschieden sowohl
zwischen den Ernährungsgewohnheiten von Männern und
Frauen als auch zwischen reichen und armen Bewohnern.
Ebenso können mögliche Veränderungen der Ernährung im
Laufe der Zeit festgestellt werden.
1. 4. 2. Pflanzenfunde
Die Funde pflanzlichen Materials2 auf archäologischen
Grabungen geben Aufschluß über die angebauten
Kulturpflanzen sowie die gesammelten Wildpflanzen.
Allerdings besitzen wir nur einen winzig kleinen Ausschnitt
des ursprünglichen Nutzpflanzenbestandes. Nicht alle
Pflanzen erhalten sich gleich gut. Auch die Art der
Weiterverarbeitung, über die wir oft nur wenig wissen,
beeinflußt die Qualität der Erhaltung genauso wie die
Quantität der konservierten Pflanzenreste. Die meisten
Pflanzenreste in der Ägäis wurden durch Verkohlen
konserviert, es sind daher nur Pflanzen mit festen Samen oder
Früchten betroffen, die mit Feuer in Kontakt kamen. Während
etwa Getreide im Laufe seiner Verarbeitung leicht einmal
verkohlt werden kann, trifft das für Gemüse, Früchte und
Nüsse weniger häufig zu. Pflanzenteile wie Blätter, Blüten
oder Wurzeln bleiben dagegen kaum erhalten, ebensowenig
Pilze. Diese Nahrungsmittel sind daher im archäologischen
Fundmaterial kaum bis gar nicht vertreten.
2
Siehe dazu: Hansen 1985; Hansen 2000.
10
1. Einleitung
Die meisten an archäologischen Fundstellen gefundenen
Pflanzen repräsentieren wohl Teile der menschlichen
Ernährung. Dies ist aber nicht zwingend so. Oft ist es
schwierig zu entscheiden, ob eine Pflanze eine zu
Ernährungszwecken angebaute Nutzpflanze, ein Unkraut, eine
absichtlich zur Ernährung gesammelte, wildwachsende
Pflanze, eine wildwachsende Futterpflanze, eine angebaute
Futterpflanze
oder
ein
Abfallprodukt
bei
der
Nahrungsproduktion ist. Oft treffen auch mehrere dieser
Möglichkeiten zu, ebenso kann dies für die gleiche Pflanze an
unterschiedlichen Fundorten oder in unterschiedlichen
Perioden variieren. Bei der Klärung dieser Fragen kann die
Betrachtung des archäologischen Kontextes nützlich sein,
allerdings stammen die meisten Pflanzenfunde aus dem
prähistorischen Griechenland aus sehr nicht besonders
aussagekräftigen Zusammenhängen, wie etwa Fußböden.
Auch werden viele Fundstellen nur ungenügend untersucht,
und selbst wenn genügend Material gesiebt und geschlämmt
wurde, liefern unterschiedliche Untersuchungsmethoden
divergierende Ergebnisse. Die bloße Anzahl von
Pflanzenresten, die in einer Grabung geborgen werden, besitzt
daher nur in geringem Maße Aussagekraft über die Bedeutung
der verschiedenen Pflanzen an der jeweiligen Fundstelle. Es ist
also so gut wie unmöglich, genau zu bestimmen, welchen
relativen Anteil an der menschlichen Ernährung bestimmte
pflanzliche Produkte hatten.
Die Identifikation von Pflanzenresten in Griechenland hat
schon eine lange Geschichte3 und begann vor über 100 Jahren,
als Minos Kalokairinos 1878 im Palast von Knossos in
Vorratsgefäßen verkohlte Bohnen und Erbsen fand. Auch in
den folgenden Jahren wurden immer wieder Pflanzenreste
aufgedeckt (z. B. durch Fouqué auf Thera), und als 1885 H.
Schliemann in Tiryns Reste von Trauben fand, wurden diese
3
Siehe zum Folgenden Hansen 1985 S. 172.
11
Mykenische Ernährung
durch H. Wittmack identifiziert, dem ersten professionellen
Botaniker, der sich mit den griechischen Funden befaßte, und
der in der Folge auch die pflanzlichen Überreste aus Sesklo,
Dimini, Marmariani und Orchomenos bearbeitete. In den
folgenden Jahren befaßten sich nur wenige Spezialisten mit
den Funden, der Direktor des Naturhistorischen Museums in
London identifizierte Pflanzenreste aus Palaikastro auf Kreta,
und in den 30er–Jahren bearbeitete F. Netolitsky pflanzliches
Material von Kephallenia, Knossos und Phaistos. Die
Ergebnisse dieser frühen Arbeiten wurden von K. Vickery
zusammengefaßt.4 Erst ab den 60er-Jahren begann man auf
griechischen Grabungen sorgfältig nach karbonisiertem
Pflanzenmaterial zu suchen und es fachgerecht zu bergen.
Obwohl die Erforschung der prähistorischen Pflanzenreste in
Griechenland in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte
gemacht hat, ist die derzeitige Forschungslage aber noch weit
davon entfernt, befriedigend zu sein. Viel zu wenige
Fundstellen sind adäquat untersucht und publiziert. Auch die
ungleichmäßige zeitliche und räumliche Verteilung von
Pflanzenfunden in Griechenland stellt uns vor einige
Schwierigkeiten. Denn während etwa für das Spätneolithikum
sowie die Spätbronzezeit eine Reihe von Fundorten
ausgewertet werden kann, stehen zum einen für das
Paläolithikum und Mesolithikum sowie zum anderen für das 1.
Jt. v. Chr. nur vereinzelte Daten zur Verfügung.
Nur wenige Untersuchungen können für die vorliegende
Arbeit herangezogen werden, in erster Linie stützt sie sich auf
die Befunde aus Tiryns5 und Midea.6 Die anderen großen
Untersuchungen, die bisher unternommen
wurden,
4
Vickery 1936.
Kroll 1982; Kroll 1984.
6
Shay/Shay/Kapinga 1998.
5
12
1. Einleitung
konzentrieren sich auf den Norden Griechenlands,7 wo es
keine Paläste und keine palatiale Organisation gab.
1. 4. 3. Tierknochenfunde
Funde von Tierknochen8 auf archäologischen Ausgrabungen
stellen wertvolle Quellen zur Fleischernährung in
prähistorischer Zeit dar. Bei der Auswertung von
Knochenfunden muß man sich aber einige Umstände stets vor
Augen halten. So sind etwa die Knochen, die an einer
Fundstelle zu Tage treten, nicht ein zufälliges Spektrum von
Tieren, die damals in diesem Gebiet lebten, sondern sie
wurden durch die Menschen, die hier lebten, ausgewählt,
wobei ökonomische wie auch kulturelle Faktoren zum Tragen
kamen. Sie stammen von Tieren, die von den Menschen
intentionell getötet wurden, um aus einem der anfallenden
Schlachtprodukte Nutzen zu ziehen (z. B. Fleisch, Haut,
Sehnen, Knochen, usw.). Tiere aber, die vorwiegend wegen
ihrer Zugkraft oder als Reittiere Verwendung fanden, und auch
solche, die hauptsächlich wegen ihrer Milch gehalten wurden,
müssen nicht notwendigerweise geschlachtet worden sein.
Die meisten archäologischen Knochenfunde stellen die Reste
menschlicher Mahlzeiten dar. Sie geben aber nicht immer ein
genaues Bild der menschlichen Ernährung wieder. Tiere
können etwa außerhalb der Fundstelle getötet und verzehrt
worden sein, manchmal brachte man auch nur Teile eines
Tieres an die Fundstelle, etwa das Fleisch ohne die Knochen.
Natürlich wurden Tiere nicht nur der menschlichen Ernährung
wegen gejagt oder gehalten. Die Knochenreste können auch
für andere Tätigkeiten Zeugnis ablegen. So könnten sie etwa
als Brennstoff oder als Rohstoff zur Herstellung von
7
8
Kroll 1983; Jones/Wardle/Halstead/Wardle 1986.
Siehe zum Folgenden Boessneck 1978; Payne 1985; Davis 1987.
13
Mykenische Ernährung
Knochengeräten gedient haben. Dazu kommen Knochen,
deren Vorhandensein überhaupt nichts mit menschlichen
Aktivitäten zu tun hat, etwa von Tieren, die an der Fundstelle
gestorben sind, oder von Tieren, die von anderen Tieren
(Hunde, Eulen, usw.) angeschleppt und am Fundort gefressen
wurden.
Die Knochen spiegeln zudem nur die Welt der toten Tiere
wider, nicht aber die Zusammensetzung lebender
Tierbestände. So kann es in einem Dorf etwa mehr Kühe als
Schweine geben, Schweine haben aber viele Ferkel pro Jahr,
eine Kuh nur ein oder zwei Kälber. In diesem Fall geben viele
Schweineknochen nur unterschiedliche Reproduktionsraten
wieder, nicht aber den tatsächlichen Herdenbestand lebender
Tiere.
Außerdem zeigt der Knochenbefund stets nur einen winzigen
Ausschnitt des Knochenspektrums, das einst an der Fundstelle
existierte. Wo und wie die Knochen schließlich unter die Erde
kommen, beeinflußt die Chancen ihrer Erhaltung dann ebenso
wie die chemische Beschaffenheit des Bodens. Knochen
halten sich gut in alkalischen und kalkhaltigen Böden, schlecht
aber in sauren und sandigen. Im Laufe der Zeit wirken die
verschiedensten äußeren Faktoren auf das Knochenmaterial
ein. So darf etwa der große zerstörerische Effekt von Hunden
auf Knochen nicht vernachlässigt werden.
Die Knochen wurden außerdem zum Teil geröstet und
aufgebrochen, um das Mark herauszubekommen, sie konnten
aber auch durch unbeabsichtigtes Zertrampeln schon in
prähistorischer Zeit oder durch ungewolltes Zerbrechen im
Rahmen der Ausgrabung fragmentiert werden.
Bei einer archäologischen Ausgrabung schließlich wird meist
nur ein kleiner und nicht unbedingt immer repräsentativer Teil
einer Fundstelle freigelegt. Dabei hat sich herausgestellt, daß
bei der herkömmlichen Grabungsmethode mit Schaufel und
Spitzhacke ohne Sieben fast alle Knochen kleiner Tiere und
viele kleine Knochen größerer Tiere übersehen werden. Die
14
1. Einleitung
hohe Verlustrate von Knochen im Laufe der Zeit ist bei jeder
Interpretation natürlich ein Problem. Schwächere und dünnere
Knochen sind im Fundgut meist nur sehr schwach vertreten.
Der Knochenverlust darf aber als Erklärung nicht
überstrapaziert werden.
Nimmt man nun also allein die Gesamtmenge der gefundenen
Knochen, so birgt das mehrere Gefahren in sich. Zum einen
besitzen die Skelette verschiedener Tiere eine unterschiedliche
Anzahl von Knochen, zum anderen wird hier auch die
Fragmentierung der Knochen ignoriert, die Bedeutung von
Tieren, die nur durch eine beschränkte Anzahl von
Skelettelementen vertreten sind, wird verringert, Tiere, deren
Knochen aus irgendeinem Grund besser erkannt werden
können, werden in ihrer Rolle überschätzt.
Deshalb wird meist die Mindest-Individuenzahl (MIZ)
errechnet, die Anzahl also der sicher im Befund vertretenen
einzelnen Tiere. Ein Problem ergibt sich hier daraus, daß sich
die einzelnen Archäozoologen bei der Berechnung der MIZ
unterschiedlicher Methoden bedienen.
Aber auch die Mindestindividuenzahl sagt nur wenig über die
ökonomische Bedeutung der einzelnen Arten aus.
Verschiedene Tiere liefern unterschiedliche Mengen an
Fleisch. Eine Möglichkeit dieses Problem zu bewältigen,
besteht darin, die Knochen zu wiegen, da zwischen dem
Skelettgewicht und dem Fleischgewicht von Säugetieren ein
direktes Verhältnis besteht. Ein Unsicherheitsfaktor besteht
aber darin, daß die Knochen aus archäologischen
Ausgrabungen oft angebrannt oder verbrannt sind. Verbrannte
Knochen sind nämlich leichter als unverbrannte.
Ein weiteres Problem ergibt sich dadurch, daß die
Arbeitsweise von Archäozoologen sehr unterschiedlich ist.
Während manche nicht eindeutig bestimmbare Stücke
weglassen, bestimmen andere soviel wie nur irgend möglich.
Manche arbeiten in sehr weiten Kategorien, andere wieder
ignorieren alles, was nicht auf Art oder Gattung genau
15
Mykenische Ernährung
bestimmt werden kann. Es darf auch nicht vergessen werden,
daß die Bestimmungskriterien von Knochenfunden in vielen
Fällen nicht eindeutig definiert sind. Der Erfahrung des
Bearbeiters kommt daher eine große Bedeutung zu.
Die ersten Studien zu prähistorischem Knochenmaterial in der
Ägäis wurden bereits für Heinrich Schliemann am
Fundmaterial aus Troja getätigt, die erste auch von einem
Zoologen publizierte Studie befaßte sich mit Knochen aus der
Grabung 1901 in der Diktäischen Höhle auf Kreta. In der
Folgezeit wurden nur vereinzelt Untersuchungen angestellt,
bis sich in den 50er-Jahren J. Boessneck mit der
frühgriechischen Fauna auseinanderzusetzen begann. Fortan
beschäftigte man sich in größerem Ausmaß mit griechischen
Knochenfunden, wobei hier vor allem Forscher aus England,
Deutschland und Amerika tätig wurden.
Die meisten Untersuchungen zu Knochenfunden befassen sich
mit der neolithischen Periode und der Bronzezeit. Historische
Fundstätten sind, wie auch bei den Pflanzenfunden, um vieles
schlechter untersucht.
1. 4. 4. Linear B-Texte
Eine weitere wichtige Quelle stellen die mykenischen Linear
B-Tafeln9 dar, die in vielen Fällen Nahrungsmittel
verzeichnen. So führen sie große Mengen von Getreide auf, sie
nennen Oliven und Olivenöl, Feigen, Wein, Honig und
Gewürze. Dazu kommt die Erwähnung von verschiedenen
Haus- und Wildtieren sowie sekundärer Produkte wie Käse.
Doch abgesehen von lückenhaften Fundumständen und in
manchen Fällen schlechter Erhaltung der Tafeln, stehen wir 50
9
Einführend und grundlegend zu den Linear-Texten: L. R. Palmer 1963;
Ventris/Chadwick 1973; Hiller/Panagl 1976; Hooker 1980.
16
1. Einleitung
Jahre nach der Entzifferung der mykenischen Schrift bei der
Interpretation der Texte noch vor vielen Rätseln.
Das Verständnis der Texte wird dadurch, daß der Palast sich
nur für ganz bestimmte Aspekte der Verwaltung, Organisation
und Wirtschaft interessierte und seine Aufzeichnungen auf
diese Teilbereiche beschränkte, erschwert. Statt mit
Kochrezepten oder ähnlichem haben wir es in der Hauptsache
mit Personenlisten, Inventaren oder Landbesitztexten zu tun.
Dazu kommt, daß die Bedeutung etlicher Worte und
Ideogramme immer noch nicht geklärt werden konnte, bei
anderen, für die bereits eine Interpretation gefunden wurde, ist
diese noch nicht hinreichend verifiziert.
Auch stellt sich die Frage, inwieweit diese Texte, die ja in den
letzten Wochen und Monaten vor dem Untergang der Paläste
verfaßt und im Katastrophenfeuer gebrannt wurden, überhaupt
den „Normalzustand“ der Palastverwaltung wiedergeben.
Genauso muß in den meisten Fällen berücksichtigt werden,
daß die verzeichneten Nahrungsmittel uns nicht in einem
Ernährungskontext, sondern etwa als Ingredienzien zur
Produktion von parfümierten Ölen oder als Färbemittel in der
Textilverarbeitung entgegentreten. Man kann aber, wie ich
glaube, in den meisten Fällen davon ausgehen, daß potentielle
Nahrungsmittelressourcen
von
den
Menschen
im
spätbronzezeitlichen Griechenland auch genutzt wurden.
Außerdem muß man stets im Auge behalten, daß die
Menschen der Antike ihre Welt nicht zwangsläufig in die
selben Kategorien einteilten, wie wir dies heute tun. So
rechnete etwa Theophrast10 die Hirse, , nicht zum
Getreide im engeren Sinn, ein weiteres Beispiel ist der Begriff
, der im alltäglichen Sprachgebrauch nicht nur den
Sellerie, sondern auch den Eppich und die Petersilie meinen
konnte.11
10
11
Theophr. hist. plant. 8, 1, 1.
Vgl. Andrews1949/50, S. 91-99.
17
Mykenische Ernährung
Dennoch besitzen die Linear B-Texte für unsere Zwecke
großen Wert, denn sie können uns zum Teil wesentliche
Informationen liefern, die andere Quellengattungen nicht zu
bieten vermögen. Angeführt seien hier etwa die Erwähnungen
von Kräutern und Gewürzen, die im archäologischen
Pflanzenmaterial kaum greifbar sind, in der mykenischen GeSerie oder der auf vielen Täfelchen erwähnte Honig, der sich
im archäologischen Befund sonst ebenfalls nur schwer
nachweisen läßt. Auch die Auflistungen von Getreide- und
Feigenrationen an vom Palast abhängige Arbeiterinnen und
deren Kinder in den pylischen Ab-Texten liefern uns trotz
aller diese Serie betreffenden und noch zu lösenden Probleme
wichtige Aufschlüsse.
Weiters gewährleisten uns die Linear B-Texte teilweise
Einblicke in die Organisation der Nahrungsmittelproduktion.
Dazu
gehören
etwa
Informationen
über
die
Landbesitzverhältnisse, über die von den Palastzentren
kontrollierten Wirtschaftszweige, über die dafür zuständigen
Beamten sowie den Umlauf, die Abgabe und die Verteilung
von Nahrungsmitteln.
1. 4. 5. Weitere Naturwissenschaftliche Methoden
Durch verschiedene naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden12 ist es weiters möglich, winzigste organische
Rückstände an den Innenseiten prähistorischer Gefäße
nachzuweisen, die so darauf hinweisen, welche Speisen in
diesen Gefäßen zubereitet wurden. Fraglich muß dabei
allerdings immer bleiben, ob die verschiedenen festgestellten
Nahrungsmittel gleichzeitig, etwa in Form von Eintöpfen, in
diesen Gefäßen verarbeitet wurden, oder ob dies nacheinander
geschah.
12
Siehe dazu Tzedakis/Martlew 1999 S. 26ff.
18
1. Einleitung
1. 4. 6. Bildquellen
Erwähnt werden müssen auch die zahlreichen Bilddokumente
der minoischen und mykenischen Kunst.13 Unglücklicherweise
besitzt vor allem die mykenische Kunst einen stark höfischen
und sakralen Charakter, Alltagsszenen werden so gut wie nicht
dargestellt. Zwar finden sich immer wieder Darstellungen
potentieller Nahrungsmittel, vor allem von Tieren, doch ist
ihre Schlachtung, Weiterverarbeitung oder Zubereitung
genausowenig Thema der Bilder wie der Anbau und die
Verarbeitung
von
Pflanzen.
Auch
Szenen
der
Nahrungsaufnahme sind selten, eine Ausnahme stellt etwa die
Darstellung von Männern an dreibeinigen Tischen, vermutlich
eine Bankettszene, aus dem Thronraum von Pylos dar.14
Natürlich ist zu berücksichtigen, daß es sich in diesem Fall um
keine gewöhnliche Speiseszene handelt, sondern – dies legt
schon der Anbringungsort der Wandmalereien nahe – wohl um
ein stark ritualisiertes, kultisches Gastmahl.
1. 4. 7. Vergleichsmaterial
Zusätzlich zu den mykenischen Text- und Bildquellen kann
der Vergleich mit ungefähr zeitgleichen literarischen und
bildlichen Quellen aus Mesopotamien und Ägypten weitere
nützliche Hinweise auf die Organisation von Ackerbau und
Viehzucht, die produzierten Nahrungsmittel sowie deren
Weiterverarbeitung geben. Gerade aus Ägypten15 stehen schon
von frühester Zeit an neben den unzähligen Schriftquellen
13
Allgemein zur minoischen und mykenischen Kunst etwa Hood 1978;
Higgins 1981.
14
McCallum 1987 S. 94ff., 130ff.; Immerwahr 1990 S. 134 und Pl. 78.
15
Das Standardwerk zur Ernährung im Alten Ägypten ist
Darby/Ghalioungui/Grivetti 1977.
19
Mykenische Ernährung
auch eine Vielzahl bildlicher Darstellungen zur Verfügung, die
die Nahrungsmittelproduktion zum Thema haben.
Auch in der Literatur der klassischen, griechisch-römischen
Antike finden sich zahlreiche Erwähnungen von
Nahrungsmitteln, Abhandlungen zum Acker- und Gartenbau,
zur Nutztierhaltung und vieles andere, was für eine Studie zur
antiken bzw. prähistorischen Ernährung in Griechenland von
großem Wert ist. Es gibt kaum eine Literaturgattung, ja kaum
ein Werk, das nicht irgendwo in einer Weise auf die
Ernährung Bezug nimmt. Besonders hervorzuheben sind als
Quellen für die vorliegende Studie aufgrund ihrer zeitlichen
Stellung natürlich die Werke Homers und Hesiods. Dazu
kommt das Gelehrtenmahl des Athenaios von Naukrates, ein
umfangreiches
Sammelwerk,
welches
reichhaltiges
antiquarisches, grammatisches und literarisches Material aus
Dichtern und Schriftstellern unterschiedlicher Epochen sowie
viel Wissenswertes rund um das Gastmahl enthält. Dazu
kommen des Weiteren die Rezeptsammlung des Apicius, die
Naturgeschichte Plinius des Älteren, die landwirtschaftlichen
Werke Theophrasts, Catos sowie Columellas, ebenso die
medizinischen Bücher des Corpus Hippocraticum, des
Dioskurides, Galens sowie des Celsus.
Großen Wert haben etwa auch Komödien und Satiren, die in
ihrer – wenngleich oft überspitzten – Schilderung des
Alltagslebens verschiedene Aspekte der Ernährung
beleuchten, so etwa in den Werken des Aristophanes, des
Plautus, Martials oder Juvenals. Natürlich muß man sich stets
der oft beträchtlichen zeitlichen, kulturellen und ökologischen
Unterschiede bewußt sein, die etwa zwischen dem
spätbronzezeitlichen Messenien und dem Rom der hohen
Kaiserzeit bestehen. Dennoch stellen die klassischen Texte ein
wichtiges Hilfsmittel dar, will man zu einem anschaulicheren
20
1. Einleitung
Bild der Ernährung
gelangen.16
im
prähistorischen
16
Griechenland
Grundlegend zur Ernährung der klassischen Antike Dalby 1998 zur
griechischen und André 1998 zur römischen Ernährung.
21
2. Zusammensetzung
2. Zusammensetzung der Ernährung
Die relative Zusammensetzung der menschlichen Ernährung
läßt sich, wie eingangs erwähnt,17 am besten anhand des
menschlichen Skelettmaterials feststellen. Die Untersuchung
des erhaltenen Knochenkollagens erlaubt nämlich nicht nur
eine Unterscheidung zwischen hauptsächlich tierischer und
pflanzlicher Nahrung, sie ermöglicht auch die Bestimmung
des Anteils maritimer Nahrungsmittel an der Ernährung
einzelner Individuen. Dadurch wird eine größere
Differenzierung innerhalb einer Fundstätte, etwa die
Herausarbeitung
von
Unterschieden
zwischen
den
Ernährungsgewohnheiten von Männern und Frauen oder auch
zwischen reichen und armen Bewohnern möglich. Bevor daher
die einzelnen Nahrungsmittel der Reihe nach durchbesprochen
werden, sollen im folgenden zunächst einige aufschlußreiche
Untersuchungen am menschlichen Skelettmaterial skizziert
werden.
2. 1. Schachtgräberkreis B in Mykene
Der Schachtgräberkreis B18 liegt am westlichen Ende der
mittelhelladischen Nekropole von Mykene und wurde in den
Jahren 1952-1954 von J. Papademetriou und G. E. Mylonas
ausgegraben. Von einer steinernen Umfassungsmauer
umgeben fanden sich 14 Schachtgräber und 12 kleinere
Gräber. Diese Gräber, die wir wohl der aristokratischen
Führungsschicht Mykenes zuschreiben können, datieren ins
17. und 16. Jh. v. Chr. und sind damit etwas früher bzw.
17
18
Siehe Kap. 1. 4. 1.
Siehe zum Schachtgräberkreis B: Mylonas 1973.
23
Mykenische Enährung
gleichzeitig mit den frühen Gräbern im Schachtgräberkreis A,
der weiter unten behandelt werden wird.
Insgesamt wurden die Überreste von 35 Individuen gefunden,
von denen 22 komplett genug erhalten waren, um sie
eingehender studieren zu können.19 Von diesen 22 Personen
waren 16 Männer, vier Frauen und zwei Kinder. Die Männer
waren zwischen 23 und 55 Jahre alt, bei einem
durchschnittlichen Alter von 36 Jahren.
Die Knochen dieser Männer und Frauen waren robuster als die
Knochen
anderer
prähistorischer
Populationen
in
Griechenland. Mit einer durchschnittlichen Körperhöhe von
159,1 cm bei den Frauen und 171,5 cm bei den Männern
waren sie 4-5 cm größer als die durchschnittlichen Griechen
zu dieser Zeit.
Bemerkenswert geringe Hinweise auf Zahnprobleme,
Wachstumsstörungen
sowie
Infektionsoder
ernährungsbedingte Krankheiten zeigen, daß diese Menschen
generell ein gesünderes und besseres Leben führten als ihre
Zeitgenossen. Mehrere Verwundungen an den männlichen
Skeletten legen allerdings nahe, daß sie wohl in verschiedene
Kämpfe verwickelt waren.
Die Untersuchung der stabilen Isotopen-Werte einiger Skelette
ergibt, daß von wenigen Ausnahmen – interessanterweise die
beiden ältesten Männer – abgesehen, Fisch und Meeresfrüchte
nur eine untergeordnete Rolle spielten. Weiters hatten fast alle
Individuen einen recht hohen Anteil tierischen Proteins in
ihrer Ernährung.
19
Siehe zum Folgenden: Tzedakis/Martlew 1999 S. 220ff.
24
2. Zusammensetzung
2. 2. Schachtgräberkreis A von Mykene
Der Schachtgräberkreis A20 besteht aus sechs großen Schachtsowie einigen kleineren Gräbern und wurde im 16. Jh. v. Chr.
am Burghang von Mykene innerhalb der mittelhelladischen
Nekropole angelegt. Im Zuge der baulichen Umgestaltung der
Burg von Mykene im 13. Jh. v. Chr. wurde auch dieser
Grabbereich neu organisiert und auf erhöhtem Niveau mit
einer monumentalen Umfassungsmauer umgeben.
Fünf der sechs Schachtgräber wurden von H. Schliemann
freigelegt, eines von P. Stamatakis. In diesen Gräbern fanden
sich 19 Individuen, acht Männer, neun Frauen und zwei
Kinder. Fünf Personen trugen Goldmasken, und die Kinder
waren mit Goldfolie bedeckt. Unglücklicherweise waren die
Skelettreste schlecht erhalten, und nur von sechs Skeletten
konnten Details aufgenommen werden.21 Für zwei Individuen,
beide männlich, konnte die Größe ermittelt werden, nämlich
166 cm und 182,5 cm.
Die im Schachtgräberkreis A bestatteten Personen waren
ähnlich robust gebaut und muskulös wie die Individuen in
Schachtgräberkreis B.
Die meisten untersuchten Individuen konsumierten zu einem
gewissen Teil (bis zu 20%) Meerestiere, auch der Anteil
tierischen Proteins ist wieder relativ hoch. Interessant ist ein
klarer Unterschied zwischen den Geschlechtern. Offenbar
enthielt die Nahrung der Männer mehr Meeresfrüchte als die
Nahrung der Frauen.
20
21
Siehe zum Schachtgräberkreis A: Karo 1930 a.
Siehe zum Folgenden Tzdakis/Martlew 1999 S. 224ff.
25
Mykenische Enährung
2. 3. Kammergräber von Mykene
An den Hängen der Hügel rund um den Burgberg von Mykene
konnten mehrere Friedhöfe identifiziert werden, die jeweils
aus
mehreren
Kammergräbern
bestanden.22
Diese
Kammergräber dienten wohl den Leuten, die in den
Siedlungen rund um den Palast von Mykene wohnten, als
Begräbnisstätte und lassen sich im allgemeinen als Gräber von
Personen der Mittelschicht ansprechen.
Die Gräber sind von mittlerer Größe und in den natürlichen
Felsen eingeschnitten. Sie wurden über viele Generationen
benutzt. Kam eine neue Bestattung in die Grabkammer,
wurden die Reste früherer Bestattungen meist auf die Seite
geräumt. Typische Beigaben bestehen etwa aus verschiedenen
Gefäßen, Tonidolen, Elfenbeinschnitzereien, Schmuck (z. B.
Glasperlen) oder auch Siegelsteinen.
Die Analyse des Knochenkollagens einiger Individuen aus den
Kammergräbern von Mykene zeigt, daß Fische und
Meeresfrüchte in der Ernährung dieser Leute so gut wie keine
Rolle spielten.23 Die Stickstoff-Isotopen-Werte variieren sehr
stark, manche Personen hatten einen besonders hohen Anteil
tierischen Proteins in ihrer Ernährung, andere aßen wiederum
mehr Pflanzen.
22
23
Siehe zu den Kammergräbern von Mykene Wace 1932.
Siehe dazu Tzedakis/Martlew 1999 S. 228ff.
26
2. Zusammensetzung
2. 4. Kammergräber von Armenoi
In den Kammergräbern von Armenoi24 auf Kreta fanden sich,
bestattet in Gräbern von verschiedener Form und Größe, etwa
143 männliche Erwachsene, 107 weibliche Erwachsene und
114 Kinder. 57% der Kinder verstarben vor Erreichen ihres
fünften Lebensjahres, 34% wurden nicht einmal zwei Jahre alt.
Das erreichte Durchschnittsalter der Männer betrug 31 Jahre,
das der Frauen 28 Jahre, wobei die meisten Frauen zwischen
20 und 25 Jahren starben, wohl infolge der Gefahren des
Kindbettes.
Die Männer wurden durchschnittlich 167,6 cm groß, die
Frauen 154,6 cm. Damit waren sie etwas kleiner als die
heutige kretische Bevölkerung (168,1 cm bzw. 156,5 cm). Die
Leute von Armenoi führten ein sehr aktives Leben, wie
zahlreiche Knochenbrüche und der Befund einer
traumatischen Arthritis bei 15 Personen nahelegen.
Zahnprobleme waren unter den Einwohnern von Armenoi –
verglichen mit anderen minoischen Siedlungen und
Nekropolen – ein großes und weit verbreitetes Problem. Dazu
kamen etliche Infektions- (Osteomyelitis, Brucellosis und
Tuberkulose)
und
ernährungsbedingte
Krankheiten
(Osteoporose, Skorbut, Rachitis, Eisenmangel).25
Die Leute von Armenoi aßen so gut wie keine Fische und
Meeresfrüchte. Das Verhältnis von pflanzlicher und tierischer
Kost war ausgewogen, im allgemeinen mit einem guten Anteil
tierischen Proteins. Während sich zwischen etwas reicheren
und ärmeren Personen keine Unterschiede ergaben, so scheint
es doch, als hätten die Männer mehr Fleisch (oder Milch)
konsumiert als die Frauen.
24
Siehe zur Nekropole von Armenoi Tzedakis 1996, zur Ernährung der
Bestatteten Tzedakis/Martlew 1999 S. 246f.
25
Zum Ernährungszustand der Menschen im spätbronzezeitlichen
Griechenland siehe Kap. 14. 5.
27
Mykenische Enährung
2. 5. Attika – Argolis – Messenien: ein Vergleich
S. C. Bisel und J. L. Angel26 verglichen zahlreiche Funde
menschlicher Skelette aus den griechischen Landschaften
Attika, Argolis (mit Lakonien) und Messenien und kamen
dabei zu folgenden Ergebnissen:
Die Messenier waren etwas größer als die Bewohner der
beiden anderen Gebiete, lebten aber kürzer, dies ist
möglicherweise durch eine etwas bessere Ernährung sowie
durch mehr lokale Infektionskrankheiten zu erklären.
Große Unterschiede ergaben sich beim Strontiumgehalt der
Knochen aus Nichoria/Messenien sowie aus Athen/Attika. Das
Sr/Ca-Verhältnis in Athen beträgt 1,23, in Nichoria 0,55. Dies
ist möglicherweise dadurch bedingt, daß man in Attika die
pflanzliche Kost durch mehr Meerestiere supplementierte als
in Messenien, während die Nichorianer mehr Fleisch von
Landtieren verzehrten als die Athener. Deutliche Unterschiede
im Zinkgehalt der Knochen lassen auch auf Unterschiede in
der Qualität der Getreideprodukte an beiden Orten schließen.
2. 6. Zusammenfassung
Vergleicht man die Ergebnisse dieser einzelnen
Untersuchungen, so läßt sich – mit aller nötigen Vorsicht –
allgemein Folgendes festhalten:
In der Ernährung lassen sich regionale und soziale
Unterschiede
feststellen.
Angehörige
höherer
Gesellschaftsschichten waren besser und ausgewogener
ernährt als ihre ärmeren Mitbürger. Diese ausgewogenere
Ernährung manifestierte sich auch in einem häufigeren
Konsum von Fisch und Meeresfrüchten, die aber generell zu
26
Bisel/Angel 1985.
28
2. Zusammensetzung
dieser Zeit nur einen geringen Anteil an der menschlichen
Ernährung ausmachten.
Unterschiede lassen sich nicht nur zwischen Ärmeren und
Reicheren, sondern auch zwischen Männern und Frauen sowie
möglicherweise zwischen älteren und jüngeren Personen
aufzeigen. Die Befunde sind aber noch zu dürftig, um hier eine
verschiedenartige Ernährung bzw. Verpflegung der
Geschlechter oder eine Sonderbehandlung älterer Personen zu
postulieren.
Der Konsum von tierischen Nahrungsmitteln, also von Fleisch
und Milchprodukten, war aber in allen Gesellschaftsschichten
von überraschend hoher Bedeutung.
29
3. Getreide
3. Getreide
3. 1. Einleitung
Getreide ist das wichtigste Nahrungsmittel der Menschheit.
Ohne Korn gäbe es keine Zivilisation. Das aus dem Getreide
gewonnene Mehl, der Schrot sowie die ganzen Körner werden
weltweit zu Broten, Breien, Grützen, Fladen und anderen
Mehlspeisen verarbeitet. Auch im Mittelmeerraum bildete das
kohlehydratreiche und gut haltbare Getreide die gesamte
Antike hindurch einen wesentlichen Bestandteil der
menschlichen Ernährung.27 Getreide wurde erstmals in der
südlichen Levante kultiviert, in einem Gebiet, wo noch heute
die wilden Vorfahren von Emmer und Gerste natürlich
wachsen. Die frühesten Funde28 von domestiziertem Getreide
in diesem Gebiet stammen aus archäologischen Kontexten von
ungefähr 9000 v. Chr. Von dort aus verbreitete sich der
Getreideanbau rasch in die östliche und zentrale Türkei, sowie
entlang des Zagrosgebirges in den Iran und den Irak. Um das
Jahr 6000 v. Chr. wurden bereits vier Arten von Weizen –
Einkorn (Triticum monococcum), Emmer (Triticum dicoccum),
Hartweizen (Triticum durum), Brotweizen (Triticum aestivum)
– und zwei Arten von Gerste – sowohl zweizeilige (Hordeum
vulgare ssp. distichum) als auch sechszeilige (Hordeum
vulgare ssp. vulgare) – in größerem Ausmaß in allen drei
Gebieten angebaut. Die kultivierten Pflanzen haben sich dann
schnell nach Westen, in den Balkanraum und nach Europa,
und in den Osten, nach Zentralasien und Indien, sowie in den
Nilraum ausgebreitet. Diese Ausbreitung vollzog sich äußerst
rasch, und schon zu Beginn des 6. Jahrtausends war der frühe
Ackerbau in Griechenland fest etabliert. Im frühneolithischen
27
28
Siehe zum Folgenden: J. Renfrew 1995.
Wichtige frühe Fundplätze sind z.B. Tell Abu Hureyra oder Mureybit.
31
Mykenische Enährung
Thessalien und in Makedonien war der Weizen noch das
wichtigste Getreide,29 im Chalkolithikum und der Bronzezeit
gewann die Gerste aber immer mehr an Bedeutung.
3. 2. Getreide im spätbronzezeitlichen Griechenland
Betrachten wir im Folgenden etwas genauer die Funde von
Getreide aus spätbronzezeitlichen Fundkontexten. Zumindest
6 Getreidearten fanden sich in größeren Mengen im
spätbronzezeitlichen Griechenland: Saatweizen (Triticum
aestivum/durum), Spelz (Triticum spelta), Emmer (Triticum
dicoccum), Einkorn (Triticum monococcum), Gerste (Hordeum
vulgare) und Rispenhirse (Panicum miliaceum).30
Das häufigste Getreide31 im archäologischen Befund ist meist
die Gerste, und zwar die vierzeilige Spelzgerste (Hordeum
vulgare vulgare). Die wichtigste Weizensorte war der Emmer
(Triticum dicoccum), Einkorn (Triticum monococcum) findet
sich weniger häufig, wurde aber wohl angebaut und trat nicht
nur als Gastgetreide auf. Gelegentlich fand man auch
freidreschende Weizen (Triticum aestivum/durum). Nackte
Weizen gehörten zwar zum neolithischen und bronzezeitlichen
Grundinventar der Kulturpflanzen Griechenlands und
angrenzender Gebiete, doch waren sie selten Hauptgetreide.32
Spelz oder Dinkel (Triticum spelta) kommt hin und wieder in
bronzezeitlichen Funden vor, doch hatte er keine
wirtschaftliche Bedeutung. Ohne große wirtschaftliche
Bedeutung war im mykenischen Kerngebiet auch die Hirse
(Panicum miliaceum), die aber im Norden, in Makedonien, ein
Hauptgetreide war.
29
R. Palmer 1992 S. 478.
Halstead 1995 S. 229.
31
Zur relativen Bedeutung der einzelnen Getreidesorten siehe Kroll 1982
S. 468f.
32
Kroll 1983 S. 119.
30
32
3. Getreide
3. 2. 1. Gerste
Die Gerste (griech. /lat. hordeum) ist eine sehr
zuverlässige und widerstandsfähige Kulturpflanze, die wenig
unter Krankheiten und Schädlingen leidet, die in aller Regel
nicht stark verunkrautet, und die der Boden auch nach längerer
Zeit nicht müde wird.33 In guten Jahren hat sie eine hohe
Produktivität. Unter durchschnittlichen Bedingungen, und vor
allem bei Trockenheit, gedeiht Gerste besser als Weizen. Sie
toleriert auch ärmere Böden und eine geringe Versalzung.34
Gerste wächst schneller als Weizen und reift, wenn
gleichzeitig ausgesät, früher; die Erntezeiten überschneiden
sich daher nicht.35
Sehr wahrscheinlich ist der Anbau von Gerste zu
Futterzwecken, sowohl als Körnergabe als auch grün
geschnitten.36 Gerste hatte in späterer Zeit auch den Ruf, den
Tieren zuträglicher zu sein als die proteinreichen
Nacktweizenarten.37
Gerste fand in der Antike vielfache Verwendung in der Küche,
sie wurde zu Graupen, Grieß oder Mehl verarbeitet und diente
zur Zubereitung von Suppen oder Breien. Zum Backen von
Brot ist die Gerste aufgrund ihres geringen Proteingehaltes
nahezu ungeeignet, deshalb wurde sie im alten Griechenland
zu , dem ungesäuerten Knetkuchen als dem täglichen
Grundnahrungsmittel
der
Griechen
verarbeitet.38
Gerstenspeisen zeichnen sich nicht durch einen sonderlichen
Wohlgeschmack aus, dennoch hat man Gerste in Mengen
angebaut und gern verwendet. Auch im spätbronzezeitlichen
Griechenland hat man die Gerste sowohl grob geschrotet, um
33
Kroll 1983 S. 116; zur Gerste siehe auch Hondelmann 2002 S. 28ff.
Zohary/Hopf 1988 S. 52.
35
R. Palmer 1992 S. 476.
36
Kroll 1983 S. 116; Fellmeth 1999 S. 181; Hondelmann 2002 S. 30.
37
Colum. 2, 9, 14.
38
Fellmeth 1999 S. 181.
34
33
Mykenische Enährung
sie zu Suppen zu verarbeiten, als auch für die Herstellung von
Fladen zu Mehl vermahlen. Prähistorische Funde von
Gerstenschrot39 und Gerstenmehl40 stammen aus Akrotiri.
Aus Gerste konnte man auch Bier brauen. Während Bier aber
in Mesopotamien und Ägypten einen wichtigen Teil der
Ernährung ausmachte und eine viel größere Rolle als Wein
spielte,41 scheint die Erzeugung von Bier im mykenischen
Griechenland nur von geringer Bedeutung gewesen zu sein. In
den Linear B-Texten wird es anscheinend nicht erwähnt, die
Bedeutung des Ideogrammes *134/*190, das mit Bier in
Verbindung gebracht wurde,42 ist recht unklar. Auch fehlen die
charakteristischen Bierseihegefäße im archäologischen
Fundmaterial.43 Andererseits läßt die Analyse von
Nahrungsmittelrückständen in Gefäßen aus Myrtos44 und
Apodoulou45 den Konsum von Bier im bronzezeitlichen Kreta
zumindest vermuten. Sollte der Konsum von Bier im
spätbronzezeitlichen Griechenland verbreitet gewesen sein, so
wäre es doch erstaunlich, daß diese Sitte mit dem Ende der
Paläste wieder abkam. Die klassischen Griechen sowie die
Römer kannten Bier, allerdings geht man meist davon aus,46
daß es die Griechen nicht sonderlich schätzten.47 Es gibt aber
auch positive Urteile über das Bier (), so etwa bei
Diodor, nach dem es an Wohlgeruch und Kraft fast dem
Weine gleichkam.48
39
Sarpaki 2001 a S. 32, 34 Tab. 2, 35.
Sarpaki 2001 a S. 33f. Tab. 1 und 2.
41
J. Renfrew 1995 S. 197ff.
42
Pitéros/Olivier/Melena 1990 S. 165.
43
Bruns 1970 S. 8f.
44
Tzedakis/Martlew 1999 S. 159ff.
45
Tzedakis/Martlew 1999 S. 162.
46
Etwa Krenkel 1965.
47
Vgl. etwa Aischyl. Suppl. 953.
48
Diod. 1, 20; vgl. 4, 2.
40
34
3. Getreide
3. 2. 2. Weizen
Die Weizen sind nicht so anspruchslos, genügsam und
zuverlässig wie die Gerste. Sie reagieren sensibler auf ihre
Umwelt und sind anfälliger für Mißernten. Mit Ausnahme des
Einkorns verlangen sie bessere Böden als die Gerste und
bedürfen einer längeren Fruchtfolge, bevor man sie schadlos
wieder auf demselben Feld anbauen kann. Andernfalls mindert
sich der Ertrag, die Verunkrautung nimmt zu, und die
Krankheitsanfälligkeit steigert sich.49 Weizen wächst in
Gegenden mit geringem Regenfall, wie etwa Kreta oder den
Kykladen, nicht besonders gut. In einem guten Jahr und auf
gutem Boden bringt Weizen allerdings mehr Ertrag als Gerste,
die auf gute Bedingungen nicht so anspricht.50 Wie die Gerste
wurde auch der Weizen in klassischer Zeit als Viehfutter
verwendet.51
Emmer und Einkorn wurden wahrscheinlich in Spelzen
transportiert und gelagert.52 Das brachte zwar den Nachteil mit
sich, daß gegenüber der Vorratshaltung entspelzter Körner ein
um vieles größerer Lagerraum erforderlich wurde, doch
verletzte das Befreien der Körner von der widerstandsfähigen
Fruchthülle einen Großteil der Körner und öffnete somit
Vorratsparasiten Tür und Tor. Beim Emmer ist es sehr
schwierig, die Hüllspelzen vom Korn zu trennen, auch wenn
die Körner völlig reif sind. Die Körner mußten daher vor der
Verarbeitung angeröstet oder eingeweicht werden, um die
Hüllen zu schwächen, dabei verloren sie aber ihre
Backfähigkeit.53 Dann wurden sie in einem Mörser zerstoßen,
bevor sie zu grobem Mehl gemahlen werden konnten.
49
Kroll 1983 S, 120.
R. Palmer 1992 S. 476.
51
Theophr. hist. plant. 8, 9, 2.
52
Kroll 1982 S. 468f.
53
Fellmeth 1999 S. 181.
50
35
Mykenische Enährung
Emmermehl ist aufgrund seines niedrigen Glutenanteils nicht
gut zum Brotbacken geeignet. Es eignete sich aber zur
Herstellung der noch heute im Nahen Osten und Ägypten die
hauptsächliche
Brotart
darstellenden
pita-ähnlichen
Fladenbrote. Das Mehl wurde dazu mit Wasser und etwas Salz
zu einem weichen Teig verknetet, von Hand geformt und auf
einem flachen Stein über dem Feuer oder in einem Lehmofen
gebacken.54 Diese Brote wurden nicht unbedingt aus
feingemahlenem Mehl, sondern auch aus grobem Schrot oder
Grütze gefertigt. Aus Tiryns stammt ein „verkohlter Klumpen
aus grob gemahlenen, gequetschten und gebrochenen
Getreidekörnern, die noch mit Emmer-Spelzbasen versetzt
waren – Brot im weiteren Sinne.“55 Ein weiterer
prähistorischer Brotfund stammt aus Marmariani in
Thessalien.56 Weizen eignen sich aber auch zum Kochen von
Breien oder ähnlichem.57
3. 2. 2. 1. Nacktweizen
Nacktweizen wurden in Griechenland zwar seit dem
Neolithikum angebaut, sie waren in der Bronzezeit aber stets
nur von nachrangiger Bedeutung und stellten nie ein
Hauptgetreide dar. Dies änderte sich erst in späteren Perioden.
In archaischer und klassischer Zeit wird nackter Weizen –
wohl Saatweizen – die Hauptbrotfrucht Griechenlands.58 Der
Übergang läßt sich an verschiedenen Fundstellen gut
nachvollziehen. Während im spätbronzezeitlichen Tiryns noch
überwiegend Spelzweizen nachgewiesen wurden,59 fanden
54
J. Renfrew 1995 S. 195.
Kroll 1982 S. 469.
56
Vickery 1936 S. 49.
57
Kroll 1983 S. 120.
58
Kroll 1983 S. 119.
59
Kroll 1982; Kroll 1984.
55
36
3. Getreide
sich in den protogeometrischen Perioden von Kalapodi Emmer
und
Einkorn
nur
noch
als
Gastgetreide
in
Saatweizenpopulationen.60
Nacktweizen besitzt mehr Nährstoffe als Emmer, reagiert aber
auf Trockenheit und Krankheiten sehr sensibel und ermüdet
rasch den Boden. Nacktweizen stellte aufgrund seiner
Anfälligkeit für Mißernten in mykenischer Zeit vielleicht eine
Art „Luxusgetreide“ dar, das dort angebaut wurde, wo Land
und Arbeitskräfte zu erübrigen waren.61
Dieser Wechsel der hauptsächlich angebauten Weizensorten
macht Vergleiche der Bronzezeit mit der klassischen Epoche
kompliziert. Es ist stets im Auge zu behalten, daß es sich um
zwei völlig verschiedene Weizensorten mit ganz
unterschiedlichen Eigenschaften – vor allem was das Backen
von Brot anbetrifft – handelt, nämlich Emmer im
bronzezeitlichen Griechenland und Saat- bzw. Brotweizen im
klassischen Griechenland.
3. 2. 3. Die Verbreitung der Getreidesorten
Die regional sehr unterschiedlichen Bodenbedingungen in
Griechenland haben eine heterogene Verteilung der vor Ort
angebauten Hauptgetreide zur Folge.62 Auf den kargen Böden
weiter Teile Zentral- und Südgriechenlands sowie auf den
trockenen Kykladen63 war Gerste stets das am häufigsten
angebaute Getreide. Repräsentativ dafür sind etwa die
Befunde aus Tiryns64 und Midea.65 An manchen Stellen, wie
60
Kroll 1993.
R. Palmer 1992 S. 479.
62
R. Palmer 1992 S. 476f.
63
C. Renfrew 1972 S. 275, 281.
64
Kroll 1982; Kroll 1984.
65
Shay/Shay/Kapinga 1998.
61
37
Mykenische Enährung
etwa in Messenien66 oder in Boiotien – wie z. B. die
Pflanzenfunde aus Gla67 belegen – , gedieh Weizen aber recht
gut und wurde ebenso in großen Mengen angebaut wie in
Makedonien.68 Dabei handelte es sich in erster Linie um
Emmer als wichtigste Weizensorte. Einkorn dagegen ist eher
für ein kälteres Klima geeignet und war daher besonders in
Nordgriechenland von Bedeutung.69 In Attika wurde Einkorn,
der nur sehr niedrige Erträge bringt, wohl nur auf sehr armen
Böden, auf denen keine anderen Getreide gedeihen, zur
Gewinnung von Viehfutter angebaut.70
3. 3. Getreide in klassischer Zeit
3. 3. 1. Die Bedeutung von Getreide in der Ernährung
Es ist schwierig zu sagen, wie hoch der Anteil von Getreide in
der antiken Ernährung war. Er dürfte wohl höher als heute
gewesen sein, Foxhall und Forbes71 gehen für die klassische
Zeit von etwa 70-75% aus. Die totale Menge des verzehrten
Getreides könnte vielleicht zwischen 150 und 200 kg pro Kopf
und Jahr gelegen haben.72 In Kreta betrug jedenfalls in den
Jahren nach dem zweiten Weltkrieg der durchschnittliche
Zerealienkonsum eines Erwachsenen etwa 2,5 kg / Woche.73
Der Wert von 70-75% ist meines Erachtens aber sowohl für
das 1. wie auch für das 2. Jt. v. Chr. ein zu hoch
66
Vgl. van Wersch 1972 S. 186.
Jones 1995.
68
So wurden im spätbronzezeitlichen Assiros mindestens drei verschiedene
Weizenarten separat angebaut und gelagert; Jones/Wardle/Halstead/Wardle
1986 S. 99.
69
R. Palmer 1992 S. 477; C. Renfrew 1972 S. 271f.
70
Sallares 1991 S. 365.
71
Foxhall/Forbes 1982 S. 71.
72
Vgl. dazu: Foxhall/Forbes 1982 S. 65ff.
73
Sarpaki 2001 a S. 40.
67
38
3. Getreide
angenommener Anteil. Es wird hier nämlich die Bedeutung
der anderen Grundnahrungsmittel, wie etwa Hülsenfrüchte,
Feigen, Oliven, aber auch Fleisch und Milchprodukte, gehörig
unterschätzt.
Alle diese Annahmen bleiben ohnehin nur Mutmaßungen,
denn die absolute Menge und der relative Anteil des Getreides
in der Ernährung ist im Einzelfall von vielen verschiedenen
Faktoren (sozialer Status, Verfügbarkeit und Preis anderer
Nahrungsmittel, usw.) abhängig und läßt sich nicht
verallgemeinern.
3. 3. 2. Das Verhältnis zwischen Gerste und Weizen
Es ist kaum zu sagen, welches Verhältnis in der Ernährung
zwischen Gerste und Weizen bestand. Obwohl Weizen
bevorzugt wurde, baute man im klassischen Griechenland
große Mengen von Gerste an, da sie weit verläßlicher als
Weizen ist. Es wurde mehr Gerste produziert,74 und auch
Nahrung aus Gerste wird in der klassischen Literatur öfter
erwähnt als Nahrung aus Weizen.75 Ein solonisches Gesetz
besagte, daß die, die im Prytaneion speisten, an normalen
Tagen Gerstenspeisen vorgesetzt bekamen, und nur an
Festtagen wurde dies durch Weizengerichte ergänzt.76 Die
Inschrift IG II2 1672, eine eleusinische Urkunde über den
Zehnten des Jahres 329/28 v. Chr., belegt für eben dieses Jahr
für Attika ein Verhältnis von Weizen zu Gerste von 1 : 9,3.
Zwar wurde argumentiert, daß diese Inschrift die Ernte eines
Jahres mit wenig oder schlecht verteiltem Regenfall
wiedergibt, doch läßt es sich nicht mit Sicherheit sagen, ob es
74
So erwähnen etwa Isaios (Isaios 11, 43) oder Demosthenes (Demosth.or.
42, 20) Landgüter, auf denen große Mengen von Gerste angebaut wurden.
75
Sallares 1991 S. 314; Sallares 1998 Sp. 1035.
76
Ath. 4, 137 e.
39
Mykenische Enährung
sich um ein gutes, ein durchschnittliches oder ein schlechtes
Jahr gehandelt hat.77
Im 5. Jh. v. Chr. begannen die Athener Weizen aus dem
Schwarzmeergebiet zu importieren. Gerste konnte im Handel
nicht mehr konkurrieren, da sie beim Transport viel mehr Platz
beansprucht.78 Die gehobene Stadtbevölkerung entwickelte
fortan eine starke Vorliebe für Weizenbrot, während die
Gerste, deren Prestige sank, die wichtigste Grundnahrung auf
dem Land und bei den unteren Schichten blieb.79
Aus Weizen läßt sich besseres Brot als aus Gerste erzeugen. In
jeder Kultur, die beide Getreidesorten anbaute, wurde Weizen
deshalb als wertvoller betrachtet, während die Gerste meist als
grob und gewöhnlich galt und die Nahrung der armen
Bevölkerung darstellte. Dies läßt sich bereits im 2. Jt. v. Chr.
in hethitischen Texten fassen. Weizen ist bei den Hethitern
wertvoller als die häufiger angebaute Gerste, deren
Verwendung als Viehfutter ebenfalls belegt ist. Weizenmehl
wurde mehr als Luxusgut betrachtet und seltener verwendet.80
Aber auch in späterer Zeit ist diese Bevorzugung von Weizen
gegenüber der Gerste auch außerhalb Griechenlands gut
greifbar. So betrug das Preisverhältnis von Weizen und Gerste
im ptolemäischen Ägypten etwa 5:3.81 In der römischen
Armee des 2. Jh. v. Chr. war Gerstenspeise eine Strafe für die
Legionäre.82
Ein Kilogramm ganze Gerstenkörner hat etwa 2/3 des
Nährwertes von Weizen, da die nicht eßbaren Spelzhüllen der
Gerste einen höheren Anteil am Volumen einnehmen als beim
Weizen.83 Da man Getreide in Volumen maß, ergab eine
77
Sallares 1991 S. 394.
Jasny 1941/42 S. 756f.
79
R. Palmer 1992 S. 480.
80
Hoffner 1974 S. 61, 67.
81
Skeat 1974 S. 98f.
82
Polyb. 6, 38, 6
83
R. Palmer 1989 S. 94.
78
40
3. Getreide
Einheit Weizen daher viel mehr Nahrung als eine Einheit
Gerste. Weiters ergibt eine bestimmte Menge Weizen mehr
Mehl als die gleiche Menge Gerste. 84
3. 2. 3. Getreiderationen in klassischer Zeit
Als bestes Vergleichsmaterial zu den mykenischen
Getreiderationen können die Nahrungsmittelrationen aus
klassischer Zeit dienen. Daher sollen diese nun ausführlicher
betrachtet werden, bevor wir uns den Rationen in den Linear
B-Texten zuwenden. Im Gegensatz zum Weizen wurde Gerste
in klassischer Zeit nicht in Form von ganzen Körnern, sondern
als , als grobes Gerstenmehl, bei dem die nicht
eßbaren Spelzhüllen entfernt wurden, ausgegeben.85
Es ist interessant festzuhalten, daß der Nährwert der eßbaren
Teile von Weizen und Gerste sehr nahe beieinander liegt.86 So
betragen die FAO-Standards für ein Kilo „durchschnittlichen“
Weizen 3340 Kalorien und 3320 Kalorien pro Kilo
Gerstenmehl. Sinnvoller ist aber ein Vergleich nicht auf der
Grundlage des Gewichtes, sondern der Hohlmaße. Hier kommt
man zum Ergebnis, daß ein Liter Gerstenmehl nur etwa 479
(ungefähr 18%) Kalorien weniger enthält als ein Liter Weizen.
Es muß allerdings berücksichtigt werden, daß im antiken
Gerstenmehl, das in vergleichsweise primitiven Mühlen
gemahlen wurde, zumindest einige pulverisierte Hüllen im
Endprodukt enthalten waren, was den Kalorienwert natürlich
etwas senken mußte.
Wieviele Kalorien benötigt der Mensch aber überhaupt? Ein
Mann von etwa 20-40 Jahren, 62 Kilo schwer, benötigt pro
Tag 3337 Kalorien, wenn er sehr aktiv ist, 3822, wenn er
84
Siehe dazu: Aloni/Negri 1996 S. 163.
Foxhall/Forbes 1982 S. 44.
86
Siehe zum Folgenden: Foxhall/Forbes 1982 S. 46 und S. 85 Table 2.
85
41
Mykenische Enährung
außergewöhnlich aktiv ist, aber nur 2852, wenn er mäßig aktiv
ist.87 Bei einer sehr aktiven Frau beträgt der Kalorienbedarf im
Vergleich dazu 2434, bei kleinen Kindern 2190, bei Knaben
3237 und bei Mädchen 2300.88
Wie groß waren nun die klassischen Getreiderationen, und
welchen Nährwert besaßen sie? Meist geht man für die
griechische Antike von einer Standardration von einer Choinix
Weizen (ca. 0,839 kg) pro Mann und Tag aus.89 Diese
Annahme einer griechischen Standardration basiert aber nur
auf wenigen Belegen, die nicht mit Sicherheit sagen lassen,
wie verbreitet diese Standardration tatsächlich war.90 So
erfahren wir bei Athenaios,91 daß die Choinix die
Standardeinheit bei Getreidezuteilungen an Sklaven war, doch
erfahren wir nicht, wieviele Choinikes und welches Produkt.
Am hilfreichsten ist noch Herodot,92 der bei seiner
Berechnung der für die Armee des Xerxes benötigten
Getreidemenge eine Choinix Weizen pro Mann und Tag als
Basis nimmt. In einem Vertrag zwischen Attalos I. von
Pergamon und der kretischen Stadt Mallia wird für die
Hilfstruppen eine Bezahlung von einer attischen Choinix
Getreide93 sowie von einer Drachme für die Truppen und von
zwei Drachmen für die Offiziere vereinbart.94 Eine weitere
Inschrift aus Amorgos95 mit Weizenzuteilungen von einer
Choinix pro Mann und einer halben pro Knabe kann wegen
ihres zeremoniellen Charakters nicht zu den normalen
Rationszuteilungen gerechnet werden. Herangezogen werden
87
Foxhall/Forbes 1982 S. 49.
R. Palmer 1989 S. 107.
89
Jardé 1925 S. 129.
90
Foxhall/Forbes 1982 S. 51ff.; R. Palmer 1989 S. 95.
91
Ath. 6, 272 bf.
92
Hdt. 7, 187, 2.
93
Um welches Getreide es sich handelt, wird nicht angegeben.
94
Siehe dazu Ducrey 1970 S. 638ff.
95
IG XII.7.515.
88
42
3. Getreide
können aber die Rationen der römischen Armee, die bei
Polybius96 2/3 eines attischen Medimnos Weizen pro Monat
ausmachten und damit dieser griechischen Standardration von
einer Choinix pro Tag entsprachen. Trotz dieser wenigen und
mangelhaften Belege scheint mir aber eine Choinix ein
plausibles Maß für eine Weizenration zu sein, und sie sollte als
Richtwert beibehalten werden.
Des Weiteren wurde vorgeschlagen, daß im Rahmen solcher
Rationszuteilungen eine Weizenration aufgrund des höheren
Nährwertes dem Gegenwert von zwei Gerstenrationen
entsprach. 97 Diese Vermutung ist aber kaum haltbar. Wie oben
gezeigt wurde, ist im Kontext von Getreiderationen in den
Quellen nie von Zuteilungen von Weizen und Gerste, sondern
von Zuweisungen von Weizen und Gerstenmehl, , die
Rede. Wie ebenfalls gezeigt wurde, ist aber der Kaloriengehalt
von einem Liter Weizen und einem Liter beinahe
identisch.
Überhaupt finden sich für eine feste Ration von 2 Choinikes
nur drei Belege: Der erste ist die Bezahlung eines
Koches auf Mykonos um 200 v. Chr.,98 der zweite findet sich
bei Thukydides,99 wo die Spartaner auf Sphakteria 2 Choinikes
bekommen, während die Sklaven nur eine Choinix
erhalten.100 Und schließlich berichtet Herodot,101 daß
die spartanischen Könige 2 Choinikes erhielten, wenn
sie nicht zum öffentlichen Bankett kamen. Es ist vorgebracht
worden, daß die Könige beim öffentlichen Mahl, als Gäste in
privaten Haushalten und bei religiösen Festen stets die
doppelte Portion normaler Bürger bekamen, und daher davon
96
Polyb. 6, 39.
Jardé 1925 S. 128ff.
98
SIG3 1024.
99
Thuk. 4, 16, 1.
100
Der Unterschied liegt also im sozialen Status der Empfänger.
101
Hdt. 6, 57, 3.
97
43
Mykenische Enährung
auszugehen sei, daß 2 Choinikes mehr als eine
übliche Ration wäre.102 Unklar ist aber, wie dies mit der
Thukydides-Stelle in Einklang zu bringen ist, wo die
spartanischen Krieger ja ebenfalls 2 Choinikes erhielten.
Das einzige Dokument, das auf ein ein 2:1-Verhältnis von
und Weizen schließen läßt, ist eine Inschrift aus
Delos,103 wo 2 Steinmetze Monatsrationen in Getreide
erhalten. Umgerechnet auf die Tagesrationen betragen diese
entweder 1½ Choinikes Weizen oder 3 Choinikes .104
Diese Inschrift spiegelt wohl den Marktwert von Weizen und
wider. Der Preis für Weizen auf Delos schwankte
stark. Es wurde vorgeschlagen, daß der Weizen in den
Monaten, wo er besonders teuer war, durch ersetzt
wurde.105 Was bedeutet dies nun für das vermutete 2:1Verhältnis zwischen und Weizen? Sollte dieses je
existiert haben, was fraglich ist, so ist es wohl nicht durch den
unterschiedlichen Nährwert zu erklären, sondern vermutlich
durch den höheren Preis von Weizen, der aus dessen
Bevorzugung und den Schwierigkeiten des Anbaus resultierte.
Betrachten wir nun den Nährwert dieser Rationen. Eine
attische Choinix Weizen enthält 2803 Kalorien, was 84% der
von einem sehr aktiven Mann, 73% der von einem
außerordentlich aktiven Mann und 98% der von einem mäßig
aktiven Mann benötigten Energie liefert. Dieser Anteil ist sehr
hoch, und enthält wohl eine Art Polster für unvorhergesehene
Schwierigkeiten.106
Die ganz ungewöhnlich hohe Ration von 1½ Choinikes
Weizen für die delischen Steinmetze enthält wohl einen Anteil
102
Foxhall/Forbes 1982 S. 54.
IG XI 158,37ff.
104
Siehe dazu Jardé 1925 S. 129ff.; Foxhall/Forbes 1982 S. 53 Anm. 37,
557f.
105
Foxhall/Forbes 1982 53f. Anm. 39.
106
Siehe Foxhall/Forbes 1982 S. 56f.
103
44
3. Getreide
für die Familienangehörigen oder für Assistenten. Auch die
Getreidezuteilungen für die (männlichen) Bürger von Samos
im 2. Jh. v. Chr.,107 die je 2 Einheiten (wohl Medimnoi)
Getreide108 erhielten, entsprachen 3,2 Choinikes pro Tag, und
enthielten wohl einen Anteil für die Familie.
Sehr klein und an der Hungergrenze war dagegen die Ration,
die die athenischen Gefangenen der Syrakusaner erhielten,
nämlich 2 Kotylen – eine Kotyle entspricht etwa 0,25 bis 0,27
l – pro Tag.109 Das Getreide selbst ist an dieser Stelle nicht
genauer definiert, spätere Erzähler110 dieser Episode sprechen
von Gerste. Eine zweite sehr knappe Ration, bei der Blockade
Pydnas durch Kassander 316 v. Chr., betrug nicht einmal die
Hälfte der Ration der eben erwähnten athenischen
Gefangenen,111 und das folgende Desaster war quasi
vorprogrammiert.
3. 4. Getreide in den mykenischen Texten
Auf den mykenischen Linear B-Tafeln ist Getreide in großen
Mengen verzeichnet, vor allem im Kontext von Rationen und
Zuteilungen sowie auf Tafeln, die die Größe bestimmter
Grundstücke angeben.
3. 4. 1. Die Ideogramme
Es wird angenommen, daß die beiden häufigsten Ideogramme,
die im System der trockenen Hohlmaße registriert werden,
107
SIG3 976 (= IG XII 6.1, 172 A).
Es handelt sich dabei wohl um Weizen, der in hellenistischer Zeit die
Hauptbrotfrucht in Griechenland war.
109
Thuk. 7, 87, 2.
110
Plut. Nik. 29, 1; D
111
Diod. 19, 49, 2.
108
45
Mykenische Enährung
*120 und *121, Getreide bezeichnen. Während *121 wie eine
stilisierte Kornähre aussieht,112 erinnert *120 manche Forscher
eher an ein Vogelhaus, als an irgendeine Pflanze.113 Interessant
ist aber die Beobachtung Wyatts,114 daß zumindest auf einigen
Tafeln in Pylos *120 stark einem Monogramm aus den
Silbenzeichen si und to bzw. einem modifizierten si ähnelt.
Dies einem reinen Zufall zuzuschreiben, erscheint wenig
zufriedenstellend. Möglicherweise stellte das Ideogramm *120
ursprünglich ein Monogramm aus si + to dar, es weist
allerdings einen Vorgänger in Linear A (A120)115 auf, der
zwar seinerseits wieder ein Monogramm darstellen könnte,
doch scheint er auf ein hieroglyphisches Ideogramm
zurückzugehen. Wyatt geht daher davon aus, der Schreiber
habe die (zufällige) Ähnlichkeit des Ideogammes *120 mit
einem Monogramm aus si + to bemerkt und sie in seinem Text
bewußt verstärkt. Vorstellbar wäre aber auch eine andere
Möglichkeit.116 Das Silbenzeichen si könnte ebensogut eine
akrophonische Ableitung des Ideogramms *120 darstellen,
welches für minoisch *sito stand. Für griechisch läßt
sich nämlich keine indogermanische Etymologie feststellen,117
das Wort wurde wohl von den Griechen aus dem Minoischen
übernommen. Eine gute Parallele bietet in diesem Fall das
Beispiel des ideographisch gebrauchten Silbenzeichens NI, das
vom Feigenideogramm abgeleitet ist, welches ebenfalls auf ein
hieroglyphisches Vorbild zurückgeht. Dieses NI steht wohl als
112
Die Form von *121 wird in der Literatur meist mit der Form einer reifen
Gerstenähre in Zusammenhang gebracht: Ventris/Chadwick 1973
S. 439; Halstead 1995 S. 233.
113
R. Palmer 1992 S. 481f.
114
Wyatt 1968.
115
Bennett 1950 v. a. S. 219 und fig. 4; Godart/Olivier 1985 S. 274f.
116
Ruijgh 1970.
117
Frisk 1970 S. 711; Chantraine 1968 S. 1007.
46
3. Getreide
Abkürzung für den Begriff , den Athenaios118 als
eine kretische Bezeichnung für Feigen nennt.
Während also *120 möglicherweise einen direkten Vorgänger
in Linear A besitzt, findet sich dort zu *121 keine
korrespondierende
Form. Stattdessen
wurden zwei
verschiedene Ideogramme (A302 und A303) mit *121 in
Verbindung gebracht. Das Zeichen A303 könnte aufgrund
seines häufigen Vorkommens Getreide bezeichnen.119 Die
Interpretation von A302 als Zeichen für Olivenöl120 durch die
Inschrift auf einem Pithos KN Zb 35, wo 100 Einheiten A302
und zwei Einheiten AB30, Feigen, verzeichnet sind, die wohl
gemeinsam gelagert wurden, scheint unwahrscheinlich. Dies
ließe möglicherweise auf eine Deutung von A302 als Getreide
schließen.
Daß es sich bei den beiden Ideogrammen *120 und *121
tatsächlich um Getreide handelt, glaubt man aus dem Wort sito schließen zu können, das sich auf 3 Tafeln jeweils in
Verbindung mit den beiden Ideogrammen findet, nämlich auf
MY Au 658 und auf TH Av 100121 mit *120, und auf KN Am
819 mit *121. Außerdem ist si-to noch auf TH Av 101.6b
sowie TH Ft 219.1 und TH Ft 220 [+] 248.1 belegt. Dieses
Wort si-to steht für122 die griechische Bezeichnung für
Getreide und Brot, aber auch Nahrung im allgemeinen. Es ist
m. E. unnötig, in si-to ein Theonym zu sehen.123 So bezeichnet
o-si-to auf PY Wa 1008.2 eventuell die gesamte Ration von
*120 und Feigen und bedeutet hier möglicherweise generell
Nahrung.124 Auf der Tafel TH Ft 220 steht nun si-to in
118
Ath. 3, 76 e
Patria 1988 S. 18f.
120
Palaima 1988 a S. 325.
121
Aravantinos 1999 S. 71.
122
Aura Jorro 1993 S. 298.
123
So Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 167, 271, 396.
124
R. Palmer 1992 S. 481 Fn. 38.
119
47
Mykenische Enährung
Verbindung mit dem Ideogramm *122 (OLIV).125 Man könnte
daher durchaus in Zweifel ziehen, ob es sich überhaupt bei
beiden vorhin erwähnten Ideogrammen um Getreide handeln
muß.
Auch wenn man davon ausgeht, daß *120 und *121 für
bestimmte Getreidearten stehen, ist es unklar, für welche. Es
ist allerdings anzunehmen, daß es sich um die beiden
Hauptgetreidearten der späten Bronzezeit, um Gerste und
Weizen, wohl Emmer, handelt. Unsicher ist aber, welches
Ideogramm für welches Getreide steht. Bezeichnungen für
Weizen finden wir auf den Linear B-Tafeln nicht, das Wort für
Gerste, ki-ri-ta, ,126 findet sich auf KN G 820, aber ohne
identifizierendes Ideogramm.
Schon Evans127 hielt 1935 *121 für Getreide, allerdings
glaubte er, daß es sowohl Gerste als auch Weizen darstellt,128
während er *120 dem kultischen Bereich zuordnete. Ventris
und Chadwick129 transkribierten 1953 *120 als griechisch
und englisch GRAIN, ohne diese Transkription zu
begründen. 1954 transkribierte Ventris130 wieder ohne
zwingende Begründung *120 als Weizen, was zur
Standardlesung wurde. Zur selben Zeit jedoch lasen
Furumark131
und
Pugliese
Carratelli132
unabhängig
voneinander *120 als Gerste und *121 als Weizen, wieder
ohne Angabe von Gründen. Mit dem Jahr 1955 war –
allerdings ohne weitere Beweise – Weizen die allseits
akzeptierte Übersetzung von *120, und so wurde *121
automatisch zu Gerste. Aber noch 1956 warnten Ventris und
125
Aravantinos 1999 S. 71.
Siehe dazu: Aura Jorro 1985 S. 362.
127
Evans 1935 S. 625.
128
Evans 1952 S. 31.
129
Ventris/Chadwick 1953 S. 91.
130
Ventris 1954 S. 5.
131
Furumark 1953 S. 116.
132
Pugliese Carratelli 1954 S. 89.
126
48
3. Getreide
Chadwick133 sowie Bennett134 in ihren Publikationen, daß es
für diese Gleichsetzungen keinen Beweis gebe, und daß
möglicherweise alles umgekehrt sei. 1963 schien L. R.
Palmer135 dann einen schlüssigen Beleg für die Richtigkeit
dieser Lesung erbracht zu haben, die fortan nicht mehr
bezweifelt wurde. Er wies nämlich darauf hin, daß die Menge
von *121 auf der Rückseite von PY An 128 exakt der
doppelten Menge von *120 auf der Vorderseite derselben
Tafel entsprach, und er wertete dies als eine bronzezeitliche
Entsprechung zu den klassischen Getreiderationen, die
entweder eine Ration Weizen oder 2 Rationen Gerste
betrugen.136
Das 2:1–Verhältnis auf den mykenischen Rationentafeln
scheint durch KN Am(2) 819, wo Getreidezuteilungen an
Männer und Knaben verzeichnet werden, weitere Bestätigung
erfahren. Geht man davon aus, daß die aufgelisteten Knaben
genausoviel Getreide bekommen wie die Männer, erhält jeder
*121 T 3,75 pro Monat, also knapp das Doppelte der *120 T 2,
die die auf den PY Ab-Tafeln verzeichneten Frauen
erhalten.137 Wenn also eine Ration *120 zwei Rationen *121
entsprach, so mußte es sich nach L. R. Palmers Argumentation
bei *120 um Weizen, und bei *121 und Gerste handeln. Eine
indirekte Bestätigung schien auch zu sein, daß auf den PY AbTafeln stets die selbe Menge von *120 und Feigen aufgeführt
wird, und daß in der KN Fs-Serie138 sich das Verhältnis von
*121 : Feigen von 2 : 1 findet.139
133
Ventris/Chadwick 1956 S. 130.
Bennett 1956 S. 117.
135
L. R. Palmer 1963 S. 97.
136
Jardé 1925 S. 129, 182; siehe aber Kap. 2. 3. 3.
137
Ventris/Chadwick 1973 S. 393, 420; R. Palmer 1989 S. 96.
138
Siehe zur KN Fs-Serie: R. Palmer 1994 S. 125ff.
139
Eine Ausnahme ist allerdings KN Fs 8, wo gleich viele Feigen wie *121
aufgeführt werden, ebenso auf PY Fn 187.
134
49
Mykenische Enährung
Diese von vielen Mykenologen akzeptierte Interpretation von
PY An 128 hält einer genaueren Analyse jedoch nicht stand.
Denn abgesehen davon, daß das Ideogramm *121 auf der
Rückseite nicht einmal sicher zu lesen ist, läßt sich weder
sagen, ob Vorder- und Rückseite überhaupt in irgendeinem
thematischen Bezug stehen, noch ob die Mengenangabe der
Rückseite ein Äquivalent der Mengen auf der Vorderseite
darstellen soll. Weiters ist, wie wir gesehen haben, das 2 : 1Verhältnis zwischen Gerste und Weizen in klassischer Zeit
nicht sehr sicher, ganz davon abgesehen, daß, worauf bereits
hingewiesen wurde, es sich um verschiedene Weizensorten
(Emmer in mykenischer, und Nacktweizen in klassischer Zeit)
handelte. Außerdem übersah L. R. Palmer, und das ist der
gravierendste Einwand gegen seinen Interpretationsvorschlag,
daß am Anfang von Zeile 12 der Vorderseite der Tafel PY An
128 mit ziemlicher Sicherheit in Analogie zu den Texten der
PY Ab-Serie ein abgebrochenes NI, also die Nennung von
Feigen, anzunehmen ist.140 Wenn also die Mengenangabe auf
der Rückseite tatsächlich ein Äquivalent der Mengenangaben
auf der Vorderseite darstellen soll, so wären zwei Einheiten
*121 soviel wie eine Einheit *120 und eine Einheit Feigen.
Von einem 2:1-Verhältnis kann daher keine Rede sein. Zudem
ist auf PY An 128 wohl gar keine Monatsration verzeichnet,
da sonst jeder der 52 Männer nur T ½ von *120 und von den
Feigen erhalten würde, was nur ein ¼ der Standardration der
Frauen der PY Ab-Serie wäre.141 Möglicherweise
supplementiert auch das auf der Rückseite von PY An 128
aufgelistete *121 auf irgendeine Weise die Feigen und *120
auf der Vorderseite, wodurch die Männer insgesamt auf etwa T
2 einer aus *120, *121 und Feigen kombinierten Ration
kämen.142
140
R. Palmer 1989 S. 97f.; R. Palmer 1992 S. 483.
R. Palmer 1989 S. 97 Fn. 30.
142
R. Palmer 1989 S. 98 Fn. 31.
141
50
3. Getreide
Außer auf PY An 128 finden sich beide Ideogramme noch auf
PY Un 443.3, wo zwei Einheiten *120 sowie eine Einheit
*121 verzeichnet sind. Die Interpretation des Textes ist
allerdings unklar, er hilft bei der Frage der Identifizierung der
beiden Ideogramme daher nicht weiter. Weiters finden sich
beide Ideogramme noch auf KN F 193, wo *121 wohl über
einem eradierten *120 geschrieben wurde. Diese offenbar
leichte Verwechselbarkeit der Ideogramme läßt auf die
Ahnlichkeit der verzeichneten Produkte schließen und könnte
ein vager Hinweis darauf sein, daß es sich doch bei beiden um
Getreide handelt.143 Die konventionelle Zuweisung der
Ideogramme *120 Weizen und *121 Gerste ist jedenfalls sehr
unsicher und bedarf einer neuerlichen Überprüfung.
3. 4. 2. Die mykenischen Rationentafeln
Sowohl *120 als auch *121 findet sich im Kontext von
Rationenverteilungen. In der überwiegenden Mehrzahl dieser
Tafeln wird *120 verwendet, während *121 in diesem
Zusammenhang nur auf der problematischen Rückseite von
PY An 128 und auf KN Am 819 auftaucht.
Bevor wir uns aber mit den Rationentexten beschäftigen, muß
nun ein kurzer Blick auf das System der mykenischen
Hohlmaße geworfen werden. In Linear B wird zwischen
Hohlmaßen für trockene und für flüssige Produkte
unterschieden. Beginnen wir mit den trockenen Hohlmaßen.
Das relative Verhältnis der einzelnen Maßeinheiten zueinander
ist aus den Texten recht klar erkennbar. Das kleinste Maß wird
als Z bezeichnet. Vier Z ergeben eine Einheit V, sechs V eine
Einheit T und zehn T eine Grundeinheit, die damit 60 V oder
240 Z entsprach.144
143
144
Ich danke Herrn Falko von Saldern für diesen Hinweis.
Siehe dazu L. R. Palmer 1963 S. 12; Ventris/Chadwick 1973 S. 55.
51
Mykenische Enährung
Jüngst wurde eine Modifikation dieses Systems
vorgeschlagen. Grund dafür war die vor einigen Jahren in
Theben gefundenen Tafel TH Ft 140, auf der sich mehrere
Posten von Getreide und Oliven verzeichnet finden. In der
letzten Zeile werden die Einzeleinträge summiert (to-so-pa).
Dabei ergeben 87 Einheiten und T 12 in der Endabrechnung 88
Einheiten. Auf dieser Grundlage wurde vorgeschlagen, daß
eine Einheit T 12 und nicht, wie bisher angenommen, T 10
entspräche.145 Es ist aber auffällig, daß T 10 und T 11 nie in
den Texten vorkommen. M. E. ist daher hier eher an einen
Fehler des Schreibers zu denken, und erst wenn sich weitere
Indizien finden, sollte man eine Modifikation des
Hohlmaßsystems in Erwägung ziehen. Theoretisch wäre
natürlich auch möglich, daß die Maßsysteme regional
unterschiedlich waren. Während in Pylos oder Knossos also
eine Einheit 10 Untereinheiten T aufgewiesen hat, könnten in
Theben T 12 einer Einheit entsprochen haben.
Das System der flüssigen Hohlmaße ist ähnlich. Die
Grundeinheit bildet wieder Z. Auch die zweite Untereinheit ist
identisch mit dem System der trockenen Hohlmaße, Z 4
ergeben nämlich eine Untereinheit V. Sechs V ergeben dann
eine Untereinheit S, und 3 S ergeben eine große Einheit.146
Auch beim System der flüssigen Hohlmaße scheint eine Tafel
nicht so recht ins Bild zu passen, nämlich KN F 452, auf der
OLE S 3 verzeichnet sind, was ja bereits eine Einheit ergeben
würde.147 Wieder würde ich ab er vorschlagen, daß dies,
solange es sich dabei um den einzigen belegten Fall handelt,
als ein Fehler des Schreibers zu betrachten ist.
Kommen wir nun zu den Texten. Die wichtigsten Texte,
welche sich mit Rationszuteilungen beschäftigen, sind die PY
145
Aravantinos 1999 S. 57; Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 162, 264
L. R. Palmer 1963 S. 12; Ventris/Chadwick 1973 S. 55.
147
Siehe dazu Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 162.
146
52
3. Getreide
Ab-Tafeln.148 Auf ihnen werden Nahrungsmittelrationen an
vom Palast abhängige Arbeiterinnen sowie an Mädchen und
Knaben verzeichnet. Diese erhalten jeweils eine bestimmte
Menge an Getreide und eine ebenso große Zuteilung von
Feigen. Dabei bekommen die Frauen, die durch ihre Herkunft
oder ihren Beruf charakterisiert sein können, gerechnet in
mykenischen Hohlmaßen, T 2 an Getreide sowie T 2 an
Feigen, die Mädchen und Knaben jeweils die Hälfte.
Die Rationen wurden wohl auf einer monatlichen Basis
berechnet, was durch das mit der PY Aa-Serie verbundene
Etikett PY Wa 114, wo me-ni-jo „monatliche Ration“149
verzeichnet ist, eine gewisse Bestätigung erfährt. In Knossos
ist der Zeitraum eines Monats für die Vergabe der Rationen
auf den Tafeln KN Am 819, E 777 und E 847 durch den
Eintrag LUNA 1 direkt belegt. Auch der Eintrag o-pi-me-ne,
möglicherweise *(=), monatlich,150 auf PY
An 7, wo die Vergabe von Oliven und einem anderen Produkt,
in Analogie zu PY Fn 41 und Fn 79 wohl von *121,
verzeichnet wird, läßt auf monatliche Rationen schließen.151
Wenn die pylischen Ab-Tafeln also Monatsrationen darstellen,
wären das *120 Z 1,6 NI Z 1,6 pro Tag für jede Frau und *120
z 0,8 NI Z 0,8 für jedes Kind. Da es sich bei Z 1,6 um eine sehr
unbequeme Zahl handelt, weil die Einheit Z keine
Untereinheiten besitzt, wurde angenommen, daß die
Basisration für 5 Tage ausgegeben wurde, mit 6 Zuteilungen
pro Monat.152 Auf Rationszuteilungen im Zeitraum von 5
Tagen auf der Grundlage von *121 V 1 (= Z 4) pro Tag kommt
148
Siehe zu den PY Ab-Tafeln: Palmer 1963 S. 113ff.; Ventris/Chadwick
1973 S. 155ff.; Hiller/Panagl 1976 S. 105ff.; Hooker 1980 S. 101 ff; Carlier
1983; Chadwick 1988; R. Palmer 1989.
149
Ventris/Chadwick 1973 S. 560.
150
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 41.
151
Ventris/Chadwick 1973 S. 565.
152
R. Palmer 1989 S. 98.
53
Mykenische Enährung
auch Chadwick153 in Verbindung mit PY Fn 79. Möglich
wären bei den Frauen der PY Ab-Serie auch 3 Zuteilungen,
wenn man davon ausgeht, daß die Mykener, wie auch die
klassischen Griechen, den Mondmonat in drei Perioden
eingeteilt hätten.154
Für KN Am 819 berechnet Chadwick155 monatliche Rationen
von T 3,75.156 Die Zahl mag seltsam wirken, doch wird sie,
betrachtet man die niedrigste Einheit des Maßsystems,
verständlich, denn T 3,75 entspricht Z 90, also einer täglichen
Ration von Z 3 x 30. Rekonstruiert man nun PY An 7.11 als
[*121] 7 [T] 5, ergäbe das Z 1800 oder Rationen von Z 3 pro
Tag für 20 Männer, während die ebenfalls mögliche Lesung
[*121] 4 [T] 5 als Ergebnis Z 1080 hätte, Rationen für 12
Männer ergeben würde, wobei genau diese Anzahl von to-kodo-mo auf PY An 57 aufgelistet wären.157
Es stellt sich aber die Frage, ob beim mykenischen
Rationensystem die Größe der Rationen von Alter, Geschlecht
und gesellschaftlicher Stellung abhängig war, wie dies auch im
alten Orient der Fall war. Chadwick geht von einheitlichen
Rationen für Männer und Frauen aus, nur Kinder erhielten
seiner Ansicht nach weniger.158 Der unterschiedliche
Nahrungsbedarf von Männern und Frauen scheint m. E. jedoch
grundsätzlich gegen gleich große Rationen zu sprechen. L. R.
Palmer159 rekonstruierte unterschiedliche Rationen für freie
Männer, Sklaven, Frauen und Kinder. Im Fall von KN Am (2)
819160 etwa nimmt er eine Zuteilung von *121 T 5 pro Monat
an die Männer an, damit würden T 90 der Ration an diese
153
Chadwick 1976 S. 162f.
Chadwick 1988 S. 74.
155
Ventris/Chadwick 1973 S. 393, 420.
156
Siehe auch oben Kap. 2. 4. 1.
157
Chadwick 1988 S. 74.
158
Ventris/Chadwick 1973 S. 59, 157, 393, 418ff.
159
L. R. Palmer 1963 S. 12 ff, 98ff., 230ff.
160
Siehe dazu: L. R. Palmer 1963 S. 96f.
154
54
3. Getreide
gehen und T 7 ½ für die Knaben übrig bleiben. Da diese Zahl
sich nur schwer auf 8 Knaben aufteilen läßt, nimmt er in
Bezugnahme auf die KN Ak-Tafeln, auf denen zwischen
größeren und kleineren Knaben unterschieden wird, Rationen
für sieben größere Knaben von je T 1 und für einen kleineren
von T ½ an. Die Tagesrationen würden damit V 1 (z 4) für
Männer, 0,8 Z für größere und 0,4 Z für kleinere Knaben
betragen. Diese Erklärung scheint aber zu weit hergeholt, denn
zum einen werden auf KN Am (2) 819 die Knaben nicht
weiter unterschieden – da sie gemeinsam mit den Männern
aufgeführt werden, ist es durchaus wahrscheinlich, daß es sich
um größere handelt –, und zum anderen erscheint bei der
Annahme, daß V 1 eine für einen erwachsenen Mann
ausreichende Tagesration darstellt, ein Fünftel dieser Menge
selbst für einen kleinen Jungen, der bis zu 2/3 des
Kalorienbedarfs eines Erwachsenen aufweisen kann, nicht als
groß genug.161
Eine Reihe von Tafeln, die Zuteilungen von *121, manchmal
allein, manchmal in Verbindung mit Oliven oder Feigen,
verzeichnen, sind die Texte der pylische Fn-Serie.162 Diese
Texte sind schwierig zu beurteilen. Die Anzahl der
Empfänger, die entweder beim Namen genannt oder durch
Berufsbezeichnungen oder Ethnika charakterisiert werden, ist
nicht verzeichnet, die dokumentierten Getreidemengen
schwanken. Die Fn-Texte werden von R. Palmer nicht zu den
eigentlichen Rationentafeln gerechnet.163 Sie nimmt an, daß
die Zuteilungen nicht die alleinige Nahrungsquelle für diese
Leute von offenbar höherem Status waren.164 Ein religiöser
Hintergrund mancher Tafeln ist vermutet worden.165
161
R. Palmer 1989 S. 96 Fn. 24.
Zur Fn-Serie siehe: L. R. Palmer 1963 S. 225ff.; Ventris/Chadwick 1973
S. 215ff.; Perpillou 1976; de Fidio 1989a.
163
R. Palmer 1989 S. 98 Fn. 33.
164
R. Palmer 1989 S. 92 Fn. 10.
165
Z.B. L. R. Palmer 1963 S. 231; R. Palmer 1992 S. 494.
162
55
Mykenische Enährung
Im Zusammenhang mit mykenischen Rationszuteilungen muß
auch kurz auf die Tafel MY Au 658 verwiesen werden.166 Auf
ihr bekommen 20 Männer *120 T 40 (+?), die fehlende
Zeitangabe und der geringe Nährwert der Ration lassen an eine
geringere Zeitspanne als einen Monat denken.
Zusammenfassend läßt sich also folgendes konstatieren: Sucht
man in den Linear B-Texten nach einer einheitlichen
Rationsgröße, wird man enttäuscht. Die mykenische Ration
von *120 T 2 entspricht weder den pylischen Rationen von
*120 T 2 NI T 2, noch den knossischen *121 T 3¾. Eine
mykenische Standardration ist nicht zu erkennen.
Wie aber lassen sich die Mengenangaben auf den Linear BTexten in tatsächliche Mengenangaben umrechnen?
Grundsätzlich muß man sich zuerst die Frage stellen, ob die
Maßeinheiten überhaupt an allen Orten gleich groß waren.
Bedenkt man die zahlreichen regionalen Unterschiede
klassischer Maßeinheiten, erscheint eine einheitliche
mykenische Norm unwahrscheinlich.
Mehrere Umrechnungsmöglichkeiten wurden vorgeschlagen.
Ventris und Chadwick167 gingen zunächst von Bügelkannen
aus Mykene aus, deren Fassungsvermögen etwa 12-14 l
betrug. Sie setzten diese 12 l mit T gleich und kamen so auf
eine Grundeinheit von 120 Litern. Einen anderen Weg ging L.
R. Palmer, der klassische Parallelen als Grundlage seiner
Berechnungen heranzog.168 Er setzte Z mit einer späteren
Kotyle und V mit einer späteren Choinix gleich und nahm für
zweitere einen Wert von etwa 1 l an, was eine gesamte Einheit
von 60 l ergab. M. Lang169 kam bei ihrer Untersuchung des
Fassungsvermögens unzerbrochener Gefäße aus Pylos zum
Ergebnis, daß das Volumen vieler Gefäße ein Vielfaches von
0,8 l beträgt, was sie mit V 1 gleichsetzte. Z 1 wären damit 0,2
166
Siehe dazu R. Palmer 1989 S. 96f.
Ventris/Chadwick 1973 S. 58ff.
168
Palmer 1963 S. 11ff.
169
Lang 1964.
167
56
3. Getreide
l, T 1 4,8 l und eine ganze Einheit 48 l. Chadwick170 übernahm
nun dieses Grundmaß von 0,8 l, setzte es aber mit Z 2 gleich
und schlug exakt die doppelten Mengen vor, also 0,4 l für Z 1,
1,6 l für V 1, 9,6 l für T 1 und 96 l für die ganze Einheit.171 Die
neuere Forschung tendiert meist zu den Werten von Chadwick,
doch muß man sich stets vor Augen halten, daß diese
keineswegs gesichert sind.
Überträgt man diese Zahlen auf die Rationsangaben der PylosTexte, erhielten nach den Werten von Lang die Frauen je 0,32
l *120 und Feigen pro Tag, die Kinder jedoch 0,16 l von
beidem. Nimmt man das System von Chadwick, so beträgt die
tägliche Ration der Frauen 0,64 l *120 und Feigen, und die der
Kinder 0,32 l. Bei den Gerstenrationen der Knossos-Texte von
Z 3 pro Mann und Tag käme man nach Lang auf 0,6 l pro
Person, nach Chadwick auf 1,2 l.
Es gibt drei Arten, Getreiderationen zu verteilen: als ganzes
Korn, als Mehl oder als Brot. Ganze Körner halten sich besser,
bei Mehl wird weniger Arbeit zum Verzehr nötig, Brot ist
fertig zum Verzehr, ist aber schwer und verdirbt schneller.
Ganze Gerstenkörner in den Spelzen haben 2158 Kalorien/kg
und wiegen 0,587 kg/l.; Gerstenmehl hat 3320 kal/kg und
wiegt 0,643 kg/l. Ein Kilo Weizen enthält 3340 Kalorien, ein
Kilo getrocknete Feigen 2550.
Nach dem Maßsystem von Lang bekämen die pylischen
Frauen pro Tag 0,24 kg Weizen, also 818,3 Kalorien, und 0,29
kg Feigen, die 739,5 Kalorien liefern, was gesamt 1557,8
Kalorien ausmacht. Das ergibt 64% des täglichen
Kalorienbedarfes. Nimmt man die Hohlmaße nach Chadwick,
erhalten die Frauen 0,49 kg Weizen (1636,6 kal) und 0,58 kg
170
Ventris/Chadwick 1973 S. 393f.
Die Bearbeiter der neuen Theben-Texte, die für eine Einheit 12
Untereinheiten T annehmen, kommen bei Adaption der Werte von Chadwick
(T=9,6 l) auf eine Einheit von 115,2 l. Siehe dazu Aravantinos/Godart/
Sacconi 2001 S. 162. Dieser Vorschlag ist m. E. aber nicht überzeugend, da
er nur auf einem einzigen Beleg beruht (siehe oben).
171
57
Mykenische Enährung
Feigen (1478 kal) und kommen so auf 3115,6 Kalorien172 und
128% des täglichen Bedarfs. Handelt es sich bei *120 aber um
Gerste, so ergibt das nach Chadwick pro Frau 0,375 kg (810
kal) pro Tag, und zusammen mit den Feigen 2288,7 Kalorien
(94% des Bedarfs). Nimmt man dagegen , so macht
das 0,41 kg (1366 kal) und mit den Feigen 2844 Kalorien pro
Frau und Tag (116,8% des Bedarfs) aus. Nach Lang ist
dementsprechend jeweils die Hälfte dieser Werte anzunehmen,
bei ganzen Gerstenkörnern also 1144,4 Kalorien (47% des
Bedarfs) pro Frau und Tag, bei 1422 (58% des
Bedarfs). Diese Berechnungen geben m. E. einen Hinweis auf
die Richtigkeit der Werte von Lang. Die Zahlen von Chadwick
erscheinen dagegen als zu hoch angenommen. Es ist
unwahrscheinlich, daß der Palast mehr gab, als die Frauen
benötigen.
Handelt es sich bei der Ration *121 Z 3 um Gerste, so ergibt
das nach Lang 0,35 kg (760 kal, 22,7% des Bedarfs eines
aktiven Mannes), nach Ventris/Chadwick 0,70 kg (1520 kal,
45,5% des Bedarfs). Handelt es sich um Gerstenmehl
(), kommt man auf 0,38 kg und 1281 Kalorien (38%
des Bedarfs) nach Lang bzw. 0,77 kg und 2562 Kalorien (77%
des Bedarfs) nach Ventris/Chadwick. Handelt es sich bei *121
aber um Weizen, so ergibt das nach Ventris/Chadwick 3094
Kalorien und damit 92,7% des täglichen Bedarfs.
Einen guten Vergleich zum mykenischen Rationensystem
bieten auch Nahrungsmittelverteilungen in Mesopotamien. In
diesem System bekommen Frauen im Monat 30 qa, was sich
leicht durch 30 teilen läßt und eine tägliche Ration von 1 qa
ergibt. Männer bekamen 60 qa, Kinder 10, 15 oder 20 qa. Für
den absoluten Wert von qa gibt es verschiedene Vorschläge,
am wahrscheinlichsten erscheint ein Wert um 0,82 l.173 Bei der
172
Diese Daten wurden entnommen aus R. Palmer 1989 S. 106.
R. Palmer 1989 S.121ff. Dieser Wert von 1 qa = 0,82 l würde auch
hervorragend zu den Werten L. R. Palmers passen, demzufolge die Frauen in
173
58
3. Getreide
Annahme, ein qa entspräche 0,82 l, ergibt die männliche
Ration von 2 qa pro Tag im Falle von Gerste 2078 kal und
damit 62% des Kalorienbedarfes eines aktiven Mannes, im
Falle von 3501 kal und 105% des Bedarfs. Die Ration
von 1 qa pro Tag für Frauen ergibt bei Gerste 1039 kal und
damit 43% des Bedarfs,174 bei 1751 kal und 71,9%
des Bedarfs.175
Die Aufzeichnungen von Frauen und Kindern werden in den
PY Ab-Texten meist von den Zusätzen DA und TA
begleitet.176 Steht TA alleine (PY Ab 388, Ab 578), herrscht
ein Überschuß von T 2, steht DA alleine (PY Ab 210, Ab 356),
von T 5. Sind auf der Tafel TA und DA gemeinsam vermerkt,
werden meist T 7 zuviel aufgeführt, manchmal aber auch T 9
(PY Ab 382, Ab 553, Ab 573).177
Worum handelt es sich bei DA und TA? DA und TA finden
sich sowohl in Pylos als auch auf den Tafeln der KN AkSerie. Auf PY En 609.1, allerdings eventuell mit anderer
Bedeutung als an anderer Stelle, scheint DA die Abkürzung
des Wortes da-ma-te,178 möglicherweise , zu sein,
dessen Interpretation jedoch unklar ist. Man geht meist davon
aus, daß es sich bei DA und TA um irgendeine Art von
Aufsichtspersonal handelt, was in ähnlichen Dokumenten aus
dem Nahen Osten, wo höhere Beamte Arbeitsgruppen leiten,
eine Parallele findet.179 Da T 2 die übliche Ration für weibliche
Arbeiterinnen darstellt, nahm L. R. Palmer an, daß es sich bei
Pylos, nimmt man Getreide und Weizen zusammen, täglich 0,8 l Nahrung
bekamen.
174
Dies käme nahe an die 47% des Tagesbedarfs bei Übernahme der Werte
von Lang und der Annahme, daß es sich bei *121 um Gerste handelte.
175
Daten aus R. Palmer 1989 S. 124 Tab. VIII.
176
Siehe zu DA und TA Chadwick 1988 S. 71ff.
177
Möglicherweise ist bei diesen Texten ein DA 2 zu rekonstruieren; siehe
Chadwick 1988 S. 70.
178
Aura Jorro 1985 S. 151f.
179
Chadwick 1988 S. 71.
59
Mykenische Enährung
TA um eine Frau handelt, während er T 5 für die Ration eines
Mannes hielt.180 Auf TH Of 34 ist DA wohl ein männlicher
Aufseher namens ko-tu-ro2, der für eine Gruppe von
Wollarbeiterinnen verantwortlich ist. Wir könnten daher auch
für die pylischen Ab-Tafeln einen männlichen Beamten
rekonstruieren. Eine mögliche Deutung der Abkürzung TA
wäre „Verwalterin, Wirtschafterin“.181 Diese
Bezeichnung ist in den Texten nicht belegt, auf PY Jn 310.3
erscheint aber der Männername ta-mi-je-u.182
Wenn DA nicht mit da-ma-te verbunden ist, bietet sich das
Wort du-ma183 an, das gelegentlich auch da-ma geschrieben
wird, so etwa me-ri-du-ma-te184 ebenso wie me-ri-da-ma-te185
auf PY An 39, dessen exakte Bedeutung zwar unklar ist, wohl
aber „Aufseher“ oder ähnliches lauten wird.
Neues Belegmaterial zu den mykenischen Getreidezuteilungen
liefern nun die vor einigen Jahren entdeckten Täfelchen aus
Theben. Auf diesen werden große Mengen von Getreide
verzeichnet. Zuteilungen von *120 sind in den Av-, Ev- und
Ft-Serien registriert, mit *121 befaßt sich in erster Linie die
Fq-Serie. Dabei fällt auf, daß die selben Personen stets
größere Mengen von *120 erhalten als von *121, so etwa ako-da-mo auf TH Av 101.4 *120 T 6 V[, auf Fq 307.1 und
309.1 aber nur *121 V 2. Die Rationen von *120 gehen an
verschiedenste Personen, deren exakter Status schwer
abzuschätzen ist, für manche ist ein kultischer Zusammenhang
vermutet worden.186 Die Fq-Serie ist quantitativ gesehen die
wichtigste der neu gefundenen Texte aus Theben, die
180
L. R. Palmer 1963 S. 116.
Chadwick 1988 S. 72.
182
Aura Jorro 1993 S. 311.
183
Aura Jorro 1985 S. 195f.
184
Aura Jorro 1985 S. 439f.
185
Aura Jorro 1985 S. 439.
186
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 342f.
181
60
3. Getreide
Zuteilungen von *121 gehen an Gottheiten, Handwerker,
Kultpersonal und auch sonstige Bedienstete.187
Was nun die Identität der Ideogramme *120 und *121
anbetrifft, so stellt sich die Frage, wie wahrscheinlich es ist,
daß die mykenischen Paläste die Getreideversorgung der vom
Palast abhängigen Arbeiter nicht auf der üblicheren Gerste,
sondern auf dem etwas selteneren und wohl auch wertvollerem
Weizen basieren läßt. Hier ist allerdings zu bedenken, daß
insbesondere Messenien, und gerade von dort stammen ja
unsere wichtigsten Textzeugnisse, recht gut für den Anbau von
Weizen geeignet war.
3. 4. 3. Getreide und Kult
Mit den neuen Texten aus Theben wurde bereits Getreide in
kultischen Kontexten angesprochen. Dieses Phänomen soll
nun etwas eingehender beleuchtet werden.
Grundsätzlich überwiegt bei Getreidezuteilungen an
Heiligtümer bzw. bei Einträgen von Getreide in „kultischem“
Kontext *121, aber auch *120 kommt vor.188 In klassischer
Zeit steht vor allem die Gerste in Verbindung mit religiösen
und kultischen Handlungen, man denke etwa an die heilige
Opfergerste, , die beim blutigen Tieropfer gestreut
wurde.189 Dies scheint auf den ersten Blick die herkömmliche
Lesart von *120 Weizen und *121 Gerste zu bekräftigen.
Können wir aber die klassische Handhabung von Getreide im
Kult ohne weiteres auf die mykenische Zeit projizieren? Eine
genau umgekehrte Praxis, nämlich die Tendenz, den Göttern
den qualitativ hochwertigeren und selteneren Weizen
187
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 343ff.
R. Palmer 1992 S. 485.
189
Etwa Hom. Il. 1, 449; Eur. El. 803f. Siehe dazu auch: Stengel 1920 S.
110.
188
61
Mykenische Enährung
darzubringen, wäre, wenn auch meines Erachtens eher
unwahrscheinlich, so doch möglich.
Die Linear B-Texte mit Erwähnungen von ki-ri-ta, ,
Gerste,190 und ki-ri-te-wi-ja scheinen auf eine Verbindung
zwischen Gerste und Religion hinzudeuten. Der Titel ki-ri-tewi-ja findet sich sowohl in Pylos (An 607, Eb 321/Ep 704, Un
1426) als auch in Knossos (E 777, Fp 363). Die Bedeutung
von ki-ri-te-wi-ja191 ist nicht eindeutig zu klären, am
wahrscheinlichsten erscheint eine Verbindung mit .192 Es
würde sich also um eine Gruppe von Frauen handeln, die in
irgendeiner Weise mit Gerste zu tun haben. Auch eine
Verbindung mit , die Gesalbten,193 oder , die
Auserwählten,194 wurde diskutiert, scheint aber weniger
wahrscheinlich zu sein.
Aus den Texten, so z. B. PY Ep 704, wo ki-ri-te-wi-ja mit
anderem Kultpersonal aufgeführt werden, geht eine kultische
Verbindung hervor. Es handelt sich bei ihnen wohl um
weibliches Kultpersonal auf einer niederen Stufe.195 Wenn also
die Bezeichnung Gerste im Namen einer Kultdienerin
vorkommt, kann man davon ausgehen, daß die Verwendung
von Gerste in der Verehrung einer Gottheit von Bedeutung
war. Auf KN E 777 erhält jede Gruppe der ki-ri-te-wi-ja 100
Einheiten *120. Diese Menge ist ungewöhnlich hoch, die
Anzahl der ki-ri-te-wi-ja ist aber nicht angegeben. Eine
Verwendung des Getreides für kultische Belange ist nicht
zwingend anzunehmen.196 Auch für KN F 193, das R.
190
Auf KN G 820.
Siehe dazu Aura Jorro 1985 S. 363.
192
Ventris/Chadwick 1973 S. 167; L. R. Palmer 1963 S. 95.
193
Kamerbeek 1956 S. 337; Kritik von Gérard-Rousseau 1968 S. 134.
194
Gérard-Rousseau 1968 S. 133f.; Kritik von Heubeck 1970 S. 813f.
195
Ventris/Chadwick 1973 S. 554; L. R. Palmer 1963 S. 233; 428.
196
Fände das Getreide aber dennoch Verwendung im Kult, würde eine
Interpretation von *120 als Gerste sehr gut passen.
191
62
3. Getreide
Palmer197 für kultisch hält, ist für mich kein religiöser Kontext
zu erkennen. Schon eher scheint mir bei den Texten der KN
Fs-Serie198 oder bei den Angaben von *120 in den „do-so-moTexten“ der PY Es-Serie199 – mit Ausnahme allerdings von
PY Es 644 – eine Verbindung mit Kult und Religion zu
bestehen, da hier stets Getreide an di-wi-je-we,200 y,
wohl den Priester des Zeus, vielleicht aber nur ein
Tempeldiener im Heiligtum des Zeus, gegeben wird.
In kultische Sphären weisen auch häufig die Zuteilungen von
Getreide in der TH Fq-Serie,201 wo etwa des öfteren *121 an
ma-ka, von den Bearbeitern als ( = ),
Mutter Erde, angesprochen,202 gegeben wird. Am Ende dieser
Zuteilungen findet sich häufig203 der Begriff ku-su-to-ro-qa,
der als *, Gesamtheit der Nahrungsmittel,
interpretiert wird.204
Interessant ist auch die Erwähnung des Titels si-to-po-ti-nija205 auf MY Oi 701. Dabei handelt es sich wohl um eine mit
Getreide verbundene Gottheit,206 deren Darstellung man im
bekannten Fresko der Göttin mit dem Ährenbündel in der
197
R. Palmer 1992 S. 486.
Siehe dazu oben.
199
Ventris/Chadwick 1973 S. 275ff.
200
Aura Jorro 1985 S. 182f.
201
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 180ff.
202
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 128ff., 393.
203
ku-su-to-ro-qa auf TH Av 101.6a, TH Fq 214.4, TH Fq 254[+] 255.15,
TH Fq 276.10, ku-su-to-ro-]qa auf
TH Fq 269, ku-su-to-r…o…[-qa auf
TH Fq 187, ku-su-t…o…-r…o…[-qa auf TH Fq 306.5, ku-su[-to-]ro-qa
auf TH Fq 229.14, ]k…u…-s…u…[-to-ro-qa auf TH Fq 252.6b, ku[-suto-ro-qa auf TH Fq 359.3, ] ku-su- t…o…[-ro-qa auf TH Fq 362 und ku]s…u…-to-r…o…[-qa auf TH Fq 394. Weiters ist ku-su-to-ro-qa auf KN B
817, PY Ed 411.1 sowie PY Er 880.8 belegt.
204
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 171f., 393.
205
Siehe dazu van Leuven 1979 S. 116ff.; Aura Jorro 1993 S. 299.
206
L. R. Palmer 1963 S. 489.
198
63
Mykenische Enährung
Hand aus dem Raum der Fresken im Kultzentrum von Mykene
vermuten kann.207
3. 4. 4. Texte zur Getreideernte
Einige Tafeln aus Knossos,208 die durch das Wort a-ma,
möglicherweise *,209 Ernte,210 charakterisiert sind und
sich wohl auf in der Region geerntetes Getreide beziehen,
listen nur *120 auf. Man nimmt an, daß diese Täfelchen kurz
vor der Zerstörung des Palastes von Knossos, die Chadwick211
Ende Mai, Anfang Juni ansetzt, geschrieben wurden. Das wäre
die Zeit der Gerstenernte. Gerste reift, wie schon erwähnt,
schneller als Weizen und wäre demnach früher geerntet,
gedroschen und gelagert. Wenn man also annimmt, daß das
Ideogramm *120 Gerste darstellt, könnte das erklären, warum
die Angaben für *121 fehlen, der Palast von Knossos wäre
nämlich zerstört worden, ehe man die Weizenernte
aufzeichnen konnte.212 Eine Verbindung mit Gerste könnte
auch der Begriff ki-ri-ti-jo-jo auf PY Es 650.1, der meist als
Monatsname im Genitiv interpretiert wird,213 aufweisen.214
Vielleicht handelt es sich ja um den Monat der Gerstenernte.
207
Iakovidis 1996 S. 183.
E 848, E 850, E 1035, F 845, F 851, F 852.
209
Vgl. klassisch .
210
L. R. Palmer 1963 S. 406; Chantraine 1968 S. 72; Ventris/Chadwick
1973 S. 530 ; Aura Jorro 1985 S. 53.
211
Siehe dazu: Chadwick 1976 S. 250ff.
212
R. Palmer 1992 S. 485.
213
Ventris/Chadwick 1973 S. 554.
214
Lejeune 1968 S. 738.
208
64
3. Getreide
3. 4. 5. Getreide als Einheit der Landvermessung
Eine Besonderheit der mykenischen Texte ist auch, daß die
Größe von Grundstücken in Getreide- bzw. Saatgutmengen
angegeben wird. Als Größeneinheit zur Angabe von
Landbesitz findet sich sowohl in Knossos als auch in Pylos nur
*120, nie *121. Die Größe der Ländereien wurde in der zu
ihrer Bestellung notwendigen Saatgutmenge angegeben, wobei
das Ideogramm hier nur abstrakt verwendet wird, denn Land,
das in *120 angegeben wird, kann auch anders bepflanzt
werden,215 so z. B. auf PY Er 880 mit Feigenbäumen und
Weinstöcken.
In der Antike war es anscheinend durchaus üblich, Flächen auf
diese Art zu messen, und in einigen Mittelmeerländern hat
sich dieser Brauch offenbar bis heute erhalten.216 Auch in den
hethitischen Texten scheint es Parallelen für diese Form der
Größenangabe von Landgütern zu geben.217 Dieses System
brachte den Vorteil mit sich, daß Ertragsunterschiede der
einzelnen Landstriche besser zum Ausdruck gebracht werden
konnten, da z. B. ein steiniger Hang weniger einbrachte und
weniger Saatgut verlangte als ein fruchtbarer Talboden. Es ist
daher schwierig, Saatgutmengen in Landmaße umzusetzen.
Gerste wächst, wie bereits gesagt, auch auf armen Böden, wo
Weizen nicht mehr gedeiht. Die sowohl in der Bronzezeit als
auch in klassischer Zeit in größerer Menge in Griechenland
angebaute Gerste scheint daher die logischere Einheit für die
Landvermessung zu sein. Halstead218 führt dagegen an, daß es
sich beim vom Palast verwalteten Land um relativ
hochwertiges, fruchtbares Land gehandelt hat, das deshalb
215
In
der
mediterranen
Landwirtschaft,
wie
in
jeder
Subsistenzlandwirtschaft, wurden immer verschiedene Pflanzen angebaut,
um das Risiko von Fehlernten zu vermindern.
216
Chadwick 1976 S. 150.
217
L. R. Palmer 1963 S. 100f.
218
Halstead 1995 S. 233.
65
Mykenische Enährung
möglicherweise in Weizen gemessen wurde. Daß diese
Grundstücke besonders hochwertig waren, ist m. E. aber nicht
zwingend vorauszusetzen. Stichhaltiger ist es, wenn er darauf
hinweist, daß Emmer und Einkorn wohl tolerant genug sind,
um auch als Maßeinheit für schlechtere Böden zu dienen,
ebenso wie aufgrund ihrer schlechten Eignung zur
Broterzeugung als Nahrung für Sklaven.
3. 4. 6. Berufsbezeichnungen
Einige Berufsbezeichnungen in den Linear B-Texten geben
uns Aufschluß über die Verwendung von Getreide. Am
klarsten ist die Bedeutung von a-to-po-qo,219 wohl
, Bäcker.220 Es handelt sich dabei um
spezialisierte, männliche Arbeiter, die nicht nur im Palast tätig
waren.221 Die Menge der verzeichneten Bäcker deutet auf
große Mengen von produziertem Brot hin.
Eine verwandte Berufsbezeichnung findet sich nur an einer
Stelle belegt, nämlich der Terminus a-si-to-po-qo auf PY Ep
613.6.222 Eine Interpretation deutet das Wort als
Verschreibung, als Konfusion von und bzw. ato-po-qo und si-to-po-qo, Koch.223 Eine andere Deutung224
geht von einer Verschreibung von a-pi-to-po-qo, „einer, der
mit kocht“, aus.
Die Bezeichnung me-re-ti-ri-ja sowie die alternative
Schreibweise me-re-ti-ra2 findet sich auf vier Tafeln (PY Aa
219
a-to-po-qo findet sich fünfmal in den Texten: PY An 39.11, PY An
427.3, PY Fn 50.7, MY Au 102.14, MY Oe 117.
220
Ventris/Chadwick 1973 S. 535; Aura Jorro 1985 S. 120f.
221
Auf PY An 39 sind zwei Bäcker in a-ke-re-wa verzeichnet.
222
Aura Jorro 1985 S. 109f.
223
Ventris/Chadwick 1973 S. 534.
224
L. R. Palmer 1963 S. 487.
66
3. Getreide
62, Aa 764, Ab 789.b, Ad 308).225 Das Wort ist von me-re-uro,226 das dem späteren , Mehl, entspricht, abgeleitet.
Dieses wird auf PY Un 718 gemeinsam mit dem Ideogramm
*65 FAR aufgeführt. Dieses mykenische Ideogramm *65 für
Mehl scheint eine Person beim Zerstoßen von Getreide in
einem Mörser mit einem Stößel zu zeigen, was für Emmer,
aber nicht für freidreschenden Weizen notwendig ist. *65 ist
allerdings auch als Ideogramm für Nacktweizen interpretiert
worden.227
Bei den me-re-ti-ri-ja/me-re-ti-ra2 handelt es sich wohl um die
Frauen, die dieses Mehl produzierten,228 eine Arbeit, die im
homerischen und klassischen Griechenland von Sklavinnen
ausgeführt wurde.229
Die Frauen mit dem Titel si-to-ko-wo230 auf PY An 292.1
haben ebenfalls mit der Verarbeitung von si-to,231 Getreide
(bzw. Nahrungsmitteln allgemein), zu tun, die genaue
Bedeutung dieser Berufsbezeichnung ist jedoch unklar. Meist
werden sie ebenfalls als Getreidemahlerinnen oder
Brotbäckerinnen interpretiert,232 andere Deutungen gehen von
„Getreidemesserinnen“233 oder auch Personen, die mit der
Überwachung oder Verteilung des Getreides zu tun hatten,
aus.234 Möglicherweise produzierten die si-to-ko-wo grobes
Mehl, während die me-re-ti-ri-ja/me-re-ti-ra2 feines Mehl für
die Herstellung von herstellten.235 Vielleicht bezieht
225
Siehe dazu Aura Jorro 1985 S. 437f.
Aura Jorro 1985 S. 438.
227
R. Palmer 1992 S. 490.
228
Ventris/Chadwick 1973 S. 560.
229
Vgl. Hom. Od. Il. 7, 103ff.; 20,105ff.
230
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 298f.
231
Aura Jorro 1993 S. 298. Siehe auch oben Kap. 2. 4. 1.
232
L. R. Palmer 1963 S. 118, 455.
233
Ventris/Chadwick 1973 S. 582.
234
Chantraine 1968 S. 1007, 1255.
235
R. Palmer 1992 S.489.
226
67
Mykenische Enährung
sich die Bezeichnung si-to-ko-wo aber gar nicht auf die
Frauen, sondern auf einen Beamten, dem diese Frauen
unterstellt waren. In Theben werden mit si-to-ko[-wo auf TH
Av 104 [+] 191.1 jedenfalls 20 Männer bezeichnet. Die
Interpretation als „Kultpersonal der Demeter“, die von den
Bearbeitern der Texte aus Theben vorgeschlagen wurde,
erscheint mir jedoch etwas weit hergeholt.236
3. 4. 7. Getreideprodukte
An dieser Stelle soll nun nochmals zusammengefaßt werden,
was wir über Getreideprodukte in den Linear B-Texten wissen.
Auf PY Un 718 findet sich der Begriff me-re-u-ro. Dieser
wird als *, Mehl, interpretiert.237 Alternativ kann
Mehl auch mittels des Ideogrammes *65 FAR verzeichnet sein.
Für seine Erzeugung waren wohl die me-re-ti-ri-ja bzw. mere-ti-ra2 genannten Frauen zuständig.238 Aus Akrotiri stammen
Funde von Weizen-, Gersten- und Hülsenfruchtmehl.239
In Theben findet sich auf TH Fq 254 [+] 255.2 der Ausdruck
pa-ta, der von den Bearbeitern mit griechisch 240
einem Gerstenbrei, in Zusammenhang gebracht wird.241
Gerstenschrot wurde ebenfalls in Akrotiri gefunden.242
Brot ist, läßt man den Ausdruck si-to beiseite, der wohl
ebenfalls Brot bedeuten kann, nur indirekt durch die
Berufbezeichnung a-to-po-qo, *w, Bäcker,243 auf
PY Fn 50.7, PY An 427.3, PY An 39.11, MY Au 102.14 und
236
Siehe dazu Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 174ff., 396.
Aura Jorro 1985 S. 438.
238
Siehe oben Kap. 3. 4. 6.
239
Sarpaki 2001 a S. 33f. Tab. 1 und 2.
240
Eustath. 1278, 54; Hesych s. v. .
241
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 225f., 395.
242
Sarpaki 2001 a S. 32, 34 Tab. 2, 35.
243
Aura Jorro 1985 S. 120f.
237
68
3. Getreide
im Dativ Plural als a-to-po-qo-i...[ auf MY Oe 117 belegt. Ein
Fladenbrot wurde in Tiryns gefunden,244 ebenso kam Brot in
Marmariani in Thessalien zu Tage.245 Weitere Funde von Brot,
darunter auch ein vermutlich aus Hülsenfruchtmehl bereitetes,
stammen aus Akrotiri.246
3. 5. Zusammenfassung
Getreide bildete einen wesentlichen Bestandteil der
mykenischen Ernährung. Das wichtigste Getreide im
spätbronzezeitlichen Griechenland war die Gerste, die
wichtigste Weizensorte war Emmer. Saatweizen spielten nur
eine untergeordnete Rolle. Getreide wurde vom Palast an
abhängige Arbeiter und Arbeiterinnen verteilt. Man mahlte es
zu Mehl, bereitete Getreidebreie und buk Brot.
Die Identität der beiden Ideogramme *120 und *121, die für
Getreidesorten stehen, ist unsicher. Die Identifizierung von
*120 Weizen und *121 Gerste auf der Grundlage von PY An
128 ist jedoch nicht mehr zu halten. Das Überwiegen von *120
in den Rationstexten, die Verwendung von *120 in den
Landbesitztexten, sowie die Auflistungen von Ernteerträgen
von *121 lassen an eine eventuelle Umkehrung der
konventionellen Interpretation denken, aber eine eindeutige
Entscheidung läßt sich nicht fällen.
244
Kroll 1982 S. 469.
Vickery 1936 S. 49.
246
Sarpaki 2001 a S. 33f. Tab. 1 und 2.
245
69
4. Hülsenfrüchte
4. Hülsenfrüchte
4. 1. Einleitung
Hülsenfrüchtler (Leguminosae) bilden mit etwa 17.000 Arten
die drittgrößte Pflanzengruppe auf der Erde. Die wichtigste der
3 Pflanzenfamilien, die zu den Leguminosen gezählt werden,
ist mit etwa 10.000 Arten die der Schmetterlingsblütler, der
fast alle der menschlichen Ernährung dienenden
Hülsenfrüchtler zugerechnet werden.247
Hülsenfrüchte bilden durch ihren hohen Proteingehalt in den
traditionellen landwirtschaftlichen Kulturen die ideale
Ergänzung zu Getreide als wichtigstem Kohlehydratlieferanten
und tragen zu einer ausgewogenen Ernährung bei.248 Sie
wurden daher rasch zu unersetzlichen Grundnahrungsmitteln
prähistorischer Bevölkerungen.
Pflanzliches Eiweiß kann das tierische zwar nicht vollkommen
ersetzen, aber es kann dessen Anteil an der täglichen
Ernährung auf einen Bruchteil des nötigen Eiweißbedarfs
reduzieren. Der benötigte Anteil tierischen Proteins kann so
durch Milchprodukte zugeführt werden, und Fleisch wird über
längere Zeit entbehrlich. Hülsenfrüchte liefern auch andere
Nährstoffe, die dem Getreide fehlen, wie Kalzium und
Vitamin C.
Hülsenfrüchtler können weiters mit Hilfe des mit ihnen
symbiotisch
lebenden
Wurzelbakteriums
Rhizobium
Luftstickstoff binden und dem Boden zuführen.249 Sie
bereichern also den Boden,250 während Getreide das Land, auf
247
Körber-Grohne 1987 S. 97.
Franke 1997 S. 131ff.
249
Zohary/Hopf 1988 S. 83.
250
Dieser Umstand wurde bereits in der Antike erkannt: Theophr. hist. plant.
8, 9, 1.
248
71
Mykenische Enährung
dem sie angebaut werden, auslaugen. Dadurch gedeihen
Hülsenfrüchtler auch auf nährstoffarmen Böden. Durch
Felderrotation, durch den Anbau von Hülsenfrüchten in
Mischkultur mit Getreide251 oder durch den Anbau von Klee
(Trifolium ssp.) oder Schneckenklee (Medicago ssp.) als
Zwischenfrucht ist der Landwirt in der Lage, einen höheren
Stickstoffgehalt des Bodens und damit eine höhere
Bodenqualität aufrechtzuerhalten.252
Wie Getreide besitzen Hülsenfrüchte in getrocknetem Zustand
eine vorzügliche Lagerfähigkeit. In dieser problemlosen
Haltbarkeit ist auch ein wesentlicher Grund für den
umfangreichen Hülsenfruchtanbau in vorgeschichtlicher und
geschichtlicher Zeit zu sehen. Hülsenfrüchtler gehören seit
Beginn des Ackerbaus zu den wichtigsten Kulturpflanzen.253
Erbse, Linse, Kichererbse, Linsenwicke und Saat-Platterbse
wurden ungefähr gleichzeitig mit den wichtigsten
Getreidearten kultiviert. Doch trotz ihrer großen Bedeutung in
der täglichen menschlichen Ernährung schenkte man den
Hülsenfrüchten lange Zeit wenig Aufmerksamkeit. Dies
erscheint umso merkwürdiger, da sie uns in zahlreichen
Quellen entgegentreten.
4. 2. Hülsenfrüchte im Orient und in Ägypten
Hülsenfrüchte bildeten sowohl im Alten Orient als auch in
Ägypten einen wichtigen Teil der Ernährung.254 Erbsen
wurden im Alten Orient wohl auf Feldern angebaut, da
251
So scheinen zahlreiche beigemischte
Gerstenkörner in den
Linsenwickenvorräten in Tiryns auf Fruchtfolge zu deuten: Kroll 1982 S.
476.
252
Thanheiser 1997 S. 433; J. Renfrew 1973 S.104ff.
253
Kroll 1983 S. 124 ff; Zohary/Hopf 1988 S. 83 ff; J. Renfrew 1973 S.
104ff.
254
J. Renfrew 1995.
72
4. Hülsenfrüchte
Lieferungsverzeichnisse manchmal auffallend große Mengen
nennen.255 In Palästina wurden anstatt der Erbsen anscheinend
vorzugsweise Linsen gegessen.256 In hethitischen Texten
finden sich Bohnen und Linsen genauso wie ein Eintopf aus
Kichererbsen.257 Auch die Linsenwicke war bei den Hethitern
nicht nur als Viehfutter in Verwendung, sondern tritt uns in
den Texten als fester Bestandteil der menschlichen Nahrung
entgegen.258 Linsen wurden ebenfalls in Assyrien angebaut
und spielen auch in den Verzeichnissen der Gemüse des
Gartens von König Marduk-apla-iddina II. von Babylon eine
Rolle.259
Auch auf den gut bewässerten ägyptischen Feldern wurden
Hülsenfrüchte wie Linsen, Saubohnen, Saat-Platterbsen,
Linsenwicken und Kichererbsen angebaut.260 Linsenwicke und
Saat-Platterbse gehören zu den ältesten Kulturpflanzen in
Ägypten261 und waren seit vorgeschichtlicher Zeit bekannt.
Die Kichererbse wurde im Mittleren Reich aus dem syrischpalästinensischen Raum, wo sie schon im 8. Jt. v. Chr. belegt
ist, nach Ägypten eingeführt. Die Saat-Platterbse, deren
Samen seit vorgeschichtlicher Zeit vermutlich gekocht als
Gemüse verwendet wurden, diente auch als Futterpflanze. Aus
der Zeit des Mittleren Reiches datieren Funde der Linsenwicke
aus dem westlichen Deltagebiet. Man kann wohl davon
ausgehen, daß die heute vorwiegend als Futterpflanze
angebaute Hülsenfrucht in pharaonischer Zeit auch dem
Menschen als Nahrungsmittel diente. Die Saubohne, die heute
zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln Ägyptens zählt,
255
von Soden 1985 S. 96.
von Soden 1985 S. 96.
257
Hoffner 1974 S. 95ff.
258
Hoffner 1974 S. 99ff.
259
Brothwell 1984 S.137.
260
Germer 1984.
261
Zu den Hülsenfrüchten in Ägypten: Schoske/Kreißl/Germer 1992 S. 30;
Darby/Ghalioungui/Grivetti 1977 S. 682ff.
256
73
Mykenische Enährung
spielte im Alten Ägypten keine bedeutende Rolle, sie ist
allerdings seit dem Alten Reich belegt. Auch die um 6000 v.
Chr. im Vorderen Orient kultivierte Linse wurde seit
vorgeschichtlicher Zeit in Ägypten als weitverbreitetes
Nahrungsmittel verwendet und den Göttern dargebracht.
4. 3. Hülsenfrüchte in klassischer Zeit
Im klassischen Griechenland wie auch im römischen Italien
waren Nutzung und Kultur der Hülsenfrüchte allgemein
verbreitet, und die antike Literatur bietet eine Vielzahl von
Belegen.262 Hülsenfrüchte wurden in weiten Teilen
Griechenlands und Italiens als Feldfrucht und nicht bloß in
kleinerem Ausmaß in Gärten angebaut.263 Auch das Kochbuch
des Apicius widmet Rezepten für Erbsen, Bohnen und Linsen
mehrere Seiten.
Man gewinnt allerdings den Eindruck, als hätten sie eher die
Nahrung der unteren Gesellschaftsschichten dargestellt.264
Hülsenfrüchte wurden üblicherweise getrocknet, eingelagert
und nach dem Einweichen verwendet. Bohnen, Erbsen und
Kichererbsen aß man aber auch frisch.265 Gern bereitete man
aus Hülsenfrüchten Fava, eine Art von Püree. Sie wurden aber
auch zu Mehl vermahlen, um Brot daraus herzustellen.
Athenaios etwa erwähnt ein Linsenbrot.266
262
Man denke z.B. auch an die Nomina und Cognomina angesehener
römischer bzw. italischer Geschlechter wie der Fabii (zu faba „Saubohne“)
oder der Tullii Cicerones (zu cicer „Kichererbse“).
263
Garnsey 1999 a S. 15.
264
Brothwell 1984 S. 139; Hülsenfrüchte wurden von Armen wie Reichen
gleichermaßen verzehrt, der Unterschied bestand lediglich darin, daß die
ärmere Bevölkerung auf Hülsenfrüchte angewiesen war, während die
Oberschicht die Wahl hatte.
265
Dalby 1998 S.132.
266
Ath. 4, 158 e.
74
4. Hülsenfrüchte
Die Linsenwicke wird in klassischen und späteren
griechischen Texten selten als Nahrung erwähnt,267 zumindest
seit römischer Zeit wird sie hauptsächlich als Viehfutter
angebaut.268 Plinius sagt, daß sie beim Menschen nur zu
Kopfschmerzen, Erbrechen und Durchfall führt.269 Daraus läßt
sich schließen, daß sie zumindest in Hungersnöten
gelegentlich verzehrt wurde, was von Galen270 bestätigt wird.
Die Linse war in klassischer Zeit die verbreitetste
Hülsenfrucht. Linsensuppe war im klassischen Griechenland
ein nahrhaftes Alltagsessen, typische Arbeiterkost, die aber
kaum auf den Tischen reicher Männer zu sehen war.271 Auch
bei den Römern wurde aus Linsen ein Brei zubereitet. Die
Linsen wurden dafür geröstet, dann mit Kleie im Mörser leicht
zerstampft.272 Im klassischen Griechenland waren Erbsen
seltener als Linsen. Man bereitete aus Erbsen und Bohnen eine
Suppe zu.273 In römischer Zeit hat man Erbsen anscheinend
nicht roh gegessen274. Außerdem bereitete man aus Erbsen
auch eine Art Püree zu, fertige Erbsensuppe konnte man heiß
an Straßenständen und in Garküchen kaufen.275
Bohnen,276 die wie die Kichererbsen schon bei Homer erwähnt
werden,277 waren ein antikes Grundnahrungsmittel, das überall
angebaut und von allen gegessen wurde, und dessen Nährwert
man allgemein sehr schätzte. So wußte z.B. Galen über ihre
Qualitäten gut Bescheid und gab sie seinen Gladiatoren zu
267
Dalby 1998 S. 131.
André 1998 S. 32.
269
Plin. nat. 22, 153.
270
Gal. 6, 546 Kühn.
271
Dalby 1998 S. 132.
272
Plin. nat. 18, 98.
273
Dalby 1998 S. 132.
274
Der Verzehr frischer Erbsen ist erst im 17. Jh. sicher bezeugt; André
1998 S. 217, Anm. 298.
275
Brothwell 1984 S.138.
276
Griech. jünger lat. faba.
277
Z. B. Hom. Il. 13, 588f.
268
75
Mykenische Enährung
essen.278 Bohnen waren die Speise der armen Leute279 und der
Schwerarbeiter, der Bauern280 und der Handwerker.281
Gewöhnlich wurde die Bohne, sobald sie reif war, geerntet,
dann drosch man das Kraut wie das Getreide, um die
Samenkörner herauszuschlagen.282 Man verkaufte die Körner
entweder als ganze oder als geschrotete,283 oder man
verarbeitete sie zu einem lomentum genannten Mehl, das zum
Brotbacken verwendet werden konnte.284
Die Saubohne wurde vor allem als Brei gegessen, diese alte
Zubereitungsart bezeugt auch die den Göttern vorgesetzte puls
fabata.285 Aus Bohnen wurde auch eine Art Eintopf zubereitet,
ein Püree namens concha, conchis oder conc(h)ic(u)la,286
dessen Rezept sich bei Apicius findet.287 Ebenso fanden sie in
Fleischeintöpfen Verwendung. Bohnen galten aber auch
gekocht oder geröstet als Leckerei, und sie wurden sogar
frisch und roh als Naschwerk gegessen.288 Die zarten Schoten
der Saubohnen aß man wie heutzutage die grünen Bohnen.
Dabei handelt es sich um die fabaciae des Apicius.289
Die Bohne war im Altertum Gegenstand zahlreicher,
besonders auch kultischer Vorstellungen. Für uns sind aus
278
Gal. 6, 529 Kühn; Cels. 2, 18, 5 hält die Bohne für nahrhafter als die
Erbse.
279
André 1998 S. 31 und S. 217 Anm. 287.
280
Hor. sat. 2, 6, 63f.; Plin. nat. 18, 101: im Pogebiet.
281
Mart. 10, 48, 16.
282
Colum. 11, 2, 50.
283
Edict. Dioclet. 1, 9; 1, 10; Mart. 4, 46, 6; Plin. nat. 18, 117; Cato agr. 10,
5.
284
Plin. nat. 18, 117.
285
Plin. nat. 18, 117f.; Macr. Sat. 1, 12, 33.
286
André 1998 S. 216 Anm. 285.
287
Apic. 5, 4, 1. Das Kochbuch des Apicius wird zitiert nach der Ausgabe
von R. Maier, Stuttgart 1992.
288
Phainias bei Ath. epit. 54f.
289
Apic. 5, 4, 1-3.
76
4. Hülsenfrüchte
diesem weiten Feld vor allem die Verbote ihres Verzehr
interessant, so etwa bei den Pythagoreern und Orphikern.290
Die Kichererbse diente sowohl als Grundnahrungsmittel als
auch als Nachspeise. Dafür wurde sie geröstet. War sie aber
jung und frisch, aß man sie auch roh.291
Lupinen wurden im klassischen Athen wohl am Straßenrand
verkauft,292 ihr Verzehr galt aber als ein Indiz für Armut. 293
Auch in den römischen Städten gab es Lupinenhändler, die die
Samen gekocht verkauften.294 Bei den Römern wurde die
Lupine häufig verzehrt, sowohl von den Menschen als auch
vom Vieh.295 Sie gehörte zum festen Bestand der
menschlichen Ernährung, wenngleich sie auch hier eher eine
Speise der armen Schichten der Bevölkerung war.296 Man aß
sie wohl in Wasser gekocht.297
4. 4. Hülsenfruchtfunde im prähistorischen Griechenland
Im prähistorischen Griechenland298 sammelten bereits in der
spätpaläolithischen und mesolithischen Epoche die Bewohner
der Franchthi-Höhle Linsen, Erbsen und Linsenwicken, die
ihre primäre Quelle für pflanzliche Proteine bildeten. In
frühneolithischer Zeit kamen neue Leguminosenarten hinzu:
die Kicher-Platterbse und die Saat-Platterbse. An einer
Fundstelle fand man auch Kichererbsen. Im mittleren
Neolithikum scheint es keine großen Änderungen gegeben zu
290
Zur kultischen Bedeutung der Bohne siehe etwa Garnsey 1998 S. 214 ff;
Olck 1897.
291
Xenoph. 22 und andere Zitate bei Ath. epit. 54 e.
292
Diphilos 87 bei Ath. epit. 55 d.
293
Alexis 167 bei Ath. epit. 55 a.
294
Edict. Dioclet. 1, 20; CIL IV 3483.
295
Plin. nat. 18, 50.
296
Hor. sat. 2, 3, 182; Mart. 5, 78, 21.
297
Colum. 10, 115.
298
siehe dazu: Hansen 2000.
77
Mykenische Enährung
haben. Im Spätneolithikum kamen dann die Ackerbohne und
die Purpur-Platterbse hinzu. Für die frühe Bronzezeit ergibt
sich im Wesentlichen das gleiche Bild. Die mittlere und die
späte Bronzezeit sollen nun etwas genauer betrachtet werden.
An 45 mittel- und spätbronzezeitlichen Fundorten fanden sich
insgesamt 11 verschiedene Hülsenfruchtarten: die Linse (Lens
culinaris), die Erbse (Pisum sativum), die Linsenwicke (Vicia
ervilia), die Kichererbse (Cicer arietinum), die Ackerbohne
(Vicia faba), die Saat-Platterbse (Lathyrus sativus), die
Purpur-Platterbse (Lathyrus clymenum), die Flügel-Platterbse
(Lathyrus ochrus), die Saatwicke (Vicia sativa), die KicherPlatterbse (Lathyrus cicera) und die Lupine (Lupinus sp.).299
4. 4. 1. Linsenwicke
Die Linsenwicke (Vicia ervilia) findet sich oft in
beträchtlichen Mengen und ist eine der wesentlichen
Hülsenfrüchte des südöstlichen Europa.300 Sie wurde erstmals
in Anatolien kultiviert, wo sie heute noch wild vorkommt. Ihr
Anbau im Neolithikum und während der Bronzezeit
konzentrierte sich auf die Westtürkei, Griechenland und
Bulgarien.
Da die Samen dieser Pflanze, wie die der Platterbse, Giftstoffe
enthalten, ist diese Nahrungsquelle andernorts nicht wirklich
beliebt geworden.
Ervilia wird noch heute in Bereichen traditioneller
Landwirtschaft angebaut, besonders im Mittelmeergebiet und
im Nahen Osten, doch hat sie kaum noch Bedeutung für die
menschliche Ernährung, und auch ihre Verwendung als
Viehfutter geht mehr und mehr zurück.
299
In den meisten Fällen handelt es sich um vereinzelte Streufunde. Nur an
wenigen Orten wurden systematische, paläobotanische Untersuchungen
durchgeführt.
300
Zum Folgenden: Kroll 1983 S. 125.
78
4. Hülsenfrüchte
4. 4. 2. Linse
Die Linse301 (Lens culinaris)302 gehört zu den ältesten und
geschätztesten Hülsenfrüchten der Alten Welt und wird noch
heute von Spanien und Marokko im Westen bis Indien im
Osten angebaut. Im mediterranen Ackerbau ist sie ein
charakteristischer Begleiter von Weizen und Gerste. Ihr Ertrag
ist im Vergleich zu Getreide relativ gering,303 die Linse ist aber
eine
der
nahrhaftesten
und
wohlschmeckendsten
Hülsenfrüchte. Ihr Proteingehalt beträgt etwa 25%, und sie ist
ein wichtiger Fleischersatz.
Der wilde Vorläufer der kultivierten Linse war die Lens
orientalis, die sich fast im gesamten Nahen Osten findet. Der
Anbau der Linse ist so alt wie der Ackerbau selbst. Die Linse
ist eng verbunden mit dem Anfang der Kultivierung von
Weizen und Gerste und kann als eine „Gründungsfrucht“ des
Ackerbaus betrachtet werden. Linsen wurden im Nahen Osten
schon vor der Gründung fester Ackerbausiedlungen
verwendet,304 genauso wie anschließend in den frühesten
Niederlassungen des 7. Jt. v. Chr. und in großen Mengen an
späteren neolithischen Fundplätzen. Im 6. Jt. scheint die Linse
eng mit der Verbreitung des Ackerbaus nach Südosteuropa
verbunden zu sein. Überreste von wilden Linsen finden sich
bereits in den altsteinzeitlichen Schichten der Franchthi-Höhle,
kultivierte Linsen kommen in allen frühen neolithischen
Siedlungen in Griechenland vor und bleiben auch in späteren
neolithischen und bronzezeitlichen Kontexten häufig. Wie bei
Erbsen und anderen Hülsenfrüchten scheinen Linsen in
bronzezeitlichen Siedlungen in Europa etwas weniger häufig
vorzukommen als im Neolithikum, ein Ansteigen ist dann
301
Zum Folgenden: Zohary/Hopf 1988 S. 85ff.
Syn L. esculentia Moench.
303
Ungefähr 50-150 kg/ha.
304
Vgl. Funde von verkohlten Linsensamen in Mureybit und Tell Abu
Hureyra; Zohary/Hopf 1988 S. 87.
302
79
Mykenische Enährung
wieder in der Eisenzeit zu beobachten. Die Linse bleibt bis in
die Neuzeit stetig in Verwendung, wenn sie auch nicht immer
gleich hoch geschätzt wird.
4. 4. 4. Erbse
Die Erbse305 (Pisum sativum) gehört ebenfalls zu den ältesten
angebauten Pflanzen und begleitet von Beginn an Gerste und
Weizen. Sie ist gut geeignet sowohl für warmes, mediterranes
als auch für kühleres und gemäßigteres Klima. Erbsen sind,
wie die übrigen Hülsenfrüchte, wichtige Proteinquellen.306
Heute stellen sie weltweit die zweitwichtigste Hülsenfrucht
dar. Ein substantieller Teil wird als unreife, grüne Samen
geerntet und als Gemüse gekocht verzehrt. Die reifen gelben
Samen dienen zur Herstellung von Eintöpfen und Breien oder
gemahlen als Suppengrundlage.
Wahrscheinlich stammt die Erbse von der Wildform Pisum
humile ab, die im Nahen Osten vorkommt. Verkohlte Reste
von Erbsen finden sich bereits in den frühen neolithischen
Ackerbausiedlungen des Nahen Ostens, wie Jarmo, Cayönü,
Tell Aswad und Jericho, viel reichere Funde stammen dann
aus den späteren neolithischen Fundstätten, wie Catal Hüyük,
Hacilar und Erbaba.307
Auch Erbsen scheinen mit dem Übergang des Ackerbaus nach
Europa eng verbunden zu sein. Repräsentative frühe Funde aus
Griechenland kommen aus dem frühneolithischen Nea
Nikomedia und den akeramischen Schichten von Ghediki,
Sesklo und Soufli.308 Seit diesem frühen Beginn sind Erbsen
ein
beständiges
Element
der
neolithischen
und
305
Zum Folgenden: Zohary/Hopf 1988 S. 92ff.
Der Proteingehalt der Samen beträgt etwa 22%.
307
Dazu: Zohary/Hopf 1988 S. 96
308
Zohary/Hopf 1988 S. 97
306
80
4. Hülsenfrüchte
bronzezeitlichen Nahrung und ein üblicher Begleiter von
Weizen und Gerste.
4. 4. 4. Ackerbohne
Die Ackerbohne bzw. Saubohne (Vicia faba) gehört zu den
wichtigsten Hülsenfrüchten der Alten Welt. Sie gedeiht im
warmen, mediterranen Klima ebenso wie in gemäßigteren,
nördlichen Breiten und stellt heute in vielen Ländern Asiens
und der Mittelmeerregion (besonders in Ägypten) die
wichtigste Proteinquelle der Bevölkerung dar. Eine wilde
Stammpflanze ist nicht bekannt. Vermutlich stammt sie aber
aus Vorderasien.
Die ältesten Überreste der Ackerbohne kommen aus dem
präkeramischen Neolithikum B (6500-6000 v. Chr.) in
Yiftah‘el nahe Nazareth in Israel.309 Die frühesten vereinzelten
Funde auf griechischem Boden stammen aus den
spätneolithischen Schichten von Sesklo und Dimini.310 Mit
dem Übergang zu den Metallzeiten nehmen die Funde von
Vicia faba im Mittelmeerraum zu.311
Der Genuß von Ackerbohnen kann bei einer bestimmten
Menschengruppe mit einer angeborenen Blutanomalie zu
schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen
(Favismus).312
309
Zohary/Hopf 1988 S. 104.
J. Renfrew 1966 S. 30f.; Kroll 1979 S. 181ff.
311
Körber-Grohne 1987 S. 125.
312
Siehe unten.
310
81
Mykenische Enährung
4. 4. 5. Kichererbse
Die Kichererbse313 (Cicer arietinum) ist eine in der
traditionellen, mediterranen Landwirtschaft sehr geschätzte
Pflanze, die das warme Klima im Mittelmeerraum benötigt
und in kälteren Regionen kaum gedeiht. Die Kichererbse ist
wie die Linse oder die Erbse durch den hohen Proteingehalt
ihrer Samen (über 20%) ein wichtiger Fleischersatz in
bäuerlichen Kulturen. Sie wurde im zentralen Bereich des
Nahen Ostens schon früh kultiviert. Die ältesten
Kichererbsenfunde stammen aus dem akeramischen Cayönü in
der Türkei (7500-6800 v. Chr.) und aus den Schichten des 8.
Jt. v. Chr. in Tell Abu Hureyra in Nordsyrien.314 Ein einzelner
Samen findet sich bereits im 6. Jt. in Otzaki, Thessalien,315
reichere Funde stammen aus dem neolithischen Dimini.316
4. 4. 6. Saat-Platterbse
Die Saat-Platterbse317 (Lathyrus sativus) spielt in der
mediterranen Landwirtschaft eine etwas untergeordnetere
Rolle. Sie wird wegen ihrer Fähigkeit geschätzt, an trockenen
Orten und auf schlechten Böden zu gedeihen. Heute dienen
Saat-Platterbsen hauptsächlich als Viehfutter; nur in Indien,
dem Hauptproduzenten dieser Hülsenfrucht, spielen sie in der
Ernährung der Ärmsten in Hungerszeiten noch eine Rolle.
Der wilde Vorgänger der Saat-Platterbse ist Lathyrus cicera,
eine Platterbse, die in verschiedenen ostmediterranen und
nahöstlichen Ländern (Griechenland, Türkei, Iran, Irak)
vorkommt. In Griechenland finden sich Saat-Platterbsen
313
Zum Folgenden: Zohary/Hopf 1988 S. 98ff.
Zohary/Hopf 1988 S. 101.
315
Kroll 1981 S. 99.
316
Kroll 1979 S. 181.
317
Zum Folgenden: Zohary/Hopf 1988 S. 109f.
314
82
4. Hülsenfrüchte
bereits im neolithischen Dimini.318 Auch aus Prodromos und
Servia stammen reiche Funde.319 Mindestens mit dem Beginn
der Metallzeiten gehören sie in Griechenland und in Italien
zum festen Bestand der Hülsenfrüchte. In Griechenland wurde
die Saat-Platterbse meist in nur geringem Umfang angebaut,
zeitweise wird sie jedoch häufiger nachgewiesen, wie z. B. in
den späteisenzeitlichen Schichten des Heiligtums von
Kalapodi.320
Saat-Platterbsen enthalten Giftstoffe, die bei häufigem Verzehr
zu schweren Erkrankungen führen können.321
4. 4. 7. Flügel-Platterbse
Die Flügel-Platterbse322 (Lathyrus ochrus) wurde in
spätbronzezeitlichem Kontext bisher nur in Knossos entdeckt.
Sie wird heute noch auf der Insel Euboia unter dem Namen
lathouri angebaut. Identische Samen und Pflanzen finden sich
unter dem Namen sprika auf Karpathos und werden dort
sowohl als Tierfutter323 als auch in getrockneter, pürierter
Form als Fava zur menschlichen Ernährung verwendet. Es ist
unklar, wo ihr Ursprung liegt. Ebensowenig ist bekannt, ob es
sich um eine kultivierte oder eine wild wachsende Pflanze
handelt. Daß sie nur durch diesen einen Fund belegt ist, zeigt,
daß sie nicht sehr bedeutend war. Möglicherweise ist Lathyrus
ochrus mit dem der klassischen Zeit identisch.324
318
Kroll 1979 S. 183.
Kroll 1983 S. 129.
320
Kroll 1983 S. 129.
321
Siehe unten.
322
Zum Folgenden: Jones 1992.
323
Ebenfalls auf der Halbinsel Methana.
324
Phainias bei Ath. epit. 54f.
319
83
Mykenische Enährung
4. 4. 8. Purpur-Platterbse
Die Purpur-Platterbse325 (Lathyrus clymenum) wurde im
Westhaus in Akrotiri als einzige gelagerte Hülsenfrucht in
großen Mengen sowohl in ganzen Samen als auch als Fava
gefunden. Sie bildet die Hauptkomponente in 7 großen
Vorratsgefäßen und stellt nach der Gerste die zweitwichtigste
Nutzpflanze dar. Ähnliche Samen fanden sich als
Kontamination eines Fundes von Flügel-Platterbsen im
Unexplored Mansion in Knossos. Purpur-Platterbsen waren
also nicht bloß wild wachsende Pflanzen, sie wurden im Fall
von Akrotiri wohl bewußt angebaut, gelagert und auch zur
menschlichen Ernährung verwendet.
Dieselbe Frucht findet sich noch heute auf den Inseln Thera,
Anaphi und Karpathos,326 wo sie unter dem Namen arakas in
der Form von Fava der menschlichen Ernährung dient. Die
auffällige Konzentration auf Inseln der südlichen Ägäis
sowohl in der Bronzezeit als auch heute ist kein Zufall,
sondern liegt daran, daß die Pflanze auch auf trockenen Böden
gut gedeiht.
4. 4. 9. Kicher-Platterbse
Die Kicher-Platterbse327 (Lathyrus cicera) ist ein weiterer
Vertreter der in Griechenland und der Ägäis gut belegten
Gattung Lathyrus.
Sie kommt im ostmediterranen Raum und im Nahen Osten
häufig vor. In großen Mengen findet sie sich auch als Unkraut
in Getreideernten. Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei ihr
um den wilden Vorgänger der Saat-Platterbse.
325
Siehe zum Folgenden: Sarpaki/Jones 1990; Jones 1992.
Auch in Süditalien wurde die Purpur-Platterbse bis ins 20. Jh. als
Nahrungsmittel angebaut.
327
Zohary/Hopf 1988 S. 77.
326
84
4. Hülsenfrüchte
Wie bei der Saat-Platterbse kann auch der Verzehr der KicherPlatterbse gesundheitliche Folgen haben.
4. 4. 10. Saatwicke
Die Saatwicke328 (Vicia sativa) ist eine charakteristische
Pflanze der mediterranen Landwirtschaft, die als Heu oder
ihrer Samen wegen angebaut wird. Diese sind aber, wie bei
der Linsenwicke, keine attraktiven Nahrungsmittel.
Heutzutage wird diese Pflanze ausschließlich als Viehfutter
verwendet.
4. 4. 11. Lupine
Eine Lupinen-Art fand sich auf Thera.329 Die verschiedenen
Mitglieder der Gattung Lupinus330 sind über das
Mittelmeergebiet verbreitet und wurden verschiedentlich in
Kultivation genommen. Alle Sorten erzeugen große, attraktive
Samenkörner, ihre Verwendung wird allerdings durch den
Umstand, daß sie im allgemeinen bittere Alkaloide enthalten,
beeinträchtigt.
4. 5. Relative Bedeutung der Hülsenfrüchte
Man fand Reste der Linse an 23 Fundorten, der Erbse an 20,
der Linsenwicke an 16, der Kichererbse an 7, der Ackerbohne
an 19, der Saat-Platterbse an 8, der Purpur-Platterbse und
328
Zohary/Hopf 1988 S. 109.
Rackham 1990 S. 389.
330
Siehe dazu Zohary/Hopf 1988 S. 111f.
329
85
Mykenische Enährung
Saatwicke je an 2, der Flügel-Platterbse an einem, der KicherPlatterbse an 3 Fundorten sowie der Lupine an einem.
Diese Werte können auch vielleicht einen ersten Eindruck von
der relativen Bedeutung der einzelnen Hülsenfruchtarten
vermitteln, wobei man sie naürlich nicht überbewerten darf.
So fand sich die Purpur-Platterbse zwar nur an zwei
Fundorten, nämlich als Kontamination eines Fundes von
Flügel-Platterbsen im Unexplored Mansion in Knossos sowie
im Westhaus von Akrotiri, wo sie aber eine wichtige Rolle
spielte.
Aussagekräftiger ist es daher, wenn wir die Situation in den
einzelnen Fundorten betrachten. So ergibt die absolute Menge
der Pflanzenfunde aus Tiryns331 in SH III B folgende
Stückzahlen: Linse 28, Erbse 1, Linsenwicke 144, Kichererbse
5, Ackerbohne 28 und Saat-Platterbse 4.
Bestätigt wird dieses Bild durch die Stetigkeitswerte der
Pflanzenfunde in Tiryns,332 bei denen sich folgende Werte
ergeben: Linse 29%, Erbse 4%, Linsenwicke 57%,
Kichererbse 14%, Ackerbohne 29% und Saat-Platterbse 11%.
Wir sehen, daß die Linsenwicke die wichtigste Hülsenfrucht in
Tiryns gewesen zu sein scheint, während Linse und
Ackerbohne deutlicher weniger wichtig, und Erbse,
Kichererbse und Saat-Platterbse nur von nachrangiger
Bedeutung waren. Die geringen Funde von Erbsen und
Bohnen sind bemerkenswert und vielleicht zum Teil durch
eine andere Art des Anbaus und der Verwendung zu erklären.
Interessant ist natürlich der Vergleich mit anderen pflanzlichen
Grundnahrungsmitteln, da wir so einen Eindruck von der
relativen Bedeutung von Hülsenfrüchten gewinnen können. So
liegt die Gerste beispielsweise bei 230 Funden in SH III B und
einer Stetigkeit von 68%, die Olive bei 177 Stück und einer
331
332
Siehe Kroll 1984 S. 212.
Kroll 1984 S. 212.
86
4. Hülsenfrüchte
Stetigkeit von 57% und die Weinrebe bei 99 Stück und 46%
Stetigkeit.333
Vergleichen wir die Daten der Hülsenfrüchte aus Tiryns nun
mit den Ergebnissen aus Midea.334 Hier machen Linsen 2,2%
des SH III B-Pflanzenmaterials aus, Erbsen 0,3%,
Linsenwicken 10,9%, Kichererbsen 1,8%, Ackerbohnen 5,6%,
Saat-Platterbsen 19,6% und Saatwicken 0,3%.
Die Saat-Platterbse ist hier ganz klar die am häufigsten
gefundene Hülsenfrucht. Dies ist insofern auffällig, als daß sie
in Tiryns nur an vorletzter Stelle kam und auch, wenn wir die
Anzahl der Fundorte betrachten, ansonsten nicht sehr
bedeutend erscheint. Ihr folgen an Wichtigkeit die
Linsenwicke und die Ackerbohne, die übrigen Arten scheinen
nicht sehr bedeutend zu sein.
Betrachtet man nun die Stetigkeitswerte für Midea in SH III
B,335 so ergibt sich ein leicht differenziertes Bild: Linse 25,7%,
Erbse 7,9%, Linsenwicke 48,5%, Kichererbse 9,9%,
Ackerbohne 21,8%, Saat-Platterbse 31,7% und Wicke 4,0%.
Die Linsenwicke ist also, wie auch in Tiryns, die stetigste
Hülsenfrucht, ihr folgen die Saat-Platterbse, die Linse und die
Ackerbohne.
Ziehen wir nun auch die Ergebnisse einer Untersuchung von
Pflanzenfunden aus nicht-palatialem Kontext, nämlich aus der
Siedlung von Kastanas,336 heran, so ergeben die dortigen
Stetigkeitswerte aus den Schichten 15 und 16, die
chronologisch in die jüngere Spätbronzezeit gehören,
folgendes Bild: Linse 35%, Erbse 6%, Linsenwicke 88%,
Ackerbohne 24% und Saat-Platterbse 24%. Wieder ist also die
Linsenwicke mit Abstand die stetigste Hülsenfrucht, gefolgt
von der Linse, sowie ex aequo an dritter Stelle von der
Ackerbohne und der Saat-Platterbse.
333
Kroll 1984 S. 212.
Shay/Shay/Kapinga 1998 S. 323 Tab. 11.
335
Shay/Shay/Kapinga 1998 S.323 Tab. 11.
336
Kroll 1983 Beil. 1, Tab. 9.
334
87
Mykenische Enährung
Zusammenfassend läßt sich über die relative Bedeutung der
einzelnen Hülsenfruchtarten nun folgendes sagen:
Die Linsenwicke ist eindeutig die wesentlichste und am
häufigsten angebaute Hülsenfrucht im spätbronzezeitlichen
Griechenland. Ihr folgen an Bedeutung die Linse und die
Ackerbohne. Die Erbse findet sich zwar an vielen Fundstellen,
aber stets nur in kleinen Mengen. Das mag, wie bereits
erwähnt, durch Unterschiede im Anbau und in der
Weiterverarbeitung bedingt sein.337 So wurde die Erbse
vielleicht nicht feld- sondern gartenmäßig gepflegt, weiters
erntete man sie, wie auch heute, wohl zum Teil bereits grün
und halbreif und aß sie als Gemüse. Erbsen wurden daher
nicht wie andere Hülsenfrüchte getrocknet oder geröstet,
wodurch weniger Verluste entstanden, die auf uns kommen
konnten. Die geringen Fundzahlen könnten also ihre
tatsächliche Bedeutung etwas verschleiern. Saatwicken,
Kichererbsen, Kicher-Platterbsen, Flügel-Platterbsen, PurpurPlatterbsen und Lupinen spielten im Vergleich zu
Linsenwicken, Linsen, Erbsen und Ackerbohnen wohl eher
eine untergeordnete Rolle. Dabei erlangte die PurpurPlatterbse aufgrund ihrer Fähigkeit, auch auf sehr trockenen
Böden gut zu gedeihen, vielleicht auf den Inseln der südlichen
Ägäis eine gewisse Bedeutung, worauf die umfangreichen
Funde im Westhaus von Akrotiri hindeuten.
Die Rolle der Saat-Platterbse ist schwer zu interpretieren. Wie
bereits erwähnt, finden sich ihre Reste nur an wenigen
Fundorten, und in Tiryns, wie auch in Kastanas, ist sie nur von
geringer Bedeutung. Dem stehen die vielen Saat-PlatterbsenFunde in Midea gegenüber. Allgemein läßt sich wohl
festhalten, daß die Saat-Platterbse in der späten Bronzezeit nur
von sehr eingeschränkter Wichtigkeit war, manchmal und
337
Kroll 1983 S. 127f.
88
4. Hülsenfrüchte
gebietsweise aber in großen Mengen angebaut wurde, wie zum
Beispiel etwas später auch im früheisenzeitlichen Kalapodi.338
4. 6. Zubereitung von Hülsenfrüchten
Wie aber wurden Hülsenfrüchte zubereitet? Wie oben339
gezeigt wurde, ist die klassische Literatur voller Hinweise. So
wurden Hülsenfrüchte, wie erwähnt, beispielsweise zu Mehl
vermahlen, um Brot daraus herzustellen. Belegt sind ein
Linsenbrot,340 und auch für Ackerbohnen341 ist uns eine
derartige Verarbeitung bekannt. Hülsenfrüchte wurden auch
häufig zu Suppen, Breien und Pürees verarbeitet, wie etwa
Linsensuppe oder die berühmte puls fabata. Auch in
Fleischeintöpfen fanden sie Verwendung. Sie wurden gekocht
und geröstet verzehrt, manchmal aß man sie auch roh.
Auch für die späte Bronzezeit können wir einige dieser
Zubereitungsarten nachweisen. So war die Herstellung von
Fava, also einer Art von Püree aus Hülsenfrüchten, weit
verbreitet. Diese Zubereitungsart macht Hülsenfrüchte leichter
verdaulich, reduziert die Kochzeit und auch die Konzentration
von Toxinen. Im heutigen Griechenland handelt es sich bei
Fava meist um eine Erbsenpaste, der Begriff kann sich aber
auch auf andere Hülsenfrüchte beziehen und ist vom
lateinischen faba, Ackerbohne, abgeleitet. In Akrotiri342 etwa
fand man Fava, das aus Purpur-Platterbsen hergestellt war.
Ein interessanter Fund stammt aus Theben,343 wo Reste von
pürierten Ackerbohnen in einem Krater aus einer
Zerstörungsschicht der Stufe SH I A entdeckt wurden.
338
Kroll 1993.
Siehe Kap. 4. 3.
340
Ath. 4, 158 e
341
Plin. nat. 18,117
342
Siehe Kap. 4. 4. 8.
343
Jones/Halstead 1993.
339
89
Mykenische Enährung
Ebenfalls aus Theben344 stammen auch Reste von Fleisch und
Hülsenfrüchten in einem Kochgefäß (aus SH III B/C). In
einem Dreifußkessel aus Armenoi345 (SH III B) wurden
Spuren von Olivenöl, Getreide, Fleisch und Linsen gefunden.
Olivenöl, Fleisch und Linsen traten auch in zwei Gefäßen aus
Mykene346 (SH III B) zutage, und Olivenöl, Fleisch und
Kichererbsen konnten in einem Kochtopf aus Midea347 (SH III
B) festgestellt werden. All diese Reste von Hülsenfrüchten,
Olivenöl, Fleisch und teilweise Getreide scheinen auf diverse
Eintöpfe hinzudeuten. Auch das Kochen, Rösten und der rohe
Verzehr von Hülsenfrüchten waren in mykenischer Zeit wohl
üblich.
Die Herstellung von Mehl aus Hülsenfrüchten ist ebenfalls
nachweisbar. Funde von Hülsenfruchtmehl stammen etwa aus
Akrotiri, ebenso Brot, das aus Hülsenfrüchten bereitet war
oder zumindest zu einem Großteil aus diesen bestand.348
4. 7. Gefahren bei Hülsenfruchtverzehr
Der übermäßige Verzehr von Hülsenfrüchten birgt aber auch
manche Gefahren in sich. So führt die Konzentration
unverdaulicher Oligosaccharide in Bohnen zu Flatulenz349
sowie zu Magenkrämpfen und Durchfall. Bohnen enthalten
weiters L-dopa, das als starker psychoaktiver Neurotransmitter
beschrieben wird350.
344
Tzedakis/Martlew 1999 S. 122, 185f.
Tzedakis/Martlew 1999 S. 116.
346
Tzedakis/Martlew 1999 S. 131.
347
Tzedakis/Martlew 1999 S. 126.
348
Sarpaki 2001 a S. 33f. Tab. 1 und 2.
349
Diese wohl häufigste Nebenwirkung findet sich auch in der antiken
Literatur, so z. B. Ath. 9, 408 b.
350
Vgl die häufigen Beschwerden, daß Bohnen den Schlaf stören und
schlechte Träume verursachen; Cic. div. 1, 62; Plin. nat. 18, 118; Geop. 2,
35; usw.
345
90
4. Hülsenfrüchte
Der übermäßige Genuß von Platterbsen sowie verwandter
Wicken und Hülsenfrüchte über einen längeren Zeitraum
verursacht durch die in ihnen enthaltenen neurotoxischen
Substanzen eine markante Verschlechterung des körperlichen
Allgemeinzustandes bis hin zu einer spastischen Paraplegie,
die Lathyrismus genannt wird.351 Dabei verschlechtert sich der
körperliche Allgemeinzustand markant, es kommt zu
Magenkrämpfen,
Erbrechen,
Durchfall,
Blutharnen,
Schüttelfrost bis hin zu Lähmungserscheinungen.
Seit dem 17. Jh. n. Chr. sind aus Nordafrika, Südeuropa und
Asien immer wieder Fälle berichtet worden, die zum Teil das
Ausmaß schwerer Massenepidemien annehmen konnten. Auch
die Symptome einer Krankheit, die aus dem übermäßigen
Konsum
von
Linsenwicken
während
einer
Nahrungsmittelkrise in der thrakischen Stadt Ainos resultierte,
lassen auf Lathyrismus schließen.352
Der Genuß roher Bohnen kann die Ursache einer schweren, in
etwa 10% aller Fälle tödlich verlaufenden hämolytischen
Anämie (Favismus) sein, die in historischer Zeit in
Griechenland und Süditalien festgestellt wurde und einen
bestimmten Personenkreis, vor allem im Mittelmeergebiet, mit
einer angeborenen Blutabnormität (Fehlen des Enzyms G6PD)
betrifft. Erstaunlicherweise schweigt die antike Literatur über
diese in der Antike wohl häufige353 Krankheit völlig. Diese
Nebenwirkung läßt sich durch die Art der Zubereitung
vermeiden bzw. reduzieren. Dadurch wird allerdings auch die
Qualität dieser Lebensmittel vermindert.
Es erscheint mir sehr wahrscheinlich, daß ein gewisser Teil
der angebauten Linsenwicken und Saat-Platterbsen nicht zur
menschlichen Ernährung, sondern als Tierfutter verwendet
wurde. Zwar können Pferde, Maultiere und Schweine durch
351
Brothwell 1984 S. 261f.; Kroll 1983 S. 128.
Siehe dazu Sallares 1991 S. 302.
353
Garnsey 1998 S. 219.
352
91
Mykenische Enährung
Linsenwicken-Futter unter Vergiftungserscheinungen leiden,
Wiederkäuer verzehren es jedoch ohne Anzeichen einer
Schädigung.
4. 8. Hülsenfrüchte in den Linear B-Texten
Obwohl Hülsenfrüchte im archäobotanischen Fundmaterial
stets präsent sind und einen wichtigen Faktor der mykenischen
Ernährung dargestellt haben müssen, scheinen sie in den
Linear B-Texten überhaupt nicht vorzukommen.354 Dafür
wären verschiedene Erklärungen denkbar.355 Zum einen ist es
möglich, daß das entsprechende Ideogramm bzw. die
entsprechenden Ideogramme noch nicht identifiziert sind, zum
anderen könnten die entsprechenden Texte noch nicht
gefunden bzw. nicht erhalten sein. Beides erscheint
unwahrscheinlich.
Möglich wäre auch, daß der Anbau und die weitere
Verwendung von Hülsenfrüchten nicht in den Bereich der
hochspezialisierten Palastadministration fielen und deshalb
nicht aufgezeichnet wurden. Die häufigen Funde von
Hülsenfrüchten aus den Arealen mykenischer Paläste läßt aber
auch dieses Erklärungsmodell wenig überzeugend wirken.
4. 9. Ackerbau am Ende der mykenischen Epoche
Vergleicht man die Samen der Linsenwicke von verschiedenen
Fundorten und aus verschiedenen Zeiten,356 nämlich aus dem
spätneolithischen Dimini, dem früh- und spätbronzezeitlichen
und früheisenzeitlichen Kastanas sowie aus Tiryns in SH III B
354
Ventris/Chadwick 1973 S. 131.
Siehe dazu auch: Erard-Cerceau 1988; Halstead 1995.
356
Kroll 1984 S. 217ff.
355
92
4. Hülsenfrüchte
und SH III C, so ist zu erkennen, daß die Samengröße
kontinuierlich abnimmt, in SH III B einen Tiefpunkt erreicht
und in SH III C wieder leicht zunimmt. Die Ursache dafür ist
in der dichten Bevölkerung in der Argolis zu suchen, die in SH
III B die Ernährungskapazität des Ackerlandes überstieg. Dem
versuchte man, so Kroll, mittels zweistöckigem Ackerbau
durch ausdehnte Gehölzanpflanzungen sowie durch
entwickelte Hortikultur beizukommen. Da man dem Boden
wohl nicht genügend Zeit zur Regeneration ließ, führte dies zu
Schädigungen, die eine geringe Körnergröße des Ernteguts
sowie eine zunehmende Verunkrautung zur Folge hatten. Aus
dieser Zeit nachgewiesene Schädlinge lassen katastrophale
Mißernten erahnen. Möglicherweise ist in dieser
augenscheinlichen Krise der mykenischen Landwirtschaft ein
weiterer Faktor in jenem nur schwer faßbaren Ursachenbündel
zu sehen, das schließlich zum Untergang der mykenischen
Paläste führte.
4. 10. Zusammenfassung
Hülsenfrüchte spielten, wie archäobotanische Quellen und der
Vergleich mit der klassischen Literatur zeigen, in der
Ernährung der Mykener mit Sicherheit eine bedeutende Rolle.
Sie sind als wertvoller Proteinlieferant vor allem auch für die
ärmere Bevölkerung für eine ausgewogene Ernährung
unersetzlich. Durch ihre gute Haltbarkeit konnten sie
problemlos über längere Zeit gelagert werden. Durch ihre
Fähigkeit, Luftstickstoff zu binden, gedeihen sie auch auf
nährstoffarmen Böden.
Hülsenfrüchte wurden vermutlich roh, gekocht und püriert in
Form von Fava verzehrt. Sie wurden als Zutat in diversen
Eintöpfen geschätzt, man hat sie aber auch zu Mehl vermahlen
und aus ihnen Brot bereitet. Der übermäßige Genuß von
Hülsenfrüchten konnte allerdings zu gesundheitlichen
93
Mykenische Enährung
Beeinträchtigungen führen. Erstaunlicherweise werden
Hülsenfrüchte in den die Linear B-Tafeln nicht erwähnt, ein
Umstand, der nicht befriedigend erklärt werden kann.
94
5. Früchte und Nüsse
5. Früchte und Nüsse
5.1. Früchte allgemein
Der Anbau von Früchten357 war die gesamte Antike hindurch
ein wichtiger Zweig der Landwirtschaft. Gärten
(griech/lat. hortus) leisteten einen wesentlichen
Beitrag zur menschlichen Ernährung. Obstbäume )
wurden oft als Zwischenkulturen im Weinbau gepflanzt, es
gab aber auch abgeschlossene Obstbaumpflanzungen
(). Schon Homers Odyssee358 erzählt uns bei der
Beschreibung des Gartens des Alkinoos von der Anlage von
Obstgärten:
„Draußen vor dem Hof aber ist ein großer Garten,
nahe den Türen, vier Hufen groß, und um ihn ist auf beiden
Seiten ein Zaun gezogen.
Da wachsen große Bäume, kräftig sprossend:
Birnen und Granaten und Apfelbäume mit glänzenden
Früchten,
und Feigen, süße, und Oliven, kräftig sprossend.
Denen verdirbt niemals die Frucht noch bleibt sie aus,
winters wie sommers, über das ganze Jahr hin.
Sondern der West bläst immerfort
und treibt die einen hervor und kocht reif die andern.
Birne altert auf Birne und Apfel auf Apfel,
Traube auf Traube und Feige auf Feige.“
Homer stellt nie dar, daß Obst gegessen wird, doch finden wir
in späteren Quellen umso reichere Belege. Nach dem Zeugnis
357
358
Siehe dazu Ruffing 2000.
Hom. Od. 7, 112ff. (Übersetzung Schadewaldt).
95
Mykenische Enährung
der Komödien gab es etwa in Athen im 4. Jh. v. Chr. ein
reichhaltiges Angebot von verschiedenen Obstsorten,359 einen
Überblick über die in Italien am Beginn der Kaiserzeit
bekannten Obstsorten gibt Plinius.360 Von Varro361 schließlich
stammt die allzu emphatische Aussage, daß Italien ein einziger
Obstgarten sei.
Da die meisten antiken Obstarten durch ihren hohen
Wassergehalt rasch verderblich waren, eigneten sich die
frischen Früchte fast nur für den lokalen Markt; Nüsse und
Trockenobst wie Datteln, Feigen oder Rosinen spielten
dagegen auch im Fernhandel eine wichtige Rolle.362
An der Ernährung hatte Obst einen wichtigen Anteil,363
frische, saftige Früchte wurden genauso wie konserviertes
Obst vielleicht als Vorspeise, als Zukost zu Brot und Breien,
aber auch als Nachspeise serviert.364 In der feinen Küche
verwendet Apicius Obst für komplizierte Gerichte, wie etwa
Aufläufe oder Fisch- und Fleischfrikassees.365
Auch im mykenischen Griechenland war der Anbau und das
Sammeln von Früchten eine bedeutende Nahrungsmittelquelle.
Zahlreiche Früchte, wie Feigen oder Oliven, finden sich in den
Linear B-Texten verzeichnet. Diese sollen im folgenden
ausführlicher besprochen werden.
Kommen wir aber zuerst zum allgemeinen Begriff „Früchte“.
Auch dieser ist wohl in den Texten verzeichnet. So findet sich
auf KN E (1) 71, PY Ua 9.1, PY Un 47.4, PY Un 138.5, TH
Ft 141.1, TH Ft 143.1, TH Ft 151.1, TH Ft 217.1, TH Ft
219.1, TH Ft 220 [+] 248.1, TH Ft 234.1 und TH Ft 268.1
359
Ath. 14, 640 b-c.
Plin. nat. 15, 35-110.
361
Varro rust. 1, 2, 6.
362
Edict. Dioclet. 6, 49-55; 84-88; 93-94.
363
Dalby 1998 S. 117; Gutsfeld a 2000.
364
Siehe z. B. Mart. 5, 78; Petron. 69, 6f.
365
Apic. 4, 2, 33-35; 4, 3, 4-6.
360
96
5. Früchte und Nüsse
die Bezeichnung ka-pa, die als Kollektivbildung zu
, Frucht, gedeutet werden kann.366
Andere Interpretationen, wie etwa eine Deutung als ,
„Trog, Wanne, Becken, Schale“, entweder in Verbindung mit
dem Auspressen der Früchte oder als Opfergefäß,367 sind m. E.
ebenso abzulehnen ein Zusammenhang mit *, *,
einem in klassischer Zeit unbelegten Femininum zu ,
dorisch , Garten.368
Auch die Bezeichnung ka-po,369 das sich als Substantiv im
Nominativ Plural auf der Tafel KN F (2) 841.5 findet, steht
wohl für Frucht. Sowohl ka-pa als auch ka-po beziehen sich in
den Texten stets auf Oliven. In ihrer Grundbedeutung beziehen
sich ka-po und ka-pa aber auf Früchte im Allgemeinen.
J. Killen nahm dagegen an, daß ka-po auf KN F (2) 841.5 mit
dem griechischen Wort „Garten“ in Zusammenhang zu
bringen sei.370 Auf KN E 849.1 werden Obstgärten aber als
pu-ta-ri-ja,371 , bezeichnet. Und auch auf KN Uf (3)
981.b, KN Uf (3) 1031.b sowie wohl auf KN Uf (3) 991, KN
Uf (3) 1011 und KN Uf (3) 1022.b steht das wohl auf ko-tona, , Grundstück,372 bezogene Adjektiv pu-te-ri-ja,373
*oder *, wohl in Verbindung mit
366
Dies hat M. Meier-Brügger auf dem Internationalen Forschungskolloquium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften „Die neuen
Linear-Texte aus Theben: Ihr Aufschlußwert für die mykenische Sprache
und Kultur“ von 5. bis 6. Dezember 2002 in Wien dargelegt. Ausführlich zu
ka-pa jetzt: Fischer 2003.
367
Stella 1965 S. 124 mit Anm. 70; Georgiev 1958 S. 151;
Ventris/Chadwick 1973, 221; Sacconi 1999; Aravantinos/Godart/Sacconi
2001 S 264ff., 392.
368
Merlingen 1958 S. 254.
369
Siehe dazu Aura Jorro 1985 S.317; Sarpaki 2001 b S. 208ff.
370
Killen 1987 S. 176f.
371
Aura Jorro 1993 S. 174.
372
Aura Jorro 1985 S. 390f.
373
Aura Jorro 1993 S. 175.
97
Mykenische Enährung
Obstgärten. Ein weiterer Begriff, der in Zusammenhang mit
Gärten gebracht werden kann, ist das Partizip ]pu2-te-me-no,374
das allgemein mit pe-]pu2-te-me-no ergänzt wird und wohl für
*oder * steht.
Die in diesen Pflanzungen stehenden Bäume werden mittels
des Begriffes pu-ta,375 für bzw. im Plural ,
verzeichnet. Auch Gärtner werden in den Linear B-Texten
genannt, sie tragen auf KN Uf (3) 835.b, KN Uf (3) 987 und
KN Uf (3) 5726.2 die Berufsbezeichnung pu-te, , auf
KN V 159.4 und PY Na 520.B werden sie im Plural als pu2-tere, *, bezeichnet.376
Nichts mit zu tun hat dagegen m. E. das Monogramm
*127 KAPO, das aus den beiden Silbenzeichen ka und po
zusammengesetzt ist und sich auf PY An 616, PY Un 249, PY
Un 259 und PY Un 267 findet.377 Die bloße Bezeichnung
Früchte ohne ein weiteres, erläuterndes Ideogramm wäre im
Zusammenhang der pylischen Parfüm-Täfelchen zu
unspezifisch. Gallavotti378 etwa brachte es mit der Form
, einer seltenen Variante von , Salbei, in
Verbindung. Diese Form ist aber nur in sehr späten Quellen
belegt.379 Das Adjektiv pa-ko-we in den Texten der PY FrSerie zeigt überdies, daß die in mykenischer Zeit übliche Form
dieses Wortes lautete.380 Sacconi381 schlug dagegen
einen Zusammenhang mit , und zwar im konkreten
374
Aura Jorro 1993 S. 179.
Aura Jorro 1993 S. 174.
376
Aura Jorro 1993 S. 174f.; 179.
377
Siehe dazu ausführlicher Fischer 2003.
378
Gallavotti 1959 S. 256 Fn. 1.
379
Diese Schreibung findet sich im Papyrus des Dyskolos des Menander v.
605 sowie bei Hesych s. v. .
380
Siehe dazu E. D. Foster 1974, 120. Der Vorschlag von C. Gallavotti
wurde auch abgelehnt vonf. Aura Jorro 1985 S. 317.
381
Sacconi 1972 S. 22ff.
375
98
5. Früchte und Nüsse
Fall mit Zimt, vor. E. D. Foster schlug eine weitere Alternative
vor und brachte *127 KAPO mit , dem Bockshornklee
(Trigonella foenum-graecum), in Verbindung, der sich bei
Dioskurides382 in Zusammenhang mit dem Begriff
findet.383
Vielleicht ist das Monogramm auch umgekehrt als POKA zu
lesen und steht somit für po-ka, das als , einer
weiblichen Form des üblicheren , der geschorenen,
noch nicht verarbeiteten Schafwolle, dem Vlies, interpretiert
wird.384
Im Folgenden sollen nun die für das spätbronzezeitliche
Griechenland belegten Früchte und Nüsse im einzelnen
besprochen werden.
5. 2. Oliven und andere Ölfrüchte
5. 2. 1. Einleitung
Die Olive385 (Olea europaea) ist die prominenteste und
wirtschaftlich bedeutendste Frucht des Mittelmeerraumes.
Zusammen mit Wein, Feigen und Datteln bildeten Oliven jene
älteste Gruppe von Pflanzen, die am Anfang der Hortikultur
standen. Seit der Bronzezeit war das Wohlergehen vieler
382
Siehe etwa Diosk. 2, 102 Wellmann.
E. D. Foster 1974 S. 120. Die Autorin räumt aber ein, daß „such
‚etymological’ guesses are perhaps best
regarded only as guesses“.
384
Siehe dazu J. Killen 1962 a S. 29ff.; Killen 1963 S. 447ff.; Chantraine
1968 S. 872; Frisk 1970 S. 492;
Killen 1972 S. 438; Ventris/Chadwick 1973 S. 572; Duhoux 1973 S. 152;
Aura Jorro 1993 S. 133f.
383
385
Siehe zum Folgenden: Boardman 1977; Zohary/Hopf 1988 S. 131ff.;
Franke 1997 S. 155ff.
99
Mykenische Enährung
Mittelmeervölker vom Anbau des Ölbaumes abhängig. Sein
Holz fand in der Architektur, bei der Verfertigung von Möbeln
sowie
unterschiedlichster
Gebrauchs-,
Zierund
Kunstgegenstände und als Brennstoff Verwendung. Oliven
waren ein geschätzter Bestandteil der täglichen Ernährung, sie
dienten aber auch als Tierfutter und vor allem zur Erzeugung
des begehrten Olivenöls. Dieses kam in der Küche, als Zutat
diverser Speisen sowie bei der Konservierung verschiedenster
Lebensmittel, als Brennstoff, als Lichtquelle, als
Grundsubstanz von Parfüms, bei der Körperpflege und in der
Medizin zur Anwendung.
Die immergrünen Ölbäume wachsen nur im mediterranen
Klima. Während nämlich für Blüten- und Fruchtansatz 12–15
Grad Celsius genügen, bedarf die Fruchtentwicklung einer
mittleren Temperatur von 18-22 Grad, wobei die Pflanze auch
Temperaturen bis 40 Grad verträgt. Ein magerer, kalkhaltiger
Boden und Niederschläge von 200 mm pro Jahr reichen dem
genügsamen Ölbaum zum Gedeihen aus.386
Ölbäume ermöglichen daher durch ihren geringen
Wasserbedarf die Bepflanzung heißer Hänge, wo
Regenfeldbau nicht möglich ist – d. h. es können auch solche
Bereiche als Ölberge in die intensive Produktion einbezogen
werden, die sonst nur als Viehdrift oder zur Holzgewinnung
bewirtschaftet werden könnten. Weiters erlaubt die
immergrüne, luftdurchlässige Krone die Nutzung des
Untergrundes. So war für die antike Landwirtschaft der Anbau
von Getreide in Olivenkulturen eine typische Erscheinung.
Der Olivenbaum wird bis zu 20 m hoch und entwickelt eine
weit ausladende Krone. Er ist kräftig und vital und kann bis zu
mehrere hundert Jahre alt werden. Selbst wenn das innere
Holz des Stammes abstirbt, und der Stamm hohl wird, kann
der Baum immer wieder neue Äste ausbilden. Innerhalb der
aus den Achseln der gegenständigen Blätter entsprungenen
386
Franke 1997 S. 156.
100
5. Früchte und Nüsse
Kurztriebknospen werden im Februar-März die Blüten
determiniert, die sich Anfang Juni öffnen. Zwischen Oktober
und Dezember sind die Früchte dann reif.387
Es handelt sich um relativ langsam wachsende Pflanzen, erst
in einem Alter von acht bis zehn Jahre werfen sie ersten Ertrag
ab. Höchsterträge von etwa 50–60 kg erreichen Ölbäume dann
zwischen dem sechzigsten und dem hundertsten Lebensjahr.
Durchschnittlich kann man mit 10–20 kg pro Baum rechnen,
wobei der Ölertrag zwischen 1,3 und 2,6 kg liegt. Deshalb
pflegte man in der Antike, genauso wie zu späteren Zeiten, zu
Kriegszeiten oder bei privaten Fehden die Olivenbäume des
Gegners umzuhauen, um ihm wirtschaftlich zu schaden, denn
dadurch ging die Olivenernte für eine gesamte Generation
verloren.
Der Ölbaum verlangt wenig Arbeitsaufwand, außer zur kurzen
Zeit der Ernte. Ein großer Nachteil beim Olivenanbau ist
jedoch, daß die Ernte jedes Jahr außerordentlich verschieden
ausfällt, denn der einzelne Baum trägt nur jedes zweite Jahr
reichlich.388 Außerdem scheint es, daß alle Bäume einer
bestimmten Gegend ihre fruchtbare bzw. unfruchtbare Phase
gemeinsam haben. Andererseits lassen sich die Früchte gut in
Krügen aufbewahren, und auch das daraus gepreßte Öl hält
sich lange.
5. 2. 2. Domestikation und Geschichte der Olive außerhalb
Griechenlands
Die Kulturform des Ölbaums (Olea europaea L. var.
Europaea) leitet sich wahrscheinlich von der mediterranen
Wildform var. sylvestris BROT (syn. O. oleaster) oder von
387
388
Franke 1997 S. 155.
Franke 1997 S. 157.
101
Mykenische Enährung
verwandten Arten im ostasiatischen Raum ab.389 Er wurde
wohl erstmals im 4. Jahrtausend v. Chr. in der Levante
kultiviert.390 Eindeutige Hinweise für die Kultivierung des
Ölbaumes stammen aus dem chalkolithischen Palästina,
allerdings wurden Oliven schon vor der Kultivierung des
Ölbaumes wild gesammelt und genutzt.
In Ägypten391 spielte der Anbau von Oliven zunächst wohl
keine große Rolle. So ist im Gegenteil der Export von
Olivenöl von Palästina nach Ägypten in der Bronzezeit gut
belegt. Die ältesten botanischen Hinweise auf Oliven finden
sich in Memphis in verschiedenen Straten der XII. Dynastie
(ca. 1900 v. Chr.). Da es sich dabei während der gesamten
pharaonischen Zeit um den Hafen handelte, an dem Händler
aus dem Mittelmeerraum anlegten, kann man nicht von einem
sicheren Beweis für eine ägyptische Olivenkultur sprechen,
obwohl dies die wahrscheinlichste Hypothese zu sein scheint.
Die ältesten chemisch identifizierten Spuren von Olivenöl in
Amphoren stammen aus Tell el-Dab’a, wo Handelskontakte
mit Palästina gut belegt sind. Es handelt sich um Importware.
Die älteste ägyptische Darstellung des Ölbaums auf einer
Wandmalerei stammt aus der Amarna-Periode. Unter den
Grabbeigaben des jungverstorbenen Königs Tutenchamun
wurden Olivenblätter als Bandornament auf einem
Silberbecher entdeckt, und ein Strauß und Kränze aus
demselben Grab enthielten neben verschiedenen Blumen und
Pflanzen auch Olivenzweige. Olivenblätter fanden sich auch
schon im Grab des Khérouf (Ende der Regierungszeit
Amenophis III., Beginn derjenigen von Echnaton). Funde von
Olivenresten werden mit der Amarna-Periode häufiger. Sie
stammen z.B. aus Amarna oder Deir el-Medinah. Der Name
der Olive ist seit der XIX. Dynastie belegt. Aus dem Papyrus
389
Franke 1997 S. 155.
Zohary/Hopf 1988 S. 134ff.
391
Zur Olive in Ägypten siehe: Meeks 1993; Darby/Ghalioungui/Grivetti
1978 S. 718ff.
390
102
5. Früchte und Nüsse
Harris erfahren wir, daß Ramses III. für die Tempel 10000
Aruren (entspricht etwa 2750 Hektar) mit Olivenbäumen
stiftete, und in einer Stiftungsurkunde desselben Pharaos an
den Sonnengott Ra ist von Ölbaumpflanzungen in der Stadt
Heliopolis zu lesen. Der griechische Geograph Strabon392 weiß
weiters von Ölbaumpflanzungen bei Fajjum und bei
Alexandria im Nildelta zu berichten, während Theophrast393
von Olivenbaumbeständen in der Gegend von Theben
berichtet.394 In privaten Dokumenten dagegen ist von Oliven
oder Olivenöl praktisch nicht die Rede.
In Mesopotamien,395 wo der Ölbaum nicht heimisch war und
auch niemals kultiviert wurde, finden sich seine Produkte –
Holz, Früchte, Öl – nur selten in den Keilschifttexten und
stellen teure und kostbare Importgüter dar. Olivenöl wurde in
der Ernährung, als Salböl sowie zu medizinischen Zwecken
verwendet. Es gibt keine Hinweise für eine industrielle
Verwendung von Olivenöl, wie z.B. zur Behandlung von
Textilien, Leder oder Holz oder zum Zwecke der Reinigung
oder Beleuchtung, wie sie für andere, in Mesopotamien
verbreitetere Öle belegt sind.
Bei den Hethitern396 dagegen war Olivenöl das wichtigste Öl.
Seine Verwendungsmöglichkeiten sind so vielfältig wie in den
meisten Mittelmeerkulturen: als Nahrung, zur Beleuchtung,
zur Körperpflege, zur Herstellung von Salben und
medizinischen Tinkturen sowie für verschiedene rituelle
Zwecke. So fand Olivenöl bei der Erzeugung von
verschiedenen Gerichten, vor allem von verschiedenen Arten
von Brot und Backwerk, genauso Verwendung wie beim
Braten von Lammfleisch. Die häufige Verbindung mit Brot
392
Strab. 17, 1, 35.
Theophr. hist. plant. 4, 2, 9.
394
Schäfer-Schuchardt 1996 S. 32ff.
395
Siehe zum Folgenden: Malul 1987.
396
Siehe dazu: Singer 1987, Hoffner 1974 S. 116ff.
393
103
Mykenische Enährung
scheint zu zeigen, daß es oft über Brot gegossen wurde, bevor
dieses gegessen wurde.
Auch die Herstellung von parfümierten Ölen ist belegt, die
bemerkenswert hohe Preise hatten. Als Reinigungssubstanz
erscheint Öl in verschiedenen Purifikationsriten, so z.B. im
Mundwaschungsritual, in Geburtsritualen, in einem Ritual zur
Vorbereitung eines Feldzuges, und in der Trauungszeremonie
von Prinzessinnen, während welcher Öl über deren Köpfe
geschüttet wurde. Hethitische Könige wurden in ihrer
Konsekrationszeremonie gesalbt, aus einem Brief Hattusilis
III. an den assyrischen König ist auch zu entnehmen, daß
feines Salböl neben zeremoniellen Gewändern zu den
traditionellen Geschenken zur Krönung eines Königs gehörte.
In den Begräbnisriten der hethitischen Könige und Königinnen
wurden die nach der Verbrennung übriggebliebenen Knochen
der Verstorbenen gesalbt.
In Ugarit397 scheint die Erzeugung von Olivenöl ein wichtiger
Wirtschaftszweig gewesen zu sein. Es wurde sowohl
konsumiert als auch wahrscheinlich zur Herstellung
verschiedener aromatischer Öle verwendet. Im Tausch gegen
benötigte Metalle wurde es in andere Länder exportiert.
In Israel398 ist der Ölbaum der verbreitetste Kulturbaum, und
er war es auch in biblischer Zeit. Er tritt uns in der Bibel als
eine der wichtigsten und symbolreichsten Pflanzen entgegen.
Das Öl diente Armen wie Reichen gleichermaßen zur
Ernährung. In Salzlake eingelegte Oliven waren das ganze
Jahr über ein wichtiges Nahrungsmittel, wenngleich der
Verzehr der Früchte in der Bibel kaum Erwähnung findet.
Olivenöl war zusammen mit Getreide und Wein das dritte
wichtige Produkt des Heiligen Landes.399 Seine Bedeutung in
der täglichen Nahrung wird in der Bibel durch die ständige
397
Siehe zum Folgenden: Heltzer 1987.
Siehe zum Folgenden: Zohary 1983 S. 56 f; Hepper 1992 S.103ff.
399
5. Mose 7, 13.
398
104
5. Früchte und Nüsse
Erwähnung eben dieser Trias – Getreide, Wein und Öl –
hervorgehoben.400 Man verwendete es entweder mit Mehl
vermengt zum Backen von Fladenbrot und Kuchen, oder es
diente zum Braten von Fleisch und als Zugabe zu Brot und
Gemüse. Mit Olivenöl wurden im alten Israel Propheten,
Priester und Könige gesalbt,401 genauso wie Altäre oder heilige
Geräte,402 wobei die Salbung die Heiligkeit der gesalbten
Gegenstände oder Personen, ihre besondere Beziehung zu Gott
oder ihre von Gott verliehene Autorität bezeichnete und
bewirkte.
5. 2. 3. Die Olive im klassischen Griechenland und Rom
In der klassischen Antike werden Oliven oft zu den
notwendigen Lebensbedürfnissen gerechnet.403 Man hielt den
Nährwert von Oliven für gering,404 nichtsdestotrotz wurden sie
geschätzt.405
Im klassischen Griechenland aß man Oliven vor allem vor
dem Mahl als Appetitanreger. Man schätzte sie besonders
runzelig, unreif oder überreif.406 Oft wurden sie auch in Lake
serviert.407 Bei den Römern war die Olive ebenfalls die
eingelegte Frucht par excellence. Man servierte Oliven in Salz,
Essig, Ölschaum, in Mostsaft und zusammen mit aromatischen
Pflanzen, vor allem mit Fenchel, in Öl. Am meisten geschätzt
wurden die in Meerwasser oder Salzlake eingelegten Oliven,
400
5. Mose 7, 13; 11, 14; 12, 17; 18, 4; u. ö.
1. Könige 19, 15-16: 2.Mose 30, 22-30; 1. Samuel 10, 1; 16, 1.13.
402
2. Mose 30, 29.
403
Siehe Pease 1962a Sp. 2012f.
404
Cels. 2, 18, 3; Gal. 6, 579 Kühn; Ath. 2, 56 b.
405
Cels. 2, 20.
406
Vgl. Aristoph. Fragm. 148 bei Ath. 133 a.
407
A(z.B. Aristoph. frg. 319ff.); (Ath. 2, 56 b).
401
105
Mykenische Enährung
die sogenannten colymbades.408 Das Einlegen in Salzlake ist
deswegen notwendig, weil frische Oliven aufgrund der in
ihrem Fruchtfleisch enthaltenen Bitterstoffe sonst kaum zu
essen wären. Man aß Oliven auch zerstoßen und mit
Gewürzen vermischt als Gemüse zum Käse.409
Die Olive bildete vor allem auf dem Land und in den
Anbaugebieten des Ölbaums ein wesentliches Element der
Ernährung. Zusammen mit Weizen machten Oliven den
Hauptanteil der Lebensmittelrationen aus, die Cato an seine
Leute verteilte.410
Auch Olivenöl spielte in der Ernährung eine große Rolle. Es
wurde in den meisten gekochten Gerichten verwendet, ganz
gleich, ob diese jetzt gebraten, mariniert, mit Öl oder aber mit
einer Sauce übergossen waren, deren Hauptbestandteil eben
Olivenöl war. Manchmal verwendete man es als Zutat beim
Brotbacken, manchmal diente es bei einer einfachen
Zwischenmahlzeit wohl als einzige Beikost, denn die Butter,
die bei uns heute einen ähnlichen Zweck erfüllt, wurde bei den
Griechen weniger genutzt. Weiters kam es als Bestandteil
verschiedenster Speisen zur Anwendung, für Saucen,411
Puddings,412 Kuchen,413 Mehlspeisen414 oder als Fett, das beim
Kochen benutzt wurde.415 Zeitweise wurde es benutzt, um
verschiedene Gemüse zu konservieren.416 Noch in der Neuzeit
basierte die Ernährung in Landgebieten Griechenlands lange
Zeit auf Brot, das in Olivenöl getunkt wurde.
408
Colum. 12, 49; 12, 50, 5; Plin. nat. 15, 16; Cato agr. 7, 4; 117f.; Geop. 9,
28; 9, 30.
409
Ath. epit. 56 b; Cato agr. 119.
410
Cato agr. 58.
411
Hor.sat. 2, 4, 64.
412
Nik. bei Ath. 3, 126 c-d.
413
Fest. 309 M = Paul 308 M.
414
Thuk. 3, 49, 4.
415
Ath. 2, 65 c; 3, 115 e; 117 d; 7, 303 e; usw.
416
Plin. nat. 18, 308; 19, 143.
106
5. Früchte und Nüsse
5. 2. 4. Die Olive im prähistorischen Griechenland
Die frühesten bekannten Olivenkerne aus Griechenland
stammen aus dem akeramischen Neolithikum, eine intensive
Kultivierung des Ölbaums setzte in Griechenland wohl erst in
der späten Bronzezeit ein.417 Im mykenischen Griechenland
war die Olive, die noch heute ein Haupterzeugnis der
griechischen Landwirtschaft ist, die mit Abstand wichtigste
Ölpflanze. Anderen Ölen418 kam nur eine untergeordnete
Bedeutung zu.
Aufgrund des speziellen Interesses des Palastes an Oliven ist
anzunehmen, daß Zahl und Anbaugebiete der Ölbäume genau
kontrolliert wurden. Olivenbäume werden auf KN F 841 als era-wa,419 , bezeichnet. Dies bleibt das einzige direkte
Zeugnis für diese Baumgattung, was wegen der
herausragenden Bedeutung der Frucht und ihres Öls
verwunderlich ist. Olivenhaine werden allerdings in den
Texten als pu-ta-ri-ja bezeichnet bzw. als durch das Adjektiv
pu-te-ri-ja, bepflanzt, charakterisierte Grundstücke. Dies
relativiert etwas die mangelnden Belege für Ölbäume. 420
Möglicherweise wurden sie von einem Beamten mit dem Titel
o-pi-ka-pe-e-u überwacht.421 Die Bedeutung dieses
Funktionärstitels, der auf PY Jn 829.2-.2a in der Pluralform opi-ka-pe-e-we mit einem angehängten –qe verzeichnet ist, ist
allerdings noch unklar.422 Eine Verbindung mit
scheint mir aber durchaus wahrscheinlich zu sein,423 und da
sich der Terminus ka-pa in den Linea B-Texten stets auf
417
Runnels/Hansen 1986.
Melena 1983 S. 89-95; siehe Kap. 5. 2. 5.
419
Siehe dazu Aura Jorro 1985 S. 237.
420
Siehe auch oben Kap. 5. 1.
421
Hiller 1983 S. 201.
422
Aua Jorro 1993 S.39.
423
Vgl. etwa den .
418
107
Mykenische Enährung
Oliven zu beziehen scheint, ist hier ein „Aufseher über die
Ölbaumpflanzungen“ zu postulieren.
Große Quantitäten an Oliven werden besonders in den
knossischen E- und auch in den F-Serien registriert, während
über Ölproduktion und –verbrauch insbesondere die Fh- und
Fs-Texte informieren. Dazu kommen die neu gefundenen
Texte der TH Ft-Serie. Dabei fällt auf, daß Oliven häufig
zusammen mit Korn registriert werden, so vor allem auf den
Tafeln des E (2)-und des F (2)-Sets. Gelegentlich treten dazu
auch Aufzeichnungen über Feigen. Wie ist das zu erklären?
Neben anderen Möglichkeiten ist es denkbar, daß die
Registratur der Ölbäume getrennt von den übrigen
Fruchtbäumen und gemeinsam mit der Erfassung und weiteren
Administration des Getreidelandes vorgenommen wurde. Die
noch heute übliche Kombination von Ölhainen mit
Kornfeldern läßt eine solche Vorgehensweise möglich
erscheinen.424
Auf den Knossostafeln finden sich kaum Hinweise, wo die
Olivenhaine Kretas zu lokalisieren sind, nur auf einigen Tafeln
könnte die gesamte Olivenernte bestimmter Plätze
aufgezeichnet sein, nämlich auf F (2) 852+8071 die Ernte von
da-wo, und auf F(2) 841+867 die Ernte von Phaistos. Beide
Orte liegen in der Mesara-Ebene, die noch heute das
Hauptanbaugebiet von Oliven auf Kreta darstellt.
Oliven wurden in Linear B mit dem Ideogramm *122 (OLIV),
welches wohl auf einen Vorläufer im minoischen Linear A (L
49) zurückgeht, bezeichnet und in trockenen Hohlmaßen
gemessen. Das Ideogramm *122 zeigt die eigentümliche Blüte
des Ölbaums. Die Früchte bezeichnete man als ka-pa, wie
etwa auf TH Ft 143.425
Oliven dienten im mykenischen Griechenland hauptsächlich
zur Ölgewinnung, sie sind aber auch selbst ein wichtiges
424
425
Siehe oben Kap. 5. 2. 1.
Aravantinos 1999 S. 71.
108
5. Früchte und Nüsse
Nahrungsmittel und wurden gemeinsam mit Gerste und Feigen
aufgezeichnet. Das gemeinsam mit Oliven aufgeführte Wort
po-qa426 auf PY Un 138.2 ist vielleicht mit *w427 „zum
Verzehr“, in Verbindung zu bringen. Nicht explizit als
Nahrungsmittel gekennzeichnet, aber sicher auch verzehrt
wurden die Oliven, welche auf verschiedenen Täfelchen an
diverse Personen verteilt wurden, so etwa auf KN Uc 161,
MY Ue 611 oder der pylischen Fn-Serie. Daß Oliven auf den
Linear B-Täfelchen selten als Nahrungsmittel vermerkt
wurden, heißt nicht, daß sie selten gegessen wurden, sondern
daß der Palast mehr an ihrer industriellen Verwendung
interessiert war. Besondere Aufmerksamkeit verdient auch die
neu gefundene TH Ft-Serie. Auf diesen Tafeln428 wird die
Verteilung von Oliven verzeichnet, eine kultische Verbindung
wurde dabei von den Bearbeitern vermutet.429
Oliven waren besonders als Quelle für Olivenöl bedeutsam.
Das Ideogramm *122 OLIV steht in den Linear B-Texten selten
allein, sondern findet sich meist in Verbindung mit den
Zeichen TI und A,430 die sich wohl auf bestimmte Arten oder
Qualitäten von Oliven beziehen, wobei TI nur in Verbindung
mit OLIV, A dagegen auch mit dem Ideogramm *130 OLE
(Olivenöl) auftritt, wobei es aber möglicherweise jeweils für
verschiedene Dinge steht. Am wahrscheinlichsten ist es, daß A
426
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 141.
Vgl.
428
Aus der Reihe fällt TH Ft 140, das größere Mengen von *120 und Oliven
verzeichnet und mit den übrigen Ft-Texten nichts zu tun hat.
429
Die Oliven stehen hier meist in Verbindung mit den Begriffen a-ko-damo und ka-si. Der Begriff a-ko-da-mo findet sich häufig in den Thebaner
Texten, auch in der Form a-ko-ro-da-mo, im Genitiv a-ko-ro-da-mo-jo
findet er sich auch auf KN B 1025.b. Die Bearbeiter der Texte aus Theben
vermuten hinter der Bezeichnung ein Kompositum aus und ,
einen Versammler des Volkes, ein Amt, das sie in Zusammenhang mit dem
Kult der Demeter sehen. Siehe dazu Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S.
169ff.
430
Siehe dazu Melena 1983 S. 97ff.
427
109
Mykenische Enährung
für „wild“ und TI für „kultiviert“ steht. Es ist
allerdings auffallend, daß OLIV+A in den Texten in größeren
Mengen registriert wird als OLIV+TI, was in Anbetracht der
Tatsache, daß die Früchte des wilden Ölbaums kleiner, härter
und schlechter als die des kultivierten sind, verwundert.
Theophrast431 schreibt allerdings, daß für die Herstellung von
Parfüm das Öl von Oliven mit niedrigem Fettgehalt verwendet
würde, und bei Dioskurides432 findet sich, daß das Öl unreifer
und wilder Oliven am besten zur Herstellung von Parfüms und
Salben geeignet sei. Die Qualität und die Eignung von Oliven
zur Herstellung von Öl steht also in indirektem Verhältnis zur
Menge des gespeicherten Fettes. Da die Mykener Olivenöl in
erster Linie für industrielle Zwecke benötigten (Herstellung
von aromatischen Ölen und Salben), waren sie mehr an
Früchten mit niedrigerem Fettgehalt interessiert, was das
Überwiegen wilder Oliven (OLIV+A) erklärt.
Der mykenische Name für Öl lautet e-ra3-wo, was für
* steht.433 Der griechische Name für die Olive ist
wohl ein aus einer mediterranen Sprache entlehntes Wort.434
Normalerweise werden Einträge von Olivenöl aber in der
Form des Ideogramms *130 registriert, das konventionell mit
OLE transkribiert wird. Es ist unklar, was das Ideogramm
bildlich darstellt.
Einer der frühesten Hinweise für die Erzeugung von Olivenöl
stammt aus Chamalevri in Westkreta und datiert in MM I A. 435
Der absolute Umfang der minoischen und mykenischen
Ölindustrie ist unklar. Graham436 nahm an, daß allein in den
westlichen Magazinen des Palastes von Knossos etwa 250.000
Liter Olivenöl gelagert wurden, die Schätzungen anderer
431
Theophr. od. 4, 15.
Diosk. 1, 29ff. Berendes.
433
Aura Jorro 1985 S. 237f.
434
Melena 1983 S. 108.
435
Tzedakis/Martlew 1999 S. 37.
436
Graham 1987 S. 130f.
432
110
5. Früchte und Nüsse
Gelehrter sind bedeutend geringer. So geht Palaima437 von
einer Speicherkapazität von 84.000 Litern aus. Allerdings ist
anzunehmen, daß diese Lagerräume nicht nur zur
Aufbewahrung von Öl, sondern auch der Speicherung anderer
Güter dienten.438 Andererseits ist auch das Vorhandensein
weiterer Lagerräume in der unmittelbaren Nachbarschaft des
Palastes anzunehmen. Die Texte enthalten – aus einem
Zeitraum von weniger als einem Jahr – Lieferungen an den
Palast von Knossos im Umfang von mehr als 10.000 Litern Öl
und verzeichnen eine große Anzahl von Bügelkannen, die bis
zu 28.000 Liter Öl enthalten konnten.439 Die gesamte
Speicherkapazität der Ostmagazine von Mallia betrug ca.
23.000 Liter, große Lagermöglichkeiten wurden auch in Pylos
und Mykene (Haus des Ölhändlers) aufgedeckt. Aber ganz
unabhängig von der exakten Menge des in den Palästen
gelagerten Öls kann mit Sicherheit gesagt werden, daß die
primäre Olivenölindustrie nicht hier lokalisiert war. Die
Anzahl von mit der Ölproduktion verbundenen Fundstücken in
den Palästen ist sehr gering. Wie die Texte zeigen, wird
Olivenöl gewöhnlicherweise vom Land zum Palast geschickt,
wo es gelagert und weiterverarbeitet wurde. Will man daher
mehr über die primäre Ölindustrie erfahren, gilt es, das die
Paläste
umgebende,
agrarisch
genutzte
Hinterland
archäologisch besser zu erforschen. Auch was die sekundäre
Ölindustrie betrifft, ist die archäologische Evidenz in den
Palästen spärlich.
Auf den Tafeln sind verschiedene Arten von Olivenöl
verzeichnet, die Schwierigkeit liegt allerdings in der korrekten
Identifizierung der mykenischen Unterscheidungen. Für diese
437
Palaima 1984 S. 200.
So nennen z. B. die drei Tafeln KN H 103, E 668 und E 670 aus dem
westlichen Magazin XV Mengen von Getreide und Oliven im Ausmaß von
GRA 1321 T 2 (126.835,2 Liter) und OLIV 222 (21.312 Liter), während die
Gg-Tafeln aus dem westlichen Magazin VIII Vasen voll Honig aufführen.
439
Palaima 1984 S. 200f.
438
111
Mykenische Enährung
Untersuchung ist vor allem der Begriff to-ro-qa440 auf KN Fh
358, 376, 5446, 5497, X 9734 interessant, der wohl als
*w,441 „zum Verzehr“,442 zu übersetzen ist.443
Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß Olivenöl in der
mykenischen Küche verwendet wurde, es gibt aber keine
weiteren schriftlichen Hinweise dafür. Dafür konnten Spuren
von Olivenöl in zahlreichen minoischen wie mykenischen
Gefäßen festgestellt werden, teils allein, teils als Zutat diverser
Eintöpfe.444
Die Texte scheinen zu zeigen, daß der größte Teil des
Olivenöls in mykenischer Zeit nicht zur Ernährung, sondern
für industrielle Zwecke, als Vehikel für Parfüms, verwendet
wurde. Die Herstellung und der Export parfümierter Öle445
stellte eine wesentliche Grundlage der palatialen Wirtschaft
dar. Erste Hinweise auf die Erzeugung von Parfüms reichen
aber bis in die vorpalatiale Zeit zurück, so etwa in Chamalevri,
wo in mehreren Gefäßen der Periode MM I A Reste von IrisÖl festgestellt werden konnten.446
Daß man aber im mykenischen Griechenland nach Aussage
der Texte hauptsächlich an der industriellen Verwendung von
Olivenöl interessiert gewesen zu sein scheint, stellt uns
insofern vor Schwierigkeiten, als daß die Verwendung von
Olivenöl bei der neuzeitlichen ländlichen Bevölkerung
Griechenlands ein genau umgekehrtes Muster zeigt. Dieser
Umstand scheint aus der Konzentration der mykenischen
440
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 366.
Vgl. .
442
Ventris/Chadwick 1973 S. 587 ; Aura Jorro 1993 S. 366.
443
Die Übersetzung als /trokwa/ „Ölpresse“ (Godart 1969 S. 52ff.) ist kaum
zu halten. Siehe dazu Melena 1983 S. 107f.
444
Tzedakis/Martlew 1999 S. 88, 108, 114, 115, 120, usw.
445
Zur mykenischen Parfümindustrie: E. D. Foster 1974; Shelmerdine 1985;
Erard-Cerceau 1990.
446
Tzedakis/Martlew 1999 S. 44.
441
112
5. Früchte und Nüsse
Texte auf offizielle Geschäfte und dem Ignorieren häuslicher
Belange selbst auf palatialer Ebene zu resultieren.447
Abgesehen von der Parfümindustrie findet Olivenöl noch zwei
andere industrielle Verwendungen, zum einen in der
Textilindustrie, zum anderen in der Gerberei.448 In Verbindung
mit Kleidungsstücken (we-a2-no-i)449 diente Öl wohl nicht nur
zum Parfümieren, sondern auch zur Reinigung.
Überhaupt ist Olivenöl als Reinigungsmittel von großer
Bedeutung. Es ist anzunehmen, daß parfümiertes wie
unparfümiertes Öl häufig im Rahmen der Körperpflege zur
Anwendung kam. Dies legt vor allem der Vergleich mit der
klassischen Antike nahe. In Griechenland war es etwa bei
Athleten und schwer arbeitenden Menschen üblich, ihren
Körper mit Olivenöl einzureiben und sich dann das Gemisch
von Schweiß, Schmutz und Öl mit einem strigilis genannten
Schaber abzukratzen, wie es auch eine der berühmtesten
antiken Statuen, der Apoxyomenos des Lysipp, zeigt.
Das Salben mit Olivenöl war in der Antike ein unverzichtbarer
Bestandteil des Bades, das Öl schützte die Haut vor der Sonne,
bewahrte sie vor dem Austrocknen und erhielt sie
geschmeidig. Bei Homer zeigen einige Stellen die
Verwendung von Olivenöl zur Körperpflege. So wurde
Odysseus bei seinem Aufenthalt bei der Zauberin Kirke von
einer Maid gebadet und gesalbt.450 Gleiches geschah am
Meeresstrand, als er der schönen Nausikaa und ihren
Gefährtinnen begegnete. Er wusch sich und salbte sich mit
447
Wenn, was mir aber unwahrscheinlich erscheint, die Olive im
mykenischen Griechenland anders verwendet wurde als in der traditionellen,
griechischen Landwirtschaft, so bringt das für die häufig angestellten
Vergleiche zwischen bronzezeitlicher und traditioneller, griechischer
Lebensweise einige Probleme mit sich.
448
Vgl. hierzu die Ölzuteilungen an die wi-ri-ne-we genannten Leute auf
KN Fh 5428 und 5435 – siehe zu diesen Aura Jorro 1993 S. 434 – sowie
Hom. Il. 17, 389ff., wo Öl im Gerbeprozeß erwähnt wird.
449
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 414.
450
Hom. Od. 10, 364.
113
Mykenische Enährung
dem Öl, das Nausikaa von ihrer Mutter mitbekommen hatte.451
Auch Hera salbte sich mit Öl, als sie ihren Gatten Zeus
verführen wollte.452 Und noch beim älteren Plinius ist zu lesen,
daß es zwei Flüssigkeiten gäbe, die für den Körper besonders
angenehm seien, nämlich innen Wein und außen Öl.453
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Terminus we-are-pe bzw. we-ja-re-pe, *h, für welchen
verschiedenste Interpretationen vorgeschlagen wurden.454 Am
wahrscheinlichsten sind dabei die Deutungen als *, zum Salben von Kleidern,455 *-, gut für
die Salbung,456 oder *-, für die Salbung.457
Die Reinigung mit Olivenöl betraf aber wohl nicht nur
Menschen aus Fleisch und Blut, sondern wahrscheinlich auch
Kultbilder mykenischer Götter und Göttinnen, wie es auch in
mesopotamischen Dokumenten belegt ist.458 Auch bei Plinius
dem Älteren459 findet sich die Verwendung von Öl zum Schutz
hölzerner Kultstatuen.
Zahlreiche Erwähnungen von Olivenöl in den Linear B-Texten
stehen in Zusammenhang mit Kult und Religion. Ein
Verzeichnis von Öllieferungen, die wohl als Opfergabe
gedacht waren, stellen etwa die Tafeln des KN Fp (1)-Sets
dar. In diesen Texten sind Spenden von Öl an verschiedene
Gottheiten verzeichnet, so etwa an alle Götter (pa-si-te-o-i)
oder an den diktäischen Zeus (di-ka-ta-jo di-we). Dabei wird
zuerst immer der Monat angegeben, in welchem die Lieferung
vollzogen wurde, etwa de-u-ki-jo-jo ’meno’ auf KN Fp (1) 1,
451
Hom. Od. 6, 224ff.
Hom. Il. 14, 171ff.
453
Plin. nat. 14, 150.
454
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 413f.
455
Siehe z. B. Hiller/Panagl 1976 S. 165.
456
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 413f.
457
Siehe etwa Ventris/Chadwick 1973 S. 477, 590.
458
Melena 1983 S. 118f.
459
Plin. nat. 16, 79, 214.
452
114
5. Früchte und Nüsse
di-wi-jo-jo ’me-no’ auf KN Fp (1) 5 oder ka-ra-e-ri-jo ’meno’ auf KN Fp (1) 7. Dann folgt die Liste der Empfänger und
die Angabe der Ölmenge. Auch die KN Fs–Tafeln,460 auf
denen Öl zusammen mit Gerste, Feigen, Honig, Wein und
Mehl verzeichnet wird, scheinen in eine religiöse oder
kultische Sphäre zu gehören.461
Im klassischen Griechenland finden sich unzählige Beispiele
für die Verbindung von Ölbäumen und Oliven mit Kult und
Religion. So galt etwa der der Göttin Athene geweihte Ölbaum
als Symbol für Frieden und Wohlstand, mit seinen Blättern
wurden die Olympiasieger geehrt. Öl spielte auch in den
Ritualen, die mit Tod und Bestattung zu tun hatten, eine
wichtige Rolle, und Ölfläschchen waren in den Gräbern eine
wichtige Beigabe. Im klassischen Athen waren diese meist
groß (Lekythoi) und kunstvoll bemalt, da parfümiertes Öl aber
teuer war, hatten sie innen oft falsche Böden. Auch der
Gebrauch von Öl im Totenritus ist bei Homer gut belegt. So
beschreibt er, wie Achill seinen getöteten Gegner Hektor von
den Mägden mit Öl salben und waschen läßt,462 und wie er
anordnet, daß seinem toten Kampfgefährten Patroklos Krüge
mit Honig und Öl ins Grab mitgegeben werden sollten.463
5. 2. 5. Andere Ölpflanzen
Eine Ölpflanze, die in den Täfelchen häufig vorkommt, ist der
Flachs oder Lein (Linum usitatissimum), die wohl älteste
wegen ihrer ölreichen Samen angebaute Kulturpflanze. Funde
kultivierten Leins stammen im Orient bereits von
460
Zu den KN Fs-Tafeln aus Knossos siehe R. Palmer 1994 S. 125ff.
Zur rituellen Verwendung von Öl vgl. auch die oben dargestellte
Verwendung von Olivenöl in hethitischen Ritualen.
462
Hom. Il. 24, 582ff.
463
Hom. Il. 23, 170.
461
115
Mykenische Enährung
neolithischen Stätten des 9. Jt. v. Chr.,464 und auch in
Griechenland kommt er ab dem entwickelten Frühneolithikum
vor.465
Der Lein liefert als begehrtes Produkt die Flachsfaser, die man
zu Leinen spinnen und weben kann. Die großen Mengen von
Flachs, die in den mykenischen Texten verzeichnet sind, legen
nahe,
daß
die
Flachserzeugung ein
bedeutender
Wirtschaftszweig im Reich von Pylos war.466 Noch in
moderner Zeit wurden in der Südwestpeloponnes, also dem
Territorium von Pylos, große Mengen an Flachs angebaut.
Das ideogrammatisch gebrauchte Syllabogramm SA, das keine
Abkürzung eines griechischen Wortes ist, sondern wohl auf
Linear A zurückgeht, muß sich auf Flachs oder Leinen
beziehen, da es auf PY Nn 228.1 als ri-no, , identifiziert
ist, was im Griechischen sowohl Flachs als auch Leinen
bezeichnen kann. Vom Palast abhängige Frauen in der
pylischen Ab-und Ad-Serie werden als ri-ne-ja, ,
Leinenarbeiterinnen, bezeichnet.467
Es gibt allerdings keinen sicheren Hinweis auf Leinsamen in
den Texten. So wird zwar SA, das für ein Flachsprodukt steht,
in Pylos gezählt, während es in Knossos gewogen wird, in
beiden Fällen wird es sich aber nicht um Leinsamen handeln,
die wohl in trockenen Hohlmaßen gemessen worden wären.
Samen werden außerdem normalerweise mit pe-mo oder pema468 bezeichnet. Auch die Interpretation, daß wir mit dem
Ideogramm *134 auf MY Ge 610 möglicherweise einen Beleg
für Leinöl vorliegen hätten,469 ist zu spekulativ und daher
durchaus problematisch.470
464
J. Renfrew 1969 S. 168.
Kroll 1983 S. 130.
466
Siehe dazu: Robkin 1979.
467
Aura Jorro 1993 S. 255.
468
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 98f.
469
L. R. Palmer 1963 S. 274.
470
Melena 1983 S. 94f.
465
116
5. Früchte und Nüsse
Die Menge an gefundenen Leinsamen etwa in Kastanas471 und
Tiryns472 läßt aber auf eine Nutzung der ölhaltigen Samen in
der Küche schließen. Thukydides473 erwähnt Leinsamen in
Zusammenhang mit den Rationen, die zu den Spartanern auf
der Insel Sphakteria geschmuggelt wurden.
Nicht zu vergessen ist auch der Leindotter (Camelina sativa),
eine sehr unempfindliche, ertragssichere Ölpflanze, die andere
Ölpflanzen in Bereichen, wo jene nicht mehr gedeihen,
ersetzen kann. Funde stammen etwa aus Tiryns,474 Kastanas475
oder Kalapodi.476 Auf andere Ölpflanzen, wie Mohn, Sesam,
Terebinthe oder Saflor, wird an anderer Stelle näher
eingegangen.477
5. 2. 6. Zusammenfassung
Die Olive bildete als wichtigste Ölpflanze des
spätbronzezeitlichen
Griechenlands
eines
der
Haupterzeugnisse der mykenischen Landwirtschaft. Das Wort
po-qa auf PY Un 138.2, das möglicherweise mit „zum
Verzehr“ zu übersetzen ist, bildet den einzigen Hinweis auf
die Verwendung der Früchte als Nahrungsmittel. Klassische
Parallelen lassen das Einlegen von Oliven in Salzlake, Essig
oder Wein zur Verminderung der im Fruchtfleisch
vorhandenen Bitterstoffe annehmen. Der Großteil der
angebauten Oliven wurde jedoch zu Öl gepreßt, das zur
Erzeugung von Parfüm, im Kult, als Reinigungsmittel, zur
Beleuchtung, aber auch als Nahrungsmittel verwendet wurde.
471
Kroll 1983 S. 56ff.
Kroll 1982 S. 479.
473
Thuk. 4, 26, 8.
474
Kroll 1984 S. 211.
475
Kroll 1983 S. 132ff.
476
Kroll 1993 S. 169.
477
Siehe Kap. 6.
472
117
Mykenische Enährung
Der zur näheren Bezeichnung von Olivenöl verwendete
Begriff to-ro-qa läßt auf eine Rolle in der Ernährung
schließen. Daß Oliven und Olivenöl in den mykenischen
Texten kaum als Nahrungsmittel erwähnt werden, liegt in der
fast ausschließlichen Konzentration der Linear B-Texte auf
wirtschaftliche und industrielle Aspekte. Eine alleinige
Verwendung von Oliven in der Erzeugung etwa von
parfümierten Ölen ist aber nicht vorstellbar. Ein Vergleich mit
gleichzeitigen Quellen aus dem Alten Orient sowie der
klassischen griechischen und lateinischen Literatur zeigt uns
die wichtige Rolle, die Oliven und Olivenöl auch in der
mykenischen Ernährung gespielt haben müssen.
5. 3. Wein
5. 3. 1 Domestikation und Geschichte des Weines außerhalb
Griechenlands
Der kultivierte Wein478 (Vitis vinifera) ist eng mit einer Reihe
von wilden Weinformen verwandt, die sich im
Mittelmeerraum, in klimatisch milden Gebieten Mitteleuropas
sowie im westlichen Asien finden. Diese Wildformen (Vitis
vinifera ssp. sylvestris) bilden den Grundstock, von dem sich
der kultivierte Wein herleitet. Die Trauben des wilden Weines
sind eher klein und säuerlich schmeckend, aber auch aus ihnen
läßt sich erfolgreich Wein herstellen.
Üblicherweise beginnt der Wein drei Jahre nach seiner
Anpflanzung Früchte zu tragen. Die Beeren sind reich an
Zucker (15-20%), sie können frisch oder getrocknet verzehrt
werden und liefern weiters Wein, Essig und Traubensaft. Aus
den Kernen kann ein leichtes Salatöl gewonnen werden, die
478
Allgemein zum Wein siehe Franke 1997 S. 267ff.
118
5. Früchte und Nüsse
Blätter finden ebenfalls in der Küche Verwendung, sie können
eingelegt und gefüllt werden.
Die frühesten überzeugenden Hinweise für eine Kultivierung
von Vitis vinifera kommen aus chalkolithischen Fundstellen in
der Levante und datieren etwa in die Mitte des 4. Jt. v. Chr.,
wie etwa aus Tell esh-Shuna im Jordantal.479 In der Bronzezeit
werden Weinfunde im Nahen Osten dann immer häufiger,
auch werden sie von einer steigenden Zahl von
Preßvorrichtungen, Gefäßen sowie der künstlerischen
Darstellung von Trauben und Weinbau begleitet.480
In Babylonien481 ist der Weinanbau seit prähistorischer Zeit
belegt, der Konsum von Wein spielte aber nie mehr als eine
marginale Rolle. Zwar bauten die Sumerer und die
nachfolgenden Kulturen Südmesopotamiens Trauben an, Wein
wurde allerdings nur in geringem Umfang erzeugt und war
teuer. Das Hauptgetränk in Babylonien war Bier, das ein
geeigneterer Durstlöscher, besser und auch billiger als der zur
Verfügung stehende Wein war.
Im Gegensatz dazu stellte aber der Wein in
Nordmesopotamien und Syrien,482 wie etwa in Mari, ein sehr
geschätztes und auch verbreitetes Getränk dar. In Anatolien483
ist der Anbau und die Erzeugung von Wein seit dem
beginnenden 3. Jt. v. Chr. belegt. Im 2. Jt. v. Chr. wurde der
Wein zu einem zentralen Element des hethitischen Lebens.
Die Hethiter aßen die Trauben sowohl frisch als auch
getrocknet, und sie erzeugten Wein. Dieser war nicht nur Teil
der Ernährung der Elite, sondern er wurde auch als ein Symbol
des Guten und Reinen sowie des Lebens selbst betrachtet. Im
479
Zu den frühen Funden und der Domestikation von Wein siehe D. Zohary
1996.
480
Vgl. Stager 1985.
481
M. A. Powell 1996 S. 100ff.
482
M. A. Powell 1996 S. 106ff.
483
Gorny 1996 S. 133ff.
119
Mykenische Enährung
Kult spielte er als Mittel der Verständigung mit den Göttern
und der Anbetung der Götter eine wesentliche Rolle.
Archäobotanisch läßt sich kultivierter Wein auch im 3. Jt. v.
Chr. in Transkaukasien feststellen, in Armenien stößt man ab
dem 2. Jt. häufig auf vinifera-Kerne.484 In Godin-Tepe im Iran
findet sich Wein bereits in Periode V (2. H. 4. Jt. v. Chr.).485
Reiche Zeugnisse für frühen Weinbau stammen aus
Ägypten.486 Der Wein war auch im Nilland eine der ältesten in
Gartenkultur angebauten Pflanzen. Er war dort nach seiner
Einführung aus dem syrischen Raum seit dem 4. Jt. v. Chr.
bekannt. Seine Wildform läßt sich für Ägypten nicht belegen.
Trauben – ägyptisch jareret – gehören seit der prähistorischen
Zeit zu den beliebtesten Obstsorten, wurden aber auch schon
zu Saft und Wein – irep – verarbeitet. Traubenkerne fanden
sich in den Gräbern der ersten Dynastie in Abydos und
Nagada, reiche Funde besitzen wir ebenfalls aus der Pyramide
des Djoser in Saqqara.487 Zusätzlich zur heimischen
Produktion wurde Wein schon seit frühester Zeit und dann die
gesamte ägyptische Geschichte hindurch aus dem Ausland
importiert. Dabei wurden die Weine aus dem asiatischen
Raum, von wo auch Weinbaufachleute, die aperu, ins Land
geholt wurden, bevorzugt.
Eine Inschrift aus dem Grab des Metjen, eines hohen Beamten
der 4. Dynastie (etwa 2575 v. Chr.) gilt als ältester Beleg für
die Anlage eines privaten Weingutes.488 Solche Weingüter
wurden dann im Neuen Reich häufig dargestellt. Die
bedeutendsten Weingüter Ägyptens lagen im Nordwesten des
Deltas und in den Oasen, aber auch in Oberägypten wurden
Weinlauben angelegt.
484
D. Zohary 1996 S. 29.
Badler 1996.
486
Siehe zu Ägypten: Schoske u. a. 1992 S. 32ff.
487
D. Zohary 1996 S. 28.
488
Siehe dazu: Sethe 1933 4, 7-5, 10.
485
120
5. Früchte und Nüsse
Im Gegensatz zu Bier, das ein Grundnahrungsmittel darstellte,
war der Wein ein besonders zu Festen geschätztes Getränk der
Oberschicht. Solche Feste sind auf zahlreichen Darstellungen
aus den Gräbern zu sehen. Der Wein wurde dabei in
Amphoren bereitgestellt und aus kleineren Kannen in flache
Trinkschalen ausgeschenkt. Wein war aber nicht
ausschließlich für die Oberschicht bestimmt. So war er etwa
auch Teil der täglichen Ration von etwa 1000 Männern in der
Steinbrüchen von Gebel Silsila zur Zeit Sethos I.489
Die Trunkenheit galt im Alten Ägypten als ein angenehmer
und durchaus erstrebenswerter Zustand,490 vor übermäßigem
Weingenuß wurde allerdings eindringlich gewarnt.491
5. 3. 2. Wein im klassischen Griechenland und in Rom
Im klassischen Griechenland492 war der Wein von großer
Bedeutung. Das Trinken von Wein kann geradezu als ein
Zeichen griechischer kultureller Identität betrachtet werden.
Die Tatsache, daß die Barbaren Bier tranken, galt nachgerade
als ein Kennzeichen ihres Barbarentums.
Wein wurde im klassischen Griechenland nicht zum
Hauptgang konsumiert. Er wurde erst nach dem Essen serviert,
zuerst ungemischter zum Trankopfer, dann mit oft viel Wasser
verdünnter.493 Dieses Vermischen der Weines mit Wasser war
allgemein verbreitet, wobei ein Mischverhältnis von 1:1 wohl
als ausschweifend betrachtet wurde. Als typische
Mischverhältnisse dürfen 1:2 oder 2:5 angesehen werden.494
Wein und Wasser wurden in einem großen Mischgefäß, dem
489
Kitchen 1982 S. 26.
Vgl. Schott 1952 S. 128ff.
491
Vgl. Schott 1952 S. 110f.
492
Siehe zum Folgenden: Davidson 1999 S. 58ff.
493
Vgl. Theokr. eid. 14, 18 und 2,152.
494
Vgl. dazu die Stellen bei Davidson 1999 S. 354 Anm. 14.
490
121
Mykenische Enährung
Krater, zusammengegossen. Auch frischer Traubensaft und
Most fanden in der griechischen Küche Verwendung, ebenso
die eingedickten Formen und . Eine ebenso
wichtige Rolle spielte der Weinessig.
Der Wein der Griechen war offenbar meist süß und durchaus
stark.495 Oft schwammen darin noch Stücke der Trauben und
der Rebe, die vor dem Einschenken herausgesiebt werden
mußten. Rotweine hatten eine dunkle Farbe und ein kräftiges
Bukett. Nach Mnesitheos496 wurden „schwarzer“, „weißer“
und „bernsteinfarbener“ Wein unterschieden. Der Wein nahm
zuerst den Geschmack des Behältnisses an, in dem er
transportiert wurde, in diesem Fall von Pech und Harz, mit
denen die Amphoren versiegelt waren, gelegentlich schmeckte
er nach Schaf oder Ziege, dem Rohmaterial für die
Weinschläuche. In den verschiedenen Stadien des
Herstellungsprozesses konnten dann weitere Zutaten
beigemengt werden, wie etwa Salzwasser, Kräuter oder Honig.
Auch die Römer497 versahen den Wein mit allerlei Zutaten.
Man färbte ihn mit dem Saft der Aloe498 oder mit Safran499 und
versetzte ihn mit Harz oder Pech.500 Alte römische Weine
wurden ranzig und bitter und bekamen eine sirupartige
Konsistenz, darin sah man aber einen Alters- und
Qualitätsbeweis und milderte den bitteren Geschmack durch
das Hinzufügen von Wasser.501 Um ihm seinen bitteren
Geschmack zu nehmen, wurde er auch durch Tücher geseiht,
in die der Kellermeister (cellarius) Sellerie oder Anis
495
Davidson 1999 S. 62. Ein Alkoholgehalt von 16 %, wie er hier
angenommen wird, ist aber kaum vorstellbar.
496
Mnesitheos bei Ath. 11, 483 f-484 b.
497
Siehe dazu: André 1998 S.140ff.
498
Plin. nat. 14, 68; Plut. symp. 6, 7, 2.
499
Plut. symp. 6, 7, 2; Geop. 7, 13, 2.
500
Plin. nat. 14, 121ff.; Cels. 2, 30, 3 (vinum resinatum).
501
Plin. nat. 14, 55; 23, 40.
122
5. Früchte und Nüsse
zusammen mit bitteren Mandeln gab.502 Um den Wein
haltbarer zu machen, versetze man ihn, nach griechischer Sitte,
auch mit Meerwasser bzw. mit Salz,503 was auch nicht ohne
Auswirkungen auf den Geschmack bleiben konnte.
Sehr beliebt war der Honigwein504 (mulsum505), den man zum
Essen,506 hauptsächlich aber zu den Vorspeisen507 trank, und in
den alte Männer gern ihr Brot tunkten.508 Insbesondere
schätzten die Römer den Pfefferwein (vinum conditum oder
vinum piperatum), in welchem beispielsweise Wein, Honig,
Pfeffer, Mastixharz, Mutterzimt, Safran und Datteln verkocht
wurden.509 Aber auch direkt vor dem Trinken fügte man dem
Wein noch Aromastoffe wie Narde, Kalmus, Erdpech, Binse,
Kostwurz, Amomum, Kassia, Zimt, Safran, Palmfrüchte,
Haselwurz oder Mutterzimt510 zu.
Ebenfalls gern getrunken wurde Essig, der mit Wasser
verdünnt wurde (posca). Essig wurde in der Kaiserzeit
regelmäßig den Soldaten der römischen Armee zugeteilt.511
5. 3. 3. Wein im prähistorischen Griechenland
In Griechenland512 wuchs der wilde Wein spätestens seit dem
Pleistozän, und noch heute findet man ihn weit verbreitet, vor
502
Plin. nat. 19, 188; 20, 185.
Colum. 12, 37.
504
Colum. 12, 41; Pall. agric. 11, 17; Geop. 8, 25.
505
Griechisch später .
506
Plaut. Pers. 87; Varro rust. 3, 16, 2; Cic. Cluent. 166.
507
Hor. sat. 2, 4, 24 ff; Petron. 34, 1.
508
Plin. nat. 22, 113f.
509
Apic. 1, 1, 1.
510
Plin. nat. 14, 107f.
511
Vgl. SHA Avid. 5, 3; SHA Pesc. 10, 3; Cod. Iust. 12, 37, 1.
512
Siehe zur Domestikation und den Funden von Wein in Griechenland: J.
Renfrew 1996.
503
123
Mykenische Enährung
allem im nördlichen Thrakien, in Ost- und Westmakedonien,
in Epirus, in Thessalien, auf Euboia sowie auf der Peloponnes.
Im archäobotanischen Befund ist es nicht immer leicht,
zwischen den Kernen von wildem und von kultiviertem Wein
zu unterscheiden. Es finden sich vor allem verkohlte Kerne,
aber auch solche, die durch Mineralisation erhalten geblieben
sind. Dazu kommen, besonders in der frühen Bronzezeit, die
Abdrücke von Weinblättern auf dem Boden antiker Gefäße.
Die ältesten Funde aus Griechenland, die aus den
paläolithisch-mesolithischen Schichten in der Franchthi-Höhle
stammen und etwa um 11.000 v. Chr. datieren, weisen darauf
hin, daß bereits damals die Bewohner der Höhle wilden Wein
sammelten und so ihre Nahrung ergänzten. Aus dem
Neolithikum und der Bronzezeit stehen dann zahlreiche Funde
von Wein zur Verfügung. Im späten Neolithikum wurde der
Wein schließlich auch in Griechenland erstmals kultiviert, die
Wildformen blieben aber weiterhin in Verwendung.
Wohl schon vor der Kultivierung von Wein wurde aus den
Wildformen Wein erzeugt. Die frühesten Hinweise für die
Erzeugung von Wein stammen, wie bereits erwähnt, aus
Myrtos (FM II)513 und Aghios Kosmas (FH III).514 Aus elf
Fundorten auf Kreta, die zwischen FM II (Myrtos) und SM III
B (Kommos) datieren, sind Vorrichtungen zum Pressen von
Wein bekannt.515 Nach der Größe dieser Vorrichtungen zu
urteilen scheint es sich dabei eher um die Erzeugung von
kleineren Mengen Weins für den Hausgebrauch als um
Weinerzeugung im großen Stil gehandelt zu haben.
Interessante Ergebnisse liefert auch die naturwissenschaftliche
Analyse der bronzezeitlichen Keramik. Bereits in Gefäßen aus
dem frühminoischen Myrtos konnten Rückstände von Wein
festgestellt werden, zwei Pithoi lieferten Hinweise auf
513
Warren 1972 S. 75, 84, 271, 315f., 343.
Mylonas 1959 S. 39f., 161.
515
Zu den Funden von Weinpressen: Palmer 1994 S. 18ff.
514
124
5. Früchte und Nüsse
geharzten Wein.516 Ein besonders bemerkenswertes Ergebnis
lieferte ein MM II datierender Dreifußkessel aus Monastiraki,
Rethymnon. In diesem Gefäß fanden sich Spuren von
geharztem Wein, der entweder in einem geräucherten
Eichenfaß gelagert worden war, oder dem geräucherte
Eichenspäne zugefügt worden waren, was dem Wein dann
einen spezifischen Geschmack gab.517 Hinweise auf geharzten
Wein lieferten auch zwei MM II Gefäße aus Apodoulou,
Rethymnon. Hier konnte auch nachgewiesen werden, daß es
sich um Terebinthenharz handelt, das in großen Mengen auch
in der Ladung des Schiffswrackes von Ulu Burun gefunden
wurde.518 Wein konnte auch in einigen Gefäßen aus dem
Kultzentrum in Mykene festgestellt werden.519 Darunter
befanden sich auch kanaanitische Gefäße, in denen geharzter
Wein aus dem Osten nach Griechenland importiert wurde.520
Geharzter Wein wurde in einem SH III B-Kochgefäß ebenfalls
aus Mykene521 sowie in einem SH III C-Gefäß aus Theben522
nachgewiesen.
Aber nicht nur Harz diente in der Ägäis zum Aromatisieren
des Weines. Wein findet sich auch mit Honig gesüßt, wie etwa
in einem SH III A 2 Gefäß aus Mykene.523 In einem
Dreifußgefäß aus Chania,524 das SM I datiert, wurde geharzter
Wein mit Kräutern (Lorbeer, Lavendel oder Salbei)
festgestellt. Ein SH III C Gefäß aus Mykene lieferte Hinweise
auf Wein, der mit Weinraute (Ruta graveolens), welche auch
516
Tzedakis/Martlew 1999 S. 142ff.
Tzedakis/Martlew 1999 S. 146f.
518
Tzedakis/Martlew 1999 S.148ff.
519
Tzedakis/Martlew 1999 S.152ff.
520
Tzedakis/Martlew 1999 S. 156ff.
521
Tzedakis/Martlew 1999 S. 188.
522
Tzedakis/Martlew 1999 S. 188.
523
Tzedakis/Martlew 1999 S. 168.
524
Tzedakis/Martlew 1999 S. 164.
517
125
Mykenische Enährung
den Römern als Gewürz diente525 und offenbar narkotisierende
und stimulierende Eigenschaften besitzt, versetzt war.526
In einer Reihe von Gefäßen sowohl von Kreta als auch vom
Festland fanden sich Reste eines Mischgetränkes aus Wein,
Gerstenbier und Honigmet. Natürlich läßt sich nicht
ausschließen, daß die drei Getränke sich hintereinander in den
Gefäßen befunden haben, die relativ große Anzahl von
Nachweisen läßt aber an ein Mischgetränk denken.527 Dieses
Mischgetränk kam möglicherweise auch im Rahmen des
minoischen Bestattungsrituals zur Verwendung.528
Möglicherweise wurden in der Bronzezeit auch bereits
destillierte Getränke hergestellt. Funde aus Monastiraki,
Rethymnon, lassen die Produktion eines Traubenschnapses,
vergleichbar dem kretischen tsikoudia, vermuten.529
In einer SH III B-Amphora aus dem Kultzentrum von Mykene
fanden sich Spuren von Wein und Olivenöl.530 Das Olivenöl,
das in die Weingefäße gefüllt wurde, diente wohl dazu, den
Wein luftdicht abzuschließen, um so seine Haltbarkeit zu
verlängern.
In der späten Bronzezeit war die Kenntnis vom Weinbau
weitverbreitet. Dieser machte einen wesentlichen Bestandteil
der traditionellen griechischen Landwirtschaft aus. Der Palast
hatte daher keinesfalls ein Monopol auf Wein, was aber
andererseits auch nicht bedeutet, daß jeder Mykener
gleichermaßen Zugang zu Wein hatte, denn nur Bauern, die
über ausreichend Land und Arbeitskraft verfügten, konnten es
sich leisten, zusätzlich zu den Grundnahrungsmitteln auch
noch Weinstöcke zu ziehen.
525
Plin. nat. 19, 156: mulsum rutatum.
Tzedakis/Martlew 1999 S. 163f.
527
Tzedakis/Martlew 1999 S. 166ff.
528
Tzedakis/Martlew 1999 S. 174ff.
529
Tzedakis/Martlew 1999 S. 178f.
530
Tzedakis/Martlew 1999 S. 153.
526
126
5. Früchte und Nüsse
5. 3. 4. Wein in den Linear B-Texten
Zwar finden sich in den Linear B-Texten531 zahlreiche Bezüge
zu Wein und Weinbau, keine Serie aber befaßt sich
ausschließlich damit.
Es ist in den Texten keine eigene Berufsbezeichnung für den
Weinbauern überliefert. Die Termini pu-ta,532 pe-pu2-te-meno,533 pu-te534 bzw. pu2-te-re535 und pu-te-ri-ja536 beziehen sich
auf Gärten und Gärtner im allgemeinen.537 Die Mykener
bauten in ihren Gärten wohl verschiedene Früchte zusammen
an, eine Praxis, die sich etwa in Homers Beschreibungen des
Gartens des Laertes538 widerspiegelt. Das Vorkommen des
Wortes wo-na-si,539 der Dativ Plural-Form von,
„Weingärten“, auf KN Gv 863 legt aber nahe, daß sich einige
Bauern auf den Anbau von Wein spezialisierten.
Weinstöcke selbst, we-je-we,540 was wohl dem seltenen
griechischen Wort entspricht,541 werden auf den Tafeln
PY Er 880 und KN Gv 863 verzeichnet. Die gemeinsame
Nennung von Feigenbäumen und Weinstöcken könnte die
Praxis widerspiegeln, den Wein auf den Feigenbäumen zu
ziehen.542 Eine solche Vorgehensweise würde für eine sehr
intensive Nutzung des Fruchtlandes sprechen. Sowohl auf PY
531
Die maßgebliche Publikation zu Wein im mykenischen Griechenland ist
R. Palmer 1994. Die folgende
Darstellung ist an diesem Werk orientiert.
532
Aura Jorro 1993 S. 174.
533
Aura Jorro 1993 S. 179.
534
Aura Jorro 1993 S. 174.
535
Aura Jorro 1993 S. 179.
536
Aura Jorro 1993 S. 175.
537
Siehe dazu auch Kap. 5. 1.
538
Hom. Od. 24, 246f.
539
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 442.
540
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 418.
541
R. Palmer 1994 S. 57ff.
542
Siehe dazu R. Palmer 1994 S. 59f.
127
Mykenische Enährung
Er 880 als auch auf KN Gv 863 sind Fruchtbaumkulturen
verzeichnet, die nicht direkt vom Palast bestellt wurden. Der
Palast griff beim Wein, wie auch bei anderen Agrarprodukten,
nicht direkt in die Produktion ein, er sandte aber Beamte, die
das Potential und den Ertrag der Gärten zu überwachen hatten.
Der an die Paläste schließlich gelieferte Wein wurde dann in
eigenen Depots gelagert, ein solches Weinmagazin ist im
Palast von Pylos greifbar.543
Erwähnungen von frischen oder getrockneten Weintrauben
fehlen in den Texten. Meist wird der Wein in den Linear BTexten mittels des Ideogrammes *131 VIN verzeichnet. Dieses
stellt möglicherweise einen von zwei Stangen gestützten
Weinstock dar. Es ist in seiner Formgebung wohl ägäischen
Ursprungs544 und von keinem nahöstlichen oder ägyptischen
Zeichen abhängig, wie dies ursprünglich vermutet wurde.545
Die Identifikation als Wein basiert aber nicht auf der Form des
Zeichens, sondern darauf, daß das Ideogramm immer in
Zusammenhang mit flüssigen Hohlmaßen verwendet wird.
Das Wein-Ideogramm besitzt bereits einen Vorgänger in den
kretischen Hieroglyphen (Zeichen 116),546 welcher sich auf
Siegeln und auf Tontafeln aus Knossos, Phaistos und Mallia
findet. In seiner späteren standardisierten Form (*131) kommt
das Zeichen sowohl in Linear A als auch in Linear B vor. Das
Linear A-Ideogramm findet sich in Knossos, Phaistos, Pyrgos,
Aghia Triada, Kato Zakros, Archanes, Chania und Kea. Es
wird sowohl auf Tontafeln, als auch auf Gefäßen verwendet,
wohl um deren Inhalt zu spezifizieren. Eine zusammengesetzte
Version des Wein-Ideogrammes, die sich innerhalb Kretas nur
in Zakros befindet, ist auch auf einem Gefäß von Kea
eingeritzt.547 Dies deutet auf den Handel mit Wein, und
543
Zum Weinmagazin von Pylos siehe Kap. 12. 4.
Neumann 1977 S. 125.
545
Z. B. Sundwall 1944 S. 10ff.
546
Siehe dazu: R. Palmer 1994 S. 27ff.
547
Bikaki 1984 S. 22, 32.
544
128
5. Früchte und Nüsse
möglicherweise auch darauf, daß die Gegend um Zakros eine
gewisse Bedeutung als Exporteur von Wein besessen haben
mag, hin. Das Linear B-Ideogramm findet sich nur auf
Täfelchen, und zwar in Knossos, in Pylos, in Theben und in
Mykene.
Das Wein-Ideogramm ist häufig von Ligaturen oder
Beifügungen begleitet, die es wohl genauer spezifizieren und
möglicherweise Eigenschaften wie den Typ, die Herkunft, die
Qualität oder die Farbe des Weines angeben. Eine Variante
des Ideogrammes, die sowohl in Linear A, als auch in Linear
B vorkommt, ist das Zeichen *131b, das aussieht wie ein in
die Hälfte geschnittenes Wein-Ideogramm. Mehrere
Interpretationsmöglichkeiten
bieten
sich
dafür
an:
Traubenmost,548 Wein von schlechter Qualität549 oder Essig,
wobei letztere Deutung möglicherweise am besten in den
Kontext der Erzeugung von parfümierten Ölen auf PY Un 267
paßt.550
Auf PY Vn 20 findet sich das Wort wo-no,551 das der
griechischen Bezeichnung für Wein, , entspricht. Eine
andere Interpretation für wo-no geht von *wosnos - ,
„Preis bezahlt“, aus.552 Diese Deutung ist zwar morphologisch
ohne weiteres möglich, scheint aber nur schwer in den Kontext
der Tafel zu passen.553
Zwei zusammengesetzte Wörter leiten sich von wo-no ab, zum
einen wo-no-qo-so,554 , der Name eines Ochsen auf KN
Ch 897 und KN Ch 1015, zum anderen wo-no-wa-ti-si555 auf
PY Vn 48.6 und PY Xa 1419 v. 2, das wohl von einem
548
Ventris/Chadwick 1973 S. 226.
Stanley 1982 S. 578.
550
R. Palmer 1994 S. 88ff.
551
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 443; R. Palmer 1994 S. 60.
552
Tsopanakis 1959 S. 369; Pugliese Carratelli 1963 S. 246.
553
R. Palmer 1994 S. 60.
554
Aura Jorro 1993 S. 444 ; R. Palmer 1994 S. 60.
555
Aura Jorro 1993 S. 444f. ; R. Palmer 1994 S. 61f.
549
129
Mykenische Enährung
Ortsnamen, vergleichbar dem klassischen , abgeleitet
ist. Andere auf dem Stamm wo-no basierende Ortsnamen sind
noch wo-no-qe-wa556 auf PY Na 396 und wo-no-qe-we557
(vielleicht eine Variante) auf PY Un 1193.
Auf PY Wr 1360 begleitet die Bezeichnung me-ri-ti-jo558 das
Wein-Ideogramm. Diese ist als Adjektiv *, mit
Honig, , gesüßt oder süß wie Honig, interpretiert worden,
es könnte sich aber auch auf einen Personen- oder Ortsnamen
oder auf die Herkunft des Weines beziehen.
Ein weiteres Wort bezieht sich auf Wein, nämlich de-re-uko559 auf der fragmentarischen Tafel KN Uc 160. Es handelt
sich dabei um eine Variante des späteren griechischen Wortes
, ein technischer Terminus, der sich entweder auf
Most oder auf süßen, aus dem Vorlauf bereiteten Wein
bezieht.560 Die zweite Möglichkeit erscheint als die
wahrscheinlichere, da die Tafel wohl einige Monate vor der
Erntezeit abgefaßt wurde,561 und unfermentierter Most nur
kurz während der Zeit der Ernte zur Verfügung steht.562
Ebenfalls oft mit Wein in Verbindung gebracht wird der
Begriff me-tu-wo ne-wo,563 der sich auf der Tafel PY Fr 1202
findet. Hier handelt es sich um zwei Wörter, obwohl sich
zwischen beiden kein Worttrenner befindet. Dabei wird me-tuwo als Genitiv von interpretiert, und auch bei ne-wo
„neu“ handelt es sich wohl um einen Genitiv, wenngleich die
556
Aura Jorro 1993 S. 443f. ; R. Palmer 1994 S. 61.
Aura Jorro 1993 S. 444 ; R. Palmer 1994 S. 61.
558
Aura Jorro 1985 S. 440f.; R. Palmer 1994 S. 63.
559
Aura Jorro 1985 S. 167 ; R. Palmer 1994 S. 62f.
560
Stanley 1982 S. 578.
561
Chadwick setzt die Zerstörung des Palastes von Knossos im Frühsommer,
um den Juni, an. Siehe dazu Chadwick 1976 S. 190.
562
R. Palmer 1994 S. 62f.
563
Aura Jorro 1985 S. 446; R. Palmer 1994 S. 63f.
557
130
5. Früchte und Nüsse
dafür erforderliche Endung fehlt.564 Auf PY Fr 1202 wird die
Darbringung von parfümiertem Öl an die ma-te-re te-i-ja565
verzeichnet, me-tu-wo ne-wo kann entweder einen Ort oder ein
bestimmtes Datum bezeichnen. Meist wird me-tu-wo ne-wo als
das „Fest des neuen Weines“ interpretiert.566 Wenn es sich
aber tatsächlich um das „Fest des neuen Weines“ handelt,
stellt sich die Frage, wann dieses stattfand. Bennett schlägt in
Analogie zum Athener Pithoigia-Fest ein Datum im Frühjahr
vor,567 möglich wäre aber jeder Termin zwischen September
und einem halben Jahr später.568 Die Verbindung des Wortes
mit Wein ist aber nicht zwingend, auch ein
Zusammenhang mit Met ist vorstellbar.569
Wein wird in den Linear B-Texten in verschiedenen
Zusammenhängen aufgelistet. Manchmal ist er das einzige
verzeichnete Gut, viel öfter wird er allerdings zusammen mit
anderen Gütern registriert. Weinzuteilungen sind selten, in den
Rationen für vom Palast abhängige Arbeiter oder niedriges
Kultpersonal kommt er nicht vor. Wein wird nicht
systematisch und regelmäßig verteilt. Es scheint eher so, als ob
ihn der Palast für spezielle Anlässe, wie religiöse Feste, oder
für höherrangige Personen reserviert hätte. Eine solche
Vorgehensweise entspricht der vergleichsweise geringen
Menge, in der wohl Wein im Gegensatz zu anderen
Agrarprodukten wie Getreide, Feigen oder Oliven zur
Verfügung stand.
So verzeichnet etwa PY Vn 20570 die Zuweisung von einer
größeren Menge Wein an die neun Hauptstädte der
564
Bennett 1958 S. 29; Ventris/Chadwick 1973 S. 475; Palmer 1963 S. 248
und 253.
565
Aura Jorro 1985 S. 430.
566
Gérard-Rousseau 1968 S. 140f.
567
Bennett 1958 S. 29.
568
R. Palmer 1994 S. 64.
569
R. Palmer 1994 S. 64.
570
R. Palmer 1994 S. 75f.
131
Mykenische Enährung
diesseitigen Provinz, wohl anläßlich eines religiösen Festes.
Dabei erhielt nicht jede Stadt einen gleich großen Anteil der
verteilten 410 Einheiten Wein. Die Menge, kalkuliert in
Vielfachen von 5 Einheiten, richtete sich vielmehr nach der
relativen Bedeutung der betreffenden Stadt. Die größte Menge
von 100 Einheiten (nach Chadwick 2.880 l) geht an die Stadt
pe-to-no, die kleinste von 20 Einheiten (576 l) an ri-jo.571
Auf PY Gn 720572 wird eine relativ große Menge Wein
registriert, die an zwei Individuen an verschiedenen Orten
geschickt wird, während der Wein auf PY Gn 428 an
Personen und Gruppen in religiösem Zusammenhang
bestimmt ist. Die Mengen variieren zwischen 1 S 2 (48 l) und
573
S 1 (9,6 l). Der Text KN Gm 840
befaßt sich
möglicherweise mit Wein, der von vier verschiedenen
Personen oder Regionen an den Palast abgegeben werden
mußte.
Die meisten Texte in Pylos und Knossos, die Wein auflisten,
verzeichnen diesen gemeinsam mit anderen Produkten. In
Knossos kommt Wein zusammen mit anderen Produkten
hauptsächlich in zwei Kontexten vor, als Gabe an die Götter in
der KN Fs-Serie sowie in einigen Inventaren und
Abgabelisten. In der knossischen Fs-Serie574 sind verschiedene
Nahrungsmittel in kleinen und festgelegten Mengen
dokumentiert, und zwar Getreide, Feigen, Mehl, Olivenöl,
Wein und Honig. In ihren Quantitäten scheinen sie den
Mahlzeiten einer hochstehenden Person über einen 10-Tages571
Zu den Hohlmaßen und ihrer Umrechnung siehe Kap. 3. 4. 2. Die dort
besprochenen Trockenmaße unterscheiden sich aber insofern von der hier
relevanten Flüssigmaßen, als daß bei den Flüssigmaßen 6 Untereinheiten V
eine Untereinheit S ergeben, und 3 Untereinheiten S eine Grundeinheit. Eine
solche Einheit ergab daher nach M. Lang 14,4 l, nach L. R. Palmer 18 l und
nach J. Chadwick 28,8 l.
572
R. Palmer 1994 S. 83f.
573
R. Palmer 1994 S. 81f.
574
Siehe zur knossischen Fs-Serie: R. Palmer 1994 S. 125ff.
132
5. Früchte und Nüsse
Zeitraum zu entsprechen. Auffällig ist, daß hier die Tiere und
die Milchprodukte fehlen. Getreide und Feigen, die auch an
die von Palast abhängigen Arbeiter ausbezahlt werden,
machen 75% der Menge und 80% des Nährwertes aus, der
Rest besteht aus den „Luxusprodukten“ Öl, Honig, Mehl und
Wein.
In Pylos575 sind diese Texte bezüglich Format und Inhalt sehr
unterschiedlich. Auf PY Un 267 etwa sind 20 Einheiten Wein
(576 l) und 2 Einheiten *131b (57,6 l) zusammen mit anderen
Zutaten zur Produktion aromatischer Öle aufgeführt.576 Dabei
handelt es sich um einen der seltenen Hinweise auf die
industrielle Verwendung von Wein, der in diesem
Zusammenhang entweder wegen seinen alkoholischen/sauren
Eigenschaften oder seines Duftes willen verwendet wurde.
Auch als Handelsgut tritt uns Wein in den pylischen Texten
entgegen. Zwar verzeichnen die Linear B-Texte nur Vorgänge,
die den internen Warenverkehr der jeweiligen Königreiche
betreffen – Aufzeichnungen zum Außenhandel waren
vermutlich auf vergänglichen Materialien wie Papyrus oder
Pergament verzeichnet – , die großen Mengen von Wein, die
der Palast als Abgaben verlangte, lassen aber einen Export von
Wein durchaus wahrscheinlich erscheinen. Einen internen
Geschäftsvorgang, bei dem 10 Einheiten Wein als Bezahlung
für tu-ru-pte-ri-ja577 – möglicherweise handelt es sich hierbei
um das Mineral Alum, das in Messenien nicht vorkommt –
dienen, dokumentiert die Tafel PY An 35.578
Wein bildete auch einen Teil der gesammelten Nahrungsmittel
und Kleidungsstücke, die vom Palast an Heiligtümer gesandt
werden.579 Dabei wird der Wein meist von Opfertieren,
gewöhnlich Schafen und Ziegen, aber auch einem Stier,
575
R. Palmer 1994 S. 87ff.
R. Palmer 1994 S. 88ff.
577
Aura Jorro 1993 S. 379f.
578
Siehe dazu: R. Palmer 1994 S. 91ff.
579
Siehe dazu: R. Palmer 1994 S. 101ff.
576
133
Mykenische Enährung
Getreide, Feigen, Honig, Käse, Kleidung, Wolle oder
parfümiertem Öl begleitet. Ein Beispiel dafür bietet etwa die
Tafel PY Un 718, auf der verschiedene Güter dem Poseidon
dargebracht werden. Die neben dem Wein verzeichneten
Produkte lassen auf einen gewissen Status von Wein in der
mykenischen Gesellschaft schließen. In Theben wird Wein in
der Gp-Serie verzeichnet. Auch hier erscheint er bisweilen in
kultischem Kontext, etwa auf TH Gp 109, wo Wein an die
Göttin Diwia gegeben wird. Die Funde aus verschiedenen
Heiligtümern im spätbronzezeitlichen Griechenland legen
nahe, daß Wein als Bestandteil des religiösen Rituals
getrunken wurde.580 Möglicherweise bildete das Trinken von
Wein auch einen Bestandteil von Initiationsriten, wie dies
Wright vermutet.581
Wein war aber sicher auch im profanen Bereich ein
geschätztes Getränk vor allem der Aristokratie. Ganze Räume
voller Kylikes (z. B. in Raum 9 in Pylos) sprechen jedenfalls
für seine häufigere Konsumation durch die Mitglieder der
mykenischen Oberschicht, während der gewöhnliche Mykener
wohl nur gelegentlich, anläßlich privater oder öffentlicher
Feste Wein trank.
5. 3. 5. Zusammenfassung
Wein war im mykenischen Griechenland ein wichtiges und
viel angebautes Agrarprodukt. Die Trauben wurden wohl
sowohl frisch als auch getrocknet verzehrt, man erzeugte
Traubensaft, Most und Wein. Der Anbau von Wein wurde
vom Palast kontrolliert, dieser hatte aber wohl kein Monopol
darauf. Wein war wohl das Getränk der Aristokratie, seine
Verwendung in kultisch – religiösem Umfeld läßt sich sowohl
580
581
Siehe dazu: R. Palmer 1994 S. 110f. und 135ff.
Wright 1996.
134
5. Früchte und Nüsse
aus den Funden als auch auch aus den Texten erschließen. Wie
in späterer Zeit wurde der Wein auch aromatisiert, etwa mit
Harz oder Honig.
5. 4. Feige
5. 4. 1. Einleitung
Der Feigenbaum582 (Ficus carica) ist neben der Olive und der
Weinrebe der dritte klassische Fruchtbaum, der mit dem
Beginn der Hortikultur im Mittelmeerraum in Zusammenhang
gebracht wird. Feigen bildeten in diesem Raum mindestens
seit der frühen Bronzezeit einen wichtigen Bestandteil der
menschlichen Ernährung. Im Sommer werden sie als frische
Früchte verzehrt, in getrocknetem Zustand sind die
zuckerhaltigen Früchte gut lagerfähig. Feigen sind sehr
nährstoffreich, von den getrockneten Früchten wurden noch in
moderner Zeit in manchen Gegenden (z.B. Süditalien) ca. 80
kg pro Person und Jahr verzehrt.583
Der Feigenbaum ist ein laubabwerfendes, strauch- oder
baumförmiges Gewächs, das bis zu 10 m hoch wird und große,
charakteristische, handförmig gelappte Blätter trägt. Er bildet
in der Regel dreimal jährlich Blütenstände, sodaß unter
Umständen, sofern das Klima warm genug ist, dreimal jährlich
geerntet werden kann. Feigenbäume wachsen überall dort, wo
auch Ölbäume gedeihen, benötigen aber weniger Arbeit. Sie
gedeihen in warmem Klima auf steinigen, basischen Böden.
Ein Feigenbaum bringt etwa 25 kg Ertrag pro Jahr. Der Bauer
muß beim Anbau darauf Rücksicht nehmen, daß die meisten
Sorten der Kulturfeige für ihre Befruchtung wilde männliche
582
Siehe zum Folgenden: Zohary/Hopf 1988 S. 142ff.; Franke 1997 S.
321ff.
583
Franke 1997 S. 322.
135
Mykenische Enährung
Feigenbäume in der Nähe benötigen. Manchmal wurden wilde
Feigensetzlinge in günstiger Nähe der Feigenbaumanlagen
gepflanzt, und zwar auf der dem Wind zugewandten Seite.584
Den zum Trocknen bestimmten größeren Teil der Feigen läßt
man am Baum hängen, bis sie halbtrocken sind. Danach
werden sie abgeschüttelt und an der Sonne oder in
Trockenhäusern nachgetrocknet. Der Trocknungsprozeß kann
weiters durch teilweises Backen der getrockneten Feigen in
einem Ofen gesteigert werden, was zudem die Haut der Feige
stärkt und Insekteneier in der Frucht abtötet.
Der Hauptunterschied zwischen frischen und getrockneten
Feigen liegt im Wassergehalt, nämlich 79,2% bei frischen und
28,5 bei getrockneten Feigen. Getrocknete Feigen enthalten als
Resultat des Reife- und Trockenprozesses 55% Zucker sowie
etwas mehr Nährstoffe als frische Feigen. Sie sind gut
lagerfähig und halten sich ein Jahr oder länger.585 Feigen
verfügen über annähernd gleich viel Kalorien und
Kohlehydrate wie Weizen, aber nur weniger als die Hälfte des
Kalziums und weniger als die Hälfte an Proteinen. Sie dienen
am besten als Ergänzung zu Getreide, können dieses aber nicht
ersetzen.
Feigen wurden im östlichen Mittelmeer erstmals kultiviert. Als
ihre Ursprungsform können die in diesem Gebiet
vorkommenden wilden Formen der Ficus carica gelten. Reste
von Feigenkernen wurden ab dem frühen Neolithikum an
zahlreichen neolithischen und bronzezeitlichen Fundstätten
des östlichen Mittelmeerraumes gefunden. Der Zeitpunkt der
Kultivierung ist nur schwer abzuschätzen, da es so gut wie
unmöglich ist, zwischen den Kernen kultivierter und wilder
Feigen zu unterscheiden, da die Unterschiede sich
hauptsächlich in der Blütenbiologie zeigen. D. Zohary und M.
584
585
Plin. nat. 15, 80.
R. Palmer 1988 S. 99 Tab. 1.
136
5. Früchte und Nüsse
Hopf586 halten die frühen Funde für die Reste von wild
wachsenden Feigen, die gesammelt wurden, da sie annehmen,
daß die Feigen nur schwerlich früher als Weinrebe und Olive
kultiviert wurden.
Bereits Sargon von Akkade und Urukagina von Lagaš
erwähnten Feigen.587 In den Texten der Hethiter werden sie oft
genannt. Sie wurden von diesen sowohl frisch als auch
getrocknet verzehrt.588 In Ägypten, wo sie nicht heimisch ist,
gehörte die Feige bereits im Alten Reich zu den gängigen
Kulturpflanzen.589 Eine der frühesten Erwähnungen stammt
aus der Biographie des Adeligen Methen aus der 3. Dynastie.
In den Pyramidentexten werden sie unter den heiligen Speisen
erwähnt. Auf den Grabreliefs und in der Malerei werden sie
häufig dargestellt. Eine schöne Darstellung einer Feigenernte
wurde in Beni Hassan im Grab des Chnum-hotep (um 1900 v.
Chr.) gefunden.590
5. 4. 2. Die Feige im klassischen Griechenland und Rom
Der wilde Feigenbaum wurde meist oder bzw.
caprificus genannt, seltener oder ficus sterilis,
seine Frucht oder bzw.
ebenfalls caprificusder kultivierte Baum oder ficus,
seine Frucht oder ficus. Jede Feigenfrucht konnte
zudem als pomum, Obstfrucht, bezeichnet werden.591
586
Zohary/Hopf 1988 S. 144.
Brothwell 1984 S. 207.
588
Hoffner 1974 S. 116.
589
Schoske u. a. 1992 S. 38.
590
Siehe zur Feige in Ägypten: Darby/Ghalioungui/Grivetti 1979 S. 708ff.
591
Siehe dazu Olck 1909 a Sp. 2103ff.
587
137
Mykenische Enährung
Das Holz des wilden Baumes zeichnet sich durch Biegsamkeit
aus, und aus ihm wurde verschiedener Zierrat gefertigt.592 Von
seinem Saft, der sich neben den Früchten auch in den anderen
Teilen des Baumes befindet, wird Milch zu Käse
zusammengezogen.593 Das ist beim Saft des wilden Baumes
allerdings nur unvollkommen möglich. Der des kultivierten
Baumes eignet sich dafür besser.594 Weiters hieß es, daß
Rindfleisch weich würde, wenn man es zusammen mit den
Zweigen des wilden Baumes kochte.595
Feigen waren in klassischer Zeit eine beliebte Speise der
Armen,596 aber auch gewöhnlicher Bürger.597 Auch für einige
berühmte Persönlichkeiten der Antike ist überliefert, daß sie
gerne Feigen aßen, so etwa für den griechischen Philosophen
Platon598 oder den römischen Kaiser Augustus.599
Die römischen Agrarschriftsteller nennen sowohl frische als
auch getrocknete Feigen als einen wichtigen Teil der
Ernährung.600 So bildeten Feigen einen Teil jener
Nahrungsmittel, die für den Winter eingelagert wurden.601 Es
ist aber nicht klar, welche Mengen von Feigen im Winter
gegessen wurden. Cato zufolge bildeten Feigen, wenn sie reif
waren, zumindest theoretisch etwa ein Fünftel der Ernährung
der Schwerarbeiter.602 Columella603 dagegen klassifiziert
Feigen als pulmentarium, als eine Zuspeise, welche die
Hauptnahrungsmittel (cibaria) supplementiert. Plinius
592
Theophr. hist. plant. 5, 6, 2.
Diosk. 1, 183 Berendes; Plin. 23, 126.
594
Vgl. Theophr. caus. plant. 1, 16, 7.
595
Diosk. 1, 184 Berendes; Plin. 23, 127; Gal. 12, 133 Kühn.
596
Z. B. Aristoph. vesp. 303.
597
Plat. rep. 2, 372 c.
598
Ath. 7, 276f.
599
Suet. Aug. 76.
600
Cato agr. 56; Plin. nat. 15, 82; Colum. 12, 14f.
601
Cato agr. 143, 3; Colum. 12, 14.
602
Cato agr. 56.
603
Colum. 12, 14.
593
138
5. Früchte und Nüsse
wiederum gibt an, daß Feigen den Platz sowohl des Brotes als
auch der Zuspeisen einnehmen konnten.604
Auch die Athleten ernährten sich von Feigen, bevor sie durch
den Trainer Pythagoras an die Fleischkost gewöhnt wurden.605
Schließlich schreibt Athenaios606 ebenfalls ausführlich über
Feigen. Abgesehen von einer Expedition Philipps V. aber,
während welcher die Soldaten Feigen essen mußten, weil sie
kein Korn mehr hatten, nennt er sie nur als Beilage, welche
wegen ihrer Süßheit und als natürliches Abführmittel geschätzt
wurden. Feigenblätter wurden eingesalzen, um ihre Bitterkeit
zu reduzieren. Sie dienten im Besonderen dazu, Gerichte
einzuwickeln, die an die modernen Dolmades erinnern.607
Darüber hinaus wurden auch Wein oder Essig aus Feigen
gewonnen.608 In der antiken Medizin fand die Feige ebenfalls
Anwendung.609
Für die Antike ist auch ein reger Handel mit frischen und
getrockneten Feigen belegt, wobei die besten verhandelt, die
schlechtesten lokal verzehrt wurden. Im modernen
Griechenland werden Feigen eher zu Exportzwecken als zur
örtlichen Verwendung angebaut, wobei die besten Feigen für
den persönlichen Gebrauch behalten werden, die schlechtesten
an das Vieh verfüttert werden.610 Columella beschreibt eine
spezielle Behandlung für die besten Feigen.611
Über den spezifischen Marktwert von Feigen schweigen die
antiken Agrarschriftsteller, wir wissen nur, daß Feigen zur
Saison billiger waren als Weizen.612 Das diokletianische
604
Plin. nat. 15, 82.
Plin. nat. 23, 121.
606
Ath. 3, 74 d-80 e
607
Alexis 179 bei Ath. 170 b.
608
Col 12, 17; Geop. 8, 41, 3.
609
Siehe dazu Olck 1909 a Sp. 2138ff.
610
Aschenbrenner 1972 S. 57.
611
Col. 12, 15.
612
Cato agr. 56.
605
139
Mykenische Enährung
Höchstpreisedikt listet sowohl den Preis für Weizen als auch
für mehrere Qualitäten von Feigen auf.613 Die beiden
niedrigsten Qualitätsabstufungen sind dabei günstiger als
Weizen.614
Die Früchte fanden auch Verwendung in der Tierzucht.Unreif
abgefallene Feigen waren eine gute Nahrung für Schafe.615 Der
Genuß trockener Feigen machte die Leber von Tieren
schmackhafter, was in der Antike sehr geschätzt wurde.616
5. 4. 3. Die Feige im prähistorischen Griechenland
Der Feigenbaum begleitete schon seit ältester Zeit die
Siedlungen Griechenlands. Die Feige war und ist in
Griechenland ein wesentliches Nahrungsmittel für Mensch
und Tier. Frühe Funde von Feigen stammen etwa aus
Rachmani,617 Dimini,618 Dikili Tash619 und Olynth,620 ebenso
aus Kritsana.621
Aus minoischer Zeit stammen Funde aus Chamalevri in
Westkreta622 und aus den Magazinen des Palastes von Hagia
Triada.623 Zahlreiche Fragmente verkohlter Feigen wurden in
einem Ofen in einem Landhaus in Amigdalokefali-Sternes
nahe Chania gefunden.624 Funde aus mykenischer Zeit
613
Edict. Dioclet. 6, 78; 6, 79; 6.84; 6, 85; 6, 88.
R. Palmer 1989 S. 100ff.
615
Geop. 18, 2, 6.
616
Gal. 6, 679 Kühn; Hor. sat. 2, 8, 88; Plin. nat. 8, 209.
617
J. Renfrew 1966 S. 35.
618
Heurtley 1939 S. 79.
619
J. Renfrew 1973 S. 151.
620
Mylonas 1929 S. 82, Vickery 1936 S. 38.
621
Heurtley 1939 S. 79.
622
Tzedakis/Martlew 1999 S.41.
623
Vickery 1936 S. 18
624
Follieri 1982.
614
140
5. Früchte und Nüsse
stammen etwa aus Lefkandi, Mykene, Kakovatos,625 Aegira,626
Tiryns,627 Kalapodi628 und Theben.629 Weiters fand man 7
verkohlte Feigen in einer mykenischen Bothrosfüllung in
Iria.630 Diese waren bereits vor dem Verkohlen getrocknet.
Verkohlte, getrocknete Feigen stammen ebenfalls aus der SH
III B-Zerstörungsschicht der Burg von Midea.631 Feigen
fanden sich ebenfalls im Schiffswrack von Ulu Burun.632
Die große Bedeutung der Feige in der mykenischen
Landwirtschaft läßt sich an den Fundzahlen besser
untersuchter Ausgrabungen erkennen. So wurden etwa in
Tiryns 3.081 pflanzliche Reste von Feigen gefunden, die in SH
III B datieren. Diese enorme Zahl gewinnt zusätzliches
Gewicht, wenn man sie mit den Fundzahlen anderer
Kulturpflanzen derselbe Periode vergleicht. So fand man
beispielsweise 230 Reste der vierzeiligen Spelzgerste, 67
Reste von Emmer, 144 Reste der Linsenwicke, die die
häufigste Hülsenfrucht darstellte, 177 Reste der Olive oder 99
Reste des Weines.633
Betrachtet man die Stetigkeit der Pflanzenfunde, so ergibt sich
ein ähnlicher Eindruck. Hier liegt in Tiryns die Stetigkeit der
Feige bei 93%, die der Gerste bei 68%, des Emmers bei 50%,
der Linsenwicke bei 57%, der Olive bei 57% sowie des Weins
bei 46%.634
Zieht man die Ergebnisse der Untersuchungen des
Pflanzenmaterials aus Midea heran, so ergibt sich folgendes
Bild: hier machen in SH III B die Samen der Feige 2,5% des
625
Vickery 1936 S. 32
Mitteilung Frau Prof. Jalkotzy.
627
Kroll 1982 S. 479; Kroll 1984 Tab. 1.
628
Kroll 1993 S. 170.
629
Aravantinos 1999 S. 71.
630
Willerding 1973 S. 225ff.
631
Aström 1967 S. 55.
632
Knapp 1991 S. 27; Haldane 1993 S. 352.
633
Kroll 1984 S. 212.
634
Kroll 1984 S. 212.
626
141
Mykenische Enährung
Fundmaterials aus, während die Werte für Gerste 33,8%, für
die Saat-Platterbse, die an diesem Fundort häufigste
Hülsenfrucht 19,6%, und für die Olive 1,7% betragen.635
Diese Zahlen scheinen mir aber den tatsächlichen Befund
etwas zu verschleiern, da hier offensichtlich 5746 Fragmente
von Feigen nicht berücksichtigt wurden, eine Fundzahl, die die
Fundmenge jeder anderen Kulturpflanze weit übertrifft.636
Nimmt man diese Fragmente in die Berechnung auf, so tritt
uns die Feige auch hier in Midea als eine ganz wesentliche
Kulturpflanze entgegen.
Dieser Eindruck wird bei der Betrachtung der Stetigkeitswerte
der Pflanzenfunde in Midea bestätigt. So beträgt die Stetigkeit
der Feige in SH III B 62,4%, der Gerste 17,8%, der SaatPlatterbse 31,7% und der Olive 30,7%.
5. 4. 4. Linear B
Feigen sind ideographisch bereits in den minoischen Texten637
bezeugt, und sie spielen auch in den mykenischen Texten eine
wichtige Rolle.
Die drei zum Teil stark beschädigten Texte der KN Gv-Serie,
KN Gv 862, KN Gv 863 und KN Gv 864, sind die wichtigste
Quelle für vom Palast von Knossos verwaltete
Fruchtbaumplantagen auf Kreta. Ihnen gemeinsam – und auf
diese Texte beschränkt – sind die Ideogramme *176 ARB und
*174. *176 stellt einen Baum dar, *174, dessen Bedeutung
noch unklar ist, hat eher buschartiges Aussehen.
Das Ideogramm *176 ARB erscheint auf KN Gv 862.1-3 in
vier verschiedenen Varianten, deren jede durch ein
unterschiedliches vorausgehendes Wort spezifiziert wird. Das
635
Shay/Shay/Kapinga 1998 S. 323.
Shay/Shay/Kapinga 1998 S. 320.
637
Ventris/Chadwick 1973 S. 30, 35.
636
142
5. Früchte und Nüsse
läßt darauf schließen, daß hier verschiedene Baumsorten
verzeichnet waren. Nur eine von ihnen kann mit Sicherheit
identifiziert werden. Diese ist nämlich durch den Begriff su-za
determiniert. Dabei handelt es sich um einen Nominativ Plural
Femininum, der wohl von einem Wort * *sukya
„Feigenbaum“ abgeleitet ist.638
Wahrscheinlich als Abkürzung für su-za ist das Silbenzeichen
su in Verbindung mit dem Ideogramm *176 ARB auf KN Gv
863 zu verstehen. Auf KN F 841 erscheint das Syllabogramm
NI als Äquivalent zu su-za. Dieses aus dem Linear A
übernommene Zeichen ist als Abkürzung des minoischen
Wortes für Feige aufzufassen und läßt sich mit der bei von
Hermonax, dem Verfasser eines kretischen Glossars, bei
Athenaios639 überlieferten Bezeichnung für kretische
Feigen in Verbindung bringen.640
Auf PY Er 880 werden neben 1.100 Weinstöcken mindestens
ebenso viele Feigenbäume verzeichnet. Feigenbäume müssen
also in großer Zahl im Königreich von Pylos angebaut worden
sein. Das läßt sich auch daran erkennen, daß Feigen sonst
nicht einen so großen Teil der vom Palast ausgeteilten
Rationen ausmachen würden.
In den PY Ab-Texten bilden Feigen einen Teil der
Standardration für vom Palast abhängige Arbeiterinnen und
deren Kinder. Diese erhalten nämlich stets ebensoviele Feigen
wie Getreide, nämlich – bei Annahme der Werte von
Chadwick – die Frauen täglich Z 1, 6 (0,64 l) und die Kinder Z
0,8 (0,32 l).641 Diese den Arbeiterinnen in Pylos zugeteilten
Feigen waren wohl getrocknete. Zum einen ist die Saison für
frische Feigen sehr kurz, nämlich von Mitte August bis Mitte
638
Aura Jorro 1993 S. 307.
Ath. 3, 76 e.
640
Siehe Neumann 1962.
641
Siehe Kap. 3. 4. 2.
639
143
Mykenische Enährung
September, zum anderen besitzen getrocknete Feigen nur etwa
ein Drittel des Gewichtes von frischen Feigen.
Auf PY Fg 253 werden – wohl als Monatsration für die in der
A-Serie genannten weiblichen Arbeiterinnen – über 192
Einheiten Feigen aufgeführt, was nach Chadwick ca. 18.400 l
ergibt. Nimmt man wie S. Hiller642 ein spezifisches Gewicht
von ca. 1,2 kg/l für Trockenfeigen an und rechnet die Angaben
auf PY Fg 253 um, so erhält man 22.080 kg.
Auf PY Fn 187 werden Feigen gemeinsam mit Gerste an
Personal von höherem Rang gegeben. Das Verhältnis von
Gerste : Feigen ist 1 : 1, aber nicht jede Person erhält Feigen.
Feigen erscheinen auch in den Listen verschiedener Güter in
den PY Un-Texten, sowie in kleinen Mengen in der KN FsSerie neben den Lebensmitteln, die an Heiligtümer gesandt
werden. Daraus ist zu erkennen, daß Feigen nicht nur ein
Nahrungsmittel unterer Schichten, sondern auch der Elite
waren. Sie können also im Reich von Pylos als ein
Grundnahrungsmittel von großer Bedeutung betrachtet
werden.
Auf PY Jn 829.2 und PY Jn 881.2 findet sich der Ausdruck
o-pi-su-ko.643 Es läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, wieviele
o-pi-su-ko in Pylos bezeugt sind, der Eintrag auf PY Jn 829.2
kann sowohl Singular, als auch Plural sein.644 Die anderen in
dieser einleitenden Passage von PY Jn 829 aufgezählten Titel
müssen Plural sein, was auch für o-pi-su-ko einen Nominativ
Plural vermuten läßt. Es handelt sich um eine Bezeichnung
männlicher Personen, wohl Funktionäre auf lokaler Ebene, die
auf PY Jn 829 Bronze abliefern müssen. Das Wort ist
mediterranen, nicht indogermanischen Ursprungs,645 die
Bedeutung des Titels ist unklar, er wird meist als *,
642
Hiller 1983 S. 196.
Aura Jorro 1993 S. 43.
644
Lindgren 1973 II S. 105.
645
Bartonek 1987 S. 44.
643
144
5. Früchte und Nüsse
zusammengesetzt aus * () + in der Bedeutung
von „Aufseher, Vorsteher, Inspektor, Kontrolleur o. ä. der
Feigen(pflanzungen)“646 interpretiert. Aber auch eine religiöse
Funktion des o-pi-su-ko ist vermutet worden.647 Taillardat648
bringt -su-ko mit in Verbindung und interpretiert opi-su-ko als „Archivist“. Diese Interpretation erscheint mir
aber wenig wahrscheinlich. Die Wendung su-ko po-ro-du[ auf
PY Ep 613.4 läßt auf einen *schließen,
der wieder auf einen *folgern läßt, welcher dem
o-pi-su-ko entsprechen könnte.649
Es ist deutlich zu erkennen, wie wichtig der Palast die
Kontrolle über den Feigenanbau nahm, da eigene Beamte mit
diesem befaßt waren.
5. 4. 5. Zusammenfassung
Feigen wurden im mykenischen Griechenland, wie
archäobotanische Funde sowie die Evidenz der Linear B-Texte
gleichermaßen erkennen lassen, in großen Mengen angebaut,
ihr Anbau, sowie ihre weitere Verteilung wurde von den
Palästen genau kontrolliert, eigene Beamte befaßten sich
damit. In der Ernährung spielten Feigen eine enorm wichtige
Rolle, wofür nicht nur ihr Vorkommen in den
Standardrationen für vom Palast abhängige Arbeiterinnen und
deren Kinder in Pylos Zeugnis ablegt.
646
Z. B. Heubeck 1966 S. 49f.; Ventris/Chadwick 1973 S. 357 und 565;
Hooker 1980 S. 111; Hiller 1983 S. 200.
647
Wundsam 1968 S. 101; L. R. Palmer 1963 S. 283 und 438, der eine
Interpretation als Aufseher der Feigen für unwahrscheinlich hält.
648
Taillardat 1968.
649
Ruijgh 1987 S. 309. Ein Eigenname su-ko wäre aber ebenso vorstellbar,
wie etwa auf KN V 479.1. Siehe zu diesem Aura Jorro 1993 S. 303.
145
Mykenische Enährung
5. 5. Weitere Früchte und Nüsse
Oliven, Wein und Feigen stellten die wichtigsten in
mykenischer Zeit angebauten Früchte dar. Daneben nutzte
man aber eine Vielzahl weiterer angebauter oder wild
gesammelter Früchte und Nüsse. Diese sollen im folgenden
vorgestellt werden. Die Befunde hierzu sind aber recht
spärlich. Es sollen daher alle Belege für Früchte und Nüße in
Griechenland aus dem Palaiolithikum, dem Neolithikum sowie
der Bronzezeit zusammengetragen werden. Es ist ja
anzunehmen, daß Pflanzen, die etwa in der neolithischen
Periode belegt sind, auch in mykenischer Zeit genutzt wurden,
sofern im Einzelfall nicht zwingende Gründe dagegen
sprechen.
Schon in paläolithischer und mesolithischer Zeit sammelten
die Bewohner der Franchthi-Höhle in der Argolis wilde
Mandeln, Pistazien und Birnen.650 Die Birne wurde vermutlich
in Anatolien erstmals kultiviert.651 Die Verbreitung von
Kulturformen wurde wohl durch das Aufpfropfen von
kultivierten Zweigen auf wilde Wurzeln ermöglicht. Die
Kulturform der Birne stammt wahrscheinlich von den Arten
Pyrus pyraster und Pyrus caucasica ab, von Arten also, die in
ihrer wilden Art in Griechenland unbekannt sind.652 Die
Birnenform Pyrus amygdaliformis ist im frühneolithischen
und mittelneolithischen Franchthi
sowie
an den
spätneolithischen Fundstellen von Dikili Tash und Dimini
nachgewiesen,653 Pyrus malus im mittelneolithischen
Achillion.654 Pyrus amygdaliformis bildet kleine, harte, mehr
oder minder kugelige Birnen, die roh kaum genießbar sind, aus
denen man aber durchaus wohlschmeckende Zubereitungen
650
J. Renfrew 1979 S 244.
Dalby 1998 S. 120.
652
Zohary/Hopf 1993 S. 154ff.
653
J. Renfrew 1979 S. 246ff.
654
J. Renfrew 1979 S. 247.
651
146
5. Früchte und Nüsse
herstellen kann. Verkohlte Birnenkerne fanden sich in
Kastanas655 und Kalapodi,656 eine halbe, kugelige Birne in
Tiryns.657
Sicherlich angepflanzt wurde im mykenischen Griechenland
die Granate (Punica granatum). Die Kenntnis des
Granatapfels ist im minoischen Kreta ikonographisch belegt,658
einen Granatapfel zeigt auch ein Goldanhänger aus Enkomi
auf Zypern, der sich jetzt im Britischen Museum befindet.659
Funde von Granatapfelsamen stammen aus Tiryns,660 Reste
der Früchte wurden auch auf dem Schiffswrack von Ulu Burun
gefunden.661 In den Linear B-Texten ist der Granatapfel
möglicherweise auf dem Tafelfragment KN XD 148.1
verzeichnet. Die dort vorkommende Form ro-a wurde mit
, einer klassischen Bezeichnung für diese Frucht
identifiziert.662 Granatäpfel werden in sumerischen und
akkadischen Textzeugnissen des 3. Jt. v. Chr erwähnt.663 Bald
nach 2000 v. Chr. erscheinen sie auch in Ägypten. Während
die Granate neben ihrer symbolischen Bedeutung früher
großen Marktwert besaß, hat der Baum heute meist nur mehr
zierende Funktion, und die Früchte werden nur noch in
geringem Umfang verzehrt und zubereitet. Funde von
Granatenkernen sind bemerkenswert selten, man trifft auf sie
vor allem im östlichen Mittelmeerraum.664
655
Kroll 1983 S. 73.
Kroll 1993 S. 172.
657
Kroll 1984 S. 211f.
658
Möbius 1933 S. 22.
659
Higgins 1981 S. 175 mit Abb. 217, 210.
660
Kroll 1982 S. 481f.
661
Knapp 1991 S. 27; Haldane 1993 S. 352.
662
Stella 1965 S. 176 Anm. 37.
663
Postgate 1987.
664
Kroll 1982 S. 482 Anm. 36.
656
147
Mykenische Enährung
Das griechische Wort für Apfel, , ist mediterranen
Ursprungs.665 Daraus läßt sich schließen, daß der Apfel schon
den vorindogermanischen Bewohnern der Ägäis bekannt war.
Die Kornelkirsche (Cornus mas) findet sich im
frühneolithischen Nikomedia und im mittelneolithischen
Sitagroi.666 Weitere Funde stammen aus Kastanas.667 Die
Früchte schmecken süß-säuerlich, sie können roh verzehrt
oder weiterverarbeitet (Mus, Säfte) werden. In der Odyssee
wurde die Kornelkirsche als Futter für die Schweine
verwendet.668
Die Blasenkirsche (Physalis-Arten) ist in Kastanas669 und in
Tiryns670 belegt, von den Blasenkirschen werden einige Arten,
bekannt ist etwa die Lampionpflanze (Physalis alkekengi),
heute als Beerenobst kultiviert.
Der griechische Name für die Kirsche, , verbirgt sich
möglicherweise hinter dem Personennamen ke-ra-so, wohl
, den eine Frau auf der Tafel MY V 659 lat. dex.
sowie auf MY Fo 101.4 trägt.671
Ebenfalls gesammelt wurden in Kastanas672 die Früchte des
Weißdorns (Crataegus sp.), dessen Früchte zwar nicht
sonderlich wohlschmeckend, aber eßbar sind.
Schlehen (Prunus spinosa) konnten im frühneolithischen Nea
Nikomedia673 sowie im frühhelladischen Lerna674 (Prunus
665
Chantraine 1968 S. 694.
J. Renfrew 1979 S. 246f.
667
Kroll 1983 S. 73f.
668
Hom. Od. 10, 242.
669
Kroll 1983 S. 76f.
670
Kroll 1982 S. 481.
671
Aura Jorro 1985 S. 346; Duhoux 1993 S. 108.
672
Kroll 1983 S. 77.
673
Hopf 1962 S. 4.
674
J. Renfrew 1979 S. 246.
666
148
5. Früchte und Nüsse
spec.) festgestellt werden. Auch aus den früheisenzeitlichen
Schichten von Kastanas stammen Nachweise von Schlehen.675
Das Fayencemodell einer Frucht, das vermutlich eine Pflaume
(Prunus domestica) darstellt, wurde in Knossos gefunden.676
Funde des Zwergholunders (Sambucus ebulus) stammen aus
Kastanas677 und Tiryns.678 Die Beeren können nicht nur als
Lebensmittel, sondern auch zum Färben von Geweben und
Nahrungsmitteln dienen. Möglich ist auch ein Zusatz beim
Keltern, um dem Wein so eine tiefe, dunkle Farbe zu geben.
Aus Kastanas679 und Kalapodi680 stammen Funde von
Brombeerkernen (Rubus fruticosus). Brombeeren waren stets
beliebt, sie waren frisch vom Strauch gepflückt sowie als
Zubereitung begehrt.
Weiters stammen aus Kastanas Funde der Wald-Erdbeere
(Fragaria vesca).681 Der Erdbeerbaum ist auch bereits im
spätneolithischen Lerna nachgewiesen.682
Die Myrte (Myrtus communis) ist ikonographisch in der
minoischen Kunst belegt.683 In den Linear B-Texten ist sie
indirekt im Ortsnamen mu-to-wo-ti, , „Ort, reich
an Myrte“, nachgewiesen.684 Ihre Beeren wurden in klassischer
Zeit zum Nachtisch frisch gekaut, wie dies heute noch in der
Türkei geschieht.685
Reste von Honigmelonen (Cucumis melo) stammen aus den
früheisenzeitlichen Schichten von Kastanas686 und aus dem
675
Kroll 1983 S. 76.
Evans 1902/03 S. 68 und Fig. 45.
677
Kroll 1983 S. 74.
678
Kroll 1982 S. 481.
679
Kroll 1983 S. 75.
680
Kroll 1993 S. 172.
681
Kroll 1983 S. 75.
682
J. Renfrew 1979 S. 249.
683
Möbius 1933 S. 21.
684
Aura Jorro 1985 S. 461; Leukart 1999 S. 355.
685
Apollophanes 5 bei Ath. 75 c.
686
Kroll 1983 S. 75f.
676
149
Mykenische Enährung
spätbronzezeitlichen Tiryns.687 Die Wassermelonen dagegen
kamen wohl erst später nach Europa. Melonen brauchen neben
Wärme und vollem Sonnenlicht sehr viel Wasser und
fruchtbaren Boden. Der Nachweis von Melonen ist deswegen
von Bedeutung, weil er auf einen entwickelten Gartenbau mit
Düngung und Bewässerung schließen läßt, da diese Ansprüche
der Melonen nicht mit dem mediterranen Klima
übereinstimmen.
Eicheln (Quercus sp.) fanden sich im frühneolithischen
Achilleion, in Sesklo und Nea Nikomedia, im
mittelneolithischen Sitagroi sowie in den spätneolithischen
Schichten von Dikili Tash, Sitagroi und Sesklo.688 Früh- und
mittelhelladische Funde stammen aus Lerna.689
Aus späteren Perioden fanden sich Eicheln etwa in Kastanas690
oder Kalapodi.691 Ebenfalls wurden sie im Schiffswrack von
Ulu Burun festgestellt, wo auch Pinienkerne zu Tage traten.692
Eicheln dienten wohl überwiegend zur Fütterung der Tiere,
ihre Bedeutung in der menschlichen Ernährung darf aber nicht
nur in Mangeljahren nicht unterschätzt werden. Durch Rösten
können die Bitterstoffe entfernt werden. Aus den entbitterten
Eicheln lassen sich dann zwar nicht gerade köstliche, aber
doch nahrhafte, genießbare Gerichte bereiten. Sie bildeten
wohl einen regelmäßigen Bestandteil der menschlichen
Nahrung.
Im Gegensatz zu den Eicheln ist die Marone oder Kastanie
(Castanea sativa), deren verkohltes Holz in Kastanas693
nachgewiesen ist, mild und angenehm im Geschmack. Pollen
687
Kroll 1982 S. 480f. und Tab. 2.
J. Renfrew 1979 S. 246ff.
689
Hopf 1962 S. 4.
690
Kroll 1983 S. 139.
691
Kroll 1993 S. 172.
692
Haldane 1993 S. 352.
693
Kroll 1983 S. 73.
688
150
5. Früchte und Nüsse
der Walnuß (Juglans regia) finden sich erst am Ende der
Bronzezeit im palynologischen Befund.694
Mandeln (Prunus amygdalus) wurden im früh- und
mittelneolithischen Franchthi, im spätneolithischen Sitagroi, in
Dimini, Sesklo, Knossos, Franchthi und der Magula Pevkakia
festgestellt.695 Die Mandel war allerdings im Neolithikum
keine allgemein verbreitete Frucht. Auch in der Bronzezeit ist
sie nur selten belegt. Nachweise stammen etwa aus Knossos
und Palaikastro auf Kreta696 und aus Apliki auf Zypern.697
Funde von Mandeln machte man auch im Schiffswrack von
Ulu Burun.698
Echte Pistazien (Pistacia vera) sind im Mittelmeergebiet und
in Mittelasien beheimatet, in Griechenland bildeten sie schon
im Neolithikum einen Teil der menschlichen Ernährung,
möglicherweise wurden diese edlen Nußbäume auch
angebaut.699 Im früh- und mittelneolithischen Sesklo wurden
zudem Früchte der Atlantischen Pistazie (Pistacia atlantica)
nachgewiesen, die sich durch ihre geringere Größe und die
gedrungenere Form von der echten Pistazie unterscheiden.700
Pistazien sind vor allem für die frühesten neolithischen
Perioden Griechenlands bezeichnend und werden in späteren
Phasen zunehmend seltener nachgewiesen. Der Linear BTerminus ki-ta-no bezeichnet möglicherweise ein Mitglied der
Pistacia-Familie, vielleicht Pistacia Terebinthus.701
694
Bottema 1980.
J. Renfrew 1979 S. 246ff.; Kroll 1983 S. 105f.
696
Willerding 1973 S. 233.
697
Helbaek 1962 S. 179f.
698
Knapp 1991 S. 27; Haldane 1993 S. 352.
699
Kroll 1981 S.100, Kroll 1983 S. 106.
700
Kroll 1983 S. 106ff.
701
Zu ki-ta-no siehe unten Kap. 6. 3. 18.
695
151
Mykenische Enährung
152
6. Gemüse und Gewürze
6. Gemüse und Gewürze
6. 1. Einleitung
Frische grüne und Wurzelgemüse waren seit der frühesten Zeit
ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Ernährung. Ihre
wesentlichste Eigenschaft aber, das Frische und Zarte der
genutzten Pflanzenteile, macht sie zugleich archäologisch
kaum nachweisbar. Das gilt natürlich ganz besonders für das
Sammeln von Wildgemüse, da hier im Gegensatz zum Anbau
von Kultursorten kein Saatgutüberschuß anfällt.
Belege für Gemüse im spätbronzezeitlichen Griechenland sind
daher spärlich, was aber nicht über die große Bedeutung dieser
Pflanzen in der Ernährung hinwegtäuschen darf. Der Anbau
von Gemüse in Gärten spielte wohl eine ebenso wichtige Rolle
wie das Sammeln von Wildgemüse.
Die Saat mancher Gemüse wird auch als Gewürz benutzt.
Diese Nutzungsweise erhöht auch die Chance ihrer Erhaltung
im archäologischen Material. Die beiden Verwendungsmöglichkeiten – als Gemüse und als Gewürz – lassen sich
meist nicht eindeutig trennen, man denke dabei etwa an unser
heutiges Suppengrün, das ebenfalls beidem dient.
6. 1. Funde von Gemüse- und Gewürzpflanzen
Als erstes sollen die Funde von Gemüse– und Gewürzpflanzen
in der prähistorischen Ägäis betrachtet werden. Im
neolithischen Sitagroi fand man Koriander,702 ebenso in der
Franchthi-Höhle,703 im frühbronzezeitlichen Apliki704 auf
702
C. Renfrew 1972 S. 278.
Sarpaki 2001 b S. 215.
704
Helbaek 1962 S. 183.
703
153
Mykenische Enährung
Zypern und im spätbronzezeitlichen Akrotiri.705 Auch auf
Thera-Therasia706 trat in den spätbronzezeitlichen Schichten
Koriander zu Tage, ebenso Anis.707 Weiters sind für die
ägäischen Inseln Wermut, Fenchel, Kümmel und Sellerie
belegt.708 Sellerie fand sich außerdem in Tiryns,709 Kalapodi710
sowie in Kastanas, wo im Fundmaterial noch der Dill
hinzutritt.711 Dazu kommen Funde von Mohn in Kastanas,712
Mandalo,713 Tiryns,714 Akrotiri,715 Kalapodi716 sowie
möglicherweise Thermi.717 Zusätzlich ist die in Tiryns,718
Kastanas,719 Kalapodi720 und Midea721 nachgewiesene Malve
zu erwähnen, ebenso der in Tiryns belegte Asphodill.722
6. 2. Gewürze in den Linear B-Texten: Allgemeines
Gerade bei der Beschäftigung mit den mykenischen Gewürzen
zeigt sich die große Bedeutung der Linear B-Tafeln als Quelle
zur menschlichen Ernährung, denn es wird hier eine Gruppe
von Nahrungsmitteln näher beleuchtet, die in den
705
Sarpaki 2001 b S. 215.
J. Renfrew 1973 S. 171.
707
Vickery 1936 S. 51.
708
Diapoulis 1980 S. 131.
709
Kroll 1984 S. S. 214.
710
Kroll 1993 S. 172.
711
Kroll 1983 S. 60f. und 135f.
712
Kroll 1983 S. 134f.
713
Sarpaki 2001 b S. 231.
714
Kroll 1982 S. 479.
715
Sarpaki 2001 b S. 232.
716
Kroll 1993 S. 168.
717
Sarpaki 2001 b S. 231.
718
Kroll 1982 S. 482.
719
Kroll 1983 S. 79f.
720
Kroll 1993 S. 171.
721
Shay/Shay/Kapinga 1998 S. 323 Tab. 11.
722
Kroll 1982 S. 482.
706
154
6. Gemüse und Gewürze
archäobotanischen Funden in der prähistorischen Ägäis nur zu
einem geringen Teil erfaßt werden kann.723
6. 2. 1. Gewürze in Mykene
Die wichtigste Serie von Texten, die sich mit Gewürzen
beschäftigt, ist die mykenische Ge-Serie724 aus dem Haus der
Sphingen außerhalb des Palastes. Diese Serie beschäftigt sich
mit der Abgabe von Gewürzen von insgesamt neun
Individuen. Zwei Abgabeperioden – Ge 603/Ge 604 und Ge
605/ Ge 602 –, die aus je einem Text zu den Zahlungen und
einem zum Defizit bestehen, lassen sich erkennen. Eine dritte
Periode ist möglicherweise durch Ge 608 angedeutet. Ge 606
beschäftigt sich mit Abgaben aus der Ortschaft a-ke-re-u-te,725
mit welcher der Personenname a-ke-re-wi-jo726 auf Ge 603/
Ge 604 verbunden werden kann. Ob sich Ge 606 auch auf
diese Periode bezieht, ist unklar.
Woher kamen die in den MY Ge-Texten erwähnten Gewürze?
Mehrere Möglichkeiten sind denkbar. Entweder wurden sie
wild gesammelt oder aber in Gärten angebaut. Eine ausgefeilte
Bewässerung wäre für den Anbau mancher dieser
Gewürzpflanzen unumgänglich. Auf den Anbau von Kräutern
spezialisierte Bauern sind aber nur schwer vorstellbar, es war
wohl eher so, daß nur wenige Bauern – möglicherweise im
Auftrag des Palastes – kleinere Teile ihres Landes dazu
verwendeten. Teilweise wurden die verzeichneten Gewürze
wohl auch nach Griechenland importiert. Darauf läßt etwa die
semitische Etymologie mancher, in den Texten bezeugter
723
Zu den Gewürzen in den Linear-Texten siehe Sarpaki 2001 b.
Siehe dazu: Wylock 1972; Killen 1983, Erard-Cerceau 1990; Varias
García 1993 S. 167ff.; zuletzt: R. Palmer 1999.
725
Siehe dazu Aura Jorro 1985 S. 39.
726
Siehe dazu Aura Jorro 1985 S. 40.
724
155
Mykenische Enährung
Gewürznamen schließen, so beispielsweise ,727
Kümmel,oder ,728 Sesam.
Die mykenische Ge-Serie scheint Gewürze vor allem zu
kulinarischen Zwecken aufzulisten. Bedenkt man aber die
vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der jeweiligen
Pflanzen in der Heilkunde, so scheint es unwahrscheinlich,
daß diese den Mykenern noch nicht bekannt gewesen wären.
Die mykenische Heilkunde läßt sich ja ansatzweise in den
Texten greifen, etwa durch die Erwähnung von i-ja-te,729
, Arzt, und pa-ma-ko,730 , Heilmittel.
6. 2. 2. Gewürze in Pylos und Knossos
In Pylos kommen Gewürze in erster Linie in den Fr- sowie in
den Un-Texten vor. Die Fr-Serie ist im Umfeld der in Pylos
wirtschaftlich bedeutenden Herstellung parfümierter Öle zu
betrachten. Die Un-Texte beschäftigen sich hauptsächlich mit
der Abgabe verschiedenster Produkte in religiös-kultischem
Umfeld.
In Knossos ist die Ga-Serie unsere wichtigsten Schriftquelle
zu den Gewürzen. In den Ga-Texten wird die Abgabe von
Aromata, in erster Linie von Koriander und po-ni-ki-jo,
registriert.731 Interessant ist, daß es sich hierbei nicht nur um
Aufzeichnungen rein wirtschaftlicher Natur handelt, sondern
daß sich in dieser Serie auch Texte finden, die in eine
kultische Sphäre weisen. Dazu gehören etwa die Gabe von
Gewürzen an pa-de-i, wohl *, ein Theonym, vielleicht
727
Chantraine 1968 S. 599.
Chantraine 1968 S. 1000.
729
Aura Jorro 1985 S. 273.
730
Aura Jorro 1993 S. 77.
731
Zur KN Ga-Serie siehe etwa E. D. Foster 1977 a.
728
156
6. Gemüse und Gewürze
das „göttliche Kind“,732 sowie an alle Götter (pa-si-te-o-i) auf
KN Ga 953+955 oder die Spende von Zyperngras wieder an
pa-de auf KN Ga (3) 456.
6. 3. Gewürze in Einzeldarstellungen
6. 3. 1. Sellerie
Der Sellerie (Apium graveolens)733 ist ein zweijähriges
Doldengewächs (Apiaceae oder Umbelliferae), das im ersten
Sommer meist nur seine dreizähligen Blätter ausbildet. Im
zweiten Jahr werden dann Blüten und Früchte hervorgebracht.
Man unterscheidet eine wilde (Apium graveolens var.
sylvestre), oft auch Eppich genannte, und eine kultivierte
Variante (Apium graveolens var. sativum). Wilder Sellerie
wächst auf salzigen Wiesen, meist küstennah, aber auch an
Salzstellen des Binnenlandes in Europa, Asien, den
Mittelmeerküsten Afrikas, in Südafrika und Südamerika. Man
findet den Sellerie in ganz Griechenland, auf dem Festland wie
auch auf den Inseln. Sein Herkunftsgebiet ist der
Mittelmeerraum.734 Die Etymologie des Wortes selbst ist
unsicher.735
Aufgrund der in den Blättern, Früchten und Wurzeln
enthaltenen ätherischen Öle und anderer Inhaltsstoffe weist der
Sellerie einen würzigen Geschmack auf und ist daher in der
menschlichen Ernährung sehr begehrt. Die knollig verdickten
Wurzeln sind ein bekanntes Gemüse, die uns heute geläufigen
Knollen stellen aber eine italienische Züchtung des 16. Jh. n.
732
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 65ff.
Siehe zum Folgenden und allgemein zum Sellerie: Küster 1997 S. 238 ff;
Wylock 1972 S. 129ff.
734
Vavilov 1949/50 S. 39.
735
Siehe Wylock 1972 S. 129 Fn. 121.
733
157
Mykenische Enährung
Chr. dar. Aus Italien kamen sie dann über die Alpen nach
Mitteleuropa.
Alle Teile der Pflanze lassen sich in der Medizin verwenden,
sie besitzen harntreibende, magenstärkende, entzündungshemmende sowie fiebersenkende Eigenschaften. Die
Wurzel/Knolle wirkt darüber hinaus appetitanregend.
Frühe archäologische Funde von Sellerie-Früchtchen reichen
bis ins Neolithikum zurück.736 Funde im prähistorischen
Griechenland stammen, wie bereits erwähnt, aus Tiryns,
Kastanas und Thera.737 Auch in den Linear B-Texten ist
Sellerie verzeichnet. Auf der Tafel MY Ge 604.2 findet sich
das Wort se-ri-no, das mit griechisch , der
Bezeichnung für Sellerie in Verbindung gebracht wird.738
Dabei wird se-ri-no im Gegensatz zu den meisten anderen
Pflanzen, deren Menge in Hohlmaßen angegeben wird,
gewogen.739 Die Schlußfolgerung, daß daher die Samen
gemeint waren, ist gut möglich, aber nicht zwingend, da auch
die anderen Teile der Pflanze verwendbar und ihre
aromatischen
und
medizinischen
Qualitäten
wohl
gleichermaßen bekannt waren.
Aufschluß über den Gebrauch des Selleries in der Bronzezeit
gibt die Betrachtung der Rolle und der Verwendung dieser
Pflanze in klassischer Zeit. Dabei muß man allerdings im
Auge behalten, daß der Eppich leicht mit der Petersilie
(Petroselinum hortense Hoffmann), die auch einige
gemeinsame Eigenschaften aufweist, verwechselt werden
kann, eine Schwierigkeit, die wohl auch in der Antike bestand.
Es ist daher nicht immer klar zu sagen, was antike Autoren
unter verstanden haben. Nach Andrews740 ist unter
736
Küster 1997 S. 240.
Siehe oben: Kap. 6. 1.
738
Aura Jorro 1993 S. 288; Leukart 1999 S. 356.
739
Ebenso wird ka-na-ko e-ru-ta-ra gewogen. Siehe dazu Kap. 6. 3. 11.
740
Andrews 1949/50 S. 91ff.
737
158
6. Gemüse und Gewürze
dem der homerischen Zeit der wilde Sellerie, also
Eppich, zu verstehen, während in der klassischen Epoche
damit der kultivierte Sellerie bezeichnet wurde. Der Eppich
wurde oder (lat.: apicum
rusticum) genannt. Die Petersilie wurde vom Sellerie unter
dem Namen bzw. später
unterschieden, wobei sich vom letzteren ja unsere heutige
Bezeichnung ableitet. Im alltäglichen Gebrauch wurden wohl
alle drei Pflanzen – Sellerie, Eppich und Petersilie – als
bezeichnet und wohl auch gelegentlich verwechselt.
Wenn also im folgenden von antiken Zeugnissen zum Sellerie
die Rede ist, so sollte man die Möglichkeit im Auge behalten,
daß auch eine der beiden anderen Pflanzen gemeint sein
könnte.
Bereits Homer erwähnt den Sellerie gemeinsam mit Lotos als
Futterpflanze für die Pferde.741 An anderer Stelle wird uns der
Eppich als eine im Mittelmeerraum beheimatete und
verbreitete Pflanze vorgeführt.742 Herodot liefert einen
interessanten Beleg für die Verwendung von Sellerie bei der
Begräbniszeremonie skythischer Könige.743 Dabei wurde der
Leib der verstorbenen Herrscher mit Wachs überzogen, ihr
Bauch geöffnet, gereinigt, mit gestoßenem Safran,
Räucherwerk, Sellerie- und Dillsamen gefüllt und wieder
zugenäht. Im Corpus Hippocraticum weiß man um die
harntreibenden und abführenden Eigenschaften des
Selleries,744 hier ist auch überliefert, daß Sellerieblätter sowohl
gekocht als auch roh als Wundauflagen dienten.745
741
Hom. Il. 2, 775ff.
Hom. Od. 5, 72f.
743
Herod. 4, 71
744
Hippokr. vict. 54.
745
Hippokr. aff. 38.
742
159
Mykenische Enährung
Bei Aristophanes erscheint der Sellerie als ein hochgeschätztes
Gewürz. So werden in den Wolken746 Sellerie und Anis als
zwei Gewürze genannt, die den Älteren gebühren. Vielleicht
nahmen diese den Sellerie auch aufgrund der schon erwähnten
medizinischen Eigenschaften zu sich. In einem Fragment des
Eubulos747 finden sich Sellerie und Anis von neuem
gemeinsam. Diese werden, wie hier erzählt wird, „wie auch
die Kresse und andere Lächerlichkeiten bei edlen
Festmahlzeiten von manchen bevorzugt, auch wenn Gebäck
von feinstem Mehl vorhanden ist“. Bei Theophrast erfahren
wir, daß der Sellerie als Gemüse verzehrt wird.748 Als solches
war er auch sehr beliebt749 und eine Gabe der Götter.750 Man
aß sowohl die Blätter751 als auch die Wurzel.752 Die jungen
Triebe wurden mit Essig und Öl oder mit Fischsauce
verzehrt.753
Bei den Römern war die Pflanze populärer als bei den
Griechen, vor allem als Gewürz. Apicius verwendet sie
geradezu im Übermaß, und sie stellt eines der bei ihm am
häufigsten gebrauchten Gewürze dar. Dabei bedient er sich in
den verschiedensten Gerichten sowohl der ganzen Pflanze als
auch ihrer Einzelteile, der Samen, des Krautes, der grünen
Blätter und der Wurzel.754 Bei Plinius finden sich ebenfalls
einige Stellen, die die große Popularität des Selleries
bestätigen. Er unterscheidet helioselinum, oreoselinum und
746
Aristoph. nub. 981f.
Eubulos bei Ath. 8, 347 d.
748
Theophr. hist. plant. 1, 6, 6
749
Diphilos bei Athen. 6, 228 b; Plin. nat. 20, 112; Orib. coll. med. 2, 12.
750
Arnob. 7, 16.
751
Diosk. 3, 71 Berendes; Ps.-Verg. moret. 88ff.; Anthim. 54.
752
Anthim. 54.
753
Gal. 6, 638 Kühn.
754
Apic. 2, 2, 9; 3, 2, 5; 3, 4, 8; 3, 6, 2; 3, 15, 2f.; 3, 20, 3; 4, 2, 13; 4, 5, 1; 5,
3, 6; 6, 1, 1; 8, 1, 9.
747
160
6. Gemüse und Gewürze
hipposelinum.755 Mit Selleriesamen konnte man Wein
zubereiten,756 wobei der Sellerie hier wohl dazu diente, den
schlechten Geruch des Weines zu maskieren.757 Doch wurde er
nicht nur als Nahrungsmittel geschätzt. Auch in der römischen
Literatur finden sich zahlreiche Hinweise auf seine
Anwendung in der Heilkunde.758
Zwar ist der Sellerie, wie oben erwähnt, nur ein einziges Mal
in den mykenischen Texten belegt, es ist aber anzunehmen,
daß seine Samen als Gewürz Verwendung fanden. Aber auch
der Konsum der Blätter als Gemüse ist in Analogie zur
klassischen Zeit durchaus wahrscheinlich. Die Verwendung
der Pflanze in der Medizin ist zu vermuten.
6. 3. 2. Koriander
Der Koriander759 ist ein einjähriger Doldenblütler (Apiaceae
oder Umbelliferae). Die Pflanze ist nicht sehr groß, die Stengel
werden kaum einen halben Meter lang. Die Blätter sind von
unterschiedlicher Gestalt, stets aber dreizählig. Die unteren
Blätter sind größer und kurzstieliger, nach oben hin werden
die Blätter immer kleiner und langstieliger. Durch die geringe
Blattfläche kann nur wenig Wasser verdampfen, und die
Pflanze gedeiht so auch in der sommerlichen Hitze. Die Blüten
sind meist weiß, doch spielen sie oft ins Rötliche. Aus den
Blüten entwickeln sich schließlich die charakteristischen,
kugeligen Früchte, die in Größe und Aussehen an
Pfefferkörner erinnern, aber – wie alle Doldenblütler – auf
ihrer Oberfläche Ölstriemen (Rippen) aufweisen. Das Öl
755
Plin. nat. 19, 124. Letzteres Phytonym bezeichnet Smyrnium olustratum
und interessiert uns an dieser Stelle nicht weiter.
756
Plin. nat. 14, 105.
757
Plin. nat. 19, 188.
758
Siehe dazu: Olck 1907 a Sp. 256ff.
759
Siehe zum Folgenden: Küster 1997 S. 110ff.
161
Mykenische Enährung
dieser Rippen ist sehr würzkräftig und ließ die Körner zum
Gewürz werden.
Der Name des Korianders ist wohl mediterranen Ursprungs,760
man bringt ihn mit griechisch , Wanze, in Verbindung
und deutet ihn als „Wanzenkraut“. Dies rührt davon her, daß
die frische Pflanze bzw. ihre grünen Teile einen
unangenehmen Geruch haben, der an den Geruch von Wanzen
erinnern soll.761 Noch heute ist Wanzendill ein anderer Name
für Koriander. Im Mittleren Osten gilt sein Geruch allerdings
nicht als wanzenähnlich, sondern als köstlich.
Die Heimat des Korianders ist im östlichen Mittelmeergebiet
und in Vorderasien zu suchen. In Griechenland ist er
besonders auf der Peloponnes und auf Zypern zu finden. Er
existiert in verschiedenen Varianten, die häufigste ist
Coriandrum sativum.
Noch heute ist der Koriander ein sehr beliebtes Gewürz und
aus der ostmediterranen Küche nicht wegzudenken. Er kommt
vor allem bei der Zubereitung von Brot- und Backwaren, von
eingelegtem Gemüse sowie von Fleisch- und Wurstwaren
gerne zum Einsatz. Die frischen Blätter finden in der
orientalischen Küche zum Würzen von Saucen und Suppen
Verwendung.762 Gelegentlich wird Koriander auch zur
Erzeugung von Parfüms und in der Medizin verwendet. Die
Früchte verfügen über verdauungsfördernde, schleimlösende
und blähungswidrige Eigenschaften und dienten bei
Magenkatarrhen, Durchfall und sogar bei ruhrartigen
Zuständen als Heilmittel.
In antiken Rezepten werden häufig Koriandersamen erwähnt,
die sowohl roh als auch geröstet verwendet wurden. Ebenso
fanden die grünen Teile sowohl frisch als auch getrocknet
760
Chantraine 1968 S. 566.
Thüry/Walter 1997 S. 55.
762
Thüry/Walter 1997 S.87ff.
761
162
6. Gemüse und Gewürze
Verwendung.763 Bereits im Corpus Hippocraticum ist von den
medizinischen Eigenschaften des Korianders die Rede. Es
wird erwähnt, daß dieser gegen Magenbeschwerden hilft und
den Schlaf herbeiführt.764 Man findet Koriander auch als Zutat
von fiebersenkenden Mitteln.765 Bei einer bestimmten
Krankheit werden seine Blätter als Wundauflage gebraucht,766
und natürlich wird auch über seine Funktion als Gewürz in
Speisen berichtet, so etwa zusammen mit Sesam.767 Im Athen
des 5. Jh. v. Chr. war Koriander sehr populär zum Würzen von
Sardellen. So erzählt etwa Aristophanes, wie sich ein Metzger
die Gunst der Ratsmitglieder erwarb, da er ihnen den
Koriander zum Würzen der gerade angekommenen Sardellen
gratis zu Verfügung stellte.768 Theophrast schweigt über die
Verwendungsmöglichkeiten des Korianders, er beschränkt
sich in seiner Darstellung auf Probleme des Anbaus.769 Plinius
der Ältere770 dagegen beschreibt verschiedenste medizinische
Anwendungen des Korianders, die sich zum Teil schon im
Corpus Hippocraticum finden. Bei Cato771 erfahren wir, daß
Koriander zusammen mit Minze, Kümmel und Fenchel bei der
Konservierung von Oliven verarbeitet wurde. Apicius schreibt
über die Verwendung nicht nur der zerstoßenen Samenkörner,
sondern auch der ganzen Pflanze in der Zubereitung
verschiedenster Gerichte,772 so serviert er etwa zu Langusten
eine Koriandersauce.773
763
Alk. comic. 17 bei Ath. 399f.
Hippokr. vict. 2, 54, 3.
765
Hippokr. morb. 3, 17.
766
Hippokr. aff. 38 und 54; mul. 2, 109.
767
Hippokr. morb. 2, 50.
768
Aristoph. eq. 676ff.
769
Theophr. hist. plant. 1, 11, 2; 7, 1, 6; 7, 5, 4; 7, 5, 5.
770
Plin. nat. 20, 216ff.
771
Cato agr. 119
772
Apic. 3, 20, 2 ; 3, 20, 4 ; 4, 1, 3f.
773
Apic. 9, 1, 2.
764
163
Mykenische Enährung
Auch im prähistorischen Griechenland ist der Koriander gut
belegt. Funde stammen von mehreren frühen Fundstellen,774
auch im Schiffswrack von Ulu Burun wurden Koriandersamen
entdeckt.775 In den Linear B-Texten ist der Koriander das
meistverzeichnete Gewürz. Er ist in Knossos, Pylos und
Mykene belegt und wird mit dem Wort ko-ri-ja-do-no
bezeichnet. Dieser Begriff wird als , hergeleitet
von
im
alphabetischen
Griechisch,
776
interpretiert. Folgende Formen dieser Bezeichnung sind in
den Texten belegt:
ko-ri-ja-do-no auf KN Ga (2) 415, KN Ga (2) 417.B, KN
Ga (2) 418.B, KN Ga (2) 419.2a, KN Ga (2) 421.a, KN
Ga (2) 422.a, KN Ga (2) 423.B, KN Ga (2) 673.2, KN
Ga (1) 674.b, KN Ga (1) 676.b, KN Ga (1) 685 und KN
Ga (2) 7367
ko-ri-ja-da-na auf MY Ge 605.2B.3B
ko-ri-a2-da-na auf PY 267.5, MY Ge 605.4B.5
ko-ri-jo-da-na auf PY An 616.5
ko-ri-ja auf KN Ga (1) 678
ko-ri[ auf KN Ga 953, PY Nn 831.1
die Abkürzung KO auf MY Ge 603.2.3.4.5.6.7, in
Verbindung mit AROM auf MY Ge 603.1, MY Ge
608a.1.4B, MY Ue 652.3 und in Ligatur mit AROM auf
MY Ge 606.3
Dabei bezeichnet ko-ri-ja-do-no den Nominativ Singular des
Phytonyms, ko-ri-ja-da-na den Nominativ bzw. Akkusativ
774
Siehe Kap. 6. 1.
Haldane 1993 S. 352.
776
Ventris/Chadwick 1973 S. 121; Wylock 1970 S. 135; Melena 1974 a;
Aura Jorro 1985 S. 382f.; Erard-Cerceau 1990 S. 259; Sarpaki 2001 b S.
215f.
775
164
6. Gemüse und Gewürze
Plural;
ko-ri-a2-da-na
und
ko-ri-jo-da-na
stellen
othographische Varianten dar.
Koriander mußte als Abgabe (a-pu-do-si) an den Palast
geliefert werden, vom Palast wurde er wieder an bestimmte
Personen ausgegeben. Die Texte belegen die Verwendung von
Koriander in der Parfümerzeugung, aber auch seine Benutzung
in der Küche kann wohl als sicher gelten. Vermutlich
verwendete man neben den Samenkörnern auch die Blätter der
Pflanze. Ob man sich auch die medizinischen Qualitäten des
Korianders zunutze machte, ist ungewiß.
6. 3. 3. Kümmel
Der Kümmel ist in den Linear B-Texten auf 4 verschiedene
Weisen verzeichnet:
ku-mi-no auf MY Ge 605.3B.4B.6A
ku-mi-no-jo auf MY Ge 602.3
ku-mi-na auf MY GE 605.2B
mittels der Abkürzung KU auf MY Ge 603.2.3.4.5.6.7,
MY Ge 604.1.2 und MY Ge 606.3
Die Form ku-mi-no777 ist als Akkusativ Singular zu
interpretieren, ku-mi-no-jo als Genitiv Singular und ku-mi-na
als Akkusativ Plural.778 Die Bezeichnung ku-mi-no entspricht
dem griechischen , Kümmel. Davon abgeleitet ist das
lateinische cuminum. Die verzeichneten Quantitäten sind nur
sehr gering. Dies könnte auf die Seltenheit oder den Wert
dieses Gewürzes in mykenischer Zeit hindeuten.
Das Vorkommen mehrerer Kümmelsorten, nämlich des Echten
Kümmels oder Wiesenkümmels (Carum carvi), des
777
778
Aura Jorro 1985 S. 401; Sarpaki 2001 b S. 216f.
Erard-Cerceau 1990 S. 260.
165
Mykenische Enährung
Kreuzkümmels (Cuminum cyminum), des Hasenkümmels
(Lagoecia cuminoides) und des Schwarzkümmels (Nigella
sativa), wirft natürlich die Frage auf, um welche Art von
Kümmel es sich bei der in den Linear B-Texten verzeichneten
Pflanze handelt. Für Ventris und Chadwick779 besteht kein
Zweifel an einer Identifizierung als Kreuzkümmel. Der
Kreuzkümmel war der wichtigste Kümmel der klassischen
Antike, allerdings war er entgegen anderslautender
Behauptungen nicht der einzige Kümmel der Antike. Auch der
Echte Kümmel ist archäobotanisch mehrfach belegt und war
unter dem Namen careum ebenfalls ein beliebtes Gewürz der
römischen Küche.780 Wylock781 hält die Identifikation von kumi-no als Kreuzkümmel nicht für korrekt, da dieser seiner
Meinung nach in Griechenland nicht heimisch ist, und
bevorzugt eine Interpretation als Hasenkümmel, der in
Griechenland und auf den Inseln verbreitet ist. Die Früchte des
Hasenkümmels sind allerdings nur schwach aromatisch, und
ihre Verwendung ist nur selten bezeugt. Möglich wäre auch
der Schwarzkümmel. Funde des Schwarzkümmels stammen
etwa aus dem Schiffswrack von Ulu Burun.782 Die
Identifizierung als Kreuzkümmel bleibt aber, da dieser der
üblichste Kümmel
der
antiken Welt
war, die
wahrscheinlichste.783
Der Kreuzkümmel784 ist ein einjähriges, nicht sehr großes und
nicht besonders kräftiges Doldengewächs (Apiaceae oder
Umbelliferae) mit zahlreichen Ästen und fein zerteilten
Blättern mit dünnen Zipfeln und weißen bis rötlichen
Blütendolden. Seine Früchte ähneln denen des Kümmels, der
Geschmack der beiden Gewürze ist allerdings deutlich
779
Ventris/Chadwick 1973 S. 557.
Siehe dazu Thüry/Walter 1997 S. 56f.
781
Wylock 1970 S. 138.
782
Haldane 1993 S. 352.
783
Erard-Cerceau 1990 S. 260f.
784
Siehe zum Folgenden: Küster 1997 S. 118f.
780
166
6. Gemüse und Gewürze
verschieden, denn der Kreuzkümmel schmeckt pfefferartig
bitter.
Er stammt aus Vorderasien und dem östlichen
Mittelmeerraum, genauer läßt sich seine Herkunft nicht
einschränken. Sein Name findet sich im Akkadischen
(kamumu), im Ugaritischen (kmn) und im Hebräischen
(kammon).785 Möglicherweise wurde er in die Ägäis
importiert.
Die Dolden des Kreuzkümmels werden geerntet, in der Sonne
getrocknet, gedroschen, geworfelt und gesiebt. Er war bereits
in den frühen Hochkulturen nicht nur als Gewürz, sondern
auch als Heilpflanze bekannt. Es war wohl sein starker
Geruch, der zu dem Glauben Anlaß gab, er könne Flöhe,
Mücken oder Skorpione vertreiben. Er hat magenstärkende,
krampflösende, anregende und menstruationsfördernde
Eigenschaften.
Im Corpus Hippocraticum wird neben dem gewöhnlichen
Kreuzkümmel auch ein Kümmel aus Äthiopien erwähnt, der
gegen Magenschmerzen hilft.786 Bei Theophrast erfahren wir,
daß der Kreuzkümmel im 4. Jh. v. Chr. kultiviert war.787 Der
Kreuzkümmel kann in der Parfümerzeugung Verwendung
finden,788 ebenso beim Konservieren von Oliven, wie uns
Cato789 und Columella790 berichten. Bei Plinius dem Älteren
ist auch seine Anwendung in der Medizin bezeugt. Er nennt
den Kreuzkümmel das beste aller Gewürze, die
Magenverstimmungen heilen.791 In den Apicius-Rezepten wird
er häufig erwähnt und zu Gerichten aller Art empfohlen, z. B.
785
Wylock 1972 S. 111.
Hippokr. epid. 2, 6, 7; 7, 6; nat. mul. 32.
787
Theophr. hist. 7, 4, 1.
788
Wylock 1972 S. 112.
789
Cato agr. 119.
790
Colum. 12, 51, 2.
791
Plin. nat. 19, 160.
786
167
Mykenische Enährung
eine Kümmeltunke für ein Muschelgericht,792 wobei es in
mehreren Fällen gerösteter Kreuzkümmel sein soll.793
Im Mittelalter794 war Kreuzkümmel ebenfalls weitbekannt.
Man findet ihn in fast jedem Kräuterbuch, in Gartenplänen,
Kochbüchern und medizinischen Werken, die ihn gegen
Augenleiden genauso empfehlen wie gegen Seekrankheit. Der
Kreuzkümmel mußte allerdings nach Mitteleuropa importiert
werden, weil die vor allem am Ende des Mittelalters
wiederholt
unternommenen
Versuche,
ihn
in
mitteleuropäischen Gärten zu ziehen, scheiterten, da die
Pflanze nur in heißem Klima gedeiht. Von den Arabern an
allen Mittelmeerküsten heimisch gemacht, brachten ihn die
Spanier schließlich nach Mittelamerika, das zusammen mit
Indien und Nordafrika heute eines der wichtigsten
Kreuzkümmelgebiete ist. Während er in der Küche dieser
Länder nach wie vor eine bedeutende Rolle spielt, ja quasi
unentbehrlich ist, ist er in unseren heimischen Küchen nur
mehr als Bestandteil des Currypulvers erhalten.
Hält man an der Identifizierung als Kreuzkümmel fest, so
wurde dieser möglicherweise nach Griechenland importiert. In
den Texten sind nur kleine Mengen verzeichnet, er spielte in
der mykenischen Ernährung wohl nur eine geringe Rolle.
Vielleicht kam er auch in der Medizin zur Anwendung.
6. 3. 4. Fenchel
Auf den Tafeln MY Ge 602.2.3.4B, MY Ge 605.2A, MY Ge
606.4 findet sich die Form ma-ra-tu-wo,795 die ,
auch, im alphabetischen Griechischen entspricht
792
Apic. 1, 29.
Thüry/Walter 1997 S. 56f., 89ff.; Wylock 1972 S. 112.
794
Zum Folgenden: Küster 1997 S. 119.
795
Aura Jorro 1985 S. 424f.
793
168
6. Gemüse und Gewürze
und den Fenchel (Foeniculum vulgare) bezeichnet. Dieser
findet sich auch mittels der Abkürzung MA auf MY Ge
603.2.5.6.7, MY Ge 604.3.5, KN Ga 7496.1.2 und PY Un
219.9.10.
Die Heimat des Fenchels liegt im östlichen und vielleicht auch
im westlichen Teil des Mittelmeerraumes sowie in
Vorderasien. In Griechenland findet man ihn vor allem auf der
westlichen Peloponnes, in Attika, in Makedonien, in Thrakien,
sowie auf den Inseln Skyros, Samothrake, Rhodos und
Kreta.796
Der Fenchel797 ist ein Doldenblütler (Apiaceae oder
Umbelliferae), sein äußeres Erscheinungsbild kann durchaus
variieren. Manche Formen sind zweijährig, sie treiben in
einem Jahr nur Blätter und blühen und fruchten im zweiten,
andere wiederum sind ausdauernde Kräuter. Manchmal hat die
Pflanze nur geringe Höhe, ein anderes Mal wird sie
übermannshoch. Ihre Triebe sind immer kahl, unten hellgrün,
oben blaugrün. Die Blüten des Fenchels sind gelb und stehen
in reichen Dolden nebeneinander, wobei die Doldenstrahlen
unterschiedlich lang sind. Wenn der Fenchel im Hochsommer
bzw. Spätherbst blüht, ähnelt er sehr stark einem nahem
Verwandten, dem Dill, doch ist der gewürzartige Duft der
beiden Pflanzen sehr verschieden, und die Früchte sehen
eindeutig anders aus. Dillfrüchte sind nämlich flach, während
die des Fenchels einen ovalen bis rundlichen Querschnitt
haben, wie kleine Fässer aussehen und bei der Reife in zwei
Teilfrüchte zerfallen.
Alle Teile des Fenchels sind aromatisch, man verwendet vor
allem die Blätter und die Früchte. Zum einen kommt er als
Gewürz (zu Käse, Fleisch, Brot, Gemüse) zum Einsatz, im
alten Palästina wurde er auch zu einem Salat verarbeitet. Im
heutigen Italien wird er sowohl roh als auch gekocht als
796
797
Wylock 1972 S. 106.
Siehe dazu Küster 1997 S. 71ff.
169
Mykenische Enährung
Gemüse verzehrt, und in der Provence findet er Verwendung
beim Konservieren von Oliven. 798 Die Inhaltsstoffe des
Fenchels wirken sehr vielseitig, sie sind harntreibend,
stimulierend und appetitanregend. Die Pflanze wurde daher
bereits in der Antike als Heilmittel gegen verschiedenste
Krankheiten eingesetzt.799
Sowohl wilder als auch kultivierter Fenchel wurde von den
späteren Griechen verwendet. Er kam beim Marinieren von
Oliven zum Einsatz und wurde auch als Gemüse gegessen,800
meist wurde er aber als Gewürz gebraucht.801 Theophrast802
schreibt über den Duft des Fenchels. Besonders beliebt war
der Fenchel auch auf der italienischen Halbinsel, wo er,
worauf der eigenständige, nicht vom Griechischen
übernommene Name (foeniculum) schließen läßt, wohl
unabhängig in Kultur genommen worden war.
Cato803 und Columella804 ordnen den Fenchel unter jene
Gewürzpflanzen ein, die bei der Konservierung von Oliven
Verwendung finden. Plinius erwähnt sowohl die kulinarische
als auch die medizinische Anwendbarkeit des Fenchels,805 und
er unterscheidet auch zwischen kultiviertem und wildem
798
Wylock 1972 S. 107.
Olck 1909 b Sp. 2174ff.
800
Hermippos 75 bei Ath. epit. 56 c; Epich. 159 bei Ath. epit. 70f.; Gal. 6,
641 Kühn.
801
Alexis bei Athen. 4, 170 a und bei Poll. 6, 66; Plaut. Pseud. 814; Plin.
nat. 20,256
802
Theophrast hist. plant. 1, 11, 2; 6, 1, 4; 6, 2, 9; 7, 3, 2.
803
Cato agr. 119.
804
Colum. 12, 49, 1f.; 12, 51, 2.
805
Plin. nat. 20, 256 (20, 257 über die aphrodisierende Wirkung des
Fenchels); 19, 173.
799
170
6. Gemüse und Gewürze
Fenchel.806 Bei Apicius findet der Fenchel oft Verwendung, er
bedient sich sowohl der Pflanze als auch der Samen.807
Auch in nachrömischer Zeit blieb Italien das Land des
Fenchels par excellence. Er wurde dort nach allen Regeln der
Kunst gezüchtet, und so entstanden im Verlaufe von
Mittelalter und Neuzeit immer mehr Formen der Pflanze, die
teils als Gemüse, teils als Gewürz, teils als reine Zierpflanzen
genutzt werden.808
Es ist anzunehmen, daß es sich beim in den mykenischen
Texten erwähnten Fenchel um wilden Fenchel handelt. Der
Unterschied zwischen kultiviertem und wildem Fenchel ist
nicht sehr groß, der wilde ist etwas höher, sein Geschmack
etwas stärker und seine medizinale Wirkung etwas intensiver.
Fenchel wurde in mykenischer Zeit als Gewürzpflanze
verwendet, sein Verzehr als Gemüse sowie die Kenntnis seiner
medizinischen Eigenschaften sind anzunehmen.
6. 3. 5. Minzen
Die Bezeichnung mi-ta809 auf MY Ge 602.5B, MY Ge 603.1,
MY Ge 605.2A.6B und MY Ge 606.6 wurde mit im
klassischen Griechisch in Verbindung gebracht und als Grüne
Minze (Mentha viridis [ Mentha spicata]) gedeutet. Ebenso ist
die Grüne Minze als MI auf MY Ge 603.[[3]].[[4]]
verzeichnet.
Den Begriff ka-ra-ko810 auf MY Ge 605.6A brachte man mit
dem späteren griechischen Ausdruck und damit mit
806
Plin. nat. 20, 255: feniculum agreste bzw. silvestre, auch hippomarathum
genannt vgl. bei Theophr. hist. plant. 6, 1,4. Es ist unklar, ob
der Fenchel im 5. Jh. schon kultiviert wurde.
807
Apic. 1, 35; 3, 19,2; 4,4,2; 5, 1, 1; 5, 1, 4; 5, 3, 9; 8, 1, 9.
808
Küster 1997 S. 74.
809
Aura Jorro 1985 S. 454f.
810
Aura Jorro 1985 S. 320.
171
Mykenische Enährung
der Poleiminze (Mentha pulegium) in Verbindung. Die Lesung
ist allerdings unsicher, wahrscheinlicher scheint die Lesung
ka-ra-to zu sein, die wohl als “Korb“ aufzufassen
ist.811
Mit Minzen zu tun hat aber sicher der Begriff da-ra-[.]-mi-taqe auf MY Ge 603.1. Dieser ist vermutlich zu da-ra-[ko] und
mi-ta-qe zu ergänzen. Auch für da-ra-[ko] wurde die
Bedeutung Poleiminze vorgeschlagen.812
Damit hat man in den Linear B-Texten wohl zwei
verschiedene Minzen, die sich in ihren Eigenschaften deutlich
unterscheiden und so zwei verschiedene Pflanzen darstellen,
verzeichnet.
6. 3. 5. 1. Poleiminze
Die
Poleiminze813
(griech.
lat.
pulegium) findet sich vor allem im Mittelmeerraum sowie in
den großen Flußtälern Europas und Asiens. Sie besitzt
verschiedenste medizinische Eigenschaften, sie wirkt
beruhigend, cholagogisch, desinfizierend, stimulierend und
vielleicht menstruationsfördernd. In der Parfümerzeugung
wird die Poleiminze aufgrund ihres zu starken
Mentholgeruches nicht sehr geschätzt. Sie ist in ihren
Eigenschaften deutlich von den übrigen Minzen zu
unterscheiden.
Für die Poleiminze besitzen wir schon sehr frühe Belege. So
verlangt bereits Demeter im an sie gerichteten homerischen
Hymnus814 nach einem Trank aus Mehl, Wasser und
Poleiminze, da ihr die Konsumation von Rotwein verboten ist.
811
Aura Jorro 1985 S. 322.
Aura Jorro 1985 S. 157; R. Palmer 1999 S. 476 Fn. 53.
813
Siehe zum Folgenden: Wylock 1972 S. 140ff.
814
Hom. h. Dem. 207ff.
812
172
6. Gemüse und Gewürze
Eine weitere frühe Erwähnung findet sich in Hesiods
Frauenkatalog.815 Im Corpus Hippocraticum wird der
Poleiminze, wie auch der Minze, erhitzende und leicht
abführende Wirkung zugeschrieben.816 An anderer Stelle wird
die Poleiminze gemeinsam mit Sellerie und Koriander als
Wundauflage genannt.817 Auch als Zutat eines abführenden
und cholagogischen Mittels findet sie Verwendung.818
Betrachtet man die Erwähnungen der Poleiminze bei
Aristophanes, so scheint sie besonders mit Böotien in
Verbindung gebracht zu werden.819 Mehr Details zur
Poleiminze sowie ihren vorwiegend medizinischen
Anwendungsgebieten finden sich bei Plinius dem Älteren.820
Apicius kennt einige Rezepte mit der Poleiminze.821
Aus der Poleiminze wird spätestens seit dem 16. Jh. das
Poleiöl extrahiert, außer Menthol enthält dieses vor allem das
scharf riechende Pulegon. Die Poleiminze wurde häufig mit
auf See genommen, wo sie dazu diente, das in den Kesseln
faulende Wasser wieder frisch und trinkbar zu machen.822
Leider wissen wir nicht, wie die Mykener die Poleiminze
verwendeten. Ihr Gebrauch als Gewürz in der Zubereitung
diverser Speisen läßt sich genauso vermuten wie ihre
Anwendung in der Medizin. Da sie aber nur an einer einzigen
Stelle, nämlich auf MY Ge 603.1, belegt ist, scheint ihre
Bedeutung keine sehr große gewesen zu sein.
815
Hesiod cat. fr. 70, 21.
Hippokr. vict. 2, 54.
817
Hippokr. aff. 38.
818
Hippokr. morb. 3, 17.
819
Aristoph. Ach. 860 ff, 873f.
820
Plin. nat. 20, 152ff.
821
Apic. 3, 6, 3; 3, 7; 4, 1, 1;
822
Küster 1997 S. 153.
816
173
Mykenische Enährung
6. 3. 5. 2. Grüne Minze
Die Grüne Minze war wegen ihres Geruches sehr beliebt823
und wurde als Gewürz in Speisen824 gern verwendet. Überaus
geschätzt war sie auch als Kranzpflanze,825 und als
hervorragendes Hausmittel wurde sie gegen die
verschiedensten Krankheiten gern angewendet.826
Die Bezeichnung findet sich erst relativ spät in der
griechischen Literatur. Ein einzelner Vers des Hipponax ist
unser frühester Beleg.827 Ebenfalls ohne Zusammenhang steht
ein einzelner Vers des Kratinos, in welchem Käse, Minze und
Öl erwähnt werden.828 Im Corpus Hippocraticum finden sich
widersprüchliche Ansichten zur Grünen Minze, zum einen
nämlich, daß sie den Körper erhitzt, harntreibend und
brechreizhemmend wirkt,829 zum anderen, bei der Erörterung
der Wirkung von Pflanzensäften, daß sie abkühlt.830
Cato bedient sich der Minze bei der Konservierung von
Oliven,831 und bei Martial832 wird ihre Rülpsen verursachende
Wirkung beschrieben. Bei Apicius findet sich die Minze im
Rezept für moretum,833 in Saucen834 und anderen Gerichten.835
Sehr ausführlich äußert sich Plinius der Ältere über die
Minze,836 die bei ländlichen Gastmählern einen angenehmen
823
Oppian hal. 486.
Z. B. Diosk. 3, 36 Berendes.
825
Vgl. Theophr. caus. plant. 6, 14, 7.
826
Vgl.: Steier 1932 Sp. 2026f.
827
Bergk, Poetae Lyrici Graeci II Nr. 81 = Fragm. Nr. 62 Degani.
828
Kock, Comicorum Atticorum Fragmenta I fr. 129.
829
Hippokr. vict. 2, 54, 4 und 8.
830
Hippokr. morb. 2, 28, 3, 17.
831
Cato agr. 119.
832
Mart. 10, 48, 10.
833
Apic. 1, 35.
834
Apic. 1, 33; 4, 1, 2; 6, 3, 1.
835
Apic. 3, 4, 3 und 8; 3, 5; 3, 15, 3; 3, 9, 1; 4, 5, 4; 9, 4, 4.
836
Plin. nat. 19, 159f.
824
174
6. Gemüse und Gewürze
Duft über die Tische verbreitet, und von der er auch zahlreiche
medizinische Anwendungsgebiete kennt.837
Diese vielfachen Anwendungsmöglichkeiten in der Heilkunde
waren neben den aromatischen Qualitäten der Pflanze
zumindest teilweise wohl auch schon den Mykenern bekannt.
Die Verwendung der Grünen Minze sowohl in der Medizin als
auch bei der Herstellung parfümierter Öle läßt sich vermuten.
Beide Gebrauchsmöglichkeiten sind zwar nicht direkt belegt,
erscheinen aber durchaus plausibel. Des weiteren stellte die
Minze wohl ein geschätztes Gewürz bei der Zubereitung
diverser Speisen dar.
6. 3. 6. Salbei
Auf den Linear B-Tafeln findet sich Salbei wohl in folgenden
Formen verzeichnet:
pa-ko auf PY An 427.2, PY Fr 1216.1
pa-ko-we auf PY Fr 1200, PY Fr 1202.a, PY Fr 1216.1,
PY Fr 1217.1, PY Fr 1220.1, PY Fr 1223.1, PY Fr
1224.a, PY Fr 1226.1, PY Fr 1232.1, PY Fr 1235.1.2,
PY Fr 1240.1, PY Fr 1246
Auf PY An 427.2 handelt es sich wohl um ein Toponym, der
Begriff pa-ko auf PY Fr 1216.1 stellt möglicherweise eine
Verschreibung für pa-ko-we dar.838 Der Terminus pa-ko-we
wird gewöhnlich als *, mit Salbei, ,
versetzt, interpretiert.839 Ebenfalls findet sich die Abkürzung
PA, die wohl für pa-ko-we steht, in Verbindung mit CYP auf
PY Un 2.3, mit OLE auf PY Fr 1202, PY Fr 1205, PY Fr
837
Plin. nat. 20, 144ff.
Aura Jorro 1993 S. 75.
839
Aura Jorro 1993 S. 76.
838
175
Mykenische Enährung
1206, PY Fr 1216.1, PY Fr 1220.1.2, PY Fr 1222.a, PY Fr
1224, PY Fr 1226.1, PY Fr 1228, PY Fr 1229, PY Fr
1232.1, PY Fr 1233, PY Fr 1235.1.2, PY Fr 1236.1, PY Fr
1246.
Es wurde aber darauf hingewiesen, daß sich der Begriff pa-ko
ebensogut als (bei Plinius840 sphacos und sphagnos),
der als eine aromatische Flechte (Evernia prunastria) zu
interpretieren ist, auslegen läßt. Von der Lesung her sind beide
Varianten möglich, Melena etwa hält Evernia prunastria, die
in der aktuellen Parfümerzeugung eine bedeutende Rolle
spielt, für die wahrscheinlichere Interpretation.841
Wenn es sich doch um Salbei handelt, ist es darüberhinaus
schwierig, die genaue Sorte zu bestimmen, denn die Gattung
Salbei (Salvia) gliedert sich in mehr als 500 Unterarten
weltweit, von denen etwa ein Viertel in Europa, vor allem im
Mittelmeerraum, vorkommen. In die engere Auswahl kommen
vor allem Salvia officinalis, der Echte Salbei, und Salvia
sclarea, der Muskateller-Salbei.
Wylock842 bevorzugt den im Mittelmeergebiet heimischen
Muskateller-Salbei, dessen Blätter bzw. deren ätherisches Öl
zur Aromatisierung von Wermutweinen sowie für die
Kosmetika-und Parfümerzeugung dienen können, in der auch
die nach Lavendel duftenden Blüten Verwendung finden.843
Wylock begründet dies mit der relativen Seltenheit von
Echtem Salbei (Salvia officinalis) auf dem heutigen Kreta und
dessen Giftigkeit in hohen Dosen. Diese Argumente sind aber
höchst ungenügend. Toxisch ist zudem in hohen Mengen nur
das destillierte Öl des offizinellen Salbeis. Es ist daher
wahrscheinlicher, daß der Echte Salbei gemeint ist.
840
Plin. nat. 12, 108.
Bei Erard-Cerceau 1990 S. 267 Fn. 99.
842
Wylock 1970.
843
Franke 1997 S. 367.
841
176
6. Gemüse und Gewürze
Der Echte oder Gartensalbei844 (Salvia officinalis) gehört zur
Familie der Lippenblütler (Lamiaceae oder Labiatae). Die
Pflanze wird bis zu einem Meter hoch, sie besitzt runzlige,
sich paarweise gegenüberstehende Blätter und violette Blüten.
Die Blätter enthalten ätherische Öle. Die Heimat des Echten
Salbeis ist der Mittelmeerraum.
In der Küche der klassischen Antike spielte der Salbei nur eine
unwesentliche Rolle.845 Bei Apicius etwa wird er nicht
erwähnt. Zwei Komödiendichter nennen ihn als Gewürz,846
und bei Vinidarius847 wird er ebenfalls aufgeführt. Eine
Salbeiart diente gelegentlich auch zum Würzen von Wein.848
Im Mittelalter jedoch war der Salbei in Mitteleuropa nicht nur
bekannt, sondern sogar außerordentlich geschätzt, auch
deshalb, weil man ihm die Kraft zuschrieb, ewiges Leben zu
geben. Man gebrauchte ihn vor allem zum Würzen von fettem
Fleisch, gab ihn aber auch in Getränke oder buk
Salbeiküchlein. Zur Anwendung kam er auch in der
Heilkunde, etwa gegen Erkältungen. Heute hat der Salbei nicht
mehr diese überragende Bedeutung, wohl auch, weil der
Glaube an seine wundersamen Kräfte geschwunden ist. Man
schätzt aber nach wie vor sein dekoratives Erscheinungsbild
und verwendet ihn vorwiegend in der südlichen Küche.849
Sollte es sich bei pa-ko nun tatsächlich um Salbei handeln, so
ist dieser vor allem im Zusammenhang mit der Herstellung
parfümierter Öle belegt.850 Er wurde aber wohl auch in der
Ernährung verwendet.
844
Siehe dazu: Küster 1997 S. 226ff.
Siehe dazu: Andrews 1956.
846
Alexis bei Ath. 4, 170 b; Aristoph. Thesm. 486.
847
Exc. brev. pim.
848
Diosk. 5, 61 Wellmann.
849
Küster 1997 S. 227ff.
850
Zur mykenischen Parfümerzeugung siehe etwa Wylock 1970; E. D.
Foster 1974; Shelmerdine 1985;
Erard-Cerceau 1990.
845
177
Mykenische Enährung
6. 3. 7. Sesam
Der Sesam851 (Sesamum indicum) gehört zur exotischen
Pflanzenfamilie der Pedaliaceae. Es handelt sich um eine
einjährige, halbmeterhohe Pflanze mit unten gelappten, oben
ganzrandigen Blättern und Blüten, die denen des Fingerhutes
ähneln. Der Sesam blüht im Spätsommer, aus den Blüten
entwickeln sich längliche Fruchtkapseln, die, je nach Sorte,
weiße, schwarze oder rote Sesamkörner enthalten. Diese sind
sowohl ein wichtiges Gewürz als auch eine bedeutende Ölsaat.
Der Sesam braucht zum Gedeihen warmes und feuchtes
Klima, seinen Ursprung hat er in den Ländern um den
Indischen Ozean.852 In Griechenland findet man ihn in der
Argolis, genauso wie auf Kreta oder Rhodos.
Sesam ist besonders in heißen Ländern als Ölpflanze
bedeutend, denn aus den Samen läßt sich ein hellgelbes, fast
geruchloses, lang haltbares und wohlschmeckendes Öl
gewinnen, das sowohl in der Ernährung als auch in der
Parfümproduktion Verwendung findet. Es wird auch kaum
einmal ranzig, noch weniger als Olivenöl. Die Samen lassen
sich weiters als Gewürz, wie etwa bei der Brotherstellung oder
beim Zubereiten von Halva, einem im gesamten östlichen
Mittelmeerraum verbreiteten Dessert, verwenden.
Das griechische Wort ist semitischen Ursprungs.853
Homer erwähnt zwar den Sesam nicht, doch findet sich bei
ihm eine Stadt in Paphlagonien, die genannt wird.854
Als Brotwürze wird Sesam bereits bei Alkman erwähnt.855 Im
Corpus Hippocraticum findet sich nur wenig über die
medizinische Anwendung von Sesam,856 es wird auch vom
851
Siehe dazu: Küster 1997 S. 246f.
Franke 1997 S. 161.
853
Chantraine 1968 S. 1000.
854
Hom. Il. 2, 853.
855
Alkm. 19 bei Ath. 3, 111 a.
856
Hippokr. vict. 2, 45, 24f.
852
178
6. Gemüse und Gewürze
übermäßigen Gebrauch der Pflanze abgeraten.857 Aristophanes
erwähnt Sesam in seinen Acharnern,858 und durch ihn wissen
wir auch, daß der Sesam im 5. Jh. v. Chr. kultiviert war.859 In
Italien war sein Gebrauch nur wenig verbreitet, Apicius860 und
Columella861 erwähnen nur je ein Rezept mit Sesam, während
Cato über ihn schweigt. Theophrast hingegen beschreibt die
Pflanze und ihre Kultur.862 Plinius der Ältere äußert sich nur
wenig über ihre medizinische Anwendbarkeit.863 Sesamöl war
in Griechenland wohl bekannt, fand aber so gut wie keine
Verwendung.864 Herodot erzählt, daß die Babylonier Sesamöl
erzeugt hätten.865 Bei Theophrast findet sich der Hinweis, daß
in der Parfümerzeugung Sesamöl verwendet wurde.866 Im
Mittelalter wurde der Sesam im Abendland wieder weitgehend
unbekannt, ganz anders im Orient, wo er zu allen Zeiten eine
große Bedeutung als Ölpflanze, als Gewürz und als
Mehllieferant besaß.867
In den Linear B-Texten ist der Sesam belegt. Auf den Tafeln
MY Ge 602.1.3.4A , MY Ge 605.2B.6B und MY Ge 606.4
findet sich die Bezeichnung sa-sa-ma, eine Pluralform, die
dem späteren griechischen Wort , das den Sesam
bezeichnet, entspricht.868 Auf MY Ge 603.2 und MY Ge
604.2.3.5 findet sich die Abkürzung SA, die wohl ebenfalls für
Sesam steht. Sarpaki schlug vor, daß es sich bei sa-sa-ma um
857
Hippokr. int. 42.
Aristoph. Ach. 1092.
859
Aristoph. av. 159.
860
Apic. 6, 6, 2.
861
Colum. 12, 59, 13.
862
Theophr. hist. plant. 8 und caus. plant. 2, 12,1 und 4, 16, 2.
863
Plin. nat. hist. 22, 132.
864
Wylock 1972 S. 117.
865
Hdt. 1, 93.
866
Theophr. od. 14.
867
Küster 1997 S. 247.
868
Aura Jorro 1993 S. 284.
858
179
Mykenische Enährung
Sesamöl handeln könnte.869 Die Erzeugung von Sesamöl im
mykenischen Griechenland erscheint mir aber nicht als sehr
wahrscheinlich. Über die Verwendung des Sesams in
mykenischer Zeit läßt sich wenig sagen. Die Mykener
verwendeten ihn wohl am ehesten als Gewürz.
6. 3. 8. Zyperngras
Zyperngras870 findet sich in folgenden Formen auf den Linear
B-Tafeln verzeichnet:
869
870
ku-pa-ro auf KN Ga 454, KN Ga 465.2, KN Ga 517.b,
KN Ga 519.1a, KN Ga 8005 (Akkusativ Neutrum
Singular).
ku-pa-ro-we auf PY Fr 1203 (Adjektiv).
ku-pa-ro2 auf PY An 616.5, Un 249.1, PY Un 267.6
(Akkusativ Neutrum Plural).
CYP auf KN Ga 461 und KN Uc 160.
PYC auf KN E 842, KN Ga 456, KN Ga 461, KN Ga
1058, KN Ga 7344, KN Ga 7347, KN Ga 8005, KN G
7352.
AROM + PYC auf KN Ga 517, KN Ga 518.
CYP + KU auf KN F 157, KN F 5043, MY Ue 652.
CYP + O auf KN F 5079, MY Fu 711, KN Ue 652, PY Fa
16, PY Ua 434, PY Un 2, PY Un 47.
PYC + O auf KN F 852, KN G 7509, TH Wu 71, TH Wu
81.
CYP + PA auf PY Un 2.
PYC + QA auf KN Ga 5088, KN Ga 7358.
PYC + [] auf KN F 157.
Sarpaki 2001 b S. 226f.
Siehe dazu Erard-Cerceau 1990 S. 261f.; Sarpaki 2001 b S. 217ff.
180
6. Gemüse und Gewürze
Der Pflanzenname ku-pa-ro871 wird mit in
Verbindung gebracht, womit Pflanzen der Gattung Cyperus
aus der Familie der Cyperaceae (Sauergräser) bezeichnet
werden. Die Bezeichnung ku-pa-ro2 ist als eine
orthographische oder morphologische Variante aufzufassen,
ku-pa-ro-we wird als *, mit Cyperus versetzt,
interpretiert.
Zyperngras findet sich in den Linear B-Texten sowohl als
Nahrungsmittel als auch im Kontext der Parfümerzeugung.
Zur Gattung Cyperus gehören weltweit etwa 600 Arten, davon
27 in Europa. Drei von diesen sind sowohl für die menschliche
Ernährung als auch zur Parfümerzeugung geeignet. Dabei
handelt es sich um:
Langes Zyperngras (Cyperus longus)
Nußgras (Cyperus rotundus)
Erdmandel (Cyperus esculentus)
Auf der Tafel PY Fr 1203 ist ein Öl mit Rosen und
Zyperngrasduft verzeichnet.872 Bei Theophrast873 ist vermerkt,
daß Rosenparfüm dazu verwendet wird, den stärkeren Duft des
Zyperngras-Parfüms abzumildern. Die Verwendung in der
Parfümerzeugung legt nahe, daß es sich bei dem in Linear BTexten verzeichneten ku-pa-ro wohl um das in dieser Hinsicht
gebräuchlichere Nußgras (Cyperus rotundus) handelt.874
Möglicherweise dienten aber die unterschiedlichen Varianten
in den Linear B-Texten zur Unterscheidung verschiedener
Zyperngrasarten.875 Es wurde vorgeschlagen, daß es sich bei
CYP + O/PYC + O nicht um das zur Parfümerzeugung
871
Aura Jorro 1985 S. 404.
Shelmerdine 1985 S. 25.
873
Theophr. hist. plant. 1, 8, 1; 1, 68.
874
Erard-Cerceau 1990 S. 262.
875
R. Palmer 1999 S. 470 ff; Sarpaki 2001 b S. 218f.
872
181
Mykenische Enährung
verwendeten Nußgras, sondern um die als Nahrungsmittel
verwendete Erdmandel handelt. In engem Zusammenhang mit
Zyperngras findet sich das Ideogramm *171. In diesem hat
man die Stengel der Pflanze erkennen wollen, die
möglicherweise als Tierfutter dienten.876
Abgesehen von der oben erwähnten Stelle bei Theophrast gibt
es nur wenige Belege für Zyperngras in der klassischen
Literatur. Herodot berichtet, daß die verstorbenen Könige der
Skythen unter anderem mit Zyperngras gesalbt wurden.877
Apicius verwendet Zyperngras zur Bereitung von
Liburnischem Öl,878 von Braten879 und von Grillgewürz.880
Auch in den Exzerpten des Vinidarius wird Zyperngras
erwähnt.881 Heute wird das Gewächs kaum noch angebaut und
verwendet.
Zyperngras ist in den mykenischen Texten häufig und in
vielen Varianten belegt. Dies unterstreicht die enorme
Bedeutung der Pflanze in der späten Bronzezeit. Die Texte
handeln zwar in erster Linie von der Verwendung von
Zyperngras in der Erzeugung von parfümierten Ölen, man
kann jedoch davon ausgehen, daß die Pflanze auch in der
menschlichen Ernährung eine gewisse Rolle spielte.882 Dazu
kommen Hinweise auf eine kultische Bedeutung der Pflanze.
Ersichtlich wird diese etwa aus den Tafeln KN Ga (3) 456, wo
Zyperngras an die Gottheit pa-de gegeben wird, oder KN Ga
1058 + 5671, auf welcher eine Lieferung der Pflanze an den
Ort ma-sa wohl anläßlich eines Festes te-o-po-ri-ja
().883
876
R. Palmer 1999 S. 474.
Hdt. 4, 71.
878
Apic. 1, 5.
879
Apic. 7, 4, 2.
880
Apic. 7, 5, 2; 7, 5, 4.
881
Exc. brev. pim.
882
Vgl. Melena 1976 b S. 184.
883
Zu te-o-po-ri-ja siehe Hiller 1984 ; Aura Jorro 1993 S. 331.
877
182
6. Gemüse und Gewürze
6. 3. 9. po-ni-ki-jo
Vor
gewisse
Schwierigkeiten
hinsichtlich
seiner
Identifizierung stellt uns ein weiteres Gewürz in den Linear BTexten. Dieses Gewürz, po-ni-ki-jo,884 findet sich auf den
Tafeln KN Bg 834, KN Bg 992, KN Bg 1020, KN Bg 1021,
KN Bg 1040.b, KN Bg 5584, KN Bg 8438, KN Bg 9297.b,
KN Bg 9298, KN Ga (2) 417.A, KN Ga (2) 418.A, KN Ga
(2) 420.a, KN Ga (2) 425.A, KN Ga (2) 426.A, KN Ga (2)
427.1.2, KN Ga (2) 1335.b, KN Ga (2) 7425.1, KN Ga (2)
7426.a, KN Ga (2) 7429.1, KN Ga (2) 8439.2, KN Sd 4401.b
und KN X 9735.b.
Auf den Tafeln KN Sd 4402.b, KN Sd 4404 lat. sup., KN Sd
4405.b, KN Sd 4408.b, KN Sd 4409.b, KN Sd 4413.b, KN Sd
4450.c, KN Sd 8544, KN Se 882, KN Se 965.B, KN Se 1048,
KN Se 9309 und KN Sf (1) 4428.b werden Wägen und
Wagenkästen mittels des Adjektivs po-ni-ki-ja qualifiziert. Es
handelt sich dabei um die Farbbezeichnung der Wagenkästen,
nämlich rot, das von Zinnoberrot (mi-to-we-sa) unterschieden
wird.885
Die Tafeln, welche po-ni-ki-jo verzeichnen, stammen von zwei
Schreibern, und zwar von Hand 136 und Hand 137.886 Die von
Hand 136 verfaßten Texte befassen sich mit po-ni-ki-jo und
Koriander, die von Hand 137 geschriebenen nur mit po-ni-kijo. Die Orte, die po-ni-ki-jo abgeben, befinden sich mit
Ausnahme von da-wo wohl alle in der Nähe von Knossos.887
Es erscheint daher denkbar, daß es sich um ein einheimisches,
kretisches Produkt handelt, die Möglichkeit eines Importes ist
aber nicht grundsätzlich auszuschließen.
Der Terminus po-ni-ki-jo findet sich sowohl im Kontext von
Nahrungsmitteln bzw.Gewürzen als auch im Umfeld der
884
Aura Jorro 1993 S. 139f.
Erard-Cerceau 1990 S. 264.
886
Olivier 1967 S. 82f.
887
Murray/Warren 1976 S. 43f.
885
183
Mykenische Enährung
Parfümerzeugung. Eine exakte Identifizierung konnte bisher
nicht gelingen, die Verbindung mit Koriander hat zur
Vermutung Anlaß gegeben, daß es sich ebenfalls um eine
Pflanze oder ein Pflanzenprodukt handelt, und daß die beiden
vielleicht gemeinsam angebaut wurden.888
Da po-ni-ki-jo in der KN Ga-Serie verzeichnet ist, wurde
allgemein immer angenommen, daß es sich um ein Gewürz
handelt. Dies ist aber nicht zwingend so, möglicherweise ist
po-ni-ki-jo kein Aromastoff, sondern irgendeine andere
Substanz, die in der Erzeugung parfümierter Öle Verwendung
findet. Die Texte, die po-ni-ki-jo alleine auflisten, wurden
abseits der anderen Ga-Texte gefunden. Möglicherweise heißt
das, daß po-ni-ki-jo in verschiedenen Abteilungen des Palastes
gebraucht wurde.
Im Gegensatz zu den meisten Gewürzen wird bei der
Mengenangabe von po-ni-ki-jo kein Hohlmaß, sondern ein
Gewicht angegeben. Daraus ist möglicherweise zu folgern,
daß es sich nicht um kleine Körner oder Puder handelt,889
sondern um etwas, wofür das Hohlmaß eine nicht akkurate
Angabe darstellen würde, wie etwa Wurzeln, Rinden oder
auch getrocknete Samenkapseln. Die im Vergleich zum
Koriander geringen Mengen könnten darauf schließen lassen,
daß es sich um relativ leichte, aber große Objekte handelt.
Ventris und Chadwick890 interpretierten po-ni-ki-jo als ein
unbekanntes, phoinikion genanntes Gewürz, dessen Name
entweder seine Herkunft verrät oder durch seine rote Farbe
bedingt ist.891
Melena hat po-ni-ki-jo mit (Dattelpalme) in
Verbindung gebracht.892 Die Dattelpalme ist schon seit Homer
888
Murray/Warren 1976 S. 45.
Murray/Warren 1976 S. 45.
890
Ventris/Chadwick 1973 S. 222, 573.
891
Siehe auch: Chadwick/Baumbach 1963 S. 255.
892
Melena 1973 S. 77-84.
889
184
6. Gemüse und Gewürze
bezeugt893 und hat zu einer großen Familie von Wörtern im
alphabetischen Griechisch geführt. Auf den Tafeln PY Ta
714.2.3 und PY Ta 722 werden Dattelpalmen im Rahmen der
Beschreibung von Möbelstücken als Dekorelemente genannt
(po-ni-ke und po-ni-ki-pi). Dattelpalmen sind in der
minoischen Kunst häufig dargestellt.
Diese Deutung wird von Caroline Murray und Peter Warren
abgelehnt.894 Zwar findet man, wie sie einräumen, auf
manchen Fresken aus dem Palast von Knossos Abbildungen
der Dattelpalme, allerdings der wild auf Kreta vorkommenden
Phoenix theophrasti. Die kultivierte Dattelpalme Phoenix
dactylifera aber ist auf Kreta nicht heimisch, sondern
eingeführt, und aufgrund des nicht genügend heißen Klimas
konnten die Früchte wohl nicht reifen. Darauf deutet auch die
Darstellung einer unreifen Frucht auf einem MM II Gefäß in
Knossos hin.895 Murray und Warren gehen in ihrer
Interpretation vielmehr von der Wurzel - („rot“) aus und
schlagen eine Identifikation von po-ni-ki-jo als Carthamus
tinctorius, Saflor oder Färberdistel, eine uralte Färber- und
Ölpflanze, vor,896 die in Mykene als ka-na-ko verzeichnet
ist.897 Daß es dadurch zu zwei verschiedenen Bezeichnungen
für die selbe Pflanze auf Kreta und auf dem Festland kommt,
halten beide für durchaus möglich, und dies stellt wohl kein
Problem dar.898
Auch Melena geht in einer späteren Arbeit899 von einem
Farbstoff, nämlich der im Mittelmeergebiet und Vorderasien
verbreiteten Färberröte (Rubia tinctoria), aus, welche in
klassischer Zeit als bezeichnet wurde, aus.
893
Hom. Od. 6, 163.
Murray/Warren 1976 S. 46.
895
Vickery 1936 S. 54 und 60.
896
Murray/Warren 1976 S. 51ff.
897
Siehe dazu unten: Kap. 6. 3. 11.
898
Murray/Warren 1976 S. 54ff.
899
Melena 1976 b S. 185ff.
894
185
Mykenische Enährung
Auch Sarpaki hält eine Identifikation von po-ni-ki-jo als
Färberröte für möglich.900 Foster901 und Shelmerdine902 halten
po-ni-ki-jo ebenfalls für einen Farbstoff, und zwar für Alkanet
bzw. Alkannin, das aus der Wurzel der Alkanna tuberculata
(syn. Alkanna tinctoria TAUSCH, früher Anchusa tinctoria),
der falschen Alkanna oder Schminkwurz, gewonnen wird.903
Diese Deutung liefert aber keine Erklärung für das
Vorkommen von po-ni-ki-jo unter den Gewürzen.
Erard-Cerceau schlägt dagegen vor, an der Deutung als
Dattelpalme festzuhalten.904 Daß die Früchte der Dattelpalme
auf Kreta nicht reifen können, ist für sie kein zwingender
Gegenbeweis, sie könnten ja genausogut von auswärts
importiert worden sein. Bestätigung findet die Interpretation
als Dattelpalme weiters bei Plinius dem Älteren.905 Er
beschreibt nämlich die Verwendung der noch nicht reifen
Früchte der ägyptischen Dattelpalme in der Parfümerzeugung
sowie den Verzehr der Metakarpoi dieser Früchte als Gewürz.
Dies deckt sich also genau mit den beiden Kontexten, in denen
po-ni-ki-jo in den Linear B-Texten vorkommt.
Beim derzeitigen Forschungsstand ist meines Erachtens in
diesem Fall keine sichere Entscheidung möglich.
6. 3. 10 Aromatische Gräser
Ebenfalls nicht einfach zu identifizieren ist eine Pflanze, die in
den folgenden Formen belegt ist:
900
Sarpaki 2001 b S. 226.
E. D. Foster 1974, E. D. Foster 1977 b.
902
Shelmerdine 1985.
903
Auch Melena tendiert inzwischen zur Hypothese von Foster und
Shelmerdine: Erard-Cerceau 1990 S. 264 Fn. 81.
904
Erard-Cerceau 1990 S. 265.
905
Plin. nat. 12, 103.
901
186
6. Gemüse und Gewürze
ko-no auf KN Ga 953.2.2.3b, PY Eq 213.6, MY Ge
602.5B, MY Ge 603.2.3.4.5.6.7, MY Ge 604.2
]ko-no auf KN Xd 7961, PY Jn 725.3, MY Ge 602.1
ko-no[ auf KN Fp (1) 30 v., KN X 6006.2
]ko-no[ auf KN X 8198
ko-i-no auf MY Ge 606.7
no-ko auf MY Ge 603.5
Diese Bezeichnung ko-no906 bzw. ihre Variante ko-i-no907
entspricht dem griechischen das man etwa bei
Theophrast oder Dioskurides findet, bzw. dem juncus odoratus
der Lateiner, und welches gewöhnlich als Bartgras908
(Cymbopogon schoenanthus syn. Andropogon schoenanthus)
interpretiert wird.909 Mit dem Terminus e-ne-me-na bzw. der
Abkürzung E sowie der Abkürzung DE wurden
möglicherweise zwei Varianten, zwei Teile oder
Verarbeitungsmöglichkeiten
unterschieden.910
Die
Bezeichnung
ko-no-a-po-te-[ra],
vielleicht
, auf MY Ge 602.5B könnte sich auf
beide Arten von ko-no beziehen.911
Diese Pflanze findet in verschiedenen Ländern als Viehfutter
Verwendung, ihre Blätter haben magenstärkende und
anregende Eigenschaften. In moderner Zeit findet sie in der
Herstellung von Rosenparfüm Anwendung.912
Die antiken Zeugnisse, betreffend, sind sehr
summarisch. Homer erwähnt es in der Odyssee.913 Theophrast
906
Aura Jorro 1985 S. 376f.
Aura Jorro 1985 S. 372f.
908
Siehe dazu: Germer 1985 S. 226.
909
Im Französischen: jonc odorant; im Englischen: ginger-grass.
910
R. Palmer 1999 S. 476 Fn. 53.
911
Aura Jorro 1985 S. 377; Varias García 1993 S. 189 Fn. 396; R. Palmer
1999 S. 476 Fn. 53.
912
Wylock 1972 S. 126.
913
Hom. Od. 5, 462ff.
907
187
Mykenische Enährung
assoziiert und , als ob die beiden Namen
leicht zu verwechseln wären.914 Auch Plinius kennt juncus
odoratus,915 und er beschreibt auch die medizinischen
Eigenschaften.916 Mit dem aus dieser Pflanze gewonnenen Öl
konnte man auch Wein parfümieren.917
Der Meinung Wylocks918 zufolge, der ich mich anschließen
möchte, ist es aufgrund der unzureichenden antiken Zeugnisse
zu bzw. in weiterer Folge zu ko-no nicht möglich,
eine genauere Identifikation vorzunehmen. Der Begriff ko-no
umfaßte wohl verschiedene aromatische Gräser, darunter wohl
Cymbopogon schoenanthus, aber wohl auch Kalmus (Acorus
calamus) und andere verwandte Gräser. Diese Pflanzen fanden
in der Parfümerzeugung genauso Verwendung wie in der
Ernährung.
6. 3. 11 Saflor
Auf den Tafeln MY Ge 602.4B.5B, MY Ge 603.1.2a.3.6, MY
Ge 604.1.5, MY Ge 605.1.2A.2A.3A.3A.4A.4A.6B und MY
Ge 606.3a findet sich der Begriff ka-na-ko,919 der mit dem
griechischen Wort Saflor (Carthamus tinctorius), in
Verbindung gebracht wird. Auch ]na-ko auf TH Gf 108.2
könnte sich zu ka-]na-ko ergänzen lassen.920
Beim Saflor921 (Carthamus tinctorius) handelt es sich um ein
distelähnliches, halbmeterhohes Gewächs aus der Familie der
Korbblütler (Cichoriaceae oder Compositae). Er besitzt
914
Thephr. hist. plant. 9, 7, 1.
Plin. nat. 12, 104ff.
916
Plin. nat. 21, 119ff.
917
Cato agr. 113.
918
Wylock 1972 S. 128.
919
Aura Jorro 1985 S. 312. Siehe dazu auch Sarpaki 2001 b S. 206ff.
920
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 274f., 391.
921
Siehe dazu: Wylock 1972 S. 118ff.; Küster 1997 S. 222.
915
188
6. Gemüse und Gewürze
gezähnte Blätter und gelbe bis rote Blüten. Aus diesen
Pflanzen läßt sich zum einen das in der Biokost begehrte
Safloröl gewinnen, zum anderen liefern sie einen roten
Farbstoff, das Carthamin.922 Diese Blütenfarbe ist gut haltbar,
man begann daher sehr bald damit Kleider und Speisen zu
färben. Saflor wurde so zur Kulturpflanze und auch in
Mitteleuropa angebaut, nach der Erfindung des Anilins kam
dieser Anbau aber zum Erliegen. Neben dem roten Farbstoff
läßt sich aus den Saflorblüten noch ein gelber Farbstoff von
mittelmäßiger Qualität gewinnen, der sich in Salzwasser
auflöst. Das Safloröl wird in der Ernährung genützt, lokal (z.B.
in Indien) werden die jungen Blätter auch als Gemüse
gegessen. Saflor kann aber auch als Gewürz verwendet
werden. Sowohl die Blüten als auch die Samen des Saflor
wirken weiters stimulierend für das Nervensystem,
verdauungsfördernd und entwässernd.
In der antiken Literatur finden sich nur wenige Belege für
Saflor. Im Corpus Hippocraticum werden die abführenden
Eigenschaften des Saflors beschrieben.923 Theophrast
berichtet, daß die Frauen in alter Zeit aus einer wilden Art von
Webfäden gefertigt hätten.924 Bei Apicius findet sich
Saflor in in Saucenrezepten925 sowie als Mehl vermahlen und
vermischt mit Honig zum Konservieren von Backwaren.926
Plinius der Ältere927 berichtet, daß die Ägypter aus cnecosÖl
erzeugten, an einer anderen Stelle928 schreibt er, daß cnecos,
oder atractylis, auch als Gegengift bei Skorpionstichen zu
verwenden sei.
922
Franke 1997 S. 178, 461.
Hippokr. vict. 2, 45; 2, 54, 8.
924
Theophr. hist. plant. 6, 4, 5.
925
Apic. 6, 5, 2; 7, 6, 2; 7, 1, 4.
926
Apic. 1, 14.
927
Plin. nat. 21, 90.
928
Plin. nat. 21, 184.
923
189
Mykenische Enährung
Im alphabetischen Griechisch wurde auch als
Bezeichnung für rot bzw. gelb verwendet. Der Fabelschreiber
Babrius bezeichnete die Farbe eines Wolfes als ,929 und
Theokrit930 erzählte von Schäfer Lykidas, daß er um die
Schulter ein saflorfarbenes Schaffell trüge ().
Interessant – und weiter verwirrend – ist auch das Zeugnis des
Hesych, der s. v. schreibt, daß die gelbe Farbe von den
Blüten gewonnen wird, die weiße von der Frucht, und s. v.
, daß der weiße eine Art Samen sei, und ebenso der
rote.
Die mykenische Bezeichnung ka-na-ko wird oft durch zwei
Adjektive spezifiziert, nämlich e-ru-ta-ra, rot,931 und re-u-ka,
weiß.932 Diese beiden Pflanzen unterscheiden sich auch darin,
daß der weiße Saflor in Hohlmaßen gemessen wird, während
der rote gewogen wird.
Nach Ventris und Chadwick933 handelt es sich dabei um ein
und die selbe Pflanze, die Farbbezeichnungen beziehen sich
ihnen zufolge nur auf ihre verschiedenen Teile, nämlich die
weißen Samen, die in der Küche und als Medizin ihres Öls
wegen genutzt würden, und die roten Blätter, die man für die
Gewinnung des Farbstoffes benötigte. Wylock934 spricht sich
gegen eine solche Interpretation aus. Farbbezeichnungen
könnten, wie er meint, kaum zur Unterscheidung
verschiedener Teile derselben Pflanze, die für verschiedene
Verwendungszwecke benötigt werden, dienen. Ihm zufolge
handelt es sich um verschiedene Pflanzen, von denen jeweils
die weißen bzw. roten Blütenblätter verwendet werden. Die
einen zum Gewinn eines nicht besonders qualitätvollen,
929
Babr. 113, 2 und 122, 12.
Theokr. eid. 7, 15f.
931
Siehe dazu Aura Jorro 1985 S. 250f.
932
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 244f.
933
Ventris/Chadwick 1973 S. 226.
934
Wylock 1972 S. 118 Fn. 74.
930
190
6. Gemüse und Gewürze
wasserlöslichen gelben Farbstoffes, die anderen zum Gewinn
der hochwertigen roten, in der Tuch- und Parfümfärberei
verwendeten Farbe.
Die Identifikation gestaltet sich weiters als problematisch, da
laut Wylock935 der kultivierte Saflor (Carthamus tinctorius) in
Griechenland nicht vorkommt, dafür aber einige wilde Arten:
Carthamus lanatus
Carthamus leucocaulos
Carthamus dentatus
Carthamus caeruleus
Carthamus ruber
Die Blüten dieser Gattungen haben, je nach Art, verschiedene
Farben, so sind die des Carthamus lanatus gelb, des
Carthamus leucocaulos weiß, des Carthamus dentatus rot, des
Carthamus caeruleus blau und des Carthamus ruber rot. Es
kommt hinzu, daß die Färberdistel bei oberflächlicher
Betrachtung mit anderen Arten verwechselt werden kann, so
etwa mit der Gattung Cnicus, von denen eine, die Bitterdistel
(Cnicus benedictus) weit verbreitet ist, der Gattung Carduus,
der Gattung Atractylis, der Gattung Serratula, zu der etwa die
Färberscharte (Serratula tinctoria) gehört, aus der ein zur
Tuchfärberei verwendeter gelber Farbstoff, das Serratulan,
gewonnen wird, oder der Gattung Centaurea. Es ist daher
anzunehmen, daß der Begriff sowie die mykenische
Bezeichnung ka-na-ko nicht ausschließlich Carthamus
tinctorius bezeichneten, sondern mehrere Gattungen
umfaßten.936
Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß sich die
Interpretation von ka-na-ko als Carthamus tinctorius, der wohl
in Griechenland nicht heimisch war, nur schwer halten läßt.
935
936
Zum Folgenden: Wylock 1972 S. 119.
Siehe auch: Wylock 1972 S. 121; Schmidt 1903 Sp. 1202.
191
Mykenische Enährung
Unter dem Begriff ka-na-ko verstand man wohl mehrere
Pflanzen der Gattung Carthamus sowie benachbarter
Gattungen (Cnicus, Serratula, etc.). Vereinfacht ausgedrückt
wurden damit wohl verschiedene Disteln bezeichnet.937 Diese
spielten wohl eine Rolle in der Ernährung. Ob die Mykener
auch Textilien oder parfümierte Öle damit färbten, ist nicht
sicher zu sagen, die Möglichkeit besteht aber. Die Erzeugung
von Öl ist in Anbetracht der großen, zur Verfügung stehenden
Mengen von Olivenöl fraglich.
Saflorsamen wurden im Schiffswrack von Ulu Burun
festgestellt.938 Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf zwei
größere Komplexe von Eselsdistelsamen (Onopordon) in
Lerna sowie im thessalischen Argissa, die wohl für
Nahrungszwecke genutzt wurden, und deren junge
Blütenköpfe auch als Gemüse zubereitet werden konnten.939
6. 3. 12 Safran
Der Safran940 (Crocus sativus) gehört zur Familie der
Schwertliliengewächse (Iridaceae). Es handelt sich um ein
Zwiebelgewächs mit langen, grasartigen Blättern, die in ihrer
Mitte einen weißen Streifen haben. Die Blüten erscheinen im
Herbst. Die Blütenblätter umschließen die etwa drei
Zentimeter langen, aber nur wenige Millimeter breiten,
dreiteiligen Blütennarben. Diese sind von einem lebhaften Rot,
färben intensiv und besitzen würzende Eigenschaften. Der
hohe Preis des Safrans ist dadurch bedingt, daß zur Erzeugung
von einem Kilo etwa 100.000 Blüten benötigt werden.
Der Safran hat in der Kultur seine Eigenschaften so stark
verändert, daß man nicht mehr mit Sicherheit erschließen
937
Wylock 1972 S. 124.
Knapp 1991 S. 27.
939
Hopf 1962 S. 8f.
940
Siehe zum Folgenden: Küster 1997 S. 222ff.; Young Forsyth 2000.
938
192
6. Gemüse und Gewürze
kann, welche Krokusart sein Stammvater gewesen ist, und wo
diese ursprünglich wuchs. Vielleicht handelt es sich dabei um
die Gattung Crocus cartwrightianus. Möglicherweise lag die
Heimat des Safrans in Griechenland oder im Vorderen
Orient.941 Kultiviert wurde der Safran bereits in der
Bronzezeit.942
In der klassischen Antike943 wurde der Safran wegen des
Duftes der Blüte und der satten gelben Farbe, mit der man
Gewebe aller Arten färbte, sehr geschätzt. Besonders der Duft
des Safrans war sehr beliebt.944 Auch in der Küche wurde er
benutzt. In den römischen Rezepten ist Safran allerdings nur
bescheiden vertreten. In drei Fällen wird er von Apicius als
Zusatz zu Wein bzw. Salz945 und in zwei weiteren zum
Würzen von Fischgerichten946 verwendet. Als Zutat zu Wein
wird er auch bei Plutarch947 und bei Plinius948 erwähnt.
Weiters konnte er zum Würzen von Kuchen und Früchten
dienen.949 In der Medizin kam der Safran in vielen Fällen zur
Anwendung.950
In Mitteleuropa wurde der häufige Gebrauch von Safran erst
zur Zeit der Kreuzzüge durch den wiederhergestellten direkten
Kulturkontakt des Okzidents zum Orient üblich. Safran wurde
nun auch hier so begehrt und teuer, daß Fälscher immer wieder
versuchten, andere Substanzen als Safran auszugeben. Heute
wird der Safran fast nur mehr in Südeuropa und im Vorderen
941
Küster 1997 S. 224.
Young Forsyth 2000 S. 145; Sarpaki 2001 b S. 203ff.
943
Siehe dazu: Orth 1920.
944
Stellen bei Orth 1920 Sp. 1730.
945
Apic. 1, 1; 1, 3; 1, 27.
946
Apic. 10, 2, 1; Exc. 7.
947
Plut. symp. 6, 7, 2.
948
Plin. nat. 14, 107.
949
Petron. 60.
950
Belege bei Young Forsyth 2000 S. 152ff.
942
193
Mykenische Enährung
Orient angebaut. Die ehemalig große Bedeutung in der Küche
hat er in Mitteleuropa verloren, sein Preis blieb aber hoch.951
In Linear B ist der Safran durch das Ideogram CROC auf den
Tafeln der KN Np-Serie belegt. Vom Palast abhängige
Arbeiterinnen, die auf PY Aa 354, PY Ab 372.B und PY An
292.3 als ko-ro-ki-ja952 sowie auf PY Ad 680 im Genitiv
Plural als ko-ro-ki-ja-o bezeichnet werden, könnten mit Safran
zu tun haben, vielleicht „Safranpflückerinnen“ oder
ähnliches.953
In der ägäischen Kunst ist Safran bzw. das Pflücken von
Safran recht oft dargestellt.954 Eine bekannte Darstellung ist
etwa der Safranpflücker aus dem Areal des Early Keep in
Knossos, der von Evans als ein Knabe ergänzt wurde, bei dem
es sich aber wohl um einen Affen handelt.955 Ebenfalls
erwähnt muß die Freskenausstattung von Raum 3 in Xeste 3 in
Akrotiri werden. An der Ostwand sind hier zwei Frauen
dargestellt, die gerade Krokus sammeln. An der Nordwand
befindet sich ebenfalls eine Frau, die gerade gepflückte
Krokusstigmen aus ihrem Korb in ein am Boden stehendes
Behältnis leert. Zentrum der Darstellung ist aber eine sitzende,
weibliche Figur, die von einem Greifen sowie einem ihr
Krokusstigmen reichenden Affen flankiert wird. Es handelt
sich dabei wohl um eine Göttin.956 Die gesamte Komposition
ist wohl in kultischem Kontext zu sehen. In klassischer Zeit
findet sich Safran oft in Verbindung mit Gottheiten. In der
Ilias hört man etwa von der Safranblüte, die gemeinsam mit
Lotos und Hyakinthos unter dem Lager der Hera und des Zeus
951
Küster 1997 S. 225f.
Aura Jorro 1985 S. 384f.
953
Vgl. dagegen Ventris/Chadwick 1973 S. 166: “probably another feminine
ethnic. Hardly from or ”.
954
Siehe etwa Young Forsyth 2000 S. 145ff.
955
Immerwahr 1990 S. 170 und Pl. 10 und 11.
956
Doumas 1992 S. 130f., 152ff.
952
194
6. Gemüse und Gewürze
hervorsprießt.957 Safranfarbene Gewänder wurden im Mythos
von den Göttern und Heroen getragen.958 So ist
ein schmückendes Beiwort der Eos.959 Und auch der Pallas
Athene stickten athenische Jungfrauen ein buntdurchwirktes,
safranfarbiges Gewand.960 Jason legte sein safranfarbenes
Gewand ab, als er sich bereit machte, mit feuerspeienden
Stieren den Acker zu pflügen,961 und Herakles wurde nach
seiner Geburt in safrangelbe Windeln gehüllt.962
Die häufige Darstellung des Krokusmotivs läßt auf die
Bedeutung der Pflanze rückschließen. Der Anbau, die
Weiterverarbeitung sowie der Export von Safran,
möglicherweise besonders nach Ägypten,963 wo dieser nicht
vorkommt, waren wohl wichtige Wirtschaftszweige der
minoischen und mykenischen Paläste bzw. auch der Siedlung
von Akrotiri auf Thera.
6. 3. 13 Dill
Der Dill964 (Anethum graveolens) – er wird auch Gurkenkraut
genannt – gehört zur Familie der Doldengewächse (Apiaceae
oder Umbelliferae). Sein Name, Dill, soll auch etymologisch
mit Dolde verwandt sein. Es handelt sich um eine einjährige
Pflanze mit einer dünnen Wurzel, der der kahle, blaugrün
bereifte Stengel entspringt. Die Blätter sind ganz fein in
Zipfelchen unterteilt, an der Spitze der Stengel, die über einen
Meter hoch werden können, breitet sich die Dolde aus. Die
957
Hom. Il. 14, 348.
Stellen bei Orth 1920 Sp. 1729.
959
Hom. Il. 8, 1; 19, 1.
960
Eurip. Hec. 466ff.
961
Pind. Pyth. 4, 232.
962
Pind. Nem. 1, 37.
963
Young Forsyth 2000 S. 159 ff; vgl. aber Germer 1985 S. 199f.
964
Siehe zum Folgenden: Küster 1997 S. 55ff.
958
195
Mykenische Enährung
zahllosen kleinen Blüten sind intensiv gelb und stark duftend.
Der Dill kann leicht mit seinem nächsten Verwandten, dem
Fenchel, verwechselt werden, doch wird dieser kräftiger als
der Dill, und auch die Früchte unterscheiden sich deutlich
voneinander. Der stark würzige Duft der Pflanze wird durch
ätherische Öle hervorgerufen.
Das ursprüngliche Heimatland des Dills läßt sich nur schwer
bestimmen. Möglicherweise liegt seine Heimat im
Mittelmeerraum, eventuell kommt er auch aus dem Vorderen
Orient oder sogar aus Indien. Die frühesten Zeugnisse
stammen jedenfalls aus dem Zweistromland, fast gleichzeitig
datieren aber Funde der Pflanze aus Schweizer
Pfahlbausiedlungen.965 Spätestens zu Beginn des 2. Jt. v. Chr.
taucht er in Ägypten auf. Im prähistorischen Griechenland ist
er möglicherweise in Kastanas belegt.966
In der klassischen Antike war der Dill (, aeol.
/ anethum bzw. anetum) ein beliebtes Küchengewürz,
Theophrast967 und Plinius968 erwähnen ihn. Er galt als
wohlriechend969 und wohlschmeckend970 und fand vor allem in
der Küche Verwendung.971 Die Athener verzehrten ihn,972 als
Gewürz konnte er jeder gekochten Speise zugesetzt werden.973
Auch beim Einmachen von Oliven wurde er gebraucht.974
Apicius verwendet ihn zum Würzen der verschiedensten
Speisen, wie etwa Gerstengrütze,975 Erbsen,976 Würste,977
965
Küster 1997 S. 56.
Siehe Kap. 6.1.
967
Theophr. hist. plant. 1, 11, 2.
968
Plin. nat. 19, 167.
969
Theophr. hist. plant. 9, 7, 3.
970
Theophr. caus. plant. 6, 9, 3.
971
Theophr. hist. plant. 1, 11, 2.
972
Aristoph. nub. 982.
973
Anthim. 55.
974
Geop. 9, 28, 2.
975
Apic. 4, 4, 1.
976
Apic. 5, 3, 1.
966
196
6. Gemüse und Gewürze
Spanferkel,978 Geflügel,979 Hase,980 Muräne,981 Zahnbrassen982
oder Aal.983 Ferner fertigte man aus Dill Kränze,984 und auch
in der Medizin fand er verschiedenste Anwendungen.985 Im
Mittelalter machte schließlich vor allem der kulturelle Einfluß
der Benediktiner das Gewürz in vielen Teilen Mitteleuropas
populär.986
In mykenischer Zeit wurde Dill wohl vor allem in der Küche
verwendet, er diente wohl zum Aromatisieren verschiedenster
Speisen. Ob man ihn auch seines Duftes wegen verwendete,
eventuell als Zutat zu parfümierten Ölen, kann nur vermutet
werden.
6. 3. 14. Anis
Der Anis987 (Pimpinella sativum) gehört ebenfalls zu den
Doldenblütlern (Apiaceae oder Umbelliferae). Er besitzt einen
runden, gerillten, maximal einen Meter hohen Stengel und
Blätter von unterschiedlicher Gestalt. Die unteren sind groß,
rund und am Rand gezähnt, die oberen allerdings sind fein
gefiedert. Die Blütendolden bestehen aus unzähligen weißen,
manchmal auch leicht rosafarbenen Blütchen. Aus jeder Blüte
reift schließlich eine Frucht, die dann beim Trocknen in zwei
Teilfrüchte zerfällt. In allen Teilen der Pflanze ist ein
wohlriechendes Öl enthalten, dessen Hauptbestandteil das
977
Apic. 2, 3, 1.
Apic. 8, 7, 15
979
Apic. 6, 2, 1; 6, 9, 1.
980
Apic. 8, 8, 6.
981
Apic. 10, 2, 4.
982
Apic. 10, 3, 7.
983
Apic. 10, 4, 1.
984
Etwa: Alkaios bei Ath. 15, 674 cf.
985
Siehe dazu: Olck 1903.
986
Küster 1997 S. 57.
987
Siehe dazu: Küster 1997 S. 18ff.
978
197
Mykenische Enährung
Anethol ist, welches den charakteristischen scharf–süßen
Anisgeschmack hervorruft. In besonders hoher Konzentration
befindet sich das ätherische Öl in den halbmondförmigen
Teilfrüchten, weshalb hauptsächlich sie als Gewürz benützt
werden.
Die Herkunft des Anis ist nicht genau zu bestimmen, da kein
wilder Ahn bekannt ist. Seine Heimat war wohl das östliches
Mittelmeergebiet, am ehesten Griechenland und/oder die
ägäischen Inseln. Hier fand er, wie die Funde belegen,988
schon im 2. Jt. v. Chr. seine Anwendung. In klassischer Zeit
wird der Anis (zuerst , später / anesum) in der
Küche verwendet.989 Pythagoras und mehrere griechische
Ärzte lobten ihn als Gewürz,990 unter anderem streute man ihn
auf die untere Rinde des Brotes991 oder verarbeitet ihn bei der
Bereitung von Mostkuchen.992 Apicius verwendet ihn neben
anderen Ingredienzien beim Füllen eines Schweinemagens.993
Auch beim Einmachen von Olivenbrei wurde er gebraucht.994
Neben seinen kulinarischen Anwendungen kam er auch in der
Medizin zum Einsatz.995 Im Mittelalter war das Gewürz
ebenfalls recht beliebt. Man gebrauchte es zum Aromatisieren
von Backwerk, man würzte damit aber auch Fleisch, Fisch und
Geflügel, später gab man es ebenfalls zu Gemüse und
Früchten.996
Im spätbronzezeitlichen Griechenland kam der Anis wohl vor
allem in der Küche zur Anwendung. Seine medizinalen
Eigenschaften könnten den Mykenern aber durchaus bekannt
988
Siehe Kap. 6.1.
Plin. nat. 19, 167.
990
Plin. nat. 20, 185ff.
991
Plin. nat. 20, 185.
992
Cato agr. 121.
993
Apic. 7, 7, 1.
994
Colum. 12, 51, 2.
995
Siehe dazu: Olck 1894.
996
Küster 1997 S. 20.
989
198
6. Gemüse und Gewürze
gewesen sein. Seine Verwendung in der Heilkunst ist daher
gut möglich.
6. 3. 15. Kresse
Die Kresse997 (Lepidium sativum L.), aus der Familie der
Kreuzblütler (Brassicaceae oder Cruciferae), kommt
ursprünglich wohl aus Nordafrika und dem Vorderen Orient.
Sie ist von Tibet bis Ägypten verbreitet, in Europa wird sie
seit der Antike angebaut, und sie ist auch in Griechenland
heimisch. Sie wird gegenwärtig nur in der Küche gebraucht.
Obwohl sie in der modernen Pharmazie keine Verwendung
findet, besitzt sie zahlreiche medizinische Eigenschaften. Ihre
Blätter wirken stimulierend, harntreibend und weisen einen
hohen Ascorbinsäureanteil auf. Ein aus den Blättern bereiteter
Salat ist anregend und entschlackend. Der frische Saft wirkt
abführend und als Wurmmittel. Aus den Samen, die man als
Gewürz anstelle von Senf verwenden kann, läßt sich auch ein
Öl gewinnen.
Antike Belege für die Kresse sind spärlich. In Persien aßen die
Kinder, wie Xenophon998 berichtet, die Kresse zum Brot. Im
Corpus Hippocraticum999 ist von den harntreibenden
Eigenschaften der Kresse die Rede, und auch Aristophanes
spielt auf diese an.1000 Ein Fragment des Dichters Eubulos
zeigt die Beliebtheit der Kresse bei Banketten.1001 Theophrast
kennt nur eine Kressesorte,1002 über die er einzig ihren
scharfen Geschmack zu berichten weiß.1003 Plinius der Ältere
997
Siehe dazu: Küster 1997 S. 116ff.
Xen. Kyr. 1, 2, 8.
999
Hippokr. vict. 2, 54.
1000
Aristoph. Thesmoph. 615ff.
1001
Eubulos bei Ath. 8, 347 d.
1002
Theophr. hist. plant. 7, 4, 1.
1003
Theophr. hist. plant. 1, 12, 1.
998
199
Mykenische Enährung
dagegen kennt zwei Sorten der Kresse, die auch den
Geschlechtstrieb eindämmt. Die eine reinigt, wie er sagt,1004
„den Leib und führt die Galle ab, die andere beseitigt
Krankheiten am Kopf, reinigt das Sehen und beruhigt, mit
Essig genommen, seelische Aufregungen, in Wein getrunken
oder mit einer Feige genommen, die Milz, auch den Husten,
wenn täglich nüchtern in Honig genommen. In Wein vertreibt
ihr Samen alle Schmarotzer der Eingeweide, noch
erfolgreicher bei Zugabe von Minze ...“.1005 Neben einer
ganzen Reihe weiterer Anwendungsmöglichkeiten der Kresse
schreibt er schließlich, daß die beste Kresse diejenige aus
Babylonien sei, und daß die wilde Kresse in allen angeführten
Fällen eine stärkere Wirkung zeige.1006 An anderer Stelle1007
schreibt er, daß die Kresse ihren Namen (nasturtium) davon
habe, daß sie die Nase (nasus) reizt, so die Schlaftrunkenheit
vertreibt und daher die Tatkraft kennzeichnet.
In Linear B ist die Kresse möglicherweise unter der
Bezeichnung ka-da-mi-ja, vgl. ,
, auf MY Ge 604.5 belegt.1008 Möglicherweise
wurde mit diesem Terminus aber nicht die Gartenkresse
(Lepidium sativum), sondern die Wasserkresse (Nasturtium
officinale) bezeichnet.1009 Die Mykener verwendeten wohl nur
die überirdischen Teile der Kresse. Es ist sehr
unwahrscheinlich, daß sie bereits aus den Samen Öl
gewannen. Die vitalisierende Wirkung der Kresse blieb ihnen
aber sicher nicht verborgen.
1004
Plin. nat. 20, 127ff.
Übersetzung König/Winkler.
1006
Plin. nat. 20, 130.
1007
Plin. nat. 19, 155.
1008
Aura Jorro 1985 S. 304; Sarpaki 2001 b S. 206.
1009
R. Palmer 1999 S. 476 Fn. 53.
1005
200
6. Gemüse und Gewürze
6. 3. 16. Sumach
Der Gerber-Sumach1010 (Rhus coriaria) ist ein Strauch mit
behaarten Ästen und Fiederblättern. Seine grünlichen Blüten
stehen im Herbst offen und entwickeln haarige rote Früchte,
die dicht beieinandersitzen. Der Gerber-Sumach ist im
Mittelmeergebiet und in Vorderasien beheimatet. Er gedeiht
vornehmlich in Macchien, besonders auf kalkhaltigem Boden.
Zunächst fand er vor allem beim Ledergerben Verwendung.
Man färbte mit der Pflanze aber auch Wolle gelb und würzte
mit den säuerlichen Beeren Fleischgerichte. Im Kochbuch des
Apicius wird auch eine mit Sumach gewürzte Fischsauce
empfohlen.1011 Größere Bedeutung hatte und hat der Sumach
im Vorderen Orient, und noch heute bildet er einen Bestandteil
des Curry-Pulvers.
In den Linear B-Texten wird möglicherweise auf PY Jn 750.3
Sumach erwähnt. Die Bezeichnung ro-wo ebendort könnte
ebenso auf griech. zurückgehen wie das Adjektiv ro-wewi-ja auf TH Wu 45.., TH Wu 47. und TH 59.b, das
von einem nomen agentis ro-we-u abhängt und sich auf Leder
bezieht, das möglicherweise mit Sumach gefärbt sein könnte.
Es könnte sich bei ro-we-wi-ja aber auch um einen Ortsnamen
handeln.1012 Sumach wurde auch unter den Pflanzenresten aus
dem Schiffswrack von Ulu Burun festgestellt.1013
Es scheint mir durchaus wahrscheinlich zu sein, daß der
Sumach im spätbronzezeitlichen Griechenland sowohl als
Gewürz in der Küche als auch zum Färben von Textilien
sowie von parfümierten Ölen verwendet wurde.
1010
Siehe dazu: Küster 1997 S. 258f.
Apic. 10, 2, 4.
1012
Aura Jorro 1993 S.264f.
1013
Haldane 1993 S. 352.
1011
201
Mykenische Enährung
6. 3. 17. Mohn
Der Schlafmohn1014 (Papaver somniferum) gehört in die
Familie der Mohngewächse (Papaveraceae) und ist ein
einjähriges Gewächs. Manchmal wird er nur einen halben
Meter hoch, manchmal beinahe mannshoch. Er stammt aus
dem Mittelmeerraum und ist in Europa seit dem Neolithikum
bekannt. Aus Griechenland stammen prähistorische
Mohnfunde etwa von den Fundstellen Kastanas,1015
Mandalo,1016 Tiryns,1017 Akrotiri,1018 Kalapodi1019 sowie
möglicherweise Thermi.1020
Literarisch ist der Mohn während der ganzen griechischrömischen Antike belegt. Bereits bei Homer ist der Mohn in
einem berühmten Gleichnis belegt,1021 das von Vergil
nachgebildet wird.1022 Homer nennt zwar kein Opium, aber ein
,1023 ein schmerzstillendes Mittel, hinter
dem sich wohl nichts anders als Opium verbirgt. Die
Gewinnung von Opium durch Anschneiden der unreifen
Kapsel ist zuerst bei Theophrast,1024 später auch bei Plinius
dem Älteren1025 belegt. Auf die Benützung des Opiums als
Schlafmittel deutet eine Stelle bei Ovid hin.1026 Auch Vergil
kennt die Wirkung des Opiums.1027 Statuetten wie die
1014
Siehe dazu: Küster 1997 S. 154ff.; Sarpaki 2001 b S. 231ff.
Kroll 1983 S. 134f.
1016
Sarpaki 2001 b S. 231.
1017
Kroll 1982 S. 479.
1018
Sarpaki 2001 b S. 232.
1019
Kroll 1993 S. 168.
1020
Sarpaki 2001 b S. 231.
1021
Hom. Il. 8, 306f.
1022
Verg. Aen. 9, 436.
1023
Hom. Od. 4, 219ff.
1024
Theophr. hist. 9, 8, 2.
1025
Plin. nat. 20, 198ff.
1026
Ovid fast. 4, 547.
1027
Verg. Aen. 4, 486.
1015
202
6. Gemüse und Gewürze
Mohngöttin von Gazi1028 weisen auf die Kenntnis von
Mohndrogen in der Bronzezeit hin.1029 Mohn ist auch in
weiteren kultischen Zusammenhängen belegt, wie etwa auf
einem goldenen Siegelring aus Mykene,1030 auf dem eine
sitzende, weibliche Gottheit dargestellt ist, der unter anderem
Mohnkapseln dargebracht werden. Auch Nadeln mit
Kristallkopf aus dem Schachtgräberkreis B stellen
Mohnkapseln dar.1031
Die Opiumerzeugung ist recht mühselig. Mohndrogen müssen
daher nicht unbedingt Opium gewesen sein. Die getrockneten,
halbreifen Kapseln werden noch heute in mancherlei Form als
Droge verwendet. Vermutlich kann bei Bedarf mit einer
vielmehr einfachen Drogenzubereitung gerechnet werden, so
etwa dem Abkochen unreifer Mohnkapseln, durch welches
man ein wirksames Mittel zur Linderung verschiedener Leiden
gewinnen kann. Weiters hat auch der eingeatmete Rauch
halbreifer, getrockneter Mohnkapseln, auf heißen Kohlen in
einem durchlöcherten Gefäß langsam verbrannt, einen dem
Opiumrauch ähnlichen, wenngleich milderen Effekt.1032 Ob
das Elfenbeinobjekt aus Kition1033 als Opiumpfeife zu
betrachten ist, bleibt fraglich. Die pharmazeutische Wirkung
des Mohnes war im spätbronzezeitlichen Griechenland sicher
bekannt, man muß bei den vorliegenden Mohnfunden aber in
erster Linie an die Verwendung der Samen oder des Öls in der
Küche, und erst in zweiter Linie an die Nutzung der
Mohndroge denken. Mohn wurde vor allem seines Öles wegen
geschätzt. Die Samen des Mohns, und zwar besonders die
weißen, waren seit ältester Zeit eine beliebte Speise bei
1028
Abbildung etwa Tzedakis/Martlew 1999 S. 268.
In späterer Zeit tauchen Mohnkapseln neben Getreide im Kult der
Demeter und anderer Fruchtbarkeitsgottheiten auf.
1030
Siehe Abbildung bei Tzedakis/Martlew 1999 S. 269.
1031
Siehe Abbildungen bei Tzedakis/Martlew 1999 S. 270.
1032
Kroll 1983 S. 135.
1033
Karageorghis 1976.
1029
203
Mykenische Enährung
Griechen und Römern. Sie wurden entweder mit Honig
vermischt gegessen,1034 oder man streute sie als Würze aufs
Brot.1035 Im Corpus Hippocraticum werden Mohnsamen als
verstopfend,
aber
auch
als
durchaus
nahrhaft
charakterisiert.1036
6. 3. 18. ki-ta-no
Nicht eindeutig geklärt ist die Bedeutung des Begriffes ki-tano.1037 Er findet sich auf KN Ga (5) 1530.2.3b.4b, KN (5) Ga
1532.1b sowie auf KN X 1385. Wegen der Verbindung mit
dem Ideogramm *123 AROM ist ki-ta-no als Gewürzpflanze zu
interpretieren.1038 Dabei handelt es sich wohl um eine auf
Kreta heimische Pflanze, bemerkenswert sind vor allem die
großen Mengen, welche davon in den Texten verzeichnet sind.
Was nun eine konkrete Identifikation anbelangt, so brachte
Milani1039 ki-ta-no mit hebräisch kiddah bzw. griechisch
,1040 einer Art von Kassie, in Verbindung. Ein anderer
Identifizierungsversuch1041 ging von einer Verbindung mit
, möglicherweise eine Pflanze aus der Familie der
Oreganos (Origanum vulgare, Origanum creticum, Origanum
majorana, Origanum dictamus) aus. Duhoux1042 schlug
dagegen einen Zusammenhang mit , das bei Hesych
als glossiert wird, vor. Überzeugender
1034
Thuk. 4, 26, 8; Plin. nat. 19, 168; Diosk. 4, 64 Wellmann; Serv. Verg.
georg. 1, 212.
1035
Alkman bei Ath. 3, 110 f; Plin. nat. 19, 168; Soran. 2, 46
1036
Hippokr. vict. 2, 45
1037
Aura Jorro 1985 S. 365.
1038
Ventris/Chadwick 1973 S. 397, 554; dagegen : Foster 1977 a S. 39f.
1039
Milani 1961 S. 172.
1040
Diosk. 1, 13 Wellmann.
1041
Melena 1974 b S. 54f.
1042
Duhoux 1976 S. 183.
204
6. Gemüse und Gewürze
erscheint jedoch die Hypothese Melenas, ki-ta-no als
,1043 eine Pflanze aus der Familie der Pistaciae,
möglicherweise die Echte Pistazie (Pistacia vera) oder die
Terebinthe (Pistacia terebinthus), aufzufassen.1044 Eine
Bestätigung dafür könnte sein, daß große Mengen von
Terebinthenharz in Gefäßen aus dem Schiffswrack von Ulu
Burun festgestellt wurden.1045 Ein weiterer Identifikationsvorschlag stammt von A. Sarpaki,1046 die den Terminus mit der
Zistrose (Cistus creticus), ,1047 einem typischen
Gewächs der mediterranen Macchie, in Verbindung bringt. Es
handelt sich um einen niedrigen, immergrünen Busch, aus
dessen Blüten und Blättern das Ladanum-Harz gewonnen
werden kann. Dieses kann sowohl als Heilmittel als auch als
Duft- sowie als Räucherstoff dienen und wurde in der Antike
in großen Mengen verhandelt.1048 Die etymologische
Verbindung von ki-ta-no mit scheint mir aber nicht
unproblematisch zu sein. Eine sichere Entscheidung ist hier
nicht zu treffen. Der Vorschlag Melenas ist m. E. aber am
wahrscheinlichsten.
6. 3. 19. Wermut
Der Wermut1049 oder Absinth (Artemisia absinthium) gehört
zur Familie der Korbblütler (Asteraceae oder Compositae). Es
1043
Vgl. dazu , das Hesych mit , einer älteren Form von
, gleichsetzt.
1044
Melena 1976 a S. 239; Melena 1976 b S. 180ff.; Murray/Warren 1976 S.
48.
1045
Knapp 1991 S. 27f.; Haldane 1993 S. 352f.
1046
Sarpaki 2001 b S. 210ff.
1047
Z. B. bei Theophr. hist. plant. 6, 1, 4.
1048
Sarpaki 2001 S. 210 Fn. 119.
1049
Siehe dazu Küster 1997 S. 280ff.
205
Mykenische Enährung
handelt sich um einen Halbstrauch, der beinahe mannshoch
werden kann und im Spätsommer kleine gelbe Blütenknöpfe
trägt. Der extrem herbe Duft und Geschmack wird durch
ätherische Öle und Bitterstoffe hervorrufen, welche in der
gesamten Pflanze enthalten sind. Der Wermut ist, in kleinen
Dosen genossen, ein beliebtes Gewürz, in großen Mengen
verabreicht sind seine Inhaltsstoffe aber giftig. Außer als Zutat
für Alkoholika kommt der Wermut heutzutage als Zutat zu
fettem Fleisch zur Anwendung, in der Medizin dient er in
erster Linie der Heilung von Magenleiden. Wermut wächst
wild in praktischen allen trockenen Gebieten Europas und
Asiens. Bronzezeitliche Funde stammen etwa von den
ägäischen Inseln.1050 Die griechische Bezeichnung ,
daneben auch und , geht auf eine nicht
indogermanische Wurzel zurück, das lateinische Lehnwort
lautete absinthium.
Xenophon1051 beschreibt sein überaus reiches Vorkommen in
Mesopotamien, auch Theoprast1052 erwähnt ihn in seiner
Pflanzengeschichte. Neben seinem Gebrauch in der antiken
Heilkunde1053 wurde der Wermut mit Vorliebe zur Erzeugung
eines Würzweines, , bzw. absinthites oder
absinthiatum, verwendet. Nach Dioskurides1054 war dieses
Getränk besonders in Thrakien beliebt, wo man es vor allem
im Sommer vor der Mahlzeit zu sich nahm. Zu seiner
Bereitung sind mehrere Beschreibungen überliefert.1055
Im spätbronzezeitlichen Griechenland diente der Wermut wohl
vor allem zum Aromatisieren von Speisen und Getränken.
1050
Siehe oben Kap. 6. 1.
Xen. anab. 1, 5, 1.
1052
Theophr. hist. plant. 1, 12, 1; 4, 5, 1; 7, 9, 5; 9, 17, 4.
1053
Schuster 1958 Sp. 1555f.
1054
Diosk. 3, 23 Wellmann.
1055
Diosk. 5, 39 Wellmann; Plin. nat. hist. 14, 109. Weiters bei Plin. nat.
hist. 27, 46; Colum. 12, 35; Apic. 1, 2.
1051
206
6. Gemüse und Gewürze
Möglicherweise kam er aber auch schon in der Medizin zur
Anwendung.
6. 3. 20. Weinraute
Die Weinraute1056 (Ruta graveolens) gehört zur Familie der
Rautengewächse (Rutaceae) und stammt aus dem
Mittelmeerraum. Es handelt sich um einen aromatischen
Halbstrauch, dessen oberirdischen Teile außer den Blüten sich
als Gewürz eigenen. In der klassischen Antike wurde die
Raute (griech. bzw. /lat. ruta) sowohl in der
Medizin1057 als auch in der menschlichen Ernährung überaus
geschätzt. Martial etwa spricht sehr oft von ihr.1058 Man zog
sie in allen Gärten.1059 Die Raute riecht unangenehm und
schmeckt bitter, das wurde in der Antike nicht anders
empfunden. Cicero etwa verwendet die Raute geradezu als
eine Metapher für Bitterkeit und stellt ihr als Gegenteil die
frisch duftende und schmeckende Poleiminze gegenüber.1060
Kein Zufall kann es daher sein, daß Raute und Poleiminze
bzw. Minze in den römischen Rezepten auffallend häufig
gemeinsam auftreten, also gewissermaßen ein Paar bilden.
Dies ist zum einen wohl durch die römische Liebe zum
Geschmackskontrast bedingt, andererseits wollte man
vermutlich den intensiven Geschmack der Raute durch andere
Gewürze mildern. Mit der Frucht der Raute wurden Saucen
abgeschmeckt,1061 die grünen Teile der Raute fanden als Bund
1056
Siehe dazu Küster 1997 S. 278ff.; Thüry/Walter 1997 S. 62, 102ff.
Hippokr. de morb. 2, 47 ; de vict. 2, 54 ; Cels. 4, 12 ; 5, 4f.; 5, 15 ; Plin.
nat. 131ff. u. v. m.
1058
Mart. 10, 48, 11; 11, 31, 17; 11, 52, 8.
1059
Colum. 10, 121; Plin. nat. 19, 156ff.
1060
Cic. ad. fam. 16, 23, 2.
1061
Apic. 10, 3, 8; 10, 4, 2.
1057
207
Mykenische Enährung
beim Kochen1062 sowie in Saucen1063 Verwendung. Man
verzehrte sie auch eingelegt in eine Brühe aus Essig und
Salz.1064 Man gab die Raute außerdem zu den eingelegten
Oliven,1065 in das moretum1066 und sogar in Süßspeisen.1067
Im prähistorischen Griechenland ist die Weinraute durch
Spuren derselben in einem SH III C-Gefäß aus Mykene belegt,
sie diente in diesem Fall wohl zum Aromatisiseren von Wein.
1068
Möglicherweise diente sie auch sonst zum Würzen
diverser Speisen.
6. 3. 21. si-jo
Hinter dem auf PY Cn 4.10 im Lokativ verzeichneten
Toponym si-jo-wo-te verbirgt sich möglicherweise das
Phytonym , für welches sich unterschiedliche
Interpretationsmöglichkeiten anbieten. Es handelt sich dabei
um ein Sumpf- oder Wiesenkraut, das man ebenso mit der
Wasserkresse (Nasturtium officinale), der Wasserminze
(Mentha aquatica), dem Wasserehrenpreis (Veronica
anagallis) oder der Wasserpastinake (Sium angustifolium) in
Verbindung bringen kann. Eine genauere Aussage ist hier
allerdings nicht zu treffen.1069
1062
Apic. 7, 10.
Apic. 6, 2, 1; 7, 6, 3.
1064
Colum. 12, 7, 1f.
1065
Cato agr. 119.
1066
Ps. Verg. Mor. 88.
1067
Apic. 7, 13, 4f.
1068
Tzedakis/Martlew 1999 S. 163f.
1069
Aura Jorro 1993 S. 293; Duhoux 1993 S. 111; Leukart 1999 S. 355.
1063
208
6. Gemüse und Gewürze
6. 3. 22. Malve
Die Malve gehört zur Gattung der Malvengewächse
(Malvaceae) und umfaßt rund 30 Arten. Heimisch ist sie in
Eurasien und Nordafrika. Es handelt sich dabei um Kräuter
oder Halbsträucher mit meist großen, teller- bis
trichterförmigen Blüten in verschiedenen Farben. Die jungen
Blätter der Malve können zu spinatartigen Gerichten verkocht,
ihre jungen Früchte als Gemüse verwertet werden.
In klassischer Zeit1070 diente die Malve (griech. / lat.
malva) in erster Linie als Heilmittel.1071 Sie wurde aber auch
verzehrt, und zwar, wie etwa Hesiod1072 berichtet, besonders
als Nahrungspflanze kleiner Leute.1073 Wegen ihrer
abführenden Wirkung und leichten Verdaubarkeit galt sie als
gesunde Speise.1074
Für die Bronzezeit ist die Malve (Malva sp.) in Tiryns,1075
Kastanas,1076 Kalapodi1077 und Midea1078 nachgewiesen. Es ist
anzunehmen, daß wie in späterer Zeit ihre Blätter und Früchte
den Menschen als Nahrung dienten. Auch ihre Verwendung in
der Heilkunde ist durchaus möglich.
6. 3. 23. Asphodill
Der Asphodill (Asphodelus sp.) gehört zur Gattung der
Liliengewächse (Liliaceae). Er findet sich mit ungefähr 10
1070
Siehe dazu Steier 1928.
Siehe dazu etwa Plin. nat. 20, 222ff. oder Diosk. 2, 144 Berendes.
1072
Hes. op. 41.
1073
Vgl. auch Theophr. hist. plant. 7, 7, 2.
1074
Horat. carm. 1, 31, 16; epod. 2, 57; Mart. 10, 48, 7.
1075
Kroll 1982 S. 482.
1076
Kroll 1983 S. 79f.
1077
Kroll 1993 S. 171.
1078
Shay/Shay/Kapinga 1998 S. 323 Tab. 11.
1071
209
Mykenische Enährung
Arten im Mittelmeerraum und im Nahen Osten bis hin nach
Indien. Die Pflanzen sind ein- oder mehrjährig und besitzen
grundständige Blätter sowie meist weiße Blüten in Trauben
oder Rispen.
In der klassischen Antike1079 wurde der Asphodill (griech.
/ lat. meist asphodelus), der bereits bei Homer1080
erwähnt wird, vor allem als Heilpflanze geschätzt.1081 Bereits
Hesiod1082 berichtet aber, daß man ihn verzehrte, auch
Theophrast1083 bezeichnet ihn als eßbar, und Plinius schreibt
nicht nur, daß man sowohl die Samen als auch die Zwiebeln
geröstet oder ihn gemeinsam mit Feigen zerstoßen hat,1084
sondern er erwähnt ebenfalls ein aus Asphodill bereitetes
Brot.1085
Für die Bronzezeit ist der Asphodill in Tiryns belegt.1086 Er
wurde wohl hauptsächlich zu Nahrungszwecken verwendet,
möglicherweise kam er aber auch schon in der Medizin zum
Einsatz.
6. 3. 25. Kapern
Der Kapernstrauch1087 (Capparis spinosa)1088 gehört zur
Familie der Capparaceae. Seine Heimat liegt in Süd- und
Westkleinasien sowie im Mittelmeerraum. Es handelt sich um
1079
Zum Asphodill in klassischer Zeit siehe Wagler 1896.
Hom. Od. 11, 539; 11, 573; 24, 13.
1081
Vgl. Plin. nat. 22, 67-72.
1082
Hes. op. 41.
1083
Theophr. hist. plant. 7, 12, 1; 7, 13, 3.
1084
Plin. nat. 21, 108.
1085
Plin. nat. 22, 67.
1086
Kroll 1982 S. 482.
1087
Siehe dazu Küster 1997 S. 99f.
1088
Auch die Art Capparis ovata kommt als Lieferant für Kapern in Frage.
Siehe dazu Thüry/Walter 1997
S. 51f. bes. Anm. 114.
1080
210
6. Gemüse und Gewürze
einen bis zu meterhohen Strauch mit runden Blättern und
kleinen Stacheln. Die auffallend großen Blüten weisen eine
rosa Färbung auf. Die samenreichen Früchte der Pflanze
werden bis zu fünf Zentimeter groß, nicht diese sind aber das
bekannte Gewürz, sondern die noch geschlossenen
Blütenknospen. Die Knospen läßt man nach der Ernte welken,
dann werden sie in Salz, Essig oder Öl eingelegt.
In klassischer Zeit war die Kaper ein übliches Gewürz, 1089
Apicius etwa gab sie kleingeschnitten in eine Art von
Fleischsalat.1090 Für die Bronzezeit in Griechenland ist der
Kapernstrauch nur ikonographisch belegt, er konnte als Motiv
der minoischen Kunst identifiziert werden.1091 Funde von
Kapern stammen allerdings aus dem Schiffswrack von Ulu
Burun.1092 Es ist daher anzunehmen, daß man bereits in der
Bronzezeit die Kaper als Gewürz geschätzt und in der Küche
verwendet hat.
6. 4. Weitere mögliche Gemüse- und Gewürzpflanzen
Weiters zu nennen ist der ebenfalls in Tiryns belegte
Natterkopf1093 (Echium sp.), der als Salat und Gemüse, aber
auch als medizinische Droge und als Farblieferant gedient
haben könnte. Vor allem in der Medizin kamen wohl auch das
in Kastanas gut belegt Eisenkraut (Verbena officinalis), das
Bilsenkraut (Hyoscyamus sp.) sowie der Edelgamander
(Teucrium chamaedrys) zur Anwendung.1094 Bilsenkraut fand
sich ebenfalls in Kalapodi, desgleichen Johanniskraut
1089
Vgl. etwa Gal. 6, 615 Kühn; Diosk. 2, 204 Berendes; Plaut. curc. 90;
Colum. 12, 7, 1; Plin. nat. 13, 127; Mart. 3, 77, 5.
1090
Apic. 4, 1, 1.
1091
Möbius 1933 S. 20.
1092
Knapp 1991 S. 27; Haldane 1993 S. 352.
1093
Kroll 1982 S. 482.
1094
Kroll 1983 S. 80f.
211
Mykenische Enährung
(Hypericum sp.), das ebenfalls vielfach als Heilpflanze
gesammelt wurde.1095 Verkohlte Früchte einer Feldsalatart
(Valerianella sp.) stammen aus Kastanas, ihre Nutzung läßt
sich archäologisch natürlich nicht nachweisen.1096 Der
Fuchsschwanz (Amaranthus) ist in Midea1097 belegt, dieses
heute vor allem als Zierpflanze beliebte Gewächs kann auch in
der Ernährung Verwendung finden. Karotten scheinen
ebenfalls in Kastanas1098 belegt zu sein, wenngleich die dort in
der Übergangsschicht 11 gefundenen Reste zu schlecht
erhalten sind, um sie sicher nachzuweisen. Wacholderbeeren,
die auch in der römischen Küche verwendet wurden,1099
fanden sich in einem Gefäß in Mallia.1100
Ob es sich bei einer auf mehreren minoischen und
mykenischen Siegelringen abgebildeten Pflanze um das in der
Antike als Gemüse, Gewürz und Heilmittel verwendete und
nur aus der Kyrenaika bekannte Silphion handelt,1101 ist
meines Erachtens recht fraglich. Auch in den kretischen
Hieroglyphen hat man jedenfalls ein Zeichen für Silphion
erkennen wollen.1102 Silphion, das in der gehobenen Küche
Griechenlands in klassischer Zeit eine unentbehrliche Rolle
spielte, wurde aber nie anderswo heimisch. Versuche, es in
verschiedenen Gegenden des Mittelmeeres anzupflanzen,
scheiterten sämtlich.1103
Unklar bleibt auch, ob sich die Berufsbezeichnung te-u-ta-rako-ro auf PY An 424.1 und PY Eo 276.1 möglicherweise als
*, als „Sammler von Roten Rüben“,
1095
Kroll 1993 S. 172.
Kroll 1983 S. 96.
1097
Shay/Shay/Kapinga 1998 S. 320 Tab. 8.
1098
Kroll 1983 S. 136.
1099
Z. B. Apic. 8, 4, 2.
1100
Sarpaki 2001 b S. 231.
1101
Siehe dazu: Kandeler 1998.
1102
Vickery 1936 S. 51.
1103
Dalby 1998 S. 128 f, 321 Anm. 199.
1096
212
6. Gemüse und Gewürze
interpretieren läßt.1104 Sollte diese Interpretation zutreffen, so
wurden die Roten Rüben wohl nicht nur als Nahrungsmittel,
sondern auch als Färbestoff verwendet.
Neben anderen Arten weisen die Gurke, , der
Knoblauch, , der Zicherie, , die Saat-Karotte
oder die Pastinake, ,1105und der Lauch, , wie
durch ihre vorgriechischen Namen nahegelegt wird, wohl ein
hohes Alter auf.1106 Die aus dem Namen des Lauches
abgeleitete Bezeichnung für das Gemüsebeet läßt
überdies erahnen, wie selbstverständlich und bevorzugt diese
Pflanze bereits zur Zeit Homers war.
Einen Eindruck von der Vielfalt verschiedenster Gemüse, von
denen etliche wohl schon in prähistorischer Zeit verzehrt
wurden, vermitteln die Quellen aus klassischer Zeit,1107 so
etwa die Liste von Pflanzen, die sich bei Theophrast1108 findet
und beispielsweise Kohl, Rüben, Rettiche, Mangold, Melde,
Lauch, Knoblauch, Gurke und andere Gemüsesorten
beinhaltet.
1104
Siehe dazu: Aura Jorro 1993 S. 343f.
Die Deutung als Saatkarotte ist umstritten.
1106
Richter 1968 S. 124f.
1107
Siehe dazu: Dalby 1998 S. 123ff.
1108
Theophr. hist. plant. 7, 1.
1105
213
7. Fleisch
7. Fleisch
7. 1. Einleitung
Fleisch bildete einen wichtigen Bestandteil der Ernährung im
prähistorischen
Griechenland.
Die
biochemische
Untersuchung des menschlichen Skelettmaterials zeigt
deutlich, daß tierische und pflanzliche Ernährung meist in
einem ausgewogenen Verhältnis zueinander standen.1109
Nähere
Erkenntnisse
zur
Zusammensetzung
der
Fleischnahrung in der späten Bronzezeit lassen sich am besten
durch die Analyse der Tierknochenfunde von archäologischen
Ausgrabungen gewinnen.1110 Es sollen daher im folgenden die
Funde von vier Fundstellen, nämlich von Pylos, Tiryns,
Kastanas und der Magula Pevkakia vorgestellt werden. Als
Vergleich sollen neben den früh- und mittelhelladischen
Knochenfunden aus Lerna vor allem die spätmykenischen
Tierknochenreste aus Kalapodi dienen. Ein Ausblick auf die
Nutzung der tierischen Nahrungsmittelressourcen in
klassischer Zeit sowie die – in dieser Hinsicht etwas magere –
Evidenz der Linear B-Tafeln sollen das so gewonnene Bild
schließlich abrunden.
1109
Siehe Kap. 2.
Zu Grundlagen und Methodik der Auswertung von Tierknochenfunden
siehe Kap. 1. 2. 3.
1110
215
Mykenische Enährung
7. 2. Funde von Tierknochen
7. 2. 1. Knochenfunde aus Pylos
Aus dem Palast von Pylos1111 stammen aus der späten
Bronzezeit1112 19.821 Knochenreste, von denen 6.109
tierartlich bestimmt werden konnten. Davon entfallen 5.855
(95,8%) auf Haustiere und 251 (4, 1%) auf Wildtiere.1113 Geht
man von der Mindestindividuenzahl (MIZ) aus, so kommt man
für die Haustiere auf 349 (90,2%) und für die Wildtiere auf 38
(9,8%) Individuen. Die Fleischversorgung wurde also
überwiegend von Haussäugetieren gedeckt, die Jagd hatte aber
mit einem Wildtieranteil von 9,8% nach der MIZ eine gewisse
Bedeutung.
Die Haustiere sind durch Rind, Schaf, Ziege, Schwein, Pferd
und Hund vertreten, unter den Wildtieren ließen sich
Rothirsch, Reh, Wildschwein, Ur, Feldhase, Löwe, Braunbär,
Rotfuchs, Dachs, Igel, sowie Habicht und Steinhuhn, Fische
und zahlreiche Weichtierarten nachweisen.
Nach der MIZ stehen die kleinen Wiederkäuer Schaf und
Ziege (53,6%) an erster Stelle,1114 gefolgt vom Schwein
(31,8%) und vom Rind (11,5%). Nimmt man die reinen
Knochenfundzahlen, so entfallen 2.758 auf Schaf und Ziege,
1.861 auf das Schwein und 1.193 auf das Rind. Damit gehören
3.951 (67,5%) aller bestimmbaren Reste von Tierknochen zu
den großen und kleinen Wiederkäuern.
Der relative Fleischkonsum der damaligen Bevölkerung wird
durch diese Angaben natürlich nicht objektiv erfaßt, da die
1111
Zu den Tierknochenfunden aus Pylos siehe: Nobis 1991, Nobis 1993.
Eine genauere chronologische Differenzierung des Fundmaterials war in
Pylos nicht möglich, die Gesamtheit der Knochenfunde muß daher grob mit
späthelladisch datiert werden.
1113
3 der untersuchten Knochenreste (0,1 %) stammten vom Menschen.
1114
Schaf und Ziege lassen sich im Knochenmaterial nur schwer
unterscheiden, sie werden daher meist gemeinsam aufgeführt.
1112
216
7. Fleisch
verschiedenen Tiere unterschiedliche Fleischmengen lieferten.
Das Schlachtgewicht der Rinder betrug im Durchschnitt etwa
100 kg/Individuum, während das der Schweine bei 40
kg/Individuum und das von Schafen nur bei ca. 20
kg/Individuum lag. Bei mindestens 40 Rindern kommt man
daher auf 4.000 kg Rindfleisch, bei 187 Schafen und Ziegen
auf 3.740 kg Fleisch und bei 111 Schweinen auf 4.440 kg
Schweinefleisch. Von den insgesamt mindestens 12.180 kg
produziertem Fleisch stammen also 32,8% vom Rind, 30,7%
von Schaf und Ziege und 36,5% vom Schwein.
Der Anteil von Wildtieren an den Knochenresten ist mit 4,1%
in Pylos relativ gering. Errechnet man die Fleischmenge, so
entfallen von insgesamt 14.700 kg auf Wildtiere 2.550 kg, was
einen prozentuellen Anteil von 17,4% ergibt. Dabei erbrachten
der Rothirsch 1.600 kg, das Wildschwein 900 kg und der
Feldhase 54 kg.
7. 2. 2. Tierknochenfunde aus Tiryns
Rind, Schaf, Ziege und Schwein stellen auch in Tiryns1115 den
größten Anteil der Funde. Statistisch untereinander
vergleichbar sind nur die Epochen ab SH III B 2, die davor
liegenden Zeitstufen konnten nur unzureichend erfaßt
werden.1116 Rinder sowie Schafe und Ziegen streiten sich dabei
um den ersten Rang, das Schwein liegt stets an dritter Stelle.
So machen in SH III B 2 die Knochen von Schafen und Ziegen
40,8% der Knochenfunde von Haussäugetieren aus, Rinder
35% und Schweine 21%. In SH III C Früh liegen die Werte
bei 46,1% für die Schafe und Ziegen, 31,3% für die Rinder
und 19,7% für die Schweine. In SH III C Entwickelt
1115
Siehe zu Tiryns: von den Driesch/Boessneck 1990.
Von insgesamt 60.192 Tierresten entfallen 20.068 auf die Periode SH III
B2, 7.847 auf SH III C Früh, 18.412 auf SH III C Entwickelt und 5009 auf
SH III C Spät.
1116
217
Mykenische Enährung
übernehmen dann die Rinder mit einem Anteil von 38,8% die
Führung, es folgen Schafe und Ziegen mit 37,2% und die
Schweine mit 21,5%. In SH III C Spät ergeben sich dann
41,2% Rinder, 26,2% Schafe und Ziegen und 19,4%
Schweine.1117
Die Kartierung der Tierknochen im Gelände zeigte, daß Reste
von Schafen, Ziegen, Rindern und Schweinen sowohl im
Abfall von Kulthandlungen als auch im gewöhnlichen
Küchenabfall vorkommen. In archäologisch identifizierten
Wohnräumen überwiegt allerdings das Rind, und Jagdwild
kommt exklusiv dort vor. In SH III C tauchen dann auch
Pferdeknochen unter den Speiseabfällen um die
Küchenanlagen der Häuser auf.1118
Aussagekräftiger als die reinen Knochenfundstückzahlen sind
die Gewichte der Haustierknochen, da sie die Tiergröße und
damit die Fleischmenge besser zum Ausdruck bringen. Für
Tiryns ergeben sich in SH III B 2 folgende Werte: Rind
55,5%, Schaf und Ziege 22,2%, Schwein 17,7%. Auch in SH
III C bleibt dieses Verhältnis in etwa gleich.1119 Man sieht, daß
mehr als die Hälfte des verzehrten Haustierfleisches vom Rind
kam und daß die kleinen Wiederkäuer und das Schwein
annähernd gleichrangig waren.
Wildtiere machen in Tiryns in SH III B nur 2,2% der
Knochenfunde aus.1120 Es fanden sich Reste von Rothirsch,
Damhirsch, Reh, Wildschwein, Rotfuchs, Braunbär, Dachs,
Fischotter, Steinmarder, Mauswiesel, Löwe, Luchs, Wildkatze,
Mönchsrobbe, Igel, Hase sowie Westblindmaus, letztere ist
aber als Rest natürlicher Thanatocoenose anzusehen.
1117
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 93.
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 94.
1119
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 94.
1120
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 92 Tab. 4.
1118
218
7. Fleisch
7. 2. 3. Tierknochenfunde aus Kastanas
Als Vergleich zu den Funden aus den Palästen von Pylos und
Tiryns soll nun kurz das Tierknochenfundmaterial zweier
nicht-palatialer Fundstätten, nämlich aus Kastanas und der
Magula Pevkakia, vorgestellt werden. Beginnen wir zunächst
mit dem außerhalb des mykenischen Kernlandes liegenden
Siedlungshügel von Kastanas in Makedonien.1121 Auch hier
bestimmen in der Spätbronzezeit1122 (Schichten 19-14a) die
Haustiere das Bild (70% nach der Mindestindividuenzahl).1123
Rind (15,4%), Schwein (22,8%), Schaf und Ziege (33,4%)
stehen, berechnet man ihre relative Häufigkeit auf Grundlage
der Knochenzahl, fast gleichrangig nebeneinander, auch Pferd
und Esel (2,6%) sowie der Haushund (2,4%) gehören zum
festen Haustierbestand.1124 Auf Grundlage der Mindestindividuenzahl kommt man zu ähnlichen Ergebnissen:
Hausrind 9,5%, Hausschwein 18,9%, Schaf und Ziege
31,4%.1125 Nimmt man dagegen das Knochengewicht als
Grundlage, so ergeben sich folgende Werte: Hausrind 27,5%,
Hausschaf und Hausziege 18,4%, Hausschwein 19,4%.1126
Am Ende der späten Bronzezeit traten hier einschneidende
Veränderungen auf. Die Körpergröße der Haustiere verringerte
sich auf ein Minimum. Es wurden vermehrt Jungtiere
geschlachtet. Die Tierknochen wurden wesentlich intensiver
fragmentiert als in allen anderen Besiedlungsperioden, was für
1121
Siehe dazu: Becker 1986.
Insgesamt wurden etwa 90.000 tierische Reste gefunden, davon 69.868
Reste von Säugetieren, 287 von Vögeln, 104 von Fischen, 786 von
Schildkröten und etwa 19.000 von Mollusken. 44.561 Reste ließen sich
genau einer Schicht zuweisen, 16.984 zumindest einer Siedlungsperiode.
Den Schichten 19-14a, die in die späte Bronzezeit gehören, konnten 7.956
Tierreste zugeordnet werden. Siehe dazu Becker 1986 S. 18, 24, 239.
1123
Becker 1986 S. 248 Tab. 111.
1124
Becker 1986 S. 338 Tab. VIII.
1125
Becker 1986 S. 339 Tab. IX.
1126
Becker 1986 S. 339 Tab. X.
1122
219
Mykenische Enährung
einen häufigeren Verzehr des Knochenmarks und des Gehirns
spricht.
Besonders zu beachten ist in Kastanas der große Anteil von
Wildtieren, unter denen sich in der späten Bronzezeit
Damhirsch, Rothirsch, Reh, Wildschwein, Rotfuchs, Biber,
Feldhase, Fischotter, Dachs, Marder und Wildkatze fanden.
Am bedeutendsten war hier der Damhirsch (10,6% nach der
Knochenfundzahl,1127
11,5%
auf
Grundlage
des
Knochengewichtes1128), gefolgt vom Rothirsch (5,6% nach der
Knochenfundzahl,1129 10,9% nach dem Knochengewicht1130)
und dem Wildschwein (2,6% nach der Knochenfundzahl,1131
4,1% nach dem Knochengewicht1132).
7. 2. 4. Tierknochenfunde aus der Magula Pevkakia
Eine weitere nicht-palatiale Fundstelle, die hier vorgestellt
werden soll, ist die Magula Pevkakia in Thessalien.1133 Hier
beträgt der Anteil von Haustieren im Knochenfundmaterial aus
der mykenischen Zeit1134 nach der MIZ 85,5%, der Anteil von
Wildtieren 14,5%. Geht man vom Knochengewicht aus,
betragen die Werte 82,7% und 17,3%.1135 Während der ganzen
Besiedlungsdauer, also ab dem Neolithikum, wurden Rinder,
Schafe, Ziegen, Schweine und Hunde gehalten, Pferde und
Esel erst ab der mykenischen Zeit. Während die Fundzahlen
1127
Becker 1986 S. 338 Tab. VIII.
Becker 1986 S. 339 Tab. X.
1129
Becker 1986 S. 338 Tab. VIII.
1130
Becker 1986 S. 339 Tab. X.
1131
Becker 1986 S. 338 Tab. VIII.
1132
Becker 1986 S. 339 Tab. X.
1133
Zu den Knochenfunden der Magula Pevkakia: Jordan 1975; Amberger
1979; Hinz 1979.
1134
Insgesamt wurden hier gut 21.000 Knochenreste gefunden, auf die
mykenische Periode entfielen 2.131 Reste (10,1%): Jordan 1979 S. 5.
1135
Hinz 1979 S. 114 Tab. 20.
1128
220
7. Fleisch
für Rinder (31,2%), Schweine (28,7%) sowie Schafe und
Ziegen (35,4%) in der späten Bronzezeit annähernd gleiche
Ergebnisse bringen, ergeben die Mindestindividuenzahlen ein
Überwiegen von Schafen und Ziegen (42,4%) gegenüber
Schweinen (23,7%) und Rindern (16,9%).1136 Bei den für die
Ermittlung der Wertigkeit der einzelnen Tiere für die
Ernährung relevanteren Knochengewichten wird die
überragende
Bedeutung des
Rindes
(53,5%) als
Fleischversorger vor dem Schwein (24,2%) und Schafen und
Ziegen (22,3%) deutlich.
Das vorherrschende Großwild war der Rothirsch, der fast den
überwiegenden Teil des Wildtierknochenmaterials ausmacht,
weiters fanden sich Wildschwein, Ur, Reh und Damhirsch
sowie Wolf, Rotfuchs, Wildkatze, Braunbär, Edelmarder,
Steinmarder, Feldhase, Igel, Luchs und Dachs.
7. 2. 5. Tierknochenfunde aus Kalapodi
Im Artemis- und Apollonheiligtum von Kalapodi1137 in der
Phokis wurden insgesamt 19.418 Tierreste gefunden. Davon
datieren 9.393 Reste – das sind 48,4% des Gesamtmaterials –
in SH III C und Submykenisch.1138 Damit gehören die
Tierreste aus Kalapodi in eine Periode, die eigentlich später als
der in dieser Arbeit betrachtete Zeitraum liegt. Dennoch kann
uns das Faunenmaterial von dieser Fundstelle als wertvolles
Vergleichsmaterial dienen. Natürlich gilt es zu beachten, daß
es sich bei dieser Fundstelle um keine Siedlung, sondern –
vielleicht schon in prähistorischer Zeit, sicher aber seit dem 9.
Jh. v. Chr. – um ein Heiligtum handelt. Die Tierreste aus
Kalapodi werden vom Bearbeiter zum überwiegenden Teil als
1136
Hinz 1979 S. 115 Tab. 21.
Zu den Tierknochenfunden von Kalapodi siehe Stanzel 1991.
1138
Zur Zusammensetzung des Materials siehe Stanzel 1991 S. 14ff.
1137
221
Mykenische Enährung
Abfall
von
Opfermahlzeiten
angesprochen.
Das
Knochenmaterial ist recht kleinteilig und zu einem großen Teil
angebrannt, verbrannt oder kalziniert. Viele Tierreste konnten
daher weder tierartlich noch anatomisch bestimmt werden.
Bedauerlicherweise konnte an dieser Fundstelle weder die
MIZ berechnet werden, noch wurden die Knochen gewogen.
Es bleiben für die Auswertung dieser Fundstelle daher nur die
reinen Knochenfundzahlen.
Von den 9.393 Knochenresten aus SH III C/Submykenisch
stammen 8.993 von Säugetieren, 8 von Vögeln, 316 von
Schildkröten, 11 von Fischen und 65 von Mollusken.1139 Von
den 8.993 Säugetierknochen sind 5.959 von Haussäugetieren
und 547 von Wildsäugetieren. 6.506 Säugerknochen konnten
nicht näher bestimmt werden. Bei den Haussäugetieren
kommen Schaf und Ziege mit 4.487 Knochenresten am
häufigsten vor, gefolgt vom Rind mit 978 Resten und dem
Schwein mit 438 Resten. Des weiteren stammen 46 Reste vom
Hund, 3 vom Pferd und 3 vom Esel. Dazu kommen 4
unbestimmte Equidenreste.1140
Bei den Wildsäugetieren dominiert mit 443 Resten eindeutig
der Rothirsch, gefolgt vom Damhirsch (51 Reste), dem Hasen
(20 Reste), dem Igel (9 Reste) und dem Wildschwein (8
Reste). Außerdem fanden sich Reh, Fuchs, Löwe, Bär,
Wildkatze und unbestimmte, kleine Raubtiere.1141
Schon bei dieser groben Gegenüberstellung der einzelnen
Fundorten treten einige Aspekte klar zu Tage. So steht das
Rind als Fleischlieferant meist an erster Stelle, um den zweiten
Rang streiten sich Schweine sowie Schafe und Ziegen. Der
Anteil von Wildtieren in der Ernährung schwankt stark. Er ist
im Norden Griechenland deutlich höher als auf der
Peloponnes. Um ein detaillierteres Bild der Nutzung der
1139
Siehe dazu Stanzel 1991 S. 15 Tab. 1.
Siehe dazu Stanzel 1991 S. 15 Tab. 2.
1141
Siehe dazu Stanzel 1991 S. 16 Tab. 2.
1140
222
7. Fleisch
tierischen Ressourcen zu gewinnen, werden im folgenden die
Tiere in Einzeldarstellungen betrachtet.
7. 3. Die Tiere in Einzeldarstellungen
7. 3. 1. Haustiere und ihre Stammformen
7. 3. 1. 1. Hausrind und Ur
Das Hausrind1142 (Bos taurus) gehört zu den Bovidae und
stammt vom eurasischen, großhörnigen Ur (Bos primigenius)
ab. Die Domestikation der langhornigen Wildrinder erfolgte
wohl zwischen 10.000 und 8.000 v. Chr. in Zentralasien und
gegen 7.000-6.000 v. Chr. im Vorderen Orient. Im Laufe des
3. Jt. verbreiteten sich verschiedene Rassen des Hausrindes in
Europa. In klassischer Zeit existierten Bestände von
Wildrindern noch in den Waldregionen des östliches
Mittelmeerraumes1143 sowie in Mitteleuropa.1144
Das Hausrind ist vielseitig nutzbar und sehr anpassungsfähig,
daher gehört es zum permanenten Inventar der
Haustierbestände in fast allen Teilen des vor- und
frühgeschichtlichen Europa. Zu Lebzeiten liefert das Rind
Milch und Jungtiere, sein Mist ist als Brennstoff oder Dünger
verwendbar. Die größte wirtschaftliche Bedeutung hatte das
Rind aufgrund seiner Arbeitsleistung als Zugtier, besonders
vor dem Pflug. Es zog auch Wägen und diente zum Austreten
der Körnerfrucht auf der Tenne. Das Rind entwickelt eine
Zugkraft von ungefähr 588,6 N bei einer Geschwindigkeit von
0,6-0,7 m/s. Hervorzuheben ist auch die Ausdauer von
Ochsen, ein Ochsengespann arbeitet nicht selten
1142
Siehe dazu Benecke 1994 S. 260ff.; Jameson 2001; Raepsaet 2001.
Varro rust. 2, 1, 5.
1144
Caes. Gall. 6, 28.
1143
223
Mykenische Enährung
ununterbrochen neun oder gar zehn Stunden. In
geschlachtetem Zustand sind das Fleisch und das Fett, die
Häute, Sehnen und Knochen, das Knochenmark, das Gehirn
und das Horn als Nahrungsmittel bzw. als Rohstoff beliebt und
wertvoll.1145 Am Beginn der Rinderhaltung in Vorderasien
stand wohl die Fleischerzeugung im Vordergrund.1146
Das wilde Ur (Bos primigenius) ist bis in die Bronzezeit in
eingeschränktem Maße präsent. In Pylos1147 etwa liegen 3
Reste eines Individuums vor. In der Magula Pevkakia1148 und
in Kastanas1149 deuten wenige Reste auf starke Urstiere und –
kühe hin. Weitere Funde stammen aus Kreta, und zwar aus
Knossos1150 und Chania.1151
Die Werte für das domestizierte Rind sind oft in der selben
Zeitstufe sehr variabel. So machen im frühen Neolithikum in
Agios Petros Rinderknochen 1,8% des Fundmaterials aus, in
Argissa 4,7%, in Prodromos allerdings 23% und in Sitagroi
sogar 27,2%.1152 Während der Frühbronzezeit betragen die
Werte für domestizierte Rinder in Myrtos 1,5%, in Pentapolis
dagegen 37% und in Kastanas 34,7%.1153 Die Inseln weisen
die ganze Bronzezeit über einen vergleichsweise geringen
Anteil an Rinderknochen auf, der 17% nie überschreitet.1154
In der Spätbronzezeit nimmt das Rind in Pylos nach der MIZ
den dritten Rang (11,5%) unter den Haustieren ein, nach dem
Schlachtgewicht allerdings den zweiten (32,8%).1155 In Tiryns
belegten in SH III B Rinder nach den Knochenfundzahlen die
1145
Raepsaet 2001.
Benecke 1994 S. 267.
1147
Nobis 1993 S. 158.
1148
Jordan 1975 S. 130f.; Amberger 1979 S. 47ff.
1149
Becker 1986 S. 99f.
1150
Nobis 1989; Nobis 1990.
1151
Persson 1993.
1152
Diese Werte entnommen aus Trantalidou 1990 S. 396 Tab. 1.
1153
Siehe dazu Trantalidou 1990 S. 398 Tab. 2.
1154
Trantalidou 1990 S. 400.
1155
Nobis 1993 S. 153 Tab. 2 und S. 156.
1146
224
7. Fleisch
zweite Stelle (35%), nach dem Knochengewicht allerdings die
erste (55,5%).1156 In Kastanas steht das Rind bezogen auf das
Knochengewicht (27,5%) an erster Stelle, nach der
Mindestindividuenzahl (9,5%) an dritter.1157 Auch in der
Magula Pevkakia ist das Rind nach der MIZ nur an dritter
Stelle (16,9%) zu finden, nach dem Knochengewicht
allerdings an erster (53,5%).1158 In Kalapodi belegt das Rind
mit 16,4% der Haussäugetierknochen in SH III
C/Submykenisch
den
zweiten
Rang
bei
den
Knochenfundzahlen.1159
Allgemein ist also zu sagen, daß unter Berücksichtigung
lokaler Unterschiede – etwa der möglicherweise etwas
größeren Bedeutung der Schweinehaltung in Messenien –
Rinder zwar, was die Anzahl der gehaltenen Tiere betrifft,
hinter Schweinen, Schafen und Ziegen zurückstanden, in der
Ernährung aber aufgrund der großen Fleischmenge, die ein
Tier produziert, meist die wichtigsten Fleischlieferanten
waren.
Die Widerristhöhe1160 der pylischen Rinder variiert von 97,5
bis 112 cm.1161 Die Pylosrinder waren somit ausgesprochen
klein und zeichneten sich auch durch eine gewisse
Schlankwüchsigkeit aus. Die Rinder von Tiryns1162 waren mit
einer Widerristhöhe von knapp 1 bis gut 1,15 m ebenfalls recht
klein und entsprachen etwa den mykenischen Rindern der
Magula Pevkakia.1163 Die Widerristhöhe der Rinder in
1156
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 93f.
Becker 1986 S. 339 Tab. IX und X.
1158
Hinz 1979 S. 115 Tab. 21.
1159
Stanzel 1991 S. 44.
1160
Die Widerristhöhe heutiger Rinder variiert je nach Rasse, sie liegt bei
Kühe des etwas kleineren Jersey- Rindes etwa bei 120 cm, bei Kühen des
Hereford-Rindes bei 125 cm oder bei Kühen des Holstein-Friesian-Rindes
bei 134 cm. Siehe dazu Benecke 1994 S. 279.
1161
Nobis 1993 S. 158.
1162
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 100.
1163
Amberger 1979 Tab. 7.
1157
225
Mykenische Enährung
Kastanas liegt zwischen 102,4 und 117,4 cm (Durchschnitt:
110 cm),1164 damit sind sie deutlich kleiner als die Rinder der
frühen und mittleren Bronzezeit an der selben Fundstelle,
gleichzeitig aber größer als die Rinder aus Pylos. Die Rinder
aus Kalapodi waren klein und von schlankem Wuchs. Sie
entsprachen damit den Rindern der übrigen Fundstellen.1165
In Tiryns,1166 Lerna,1167 der Magula Pevkakia1168 und
Kastanas1169 ist eine kontinuierliche Größenabnahme der
Rinder seit Beginn der Bronzezeit erkennbar, ein wohl
inzuchtbedingter Prozeß. Möglicherweise wurde diesem
Prozeß durch das Einkreuzen von Uren entgegengewirkt,
wodurch großwüchsige Bastarde entstanden, deren
Knochenmaße zwischen Ur und Hausrind in einem
Übergangsfeld lagen. Ein solches Übergangsfeld ist in Pylos
bei einigen wenigen Resten angedeutet, auch in Lerna und
Kastanas gibt es diesbezügliche Hinweise, während diese in
der Magula Pevkakia gänzlich fehlen.1170
Von Bedeutung zur Beurteilung der Fleischwirtschaft ist auch
das Schlachtalter. In Pylos wurden offensichtlich nur wenige
Kälber geschlachtet, die Mehrzahl der Tiere wurde im Alter
zwischen 3,5 und 8 Jahren getötet, sieben Rinder wurden sogar
über 10 Jahre alt. Insgesamt entsteht so der Eindruck von
„Mehrnutzungsrindern“, die auch als Milchlieferanten sowie
als Arbeitstiere gebraucht wurden.1171 Die meisten Rinder in
Tiryns wurden im besten Alter, nämlich 2–4-jährig
geschlachtet,1172 man fand aber auch einige ältere Tiere, die
1164
Becker 1986 S. 35 Tab. 8.
Stanzel 1991 S.48.
1166
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 100.
1167
Gejvall 1969 S. 29ff.; 79ff.
1168
Amberger 1979 S. 27ff.
1169
Becker 1986 S. 34f.
1170
Nobis 1993 S. 158ff.
1171
Nobis 1993 S. 154.
1172
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 96.
1165
226
7. Fleisch
wohl längere Zeit als Milch- oder Arbeitstiere genutzt worden
waren. In Kastanas wurden 53,4% der Rinder vier Jahre oder
älter.1173 Auch in der Pevkakia Magula liegen mehr Knochen
adulter als junger Rinder vor.1174 In Kalapodi sind nur wenig
Knochen auswertbar. Immerhin weisen 4 Fundstücke Kälber
nach, die im Alter von nur wenigen Monaten geschlachtet
wurden. Gelegentlich wurden aber auch ältere Rinder
geschlachtet, so weist ein Oberkieferfragment aus der Phase
SH III C auf ein über 8 Jahre altes Rind hin.1175
Die Hornzapfenreste aus Pylos zeigen, daß sowohl Kühe und
Bullen als auch Ochsen geschlachtet wurden.1176 In Tiryns
überwiegen Kühe, was Milchnutzung nahelegt. Es fällt aber
auch der relativ hohe Prozentsatz von Stierknochen auf, was
darauf hindeutet, daß Rinder zur Arbeit herangezogen wurden.
Möglich wäre natürlich auch, daß sich hier eine Bevorzugung
von Bullenfleisch im Kult und im täglichen Gebrauch
erkennen läßt. In einigen Fällen lassen sich bei Rindern
Kastrationen feststellen.1177 Die Geschlechterbestimmung in
Kastanas war nicht unproblematisch, es sind im Fundgut aber
wohl mehr Kühe als Stiere vertreten.1178 Auch in der Magula
Pevkakia fanden sich mehr weibliche als männliche Tiere.1179
In Kalapodi ließen zu wenige Fundstücke die
Geschlechtszugehörigkeit erkennen, um hier allgemeine
Aussage treffen zu können.1180
Die stark fragmentierten Knochen in Kastanas1181 belegen den
häufigen Verzehr von Rindfleisch sowie die Nutzung des
1173
Becker 1986 S. 31 Tab. 5.
Hinz 1979 S. 111.
1175
Stanzel 1991 S. 46.
1176
Nobis 1993 S. 158.
1177
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 98f.
1178
Becker 1986 S. 35f.
1179
Hinz 1979 S. 111.
1180
Stanzel 1991 S. 46.
1181
Becker 1986 S. 33.
1174
227
Mykenische Enährung
Knochenmarks und des Rinderhirns. Ritzspuren belegen
weiters das Abziehen und Weiterverwenden der Haut,
Hackspuren machen die Gewinnung von Horn wahrscheinlich.
Veränderungen an den Distalenden einiger Metacarpen aus
Tiryns,1182 deren Rollen medial und lateral verbreitert waren,
sprechen für Zugarbeit der Rinder.
7. 3. 1. 2. Hausschaf und Hausziege
Das Schaf1183 (Ovis aries) gehört mit der Ziege zu den ältesten
Wirtschaftstieren des Menschen und wurde wohl bereits am
Ende des 9. Jt. v. Chr. in den Bergregionen Südwestasiens
domestiziert. Die Hausschafe stammen von Wildschafen der
Gattung Ovis ab, die in einer großen Formenfülle weit
verbreitet sind. Zusammen mit der etwa gleichzeitig
ablaufenden Ziegendomestikation stellt die Domestikation des
Schafes einen wesentlichen Schritt zur Herausbildung der
agrarischen Wirtschaftsweise in der Alten Welt dar.
Ihre Genügsamkeit, die anspruchslose Haltung, die hohe
Reproduktionsleistung und die vielfältige Nutzung haben zur
weiten Verbreitung der Schafe beigetragen. Zu den
wichtigsten Produkten der Schafhaltung gehören Fleisch,
Milch, Wolle und Fell, in einigen Gebieten der Erde werden
Schafe auch als Trage- oder Zugtiere gehalten. In Vorderasien,
dem Entstehungsgebiet der Schafhaltung, wurden Schafe
zunächst ausschließlich für die Fleischgewinnung benutzt. Die
Anfänge der Woll- und Milchnutzung des Schafes sind noch
weitgehend unbekannt. Als die älteste Darstellung eines
Wollschafes gilt eine Statuette vom Tepe Sarab aus der Zeit
um 6.000 v. Chr.,1184 die nächstältesten Belege datieren aber
1182
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 99.
Siehe zum Folgenden: Benecke 1994 S. 228ff.
1184
Benecke 1994 S. 137 Abb. 50.
1183
228
7. Fleisch
erst ins 4. Jt. v. Chr. Die Umwandlung des ursprünglichen
Haarkleides in ein Wollvlies ist das Ergebnis eines langen
Selektionsprozesses. Sumerische Urkunden des 3. Jt. v. Chr.
belegen schließlich, daß Wolle und Milch zu dieser Zeit
wichtigere Produkte der Schafhaltung waren als Fleisch. In
altbabylonischer Zeit gehörte Wolle neben Getreide und Öl zu
den wichtigsten landwirtschaftlichen Produkten.1185
Um 7000 v. Chr. erreichten die ersten Hausschafe Europa.
Dabei handelte es sich um klein- und schlankwüchsige
Haarschafe, deren Gehörn noch weitgehend dem Wildtyp
entsprach. Diese neolithischen Schafe wurden hauptsächlich
zur Fleischerzeugung gehalten, vor allem in Süd- und
Südosteuropa. Gegen Ende des 4. Jt. wurde eine neue, größere
Schafrasse nach Europa eingeführt, wie sich an einem
deutlichen Größenanstieg der Schafe im Vergleich zur
vorhergehenden Epoche zeigt. Hier handelte es sich nun wohl
um Wollschafe, die von Vorderasien zunächst nach
Griechenland kamen. Von dort aus wurden sie später in andere
Teile Europas verbreitet.1186
Schafe werden aus verschiedenen Gründen gehalten. Man
nutzt sowohl ihr Fleisch als auch ihre Wolle und ihre Milch.
Das jeweils wichtigste Produkt bestimmt den Zeitpunkt der
Schlachtung, wobei auch die Ernährungsmöglichkeit der Tiere
eine Rolle spielt. Hält man die Tiere vorwiegend wegen ihres
Fleisches, und ist das Futter gleichzeitig knapp, schlachtet man
die meisten Lämmer im Alter von sechs bis neun Monaten.
Der Schlachttermin liegt im Herbst, da die Jungtiere im
Februar und März geboren werden. Ist ausreichend Futter
vorhanden, werden die Schafe erst im Alter von zwei bis drei
Jahren geschlachtet. Zu diesem Zeitpunkt stehen nämlich
Futterverbrauch und Fleischertrag in einem optimalen
Verhältnis zueinander. Dabei werden hauptsächlich männliche
1185
1186
Benecke 1994 S. 230ff.
Benecke 1994 S. 234.
229
Mykenische Enährung
Tiere jung geschlachtet, da schon wenige Böcke ausreichen,
um den Fortbestand der Herde zu gewährleisten. Ist die Wolle
das hauptsächlich begehrte Produkt, schlachtet man die Böcke
nicht jung, sondern kastriert sie und läßt sie länger leben, da
Hammel mehr und bessere Wolle liefern. Die Wollgewinnung
schlägt sich im Tierknochenfundmaterial daher durch ein
ausgewogenes Geschlechterverhältnis adulter Tiere nieder.1187
Ziegen1188
(Capra
hircus)
kommen
dank
ihrer
Anpassungsfähigkeit
an
unterschiedliche
klimatische
Bedingungen, ihrer Genügsamkeit und ihrer guten
Futterverwertung in nahezu allen Ländern der Erde vor.
Gegenwärtig
werden
95%
aller
Ziegen
in
Entwicklungsländern gehalten, für deren Einwohner die Ziege
oft die einzige Existenzgrundlage darstellt, da sie ein
Mindestmaß an Nahrungsmitteln – Fleisch und Milch –
garantiert. Neben hochwertigen Nahrungsmitteln liefern
Ziegen weitere wertvolle Rohstoffe, wie Felle, Wolle, Haar
und Horn.
Zusammen mit dem Schaf gehört die Ziege zu den ältesten
Haustieren des Menschen. Hausziegen stammen von
Wildziegen der Gattung Capra ab, die mehrere Gruppen
umfaßt. Die dominierende Stellung als Stammform der
Hausziege nimmt aber relativ eindeutig die Bezoarziege
(Capra aegragus) ein. Die ältesten Belege für eine
Domestikation der Ziege stammen aus dem vorderasiatischen
Bergland, aus dem Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds, und
datieren in das 9. Jt. v. Chr. In den Anfängen der
Ziegenhaltung sind Hausziegen wohl hauptsächlich zur
Fleischerzeugung genutzt worden. Die Milchnutzung scheint
erst in späterer Zeit aufgekommen zu sein.1189
1187
Becker 1986 S. 51; Nobis 1993 S. 155.
Siehe zum Folgenden: Benecke 1994 S. 238ff.
1189
Benecke 1994 S. 238ff.
1188
230
7. Fleisch
Nach Europa gelangten die klein- und schlankwüchsigen
Hausziegen im beginnenden Neolithikum. Umfangreiche
Ziegenhaltung läßt sich im prähistorischen Europa vor allem
für die Gebirgsregionen in Südwest- und Südosteuropa
belegen.1190 Domestizierte Schafe und Ziegen tauchten in
Griechenland bereits im akeramischen Neolithikum in großen
Mengen auf. So machen sie in Argissa 83,5% des
Knochenbestandes aus, 65,7% in Sesklo und 74,7% in
Knossos.1191 Diese hohen Anteile nehmen im Laufe der Zeit
etwas ab. So betragen die Werte im frühneolithischen
Achilleion für Schafe und Ziegen 82,6%, im mittleren
Neolithikum fallen Schafen und Ziegen dann auf 73,3%.1192
Auf den Kykladen aber bleiben die Werte für Schafe und
Ziegen durchgehend hoch.
In der späten Bronzezeit sind in Pylos Schafe und Ziegen nach
der MIZ die häufigsten Haustiere (53,6%), nach dem
Schlachtgewicht kommen sie nur an 3. Stelle (30,7%).1193 In
Tiryns nehmen sie nach den Knochenfundzahlen ebenfalls den
ersten Rang ein (40,8%), nach dem Knochengewicht den
zweiten (22,2%).1194 Auch in Kastanas sind in der MIZ Schafe
und Ziegen voran (31,4%), nach dem Knochengewicht aber
nur an dritter Stelle (18,4%).1195 In der Magula Pevkakia
schließlich sind Schafe und Ziegen nach der MIZ ebenfalls an
erster Stelle (42,4%), nach dem Knochengewicht jedoch nur
an dritter (22,3%).1196 In Kalapodi sind Schafe und Ziegen mit
4.487 Resten (75,3% der Haussäugetierreste in SH III
1190
Benecke 1994 S. 244.
Daten aus Trantalidou 1990 S. 396 Tab. 1.
1192
Gimbutas 1974 S. 286.
1193
Nobis 1993 S. 153 Tab. 2 und S. 156.
1194
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 93f. Tab. 5 und 6.
1195
Becker 1986 S. 338f. Tab. VIII und IX.
1196
Hinz 1979 S. 115 Tab. 21.
1191
231
Mykenische Enährung
C/Submykenisch) gleichfalls am häufigsten im Fundmaterial
vertreten.1197
Es läßt sich also festhalten, daß Schafe und Ziegen an allen
Fundorten die am häufigsten belegten Tiere sind. Die Anzahl
der gehaltenen Schafe und Ziegen überstieg stets die der
anderen Haustiere. Ihre geringe Masse läßt sie als
Fleischlieferant aber in den zweiten bzw. meist den dritten
Rang zurücktreten.
Hausschaf und Hausziege sind, wie bereits erwähnt,
osteologisch nur sehr schwer zu unterscheiden. Von den
wenigen vollständig erhaltenen Metapodien ergibt sich für
Pylos1198 ein Verhältnis zwischen Schafen und Ziegen von 2,5
: 1. In Tiryns gehörten in den Fällen, wo eine Unterscheidung
möglich war, 3.276 Knochen definitiv zum Schaf und 1.055
definitiv zur Ziege, das ergibt also ein Mengenverhältnis von 3
: 1.1199 Das gleiche Verhältnis liegt in der Magula Pevkakia1200
und in den Schichten 14a-19 in Kastanas1201 (3 oder 4 : 1) vor.
Insgesamt
scheint
also
die
Schafhaltung
im
spätbronzezeitlichen
Griechenland
gegenüber
der
Ziegenhaltung von größerer Bedeutung gewesen zu sein. In
Kalapodi ist das Verhältnis von Schafen zu Ziegen in SH III
C/Submykenisch ausgewogen (4,4 : 4,2), in späteren Perioden
fanden sich sogar etwas mehr Ziegen- als Schafknochen.1202
Dies könnte möglicherweise daran liegen, daß man der
Artemis vorzugsweise Ziegen opferte.1203
Die Größe der sicher bestimmbaren Schafe in Pylos1204 variiert
zwischen 54,8 und 63 cm. Im Durchschnitt beträgt ihre
1197
Stanzel 1991 S. 20 Tab. 3.
Nobis 1993 S. 160.
1199
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 93.
1200
Amberger 1979 S. 55ff.
1201
Becker 1986 S. 48.
1202
Stanzel 1991 S. 21.
1203
Stengel 1920 S. 122; vgl. Xenoph. anab. 3, 2, 12.
1204
Nobis 1993 S. 160.
1198
232
7. Fleisch
Widerristhöhe 58,8 cm. Die zwei in Pylos bestimmten Ziegen
waren 60,4 bzw. 61,5 cm groß. Die Schafe und Ziegen aus
Tiryns1205 waren mittelgroß und schlankwüchsig. Die Schafe
erreichten eine Widerristhöhe von 50-72 cm (Durchschnitt 6065 cm), die Ziegenböcke 72-82 cm und die Geißen 55-65 cm.
Die Knochen aus Tiryns entsprechen in ihrer Größe im Großen
und Ganzen den mittel- bis spätbronzezeitlichen Schaf- und
Ziegenknochen der Magula Pevkakia.1206 Die Widerristhöhe
der Schafe aus Kastanas1207 schwankt in der Spätbronzezeit
zwischen 51,1 und 62,8 cm, dabei ist ein Rückgang der Größe
im Laufe der Besiedlungszeit erkennbar. Die Größe der Ziegen
schwankt zwischen 60 und 73,4 cm. Aus dem Material von
Kalapodi ist nur ein vollständig erhaltener Metatarsus eines
Schafes erhalten, der die Ermittlung der Widerristhöhe
erlauben würde. Geht man von diesem Knochen aus, ergibt
sich eine Widerristhöhe von 61,7 cm.1208 Auch für die
Berechnung der Widerristhöhe der Ziegen ist die Materialbasis
in Kalapodi recht schwach. Die Tiere waren klein bis
mittelgroß, schlankwüchsig und entsprachen in ihrer Größe
den Ziegen von der Magula Pevkakia.1209
In Tiryns1210 überwiegen Mutterschafe und Geißen, was
Milchnutzung nahelegt, sie kann aber nicht bewiesen werden.
Daß mehr Widder als Ziegenböcke vorkommen, ist
verständlich, da Ziegenböcke außer Nachkommen keinen
Nutzen bringen, während Widder im Vergleich zu den
Mutterschafen ein wertvolleres Wollvlies tragen. Das
Geschlechterverhältnis ist bei den Schafen in Kastanas1211
ausgeglichen, bei den Ziegen überwiegen die weiblichen Tiere
1205
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 101.
Jordan 1975 S. 61ff.
1207
Becker 1986 S. 57 und Tab. 22.
1208
Stanzel 1991 S. 26
1209
Stanzel 1991 S. 30.
1210
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 98.
1211
Becker 1986 S. 50f.
1206
233
Mykenische Enährung
unter den geschlachteten Individuen deutlich. In der Magula
Pevkakia liegen aus allen Epochen, sowohl für Schafe als auch
für Ziegen etwa dreimal so viele Belege für weibliche wie für
männliche Tiere vor.1212 In Kalapodi ergibt sich bei den
tierartlich genau bestimmten Knochen für die Schafe ein
ausgewogenes Verhältnis zwischen den Geschlechtern, bei den
Ziegen überwiegen die weiblichen Tiere,1213 ebenso in der
großen Gruppe der tierartlich nicht genau bestimmten
Knochen (Schaf oder Ziege).1214
Schafe wurden im mykenischen Pylos1215 überwiegend im
Alter zwischen zwei und vier Jahren geschlachtet, aber auch
die Tötung älterer Tiere im Alter zwischen 4 und 7 Jahren war
noch relativ häufig. Ein Alter von mehr als 7 Jahren erreichten
aber nur wenige Tiere. Auch in Tiryns wurden die meisten
Schafe und Ziegen im besten Alter, nämlich 2-4 jährig,
geschlachtet. 1216 In Kastanas war weniger als die Hälfte der
Tiere ausgewachsen, als sie geschlachtet wurden, ein Drittel
erreichte nur jugendliches Alter, 17,2% wurden nicht einmal
ein halbes Jahr alt. Solche Werte stellen aber auch innerhalb
der Siedlung eine Ausnahme dar.1217 Der überwiegende Teil
der Schafe und Ziegen in der Magula Pevkakia wurde älter als
zwei Jahre.1218 In Kalapodi wurden überwiegend Jungtiere und
jungadulte Tiere, also Tiere im Alter zwischen 18 Monaten
und ungefähr dreieinhalb Jahren geschlachtet.1219 Daraus
ergibt sich, daß die Schafe und Ziegen im Rahmen einer
ausgewogenen Mischnutzung sowohl ihres Fleisches und ihrer
Milch als auch ihrer Wolle wegen gehalten wurden.
1212
Hinz 1979 S. 112.
Stanzel 1991 S. 36 Tab. 12.
1214
Stanzel 1991 S. 36 Tab. 6.
1215
Nobis 1993 S. 154.
1216
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 96.
1217
Becker 1986 S. 50 und Tab. 17.
1218
Hinz 1979 S. 112.
1219
Stanzel 1991 S. 22.
1213
234
7. Fleisch
7. 3. 1. 3. Hausschwein und Wildschwein
Das Hausschwein1220 (Sus domesticus) wird im wesentlichen
zur Fleisch- und Fetterzeugung gehalten. In dieser Funktion
nimmt es unter den Haustieren noch heute den ersten Platz ein.
So waren von den 178,8 Mill. Tonnen Fleisch, die im Jahre
1991 weltweit erzeugt wurden, allein 70,9 Tonnen (39,6%)
Schweinefleisch.
Auch in der Antike hatte das Hausschwein für den Menschen
fast ausschließlich als Schlachttier Bedeutung. Werkstoffe wie
Schweinsleder, Knochen und Zähne sind nur von geringer
Wichtigkeit. In Griechenland zählte Schweinefleisch in allen
Epochen zu den regelmäßig verzehrten Nahrungsmitteln. Die
Beliebtheit von Schweinefleisch hat wohl nicht nur
geschmackliche und traditionelle Gründe, sondern ist
vermutlich auch in der einfachen Haltung von Hausschweinen
begründet.1221
Das Schwein gehört zu den ältesten Wirtschaftstieren des
Menschen. Die Stammform des Hausschweines ist das
Wildschwein (Sus scrofa). Seine Domestikation erfolgte
anscheinend unabhängig voneinander in verschiedenen
Gebieten Asiens ab dem 8. Jt. v. Chr., wobei die ältesten
sicheren Hinweise aus Anatolien stammen. Insgesamt gesehen
war aber die Schweinehaltung in Vorderasien sowohl im
frühen Neolithikum als auch in den folgenden Jahrtausenden
nur von untergeordneter Bedeutung.1222
Von seinem Domestikationsgebiet in Vorderasien wurde das
Schwein schließlich zusammen mit Schaf, Ziege und Rind im
Zuge der Ausbreitung der neolithischen Wirtschaftsweise um
7000 v. Chr. nach Europa verbreitet. Bei den ältesten Tieren
handelte es sich hier um im Vergleich zum Wildschwein recht
1220
Siehe zum Folgenden: Benecke 1994 S. 249ff.
Zum Schweinefleischkonsum in klassischer Zeit siehe Kap. 7. 4. 1. 3.
1222
Benecke 1994 S. 248ff.
1221
235
Mykenische Enährung
kleine Tiere, die allerdings sonst noch in vielen Merkmalen
ihrer Stammform ähnelten.1223
In weiten Teilen Europas war die wesentliche Form der
Schweinehaltung wohl die Weidehaltung. Mischwälder mit
Eicheln
und
anderen
Früchten
boten
günstige
Voraussetzungen für die Schweinemast. Daneben weisen
archäozoologische Befunde – wie etwa häufige tiefe Narben
an der Schädeloberfläche von Schweinen aus der Agia Sofia –
Magula in Thessalien, eine Art der Verletzung, die sich
Schweine bei zu enger Aufstallung ohne Geschlechtertrennung
selbst zufügen – auch auf die gelegentliche Haltung von
Schweinen in Verschlägen oder Ställen hin. Wann die Praxis
der Kastration in die europäische Schweinehaltung Eingang
gefunden hat, ist weitgehend unbekannt. Die ersten sicheren
Befunde stammen aus der Eisenzeit.1224
In den frühneolithischen Siedlungen Südosteuropas war die
Schweinehaltung meist von untergeordneter Bedeutung. So
machen Schweineknochen etwa durchschnittlich 15% des
Knochenbestandes im neolithischen Makedonien aus, 17% in
Thessalien, 10% auf den Kykladen und 19% auf Kreta,
während die Werte auf der Peloponnes zwischen 10% und
28% schwanken.1225 Selbstverständlich gibt es einzelne
„Ausreißer“ wie die mittelneolithischen Siedlungen von Servia
und Sitagroi, wo die entsprechenden Werte 40% bzw. 20,3%
betragen, ebenso das frühneolithische Sesklo und das
spätneolithische Agia Sophia wo 21,6% respektive 41,8% zu
Buche stehen.1226 In der frühen Bronzezeit nehmen diese
Werte in Makedonien und auf der Peloponnes allgemein zu.
Auf den Kykladen stellen Schweine 10,8% des
Knochenmaterials in Phylakopi1227 und 8,2% in Myrtos.1228 In
1223
Benecke 1994 S. 252, 254.
Benecke 1994 S. 255ff.
1225
Trantalidou 1990 S. 394
1226
Daten aus Trantalidou 1990 S. 396 Tab. 1.
1227
Gamble 1978 S. 123; Gamble 1979 S. 103.
1224
236
7. Fleisch
den folgenden Perioden erreichen die Zahlen ungefähr den
Wert von 25%. Natürlich gibt es Abweichungen, wie etwa
11,3% im mittelbronzezeitlichen Phylakopi auf Melos oder
31% in Pyrgos auf Kreta.1229 In der Eisenzeit verringert sich
der Anteil der Hausschweine verglichen mit der Bronzezeit.
So fällt der Wert z.B. in Messenien von 32,9% in der
mittelhelladischen Epoche auf 21,7% in den Dark Ages.1230
Im spätbronzezeitlichen Pylos nahmen Schweine nach der
MIZ den zweiten Rang (31,8%) ein,1231 nach dem
Schlachtgewicht (36,5%) den ersten.1232 In Tiryns hatten sie
nach der Knochenfundzahl den dritten Rang (21%) inne,1233
desgleichen (17,7%) nach dem Knochengewicht.1234 In
Kastanas kamen sie nach der MIZ an zweiter Stelle (18,9%),
ebenso nach dem Knochengewicht (19,4%).1235 Auch in der
Magula Pevkakia belegten sie sowohl nach der MIZ (23,7%)
als auch nach dem Knochengewicht (24,2%) die zweite
Stelle.1236 In Kalapodi ist das Hausschwein mit 438
Fundstücken aus SH III C/Submykenisch (6,7% der
Säugetierknochen) das drittwichtigste Haustier.1237
Abgesehen also von Pylos, in dessen Umgebung die
Schweinehaltung eine besondere Rolle gespielt haben muß,
waren Schweine, sowohl nach der Anzahl der gehaltenen Tiere
als auch bezüglich ihres Beitrags zur Ernährung, von (meist)
zweitrangiger Bedeutung.
1228
Jarman 1972 S. 318.
Trantalidou 1990 S. 395.
1230
Trantalidou 1990 S. 395.
1231
Nobis 1993 S. 153.
1232
Nobis 1993 S. 156.
1233
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 93.
1234
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 94.
1235
Becker 1986 S. 339 Tab. IX.
1236
Hinz 1979 S. 115 Tab. 21.
1237
Stanzel 1991 S. 56. Es ist allerdings nur das viertwichtigste Tier, denn
vom Rothirsch wurden 443 Knochenreste gefunden.
1229
237
Mykenische Enährung
Die Widerristhöhe der pylischen Schweine variiert zwischen
61,4 und 82,1 cm (Mittelwert 69,5 cm),1238 auch die
spätbronzezeitlichen Tiere von der Magula Pevkakia fallen in
die gleiche Variationsbreite. Im mykenischen Griechenland
wurden also relativ feingliedrige, hochbeinige Hausschweine
um ihres Fleisches willen gehalten. Was die Größe der
Schweine in Tiryns betrifft, so ist zu erkennen, daß die
frühhelladischen Schweine größer waren als die
späthelladischen. Dieser Befund deckt sich mit der Magula
Pevkakia.1239
Allerdings
sind
die
späthelladischen
Schweineknochen aus Tiryns nicht ganz so klein wie die
mykenischen Schweineknochen der Magula Pevkakia.
Anscheinend herrschten in der Argolis bessere Bedingungen
für die Schweinehaltung als am Golf von Volos.1240 Auch in
Kastanas ist die Widerristhöhe der Schweine am Beginn der
Besiedlung recht groß, sie nimmt aber bis zur Spätbronzezeit
ab (61,7 bis 77,8 cm, Durchschnitt 69,8 cm).1241 Die Schweine
in Kalapodi waren eher klein, für genauere Aussagen ist das
Material an dieser Fundstelle aber zu schlecht erhalten.1242
Bei den Hausschweinen in Pylos1243 wurde mehr als ein Drittel
aller Tiere (38%) im Alter von bis zu zwei Jahren getötet. Das
häufigste Schlachtalter liegt jedoch mit 58 Tieren (45%)
zwischen zwei und dreieinhalb Jahren. Auch der Prozentsatz
älterer und sehr alter Tiere ist recht hoch (17%). Fast 2/3 der
Schweine in Tiryns wurden bereits im 1. oder im 2.
Lebensjahr geschlachtet, ein kleiner Teil, der genügend
Nachkommenschaft gewährleistete, wurde auch nicht alt.1244
In Kastanas überlebte nur jedes vierte oder fünfte Schaf das
1238
Nobis 1993 S. 161.
Jordan 1975 S. 96; Hinz 1979 S. 29f. und Diagr. 7-10.
1240
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 102 und 140 Tab. 35.
1241
Becker 1986 S. 67ff. und Tab. 27.
1242
Stanzel 1991 S. 58f.
1243
Nobis 1993 S. 155.
1244
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 96.
1239
238
7. Fleisch
dritte Lebensjahr, rund zwei Drittel der Tiere starben vor
Ablauf ihres zweiten Lebensjahres, die meisten zwischen ein
und anderthalb Jahren.1245 In diesem Alter besteht auch ein
optimales Verhältnis zwischen Futterverbrauch und
Fleischzuwachs. Nur die Hälfte der Schweine der Magula
Pevkakia wurde älter als ein Jahr, und nur wenige erreichten
ein Alter von 3 Jahren.1246 In Kalapodi schlachtete man in SH
III C/Submykenisch Schweine fast aller Altersstufen.
Häufungen sind bei Schweinen, die jünger als ein halbes Jahr
waren, sowie bei den 2-3 jährigen Tieren zu beobachten.1247
In Pylos1248 wurden zweieinhalbmal mehr männliche als
weibliche Schweine geschlachtet, da man zweitere als
Zuchtsauen gewöhnlich länger leben ließ. In Tiryns1249 ist das
Verhältnis von Ebern zu Sauen recht ausgeglichen. Das spricht
nach Meinung der Bearbeiter dafür, daß in der befestigten
Anlage selbst Schweinezucht betrieben wurde. Die Relation
von weiblichen zu männlichen Tieren hält sich in Kastanas in
der späten Bronzezeit etwa die Waage.1250 In der Magula
Pevkakia1251 überwiegen männliche Tiere. Ebenso überwiegen
in Kalapodi die Eber deutlich.1252
Eine Besonderheit, die Aufschluß über bestimmte
Ernährungsgewohnheiten geben könnte, wurde in Tiryns
beobachtet. Hier fiel an den Hirnschädeln der Schweine eine
außergewöhnliche Zerlegungstechnik auf. Diese wurden
nämlich alle mit einem sagittal verlaufenden Schlag eröffnet,
1245
Becker 1986 S. 64 und Tab. 23.
Hinz 1979 S. 112.
1247
Stanzel 1991 S. 57.
1248
Nobis 1993 S. 155.
1249
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 98f.
1250
Becker 1986 S. 65 Tab. 25.
1251
Jordan 1975 S. 95; Hinz 1979 S. 26f.
1252
Stanzel 1991 S. 58.
1246
239
Mykenische Enährung
um das Gehirn zu gewinnen, während gewöhnlicherweise die
Kalotte ungespalten blieb.1253
Im Knochenfundmaterial sind nicht nur Haus-, sondern auch
Wildschweine belegt. Haus- und Wildschweine lassen sich im
Knochenmaterial gut unterscheiden, denn die Knochen von
Hausschweinen sind deutlich kleiner als die der
Wildschweine. Einige Werte in Pylos1254 liegen im
Wildschein-Hausschwein-Übergangsfeld, was auf eine
Bastardisierung zwischen der Wildart und dem Haustier,
vielleicht während der extensiven Waldhude, schließen läßt.
Das Wildschwein ist im prähistorischen Europa recht häufig.
Aufgrund
seiner
omnivoren
Ernährungsweise
und
insbesondere wegen seiner starken Wühltätigkeit auf Äckern
und Feldern kann es große Schäden anrichten. Daher wurde
das Wildschwein schon seit Jahrtausenden nicht nur um seines
Fleisches willen gejagt, sondern auch, um die Äcker zu
schützen. In Tiryns war das Wildschwein nach dem Rothirsch
das häufigste Jagdtier.1255 Auch in Kastanas gehörte das
Wildschwein zur regelmäßigen Jagdbeute.1256 Dabei wurden
hauptsächlich ältere Tiere erlegt. In Kalapodi fanden sich in
den Schichten der Periode SH III C/Submykenisch 8 Reste des
Wildschweins.1257 Auch hier wurden hauptsächlich ältere Tiere
festgestellt. Dies ist aber wohl methodisch bedingt, da die
Knochen von jungen Wildschweinen nur schwer von denen
des Hausschweins unterschieden werden können. Die
Wildschweine von Kalapodi waren kleinwüchsig, aber
durchaus kräftig.1258
1253
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 101f.
Nobis 1993 S. 161.
1255
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 107.
1256
Becker 1986 S. 139ff.
1257
Stanzel 1991 S. 105.
1258
Stanzel 1991 S. 107.
1254
240
7. Fleisch
7. 3. 1. 4. Hauspferd, Muli und Esel
Das Hauspferd (Equus caballus) stammt vom Wildpferd
(Equus ferus) ab, das über weite Teile Europas und Asiens
verbreitet ist. Die Domestikation des Pferdes1259 erfolgte in
den
verschiedenen
Regionen
seines
eurasischen
Verbreitungsgebietes seit dem späten Neolithikum.
In der Pferdehaltung stand meist die Nutzung der Muskelkraft
des Pferdes als Last-, Trag- oder Reittier im Vordergrund. Es
wird aber meist zu wenig beachtet, daß das Hauspferd, wie
zuvor auch das bejagte Wildpferd, zunächst allein der
Fleischversorgung gedient haben dürfte. Bei vielen Völkern in
den Steppen Osteuropas und Asiens hat es heute noch eine
große Bedeutung in der Fleischgewinnung. Die Bezeugung
des Hauspferdes im archäologischen Kontext ist daher noch
kein Beweis für seine Nutzung als Fahr- oder Reittier, da das
Pferd auch aufgrund seiner anatomischen Gesamtkonstruktion
nicht unbedingt dafür geeignet ist. Es muß vielmehr zunächst
einer gründlichen Gymnastizierung unterzogen werden, die es
ihm erst ermöglicht, beim Fahren oder Reiten sein
Gleichgewicht zu halten, und ohne die es in kürzester Zeit
durch Verschleiß unbrauchbar wird. Fahren und Reiten setzen
daher zwingend eingehende Kenntnisse über die physische
Struktur und die Verhaltensweise des Pferdes voraus, welche
erstmals ab dem 2. Jt. v. Chr. im Alten Orient bezeugt sind.1260
Auf die Balkanhalbinsel breiteten sich Hauspferde im Laufe
der frühen Bronzezeit aus, sie waren zu dieser Zeit aber wohl
noch recht selten. Erst am Übergang von der mittleren zur
späten Bronzezeit scheint sich hier eine umfangreichere
Pferdehaltung etabliert zu haben.1261 Der älteste gesicherte
Nachweis von Hauspferden in Griechenland stammt aus der
1259
Siehe dazu: Benecke 1994 S. 288ff.
Starke 2000.
1261
Benecke 1994 S. 302f.
1260
241
Mykenische Enährung
frühbronzezeitlichen Schicht 25 von Kastanas,1262 weitere
Pferdeknochen aus Schicht 22 gehören an den Anfang der
Mittelbronzezeit, zeitgleich damit ist ein Hauspferdknochen
von der Argissa Magula.1263
Im spätbronzezeitlichen Pylos1264 machen Pferdeknochen
0,1% des Fundmaterials aus, in Tiryns1265 entfallen in SH III B
2 auf Pferd, Esel und Maultier 2%, in Kastanas 2,6%. In der
Magula Pevkakia1266 machen Equiden 1,9% des mykenischen
Materials aus. In Kalapodi wurden in SH III C/Submykenisch
10 Equidenreste gefunden, 3 gehören zum Pferd, 3 zum Esel,
und 4 konnten nicht näher bestimmt werden.1267
Reste von vier Pferden sind aus Kokla1268 bei Argos
dokumentiert, deren Maße kleine, schlankwüchsige Tiere mit
einer Widerristhöhe um 132 cm belegen, die sich unter den
rezenten Pferderassen am ehesten mit Islandponys vergleichen
lassen. Die Tiere aus Tiryns1269 sind etwa gleich groß. Ein
Pferdeknochen aus Lerna1270 ist größer als die Pferdeknochen
in Kokla. Etwas kleiner sind die Tiere in Kastanas.1271 Die
Pferde aus Kalapodi sind unterschiedlich groß, die meisten
entsprechen in ihrer Größe (WRH etwa 1,30 m) den Tieren aus
Tiryns, manche sind aber auch größer.1272
Der Hausesel1273 (Equus asinus asinus) ist das älteste Lastund Zugtier des Orients überhaupt. Er wurde spätestens in der
ersten Hälfte des 4. Jt. v. Chr. im Vorderen Orient
1262
Becker 1986 S. 71ff.
Boessneck 1962.
1264
Nobis 1993 S. 153.
1265
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 93.
1266
Hinz 1979 S. 115 tab. 21.
1267
Stanzel 1991 S. 69.
1268
Boessneck/von den Driesch 1984.
1269
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 103.
1270
Gejvall 1969 S. 36 und Tab. 67.
1271
Becker 1986 S.
1272
Stanzel 1991 S. 70.
1273
Siehe zum Folgenden: Benecke 1994 S. 310ff.
1263
242
7. Fleisch
domestiziert. Von dort wurde der Esel, ein ausdauerndes und
vielseitiges Tier, beinahe über die gesamte Erde verbreitet. Als
seine Stammart gilt der Wildesel (Equus africanus), der heute
noch in wenigen Exemplaren im Nordosten Afrikas
vorkommt.
Frühe Funde von Eseln stammen aus Wagengräbern, was auf
die wichtigste Nutzungsform des Esels hinweist. Auch in den
sumerischen Texten erscheint der Esel als das gewöhnliche
Zug- und Lasttier in der Landwirtschaft. Texte aus Fara (Irak)
nennen ihn auch als Zugtier vor dem Pflug.1274 Gleichzeitig
tritt im 4. Jt. v. Chr. der Esel auch in Ägypten auf, einer der
ältesten Belege ist der Fund von Eselsknochen in der Siedlung
Maadi in Unterägypten, bekannt ist auch die berühmte
Städtepalette aus Abydos, auf deren Rückseite Esel zusammen
mit Rindern und Schafen dargestellt sind. Dies könnte für eine
eigenständige Domestikation auch hier in Ägypten
sprechen.1275
Ausgehend von Vorderasien breitete sich die Eselhaltung im
Lauf des 3. Jt. v. Chr. dann nach Europa aus.1276 Die ältesten
Belege
in
Griechenland
stammen
aus
dem
frühbronzezeitlichen Lerna,1277 in Nordgriechenland sind Esel
erst in der späten Bronzezeit regelmäßig vertreten.
Die Esel von der Magula Pevkakia sind schlankwüchsig und
mittelgroß und entsprechen den heute in Griechenland
gehaltenen Eseln,1278 desgleichen die Esel aus Tiryns1279 und
Kalapodi.1280
1274
Benecke 1994 S. 313.
Benecke 1994 S. 312.
1276
Benecke 1994 S. 314f.
1277
Gejvall 1969 S. 34ff.
1278
Jordan 1975 S. 111.
1279
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 103.
1280
Stanzel 1991 S. 72.
1275
243
Mykenische Enährung
Die Maultierzucht1281 setzte sich in Vorderasien wohl in der
ersten Hälfte des 2. Jt. v. Chr. durch, in Griechenland sind
Maultiere ab der späten Bronzezeit nachgewiesen. Das
Maultier wurde vor allem als Zug- und Tragetier benutzt,
außerdem spannte man es gelegentlich vor den Pflug. Es kann
als gesichert gelten, daß die Tirynther es in späthelladischer
Zeit verstanden, Mulis zu züchten.1282 Auch unter den
unbestimmten Equidenknochen aus Kalapodi könnten sich
Rest von Maultieren befinden.1283
In Tiryns1284 wurden die Pferde und Esel als adulte, oft sogar
als sehr alte Tiere geschlachtet. Auch die Pferde und Esel von
Kastanas1285 wurden überwiegend in hohem Alter
geschlachtet, was ihre Nutzung als Zug- und Transporttiere
wahrscheinlich macht.
In Tiryns wurden Pferd und Esel fleischwirtschaftlich genutzt,
dafür sprechen die vielen diesbezüglichen Zerlegungsspuren
auf den Knochen.1286 Auch die Knochen von Pferd, Esel und
Muli aus Kastanas1287 sind stark fragmentiert, was den
Nachweis für ihre Portionierung für den Verzehr von Fleisch
und Knochenmark belegt. Weiters sind zahlreiche Hack- und
Ritzspuren zu erkennen, zudem auf 16 Knochen Bißspuren
von Hunden.
1281
Siehe dazu Benecke 1994 S. 318ff.
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 102.
1283
Stanzel 1991 S. 73f.
1284
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 96.
1285
Becker 1986 S. 74.
1286
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 96.
1287
Zu den Equidenfunden aus Kastanas: Becker 1986 S.71ff.
1282
244
7. Fleisch
7. 3. 1. 5. Haushund
Der Hund1288 (Canis familiaris) ist das älteste Haustier des
Menschen überhaupt. Alle Haushunde stammen vom Wolf
(Canis lupus), der am weitesten verbreiteten Wildtierart unter
den Säugetieren, ab. Man fand ihn in fast ganz Eurasien und
Nordamerika, in vielen Gegenden seines ursprünglichen
Verbreitungsgebietes ist er aber inzwischen ausgerottet. Wölfe
können sich den unterschiedlichsten Lebens- und
Ernährungsbedingungen anpassen. Sie sind Raubtiere, ihre
Nahrung besteht hauptsächlich aus Fleisch.
Die Erlegung von Wölfen ist wohl in erster Linie als
Schutzjagd zu verstehen, wenngleich der von Wölfen
verursachte Schaden meist übertrieben wird. In Kastanas ist
der Wolf mit wenigen Resten vertreten,1289 weitere Funde
stammen aus Lerna1290 und der Magula Pevkakia.1291 Ob man
die erlegten Tiere dann auch verzehrte, muß dahingestellt
bleiben, die Zerschlagung fast aller in Kastanas gefundenen
Wolfsknochen könnte einen leichten Hinweis in diese
Richtung geben.
Die ältesten Belege für den Haushund in Europa stammen aus
dem Übergang vom Spätpleistozän zum Frühholozän, doch
ging der Haustierwerdung eine lange Phase der Wolfszähmung
voraus. Die Anfänge der Wolfsdomestikation lassen sich bis in
das mittlere Jungpaläolithikum zurückverfolgen. Als ältester
Nachweis des Haushundes gilt ein fragmentarisch erhaltenes
Skelett in einem magdalénienzeitlichen Doppelgrab in
Oberkassel bei Bonn. In größerer Zahl treten Haushunde dann
erst in Fundzusammenhängen des Präboreals und des Boreals
auf. In Nordamerika hat sich die Domestikation von Wölfen
wohl autochthon im 9. Jt. v. Chr. vollzogen. Die ältesten
1288
Allgemein zu Wolf und Hund: Benecke 1994 S. 208ff.
Becker 1986 S. 144ff.
1290
Gejvall 1969 S. 18f.
1291
Hinz 1979 S.70f.; Jordan 1975 S. 134f.
1289
245
Mykenische Enährung
Funde Südamerikas stammen aus dem 6./5. Jt. v. Chr. Die
ältesten Belege Ostasiens datieren in das chinesische
Frühneolithikum (6. Jt.). Die ältesten Belege für den Haushund
aus Ägypten stammen aus dem 5. Jt. v. Chr.
Der Haushund spielte in Pylos1292 mit einem Anteil von 2,9%
nach der MIZ nur eine untergeordnete Rolle. In Tiryns kommt
er nach den Knochenfundzahlen auf 1,3%.1293 In Kastanas
kommt er nach der MIZ auf 2,4%.1294 In der mykenischen
Magula Pevkakia1295 kommt der Hund nach der
Knochenfundzahl auf 3% (nach der MIZ aber auf beachtliche
10,2%). Aus Kalapodi stammen aus SH III C/Submykenisch
46 Reste von Hunden.1296
Die Hunde aus Pylos1297 sind klein bis mittelgroß, einige Reste
stammen auch von sehr großen Tieren. In Tiryns1298
überwiegen die Reste von mittelgroßen, schlank- bis
mittelschlankwüchsigen Hunden, aber es kamen auch kleinere
und größere Hunde vor. Ob die Bewohner von Tiryns
Zuchtauslese betrieben, lassen die Knochen nicht erkennen. In
der Magula Pevkakia1299 sind die Hunde etwa gleich groß wie
in Pylos. In Kastanas1300 sind sie etwas größer. Die Hunde aus
Kalapodi waren schlankwüchsig und mittelgroß.1301
Hunde dienten in den mykenischen Siedlungen wohl als
Wach-, Jagd- und Hütehunde sowie als Schoßhündchen. Ein in
Kastanas in Kastanas gefundenes Hundeskelett weist auf einen
Hund mit spezieller Bedeutung hin. Entweder wurde dieser
1292
Nobis 1993 S. 153.
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 93 Tab. 5.
1294
Becker 1986 S. 338 Tab. VIII.
1295
Hinz 1979 S. 115 Tab. 21.
1296
Stanzel 1991 S. 78.
1297
Nobis 1993 S. 162.
1298
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 103.
1299
Hinz 1979 S. 51ff.
1300
Becker 1986 S. 95.
1301
Stanzel 1991 S. 80.
1293
246
7. Fleisch
bestattet oder aber geopfert.1302 Es steht aber ganz außer
Zweifel, daß die Menschen der späten Bronzezeit auch
Hundefleisch aßen. Charakteristische Schnitt- und Hackspuren
an den Hundeknochen aus Tiryns belegen dies zur Genüge.
Für einen Verzehr spricht auch das geringe Alter der Hunde,
denn 60% der Funde stammen von jungadulten Hunden, zu
einem kleinen Teil auch von Welpen.1303 In Kastanas1304 sind
zahlreiche Hackspuren an den Hundeknochen ein deutliches
Indiz für eine gezielte Zerteilung der Hundekörper. Der
Fragmentierungsmodus der Schädel läßt auf eine gelegentliche
Entnahme des Hundehirns schließen, die Verwendung
desselben muß aber ungeklärt bleiben. Weiters verweisen viele
feine, gezielt angebrachte Ritzspuren auf das Ablösen der Haut
bzw. das Durchtrennen von Muskulatur oder Sehnen.
Zahlreiche Brandspuren lassen Rückschlüsse auf die
Zubereitung von Hundefleisch zu. Das Braten oder Grillen von
ganzen oder portionierten Hunden erscheint nicht
ausgeschlossen. Die Alterszusammensetzung zeigt, daß die
meisten Hunde ein Alter von mindestens anderthalb bis zwei
Jahren erreichten. Deutliche Schnittspuren an Hundeknochen
aus der Magula Pevkakia1305 zeigen, daß diese auch hier zu
allen Zeiten gegessen wurden.
7. 3. 2. Wildsäugetiere
Die Rolle von Wild in der menschlichen Ernährung ist
natürlich
in
hohem
Maße
von
geographischen
Vorraussetzungen, wie etwa dem Vorhandensein von Wäldern
oder Buschland, abhängig. Der Anteil gejagter Wildtiere am
Spektrum der Knochenfunde variiert deshalb stark. In
1302
Becker 1986 S. 88.
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 96-98.
1304
Becker 1986 S. 91ff.
1305
Hinz 1979 S. 56.
1303
247
Mykenische Enährung
Pylos1306 etwa beträgt der Anteil von Wildtieren an der
Gesamtmenge nach der MIZ 9,8%, in Kastanas1307 30% nach
der MIZ und in der Magula Pevkakia1308 14,5%, ebenfalls nach
der MIZ. In Tiryns1309 sind in SH III B 2 nach der
Gesamtknochenfundzahl 2,2% Wildtiere. In Kalapodi machen
Wildsäugetierknochen
8,4%
des
Gesamtsäugetierknochenfundmaterials
in
SH
III
C/Submykenisch aus.1310 Im folgenden sollen nun, wie bei den
Haustieren, auch die einzelnen Wildtierarten separat
durchbesprochen werden. Nicht bei allen läßt sich deren
Verzehr einwandfrei nachweisen, er kann aber auch nicht
ausgeschlossen werden und ist m. E. durchaus anzunehmen.
7. 3. 2. 1. Rothirsch
Rothirsche (Cervus elaphus) sind in Europa von Norwegen bis
zum Schwarzen Meer verbreitet. Sie leben überall dort, wo die
Landschaft mehr oder weniger bewaldet ist. Sie ernähren sich
vorwiegend von Blättern und jungen Trieben, Pilzen, Flechten
und ähnlichem. Bei einer Bestandsdichte von einem Rothirsch
je tausend Hektar sowie einer geringen Standorttreue mußten
die prähistorischen Jäger nicht nur Sachkenntnis und
Geschick, sondern auch Ausdauer aufbringen.1311 In Pylos1312
ließen sich mindestens acht Rothirsche nachweisen. Es
handelte sich um mittelgroße Tiere, wie sie auch in der
Magula
Pevkakia1313
auftraten.
Dort
machten
1306
Nobis 1993 S. 152.
Becker 1986 S. 248 Tab. 11.
1308
Hinz 1979 S. 114 Tab. 20.
1309
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 92 Tab. 4.
1310
Stanzel 1991 S. 169.
1311
Siehe dazu Becker 1986 S. 128f.
1312
Nobis 1993 S. 162.
1313
Amberger 1979 S.106ff.
1307
248
7. Fleisch
Rothirschknochen in mykenischer Zeit immerhin 90,3% des
Wildtierknochenfundmaterials aus, nach dem Knochengewicht
sogar 94%.1314 Rothirsche sind auch in Tiryns1315 in großer
Zahl
belegt.
Zahlreiche
Geweihreste
weisen
Bearbeitungsspuren in Form von Säge- oder Hackspuren auf.
Geweihe waren, wie auch andere Knochen des Rothirsches,
wichtige Werkstoffe. Die Rothirsche von Tiryns waren nicht
sehr groß, sie entsprechen in ihrer Größe früh- und
mittelbronzezeitlichen Hirschen aus Thessalien.1316 Sie waren
aber deutlicher kleiner als die neolithischen Rothirsche
Thessaliens – bekanntlich verminderte sich die Größe der
thessalischen Rothirsche vom Neolithikum bis in die
Bronzezeit deutlich, ohne daß dieser Umstand überzeugend
erklärt werden kann.1317 In Kastanas1318 waren Rothirsche stets
von zweitrangiger Bedeutung hinter den Damhirschen. In
Kalapodi waren Rothirsche klar das wichtigste Wild. In den
Schichten der Periode SH III C/Submykenisch wurden 443
Reste des Rothirschs gefunden, das sind 77,8% des jagdbaren
Wildes.1319 Es traten hier vor allem Tiere im Alter zwischen 2
und 5 Jahren – zwei Hirsche waren sogar noch älter – zu Tage,
aber auch ein Kalb im Alter von 4 bis 6 Monaten wurde
nachgewiesen.1320 In ihrer Größe entsprachen die Tiere den
Rothirschen aus der Magula Pevkakia und aus Tiryns.1321
1314
Amberger 1979 S. 146 Tab. 30.
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 104f.
1316
Amberger 1979 Tab. 26.
1317
von den Driesch 1987.
1318
Becker 1986 S. 128ff.
1319
Stanzel 1991 S. 87.
1320
Stanzel 1991 S. 88.
1321
Stanzel 1991 S. 92f.
1315
249
Mykenische Enährung
7. 3. 2. 2. Damhirsch
Der europäische Damhirsch (Dama dama) war in der letzten
Eiszeit über weite Teile Europas verbreitet. Mit der letzten
Vereisung ist die Art dann im wesentlichen aus Europa
verschwunden, und als Hauptverbreitungsgebiet verblieb
Kleinasien, wo sie heute noch vorkommt. Zunächst stammten
alle nacheiszeitlichen Funde von Damhirschen aus dem
Norden Griechenlands und von den Kykladen. So nimmt das
Damwild in Kastanas1322 noch vor dem Rotwild einen
herausragenden Platz unter den Wildsäugetieren ein. Dazu
kommen ein einziger Knochen des Damhirsches aus der
Magula Pevkakia1323 und weitere Knochen aus Kalapodi.1324 In
Kalapodi ist er mit 51 Belegen in SH III C/Submykenisch
vertreten. Mehrere Knochen aus Tiryns konnten das früher
bezweifelte Vorkommen der Art auf der Peloponnes belegen,
wenn man nicht annehmen will, daß Damhirsche eigens für
die herrschaftlichen Jäger der Burg eingeführt und in
Jagdgattern gehalten wurden. Weitere Belege für Damwild
stammen aus dem spätbronze- bzw. früheisenzeitlichen
Kavousi-Kastro auf Kreta.1325In Kalapodi sind vor allem
adulte Tiere belegt.1326 Auch im Fundgut von Kastanas
überwiegen ausgewachsene Tiere.1327 Bevorzugt jagte man
hier anscheinend männliche Tiere.1328 Auch in Tiryns1329
fanden sich überwiegend die Knochen von männlichen Tieren.
1322
Reichstein 1979 S. 246; Becker 1986 S. 115ff.
Amberger 1979 S. 131f.
1324
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 106; Stanzel 1991 S. 98ff.
1325
Snyder/Klippel 1996 S. 284.
1326
Stanzel 1991 S. 99.
1327
Becker 1986 S. 119.
1328
Becker 1986 S. 123 und Tab. 49.
1329
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 107.
1323
250
7. Fleisch
7. 3. 2. 3. Reh
Das Reh (Capreolus capreolus) tritt im prähistorischen
Griechenland nur selten im Fundmaterial auf. Die damals
seltene Verbreitung steht wohl einerseits in Verbindung mit
einer geringen Populationsdichte, andererseits auch mit der
einzelgängerischen Lebensweise der Tiere. Offenbar waren
Rehe in den von ihnen gern aufgesuchten Feldgehölzen und
lichten Mischwäldern nur schwer zu jagen.
In Pylos1330 etwa ist es mit nur 4 Resten vertreten. Auch in
Tiryns1331 gehörte das mittelgroße bis große Reh zum Jagdwild
der Bewohner. In Kastanas1332 ist es gut vertreten, es blieb als
Fleischlieferant aber von untergeordneter Bedeutung. Auch in
der Magula Pevkakia1333 zählt das Reh zu den selteneren
Tieren. In Kalapodi fanden sich in den Schichten der Periode
SH III C/Submykenisch 6 Reste des Rehs, das damit deutlich
hinter dem Rothirsch zurückbleibt.1334 Die Tiere hier waren
auffallend groß und stattlich.1335
7. 3. 2. 4. Feldhase
Der Feldhase (Lepus capensis, früher: L. europaeus) gehörte
im griechischen Altertum zur gewöhnlichen Jagdbeute. Man
findet Hasenknochen regelmäßig im Knochenfundmaterial
südosteuropäischer Siedlungsgrabungen. Hasenfleisch wurde
geschätzt, die Jagd auf Hasen spielte sicherlich eine gewisse
Rolle im täglichen Leben.
1330
Nobis 1993 S. 162.
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 107.
1332
Becker 1986 S. 135ff.
1333
Amberger 1979 S. 131f.
1334
Stanzel 1991 S. 103.
1335
Stanzel 1991 S. 104.
1331
251
Mykenische Enährung
Im spätbronzezeitlichen Pylos1336 wurden mindestens neun
Tiere erlegt. Einen relativ hohen Anteil unter den
Wildsäugetieren stellt der Feldhase auch in Tiryns.1337 In den
Schichten der Periode SH III C/Submykenisch in Kalapodi ist
der Feldhase mit 20 Resten vertreten und stellt so das
dritthäufigste Wildsäugetier dar.1338 Dabei handelt es sich
zumeist um adulte Tiere. Weitere Funde stammen aus
Lerna,1339 Kastanas,1340 der Magula Pevkakia1341 und KavousiKastro.1342 Die Feldhasen aus Pylos, Lerna, Kalapodi und der
Magula Pevkakia waren alle in etwa gleich groß, ihre
Verwandten aus Nordgriechenland, Südostjugoslawien und
Südbulgarien waren etwas größer.
Der starke Fragmentierungsgrad der Knochen aus Kastanas
und das Vorhandensein etlicher feiner Ritzspuren bezeugen,
daß die Tiere fachgerecht zerteilt wurden. Schnittspuren auf
den Hasenknochen der Magula Pevkakia1343 bestätigen, daß
der Hase zur Fleischnutzung gejagt wurde.
7. 3. 2. 5. Löwe
Löwen (Panthera leo) sind in lichtem Grasland beheimatet
und besitzen ein weites Nahrungsspektrum, das von kleinen
Antilopen bis zu Büffeln reicht. Sie leben in kleinen Gruppen
und waren für die damaligen Menschen gefährliche Gegner.
1336
Nobis 1993 S. 162.
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 112.
1338
Stanzel 1991 S. 116ff.
1339
Gejvall 1969 S. 42f.
1340
Becker 1986 S. 173ff.
1341
Hinz 1979 S. 82ff.; Jordan 1975 S. 137f.
1342
Snyder/Klippel 1996 S. 284.
1343
Hinz 1979 S. 84.
1337
252
7. Fleisch
Aus Pylos1344 stammen zwei Reste eines Löwen.
Löwenknochen tauchen auch im Fundmaterial von
Kalapodi,1345 Tiryns1346 und Kastanas1347 auf. Die Tiere in
Kalapodi und Tiryns waren nicht sehr groß und kräftig.1348
Abgesehen von einem Fersenbein, das in einer Bestattung
gefunden wurde, sind alle Tirynther Löwenknochen
Küchenabfälle. Auch die Ritz- und Brandspuren auf den
Knochen aus Kastanas belegen den Verzehr von Löwenfleisch
hinlänglich.
Durch diese Funde kann die früher oft gestellte Frage nach
dem Vorkommen des Löwen im prähistorischen Griechenland
nun endgültig positiv beantwortet werden. Auch eine Fülle
von Darstellungen von Löwen weist darauf hin, daß Löwen im
vorchristlichen Griechenland heimisch waren, ehe sie
schließlich in Südgriechenland schon in vorklassischer Zeit
ausgerottet wurden. In Makedonien sind Löwen auch noch in
klassischer Zeit belegt.1349 Herodot etwa berichtet, daß Löwen
die Lastkamele des Heeres des Xerxes attackierten,1350 und daß
diese Tiere im Gebiet zwischen den beiden Flüssen Acheloos
und Nestos recht häufig vorkommen würden.1351 Dieselbe
Geschichte erzählt auch Pausanias.1352 Er berichtet des
weiteren, daß diese Löwen auch oft in das Gebiet um den
Olymp streiften, und daß dort ein großes und wehrhaftes Tier
vom waffenlosen Pankratisten Polydamas mit bloßen Händen
erlegt worden sei.1353 Dieser Polydamas, der Olympiasieger im
Fünfkampf des Jahres 408 v. Chr., galt als ein zweiter
1344
Nobis 1993 S. 163.
Stanzel 1991 S. 113f.
1346
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 110f.
1347
Becker 1986 S. 167ff.
1348
Stanzel 1991 S. 114.
1349
Aristot. hist. an. 6, 31; 8, 28.
1350
Hdt. 7, 125.
1351
Hdt. 7, 126.
1352
Paus. 6, 5, 4.
1353
Paus. 6, 5, 5.
1345
253
Mykenische Enährung
Herakles, in Olympia wurde ihm eine von Lysipp geschaffene
Statue errichtet, deren Basis, auf welcher seine Taten
dargestellt waren, erhalten geblieben ist.1354
7. 3. 2. 6. Braunbär
Braunbären (Ursus arctos) leben in Laub- und Nadelwäldern
in gebirgigen Gegenden. Sie sind standorttreue Einzelgänger,
die sich von Pflanzen, Beeren, Honig, kleinen Wirbeltieren,
Vögeln und deren Eiern bis hin zu Haustieren ernähren. Der
erwachsene Bär hat keine natürlichen Feinde, und die
Erlegung eines Bären war auch für die damaligen Menschen
sehr gefährlich. Dennoch wurde er nicht nur in der Antike oft
gejagt. Der Wunsch nach Bärenfleisch mag dabei eine ebenso
große Rolle gespielt haben wie eine Verknüpfung mit
kultischem Brauchtum. Die Felle der Bären spielten wohl noch
eine zusätzliche Rolle. Das Erlegen von Bären gehörte
vermutlich zu den großen Ereignissen im Rahmen
herrschaftlicher Jagden. In prähistorischer Zeit kam der
Braunbär in Griechenland sicher noch häufiger vor, während
man ihn heute nur mehr selten dort findet.
Bärenknochen finden sich regelmäßig im Siedlungsabfall
prähistorischer Stätten in Griechenland. Reste stammen etwa
aus Pylos,1355 Tiryns,1356 Lerna,1357 der Magula Pevkakia,1358
Kastanas1359 und Kalapodi.1360 Was ihre Größe betraf, so
konnten die bronzezeitlichen Bären Griechenlands stark
variieren. Eine Haltung von Bären in Gefangenschaft wird für
1354
Zu Polydamas aus Skotussa siehe Scherling 1952 Sp. 1601.
Nobis 1993 S. 163f.
1356
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 108f.
1357
Gjevall 1969 S. 39f.
1358
Jordan 1975 S. 136f.; Hinz 1979 S. 79f.
1359
Becker 1986 S. 150ff.
1360
Stanzel 1991 S. 110f.
1355
254
7. Fleisch
Lerna und Troja angenommen.1361 Ein Knochen aus Tiryns
weist deutliche Schnittspuren auf und kann so als Hinweis auf
den Verzehr von Bärenfleisch dienen.
7. 3. 2. 7. Rotfuchs
Rotfüchse (Vulpes vulpes) sind im bronzezeitlichen
Griechenland gut belegt, Reste stammen aus Pylos,1362
Tiryns,1363 Lerna,1364 der Magula Pevkakia,1365 Kastanas1366
und Kalapodi.1367 Bei allen Füchsen in Kalapodi handelte es
sich um ausgewachsene Tiere. Die Größe der Füchse variiert
sehr stark, was wohl standortbedingt war. Zahlreiche
Ritzspuren an Fuchsknochen in Lerna,1368 der Magula
Pevkakia1369 und Kastanas1370 lassen vermuten, daß die
damaligen Menschen Füchse zerlegt, portioniert und verspeist
haben. Auch einige Knochen aus Tiryns1371 erwecken den
Eindruck, als seien sie Schlachtabfall. Eine Fellnutzung ist zu
vermuten, aber nicht nachweisbar.
7. 3. 2. 8. Dachs
Der Dachs (Meles meles) ist ein omnivorer, dämmerungs- und
nachtaktiver Einzelgänger. Er bewohnt Feld- und
1361
Gjevall 1969 S. 40.
Nobis 1993 S. 164.
1363
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 108.
1364
Gjevall 1969 S. 38f.
1365
Jordan 1975 S. 135f.; Hinz 1979 S. 71ff.
1366
Becker 1986 S. 146ff.
1367
Stanzel 1991 S. 112f.
1368
Gejvall 1969 S. 39.
1369
Jordan 1975 S. 135.
1370
Becker 1986 S. 146.
1371
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 108.
1362
255
Mykenische Enährung
Waldlandschaften in fast ganz Europa. Ein getöteter Dachs
bringt beträchtlichen Nutzen. Sein Fleisch schmeckt süßer als
Schweinefleisch und gilt bei manchen Leuten als wahrer
Leckerbissen. Auch Fell und Fett lassen sich vielseitig
verwenden. Dachse kommen fast in allen vor- und
frühgeschichtlichen Faunenmaterialien vor, wenn die
Stichprobe groß genug ist. Dachsfelle waren begehrt, und auch
das Fleisch wurde wohl weithin gegessen. Dachse wurden in
Pylos,1372 Tiryns,1373 der Magula Pevkakia,1374 Kalapodi,1375
Lerna1376 und Kastanas1377 nachgewiesen. Deutliche
Schnittspuren an einem Dachsunterkiefer aus der Magula
Pevkakia1378 beweisen, daß das Tier zur Fleischgewinnung
zerlegt wurde, nachdem es vermutlich vorher abgehäutet
worden war. Auch die Dachsknochen aus dem spätbronzebzw. früheisenzeitlichen Kavousi-Kastro zeigen deutliche
Spuren des Häutens und Zerlegens.1379
7. 3. 2. 9. Igel
Igel (Erinaceus concolor) sind in Pylos,1380 der Magula
Pevkakia,1381 Kastanas,1382 Tiryns,1383 Kalapodi1384 und
1372
Nobis 1993 S. 164.
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 109.
1374
Hinz 1979 S. 76f.
1375
Stanzel 1991 S. 115.
1376
Gejvall 1969 S. 40f.
1377
Becker 1986 S. 156ff.
1378
Hinz 1979 76f.
1379
Snyder/Klippel 1996 S. 284ff.
1380
Nobis 1993 S. 164.
1381
Jordan 1979 S. 139; Hinz 1979 S. 86f.
1382
Becker 1986 S. 184ff.
1383
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 112.
1384
Stanzel 1991 S. 120.
1373
256
7. Fleisch
Lerna1385 belegt. Schnittspuren an einem Unterkiefer aus dem
frühhelladischen Lerna sprechen für eine bewußte Nutzung der
Tiere.
7. 2. 2. 10. Fischotter
Fischotter (Lutra lutra) waren im prähistorischen
Griechenland nicht selten, während sie heute in diesem Gebiet
ausgerottet sein dürften. Nachweise dieser Tierart stammen
aus Lerna,1386 Kastanas1387 und Tiryns.1388 Der Fischotter
dürfte wegen seines wundervollen Felles schon in
prähistorischer Zeit eine gesuchte Beute gewesen sein. Die
nachtaktiven Fischotter leben sehr versteckt, sie halten sich
bevorzugt an stehenden und fließenden Binnengewässern,
gelegentlich auch an Meeresküsten auf und ernähren sich von
Fischen, Krebstieren, Muscheln und Schnecken.
7. 3. 2. 11. Steinmarder
Steinmarder (Martes foina) werden regelmäßig in vor- und
frühgeschichtlichen Ausgrabungen nachgewiesen. Funde
stammen etwa aus Tiryns,1389 Kastanas,1390 Lerna,1391 der
Magula Pevkakia1392 oder Kavousi-Kastro auf Kreta.1393
1385
Gejvall 1969 S. 37f.
Gejvall 1969 S. 41.
1387
Becker 1986 S. 160f.
1388
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 109.
1389
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 110.
1390
Becker 1986 S. 154ff.
1391
Gejvall 1969 S. 41.
1392
Jordan 1975 S. 137; Hinz 1979 S. 81.
1393
Snyder/Klippel 1996 S. 284.
1386
257
Mykenische Enährung
7. 3. 2. 12. Mauswiesel
Das Mauswiesel (Mustela nivalis) ist in Europa weit
verbreitet. Es bewohnt unterschiedliche Lebensräume, wobei
ein trockenes, sandiges Gelände mit genügend Deckung
bevorzugt wird. Im antiken Griechenland wurde das
Mauswiesel in Fallen gefangen und als Haustier zur
Bekämpfung der Mäuseplage eingesetzt oder als Spielgefährte
benutzt.1394 Die kleinen Knochen des Mauswiesels werden bei
Siedlungsgrabungen nur selten gefunden. Nachweise des
Mauswiesels stammen aus Tiryns,1395 Kalapodi,1396 dem
eisenzeitlichen Kastanas,1397 Kavousi-Kastro1398 und Lerna.1399
7. 3. 2. 13. Luchs
Reste des Luchses (Lynx lynx), dieses kleinen Verwandten des
Löwen, der vor allem wegen seines Felles begehrt wird,
fanden sich in Tiryns,1400 im eisenzeitlichen Kastanas,1401 in
Lerna1402 und der mittelbronzezeitlichen Magula Pevkakia.1403
7. 3. 2. 14. Wildkatze
Wildkatzen (Felis silvestris) sind an mehreren Fundstellen in
Griechenland belegt. Ob man in der mykenischen Zeit schon
1394
Keller 1909 S. 164.
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 110.
1396
Stanzel 1991 S. 116.
1397
Becker 1986 S. 153.
1398
Snyder/Klippel 1996 S. 284.
1399
Gjevall 1969 S. 42.
1400
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 111.
1401
Becker 1986 S. 166f.
1402
Gjevall 1969 S. 42.
1403
Hinz 1979 S. 78f.
1395
258
7. Fleisch
mit einzelnen Hauskatzen zu rechnen hat, kann noch nicht
beantwortet werden. Die Motivation zur Bindung dieser Tiere
an den Menschen war auf alle Fälle weniger der Wunsch nach
Fleisch, Fett oder Fell, sondern vielmehr deren Einsatz bei der
Jagd auf Mäusen. Aus der Phase SH III C stammt aus
Tiryns1404 der Nachweis einer ausgewachsenen Wildkatze,
deren genaues Alter sich nicht abschätzen läßt. Weitere Funde
stammen aus der Magula Pevkakia,1405 Kalapodi,1406 KavousiKastro1407 und Kastanas.1408 Als man sie erlegte, waren alle
Katzen dort ausgewachsen.
7. 3. 2. 15. Mönchsrobbe
Mönchsrobben (Monachus monachus) kommen noch heute in
griechischen Gewässern vor, allerdings sind sie stark
gefährdet. In prähistorischer und homerischer Zeit waren sie
im Mittelmeerraum wohl häufig. Noch in klassischer Zeit
werden sie häufig in der Literatur genannt, später seltener,
wohl weil die Bestände abnahmen. Die Jagd auf Robben wird
durch zwei Funde aus Tiryns1409 belegt.
7. 3. 2. 16. Biber
Der Biber (Castor fiber) ist im Fundgut von Kastanas1410
regelmäßig vertreten. Besonders zahlreich sind Biber am Ende
der Spätbronzezeit. Ihre Größe variiert, den Knochenlängen
1404
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 111f.
Jordan 1975 S. 136; Hinz 1979 S. 77.
1406
Stanzel 1991 S. 114f.
1407
Snyder/Klippel 1996 S. 284.
1408
Becker 1986 S. 161ff.
1409
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 112.
1410
Becker 1986 S. 180ff.
1405
259
Mykenische Enährung
zufolge waren um Kastanas größere und kleinere Tiere
heimisch. Ein Viertel der Tiere war zum Zeitpunkt der Tötung
nicht ausgewachsen, die übrigen erreichten zum Teil ein hohes
Alter. Die intensive Zerschlagung der Knochen, sowie
zahlreiche Ritz- und Schnittspuren belegen, daß die Bewohner
Biberfleisch schätzten und die Tiere mehr oder weniger
fachgerecht zerlegten. Wohl hat man ihnen auch das schöne
Fell abgezogen und dieses weiterverwendet. Darüber hinaus
wurden offensichtlich die Unterkiefer der Biber als Werkzeuge
verwendet. Ob das Bibergeil, ein Sekret der Präputialdrüse,
bereits zu dieser Zeit in die Volksmedizin Eingang gefunden
hat, muß dahingestellt bleiben.
7. 3. 2. 17. Edelmarder
Die linke Beckenhälfte eines Edelmarders (Martes martes)
wurde im Knochenfundmaterial der Magula Pevkakia
festgestellt.1411
7. 3. 3. Wildvögel
Aus Pylos stammen Reste des Habichts (Accipiter gentilis)
und des Steinhuhns (Alectoris graeca), beide kommen auch in
Lerna, Kassope und in Thessalien vor.1412 Beide finden sich
auch in Tiryns,1413 dazu kommen Hauben- oder Rothalstaucher
(Podiceps cristatus oder P. grisegena), Höckerschwan
(Cygnus olor), Haus- oder Graugans (Anser anser domesticus
oder A. anser), Haus- oder Stockente (Anas platyrhynchos
dom. oder Anas platyrhynchos), Knäkente (Anas
1411
Jordan 1975 S. 137.
Nobis 1993 S. 164f.
1413
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 114ff.
1412
260
7. Fleisch
querquedula), Tafelente (Aythya ferina), Mäusebussard (Buteo
buteo), Rohrweihe (Circus aeruginosus), Kranich (Grus grus),
Bläßralle (Fulica atra), Silbermöwe (Larus argentatus), Hausoder Felsentaube (Columba livia domestica oder C. livia),
Sumpfohreule (Asio flammeus), Steinkauz (Athene noctua),
Feld- oder Haubenlerche (Alauda arvensis oder Galerida
cristata), Kolkrabe (Corvus corax), Saatkrähe (Corvus
frugilegus) und Nebelkrähe (Corvus corone cornix). In
Kastanas1414 machen Funde von Vögel 0,4% des gesamten
Tierknochenmaterials aus. Für die späte Bronzezeit sind
folgende Arten belegt: Höckerschwan (Cygnus olor), Grau/Saatgans (Anser anser, Anser fabalis), Stockente (Anas
platyrhynchos), Großtrappe (Otis tarda), Ringeltaube
(Columba palumbus) und Nebelkrähe (Corvus corone cornix),
wobei nur die Gänse und Stockenten mit nennenswerter
Häufigkeit
in
Erscheinung
treten.
Der
starke
Zerschlagungsgrad und an einem Zehntel der Knochen
nachweisbare Hack- und Ritzspuren, sowie die Verteilung der
Knochen auf die Körperregionen machen es sehr
wahrscheinlich, daß die vorliegenden Reste von verzehrten
Tieren stammen. In Magula Pevkakia wurden für die
mykenische Epoche neben der Großtrappe (Otis tarda) auch
die Zwergtrappe (Tetrax tetrax) auch der Kolkrabe (Corvus
corax) festgestellt.1415 Aus Kalapodi stammen für die Phase
SH III C/Submykenisch Nachweise der Haus- oder Graugans
(Anser anser), der Haus- oder Stockente (Anas platyrhynchos),
des Sperbers (Accipiter nisus), des Kranichs (Grus grus), der
Felsen- oder Haustaube (Columba livia) sowie des
Grauammers (Emberiza calandra).1416
Es wurden wohl beinahe alle diese Arten als eßbar eingestuft.
Vögel leisteten sicher einen – wenn auch geringen – Beitrag
1414
Becker 1986 S. 186ff.
Jordan 1975 S. 141f.
1416
Stanzel 1991 S. 124ff.
1415
261
Mykenische Enährung
zur menschlichen Ernährung. Die Federn der Tiere wurden
wahrscheinlich ebenfalls verwendet, etwa als Federwisch im
Haushalt oder zur Bestückung von Pfeilen. Wie man der
Vögel habhaft wurde, ist nur zu vermuten. Die Verwendung
von Schlingen und Netzen, wie auch der Einsatz von
Leimruten und Lockvögeln ist schon lange Zeit bekannt.
Besonders häufig finden sich Gänse und Enten. Gänse, die in
Ägypten bereits im Verlauf der Bronzezeit domestiziert
wurden, könnten auch im mykenischen Griechenland als
Haustiere um die Siedlungen gelebt haben.1417 Homer
jedenfalls kennt schon gezähmte Gänse.1418 Auch die
Vogeleier könnten ein geschätztes und hochwertiges
Nahrungsmittel
gewesen
sein.
Bronzezeitliche
Gänseeierschalen etwa stammen aus Theben.1419 Dieser
Aspekt der Nutzung hinterläßt aber ebensowenige Spuren wie
das Auflesen von Federn.
7. 3. 4. Schildkröten
In Tiryns1420 fanden sich Reste von mindestens 3
Schildkrötenarten,
der
Breitrandschildkröte
(Testudo
marginata), der Griechischen Landschildkröte (Testudo
hermanni), sowie der Sumpfschildkröte (Emys orbicularis).
Am häufigsten ist die Breitrandschildkröte vertreten. In
Kastanas1421 wurden die Sumpfschildkröte und die Griechische
Landschildkröte nachgewiesen, darüber hinaus außerdem die
Kaspische Wasserschildkröte (Mauremys caspica). In der
Magula Pevkakia fand sich neben der Breitrandschildkröte und
der Griechischen Landschildkröte auch die Maurische
1417
Stanzel 1991 S. 126.
Vgl. Hom. Od. 15, 161ff.; 19, 536.
1419
Vickery 1936 S. 35, 66.
1420
von den Driesch/Boessneck 1990 S. 116.
1421
Becker 1986 S. 221ff.
1418
262
7. Fleisch
Landschildkröte (Testudo graeca).1422 In Kalapodi fanden sich
in Schichten der Phase SH III C/Submykenisch 316 Reste von
Schildkröten.1423 Dabei handelte es sich um Griechische
Landschildkröten und Breitrandschildkröten. Es fanden sich
vor allem Reste von Jungtieren.1424 Schildkröten wurden wohl
in mykenischer Zeit gerne verzehrt, worauf die zahlreichen
zerbrochenen und zerschlagenen Rücken- und Bauchpanzer
der Tiere in Kastanas1425 schließen lassen, in klassischer Zeit
dagegen zeigten die Griechen eine deutliche Abneigung
dagegen. Der Schildkrötenpanzer fand gelegentlich als
Resonanzboden für Musikinstrumente Verwendung.
7. 4. Fleisch in klassischer Zeit
Fleisch spielte allem Anschein nach in der klassischgriechischen Ernährung nur eine untergeordnete Rolle.1426 Der
Fleischkonsum vollzog sich oft im Zusammenhang mit
religiösen Aktivitäten. Der Anteil von Fleisch an der
Ernährung war aber auch von der Kaufkraft und den örtlichen
Gegebenheiten abhängig. Man verzehrte in der Regel das
Fleisch von Haustieren. Das Fleisch von Wildtieren war zwar
schmackhaft und begehrt, doch kam es wohl nicht allzu häufig
auf den Tisch. Vor allem scheinen Schwein, Schaf und Ziege
wichtig gewesen zu sein, Rindfleisch, das bei Homer noch in
großen Mengen gegessen wird, scheint im klassischen Athen
und in anderen Städten Mittel- und Südgriechenlands nicht oft
verzehrt worden zu sein; zumindest ist es literarisch nur wenig
1422
Hinz 1979 S. 95f.
Stanzel 1991 S. 131ff.
1424
Stanzel 1991 S. 134f.
1425
Becker 1986 S. 221ff. und 242.
1426
Siehe dazu Jameson 1998.
1423
263
Mykenische Enährung
belegt, wenngleich Hinweise darauf natürlich nicht völlig
fehlen.1427
Die klassischen Griechen aßen nicht nur das Muskelfleisch
und das Fett, sondern auch fast jeden anderen Teil der
wichtigsten Nutztiere, wie etwa die Innereien (Herz, Leber
und Nieren),1428 die Zunge,1429 die als etwas Besonderes galt,
oder auch das Knochenmark, das etwa als Delikatesse zum
Wein geschätzt wurde.1430 Außerdem gab es in Athen offenbar
einen lebhaften Handel mit Würsten und weißen Innereien.1431
In Rom hat der Fleischverbrauch im Lauf der Jahrhunderte
zugenommen. Während zur Zeit der frühen Republik
anscheinend überwiegend pflanzliche Nahrung konsumiert
wurde,1432 bahnte sich hier ab dem 2. Jh. v. Chr. eine Wende
an. Bereits im Jahre 97 v. Chr. hatte die lex Licinia den
Fleischkonsum pro Tag einzuschränken versucht.1433 In der
Kaiserzeit schließlich bestand die Ernährung der Reichen, wie
etwa das von Petron beschriebene Gastmahl Trimalchios
belegt, zu einem überwiegenden Teil aus Fleisch.
Das Fleisch wurde in der römischen Küche vor allem gekocht,
seltener gebraten und gebacken, in den meisten Fällen aber
wurde es mit komplizierten und stark gewürzten Saucen
angerichtet.
1427
Aristoph. Pax 1280; Theophilos 8 bei Ath. 3, 95a und 10, 417b.
Hom. Od. 3, 461ff.; Aristoph. av. 518f.
1429
Ath. epit. 1, 16 b; Aristoph. Pax 1109.
1430
Pherekrates 158 bei Ath. 15, 653 ef.
1431
Ath. 3, 94c-101 b.
1432
Vgl. etwa die Ernährung des Manius Curius: Megakles in Ath. 10, 419 a;
vgl. Iuv. 11, 78ff.
1433
Gel. 2, 24, 7; Macr. Sat. 3, 17, 9.
1428
264
7. Fleisch
7. 4. 1.Haustiere
7. 4. 1. 1. Rind
In Griechenland war das Rind (griech. / lat. bos) sowohl
in der Wirtschaft als auch in seiner religiösen Bedeutung und
der kultischen Praxis das wichtigste Haustier. Rinder kamen
beim Transport von Lasten, beim Pflügen und beim Dreschen
zum Einsatz, ihre Arbeitskraft war für die Bauern
unverzichtbar.1434 Die Mehrzahl der männlichen Tiere, die in
der Landwirtschaft als Arbeitstiere dienten, wurde kastriert, da
unkastrierte Stiere nicht zu bändigen waren. Rindsleder war
ein wertvolles Material für Riemen, Behälter, Kleidungen und
Rüstungen.
Die Bedeutung des Rindes hebt schon Homer hervor.1435
Rindfleisch wurde in den Epen häufig gegessen,1436 darüber
hinaus diente das Rind als Wertmesser.1437 Rindfleisch war ein
wichtiger Bestandteil der menschlichen Ernährung, wobei das
Fleisch oft im Zusammenhang mit dem Opferritual verzehrt
wurde. Rinder galten als die vornehmsten Opfertiere. Das
Opfern und Verzehren eines Ochsen steht bereits im
Mittelpunkt einer bekannten Episode bei Homer,1438 wo ein
Mahl am Hofe des Nestor geschildert wird. Rindfleisch war
auch die Kraftnahrung griechischer Athleten.1439
Wie ihr Name vermuten läßt, boten Boiotien und Euboia gute
Bedingungen für die Rinderzucht, im nördlichen Griechenland
1434
Hes. erg. 405; Aristot. pol. 1252 b; Aischyl. Prom. 462ff.; Plat. rep. 370
d–e.
1435
Hom. Il. 13, 703ff.; 15, 630ff.; 17, 61ff.; 17, 657ff.; 18, 520ff.; 18,
573ff.; Hom. Od. 14, 100; 20, 209ff.
1436
Hom. Il. 7, 466; 23, 26ff.
1437
Hom. Il. 6, 236; 23, 703; 23, 705; Hom. Od. 1, 431.
1438
Hom. Od. 3, 404ff.
1439
Plat. rep. 1, 338 c.
265
Mykenische Enährung
waren Thessalien1440 und Epeiros für ihre Rinderhaltung
bekannt.1441
In der römischen Frühzeit war das Rind zunächst als
Arbeitstier zu wichtig, um es zu Ernährungszwecken zu
schlachten, das Töten eines Rindes war ein hart bestraftes
Delikt.1442 Ausgenommen waren hier sicher unfruchtbare
sowie alte und arbeitsunfähige Tiere. Schließlich wurde aber
auch das Rind, bedingt durch bessere Züchtungsmethoden und
das größere Enährungsbedürfnis, ein übliches Schlachtvieh
und sein Fleisch ein geschätztes Nahrungsmittel.1443 Schon bei
Plautus1444 wird der Verzehr von Rindfleisch geschildert, im
Kochbuch des Apicius findet sich zwar nur ein Rezept für
Rindfleisch,1445 hingegen vier für Kalbfleisch.1446
7. 4. 1. 2. Schafe und Ziegen
Das Fleisch des Schafes (griech. bzw. / lat. ovis) wurde
in klassischer Zeit gerne gegessen. Den Verzehr von
Hammelfleisch beschreibt schon Homer,1447 ein Schaf bildet
auch den Hauptbestandteil einer Mahlzeit bei Aristophanes.1448
Lammfleisch galt, wie auch das Fleisch junger Ziegen, als eine
Delikatesse.1449
1440
Vgl. Xen. hell. 6, 4, 29.
Aristot. hist. an. 522 b; 595 b; vgl. Varro rust. 2, 5, 10.
1442
Varro, rust. 2, 5, 4; Cic. nat. deor. 2, 159; Colum. 6, praef. 7; Plin. nat. 8,
180; vgl. Ail. nat. 12, 34; var. 5, 14.
1443
Vgl. Gal. 15, 879 Kühn; Apic. 8, 5, 1ff.
1444
Plaut. Aul. 374f.
1445
Apic. 8, 5, 2.
1446
Apic. 8, 5, 1ff.
1447
Hom. Od. 9, 556ff.
1448
Aristoph. Pax 937ff.
1449
Philoxenos bei Ath. 4, 146f.; Hippokr. vict. 3, 82, 2; Krates comic. 1 bei
Ath. 9, 396 d.
1441
266
7. Fleisch
Das Fleisch von Ziegen (griech. / lat. caper, capra) wird
schon bei Homer1450 erwähnt, ebenso bei Hesiod.1451 Ziegen
wurden regelmäßig geopfert und gegessen, ihr Fleisch galt als
äußerst nahrhaft.1452 Ziegen vermehren sich nicht besonders
leicht, das Schlachten eines Ziegenkitzes galt daher als ein
relativer Luxus, den man sich nur manchmal genehmigte.1453
Größte Bedeutung hatten Ziegen wohl für die Käseherstellung.
Auch die Wildziege galt als interessante Nahrung.1454
In Rom spielte der Verzehr von Schaffleisch keine große
Rolle. Juvenal1455 erwähnt „gekochtes Hammelmaul“ als
Bestandteil eines Festessens eines Schusters. Dagegen wurde
das Fleisch von Lämmern, vor allem von Milchlämmern,
bevorzugt. Das Essen von Lammfleisch ist bei Plautus1456 die
Regel, und im Kochbuch des Apicius1457 finden sich elf
Rezepte. Auch die Eingeweide des Lammes wurden
verzehrt.1458
Ziegenfleisch wurde von den römischen Ärzten für ungesund
gehalten,1459 dennoch wurden sogar kranke Tiere verzehrt.1460
Zwar waren die Ziegen vor allem für die Milchproduktion
bestimmt, doch behielt man nur so viele Zicklein, wie für den
Fortbestand der Herde notwendig waren, und vor allem die
überflüssigen männlichen Böcke wurden wegen ihres
1450
Hom. Od. 17, 213f.
Hesiod erg. 591.
1452
Ananios 5 bei Ath. 282b.
1453
Etwa Hesiod erg. 591
1454
Hom. Od. 9, 154ff.
1455
Iuv. 3, 294.
1456
Plaut. Aul. 374; 561; Capt. 818f.; 849.
1457
Apic. 8, 6, 1ff.; 7, 12, 1.
1458
Titinius in Non. 331, 25.
1459
Varro rust. 2, 3, 9f.
1460
Colum. 7, 7, 2.
1451
267
Mykenische Enährung
Fleisches geschlachtet.1461 Bei Apicius findet sich eine
Vielzahl von Rezepten mit Ziegenfleisch.1462
7. 4. 1. 3. Schweine
Das Schwein (griech. bzw. / lat. sus), in klassischer Zeit
Nutz- und auch Opfertier, nahm in der Speisekarte Athens
einen wichtigen Platz ein1463 und war recht beliebt,1464
besonders die Ferkel.1465
Bereits Homer1466 beschreibt, wie Eumaios ein Schwein für
sich selbst, seine Arbeiter und seinen Gast (den verkleideten
Odysseus) opfert. In klassischer Zeit finden sich weitere
Belege für den Verzehr von Schweinefleisch.1467
Üblicherweise dienten ausgewachsene Jungschweine zur
Nahrungsbereitung. Ferkel, die noch von der Muttermilch
lebten, galten als besondere Delikatesse.1468 Der Uterus einer
Sau wurde in klassischer Zeit für einen Leckerbissen gehalten,
den einer Sau, die eine Fehlgeburt hatte, schätzte man
besonders.1469 Auch das Fleisch wilder Eber stand in hohem
Ansehen.1470
Den Römern lieferte das Schwein den größten Anteil frischen
oder konservierten Fleisches. Man verwendete fast jeden Teil
der Tiere, den Kopf und die Schnauze,1471 die Ohren,1472 den
1461
Colum. 7, 6, 7f.
Apic. 4, 1, 2; 7, 12, 1; 8, 6, 1ff.
1463
Antiph. com. frg. 133; Ekphant. frg. 1 Edm.
1464
Lob des Schweinefleischs: Ail. 9, 28.
1465
Alk. frg. 71 L.-P.; Aischyl. frg. 309 N.
1466
Hom. Od. 14, 413ff.
1467
Etwa Ath. 9, 375 d-f.
1468
Hom. Od. 14, 80ff.; Aristoph. Ach. 786 ff; Pherekrates 49 bei Ath. 9,
396 c; Ananios 5 bei Ath. 7, 282 b.
1469
Ath. 3, 96 e; Archestratos 62 bei Ath. 3, 101 c; Ath. 3, 101 a.
1470
Lynkeus bei Ath. 9, 402a.
1471
Plaut. Men. 211; Cael. Aur. acut. 2, 209 ; chron. 2, 160.
1462
268
7. Fleisch
Schwanz,1473 die Koteletts,1474 den Kamm,1475 die Filets,1476 die
Brust und den Magen,1477 die Haxen,1478 die Schwarte,1479 das
Hirn,1480 die Nieren1481 und vor allem die Leber, besonders die
Leber eines mit Feigen gemästeten Mutterschweins, das
ficatum, eine Erfindung des Apicius.1482 Der Schweinespeck
wurde gerne für Gemüsegerichte genommen, besonders für
Saubohnen,1483 man stellte auch zahlreiche in Schweinedärme
gefüllte Wurstsorten her.1484 Das weibliche Schwein lieferte
zwei weitere, überaus geschätzte Gerichte, den begehrten
Euter,1485 der recht teuer war,1486 und den man gekocht oder
gefüllt aß,1487 und die Gebärmutter, die noch begehrter1488 und
teurer1489 war. Besonders bevorzugte man die Gebärmutter von
Säuen, die noch nicht geworfen hatten. Für diese gibt Apicius
vier Rezepte an.1490 Außerdem legte man Wert auf das
Spanferkel und auf das abgesetzte Ferkel, für die zahlreiche
Rezepte überliefert sind.1491
1472
Cael. Aur. acut. 2, 209 ; chron. 2, 160.
Apic. 7, 1, 5.
1474
Mart. 2, 37, 2.
1475
Plaut. Capt. 915; Pseud. 198; Varro ling. 5, 110; Apic. 7, 8, 1.
1476
Etwa: Plaut. Capt. 915; Curc. 323.
1477
Apic. 7, 7, 1f.; auf faliskische Art: Mart. 4, 46, 8.
1478
Apic. 7, 1, 5; Vespa 84; Cael. Aur. acut. 2, 209.
1479
Plaut. Capt. 904; Pseud. 166; Apic. 7, 1, 5.
1480
Cael. Aur. acut. 2, 111 ; 209 ; chron. 1, 22 ; 2, 160.
1481
Apic. 7, 8.
1482
Plin. nat. 8, 209; Apic. 7, 3, 1f. ; Edict. Dioclet. 4, 6.
1483
Hor. sat. 2, 6, 64; Ov. fast. 6, 169f.; Mart. 5, 78, 10; Macr. Sat. 1, 12, 33.
1484
Varro ling. 5, 111; Apic. 2, 4; 4, 2, 13; Mart. 1, 41, 9f.; 4, 46, 8; 13, 55;
Petron. 31, 11; 49, 10;
1485
Plin. nat. 8, 209 ; Plaut. Capt. 904 ; Pseud. 166 ; Macr. Sat. 3, 13, 12;
Iuv. 11, 138; Pers. 1, 53; Petron. 36, 2; Mart. 2, 37, 2 ; 7, 78, 3.
1486
Edict. Dioclet. 4, 5.
1487
Apic. 7, 2, 1f.
1488
Hor. epist. 1, 15, 41; Iuv. 11, 81; Apic. 7, 1, 6.
1489
Edict. dioclet. 4, 4.
1490
Apic. 7, 1, 1ff.; vgl. Petron. 35, 3; Mart. 13, 56.
1491
Apic. 8, 7, 1ff.
1473
269
Mykenische Enährung
Obwohl das Wildschwein im alten Rom das teuerste Großwild
war,1492 wurde es doch häufig verzehrt, so häufig, daß es
manche bereits als zu gewöhnlich empfanden.1493 Das
Wildschwein galt den Römern als sehr nahrhaft,1494 oft legte
man es zum Marinieren einen Tag lang in Salz.1495 Die
bevorzugten Stücke waren die Filetspitzen,1496 die Brust,1497
die Hinterkeule1498 und der Kopf,1499 bei der Bache, wie auch
beim Mutterschwein, die Zitzen und die Vulva.1500 Im 2. Jh. v.
Chr. kreierte Servilius Rullus die Mode, ein ganzes
Wildschwein auf den Tisch zu bringen.1501 Dieses briet man
am Spieß1502 und servierte es mit einer Sauce.1503 Häufiger
aber wurde das Wildschwein gekocht1504 oder im Ofen
gebacken.1505 Auch Schweineschmalz wurde in der römischen
Küche reichlich verwendet.1506
7. 4. 1. 4. Pferd, Esel, Maultier
Das Fleisch des Pferdes (griech. / lat. equus) wurde von
den Griechen nur selten verzehrt, wenngleich sein Nährwert
hervorgehoben wird.1507 Auch die römische Welt verzichtete
1492
Edict. Dioclet. 4, 43.
Sen. epist. 78, 24.
1494
Cels. 2, 18, 2.
1495
Apic. 8, 1, 1.
1496
Mart. 3, 82, 20.
1497
Mart. 10, 45, 3f.
1498
Apic. 8, 1, 10.
1499
Macr. Sat. 3, 13, 12.
1500
Lampr. Heliog. 21, 3.
1501
Plin. nat. 8, 210; vgl. Iuv. 1, 140f.
1502
Mart. 14, 221, 2.
1503
Etwa: Apic. 8, 1, 4f.
1504
Apic. 8, 1, 2; 8, 1, 6ff.
1505
Apic. 8, 1, 1; 8, 1, 3.
1506
Cato agr. 79 und 80.
1507
Hippokr. vict. 2, 46.
1493
270
7. Fleisch
fast völlig auf das Pferd als Nahrungsmittel, es spielte nur als
Heilmittel eine Rolle.1508
Der Esel wird gewöhnlich bzw. asinus genannt. Bei
Homer wird der Esel nur einmal erwähnt,1509 bei Hesiod
kommt er überhaupt nicht vor. Seit dem 6. Jh. v. Chr. wird er
dann häufig dargestellt und beschrieben.1510
Er wurde als Haustier vielfältig genutzt, man zog ihn zum
Pflügen, als Zugtier, als Packtier, zur Mühlenarbeit und zum
Kornmahlen heran.1511 Wenngleich Porphyrios1512 schreibt,
daß Eselfleisch von den Griechen nicht gegessen wurde, und
Galen1513 der Meinung war, man müsse es eselsartigen
Menschen überlassen, davon zu essen, wurde es dennoch in
der Antike verzehrt. Reiche Perser verzehrten Eselfleisch an
ihrem Geburtstag.1514 Man aß es auch in Alexandria.1515 Aus
Eselfleisch wurden, zusammen mit Hundefleisch, Würste
gemacht.1516 Das Bauchstück wurde als ganz besonderer
Leckerbissen angesehen.1517 Es wurde von Soldaten im Feld
verzehrt,1518 ebenso von Arbeitern.1519 Der Verzehr von
Eselsfüllen, eine Mode, die Maecenas kreierte, hat sich nicht
durchgesetzt.1520
Maultier (griech. , auch: / lat. mulus/mula) und
Maulesel (griech / lat. hinnus/hinna) werden in der
1508
Plin. nat. 28, 265.
Hom. Il. 11, 558ff.
1510
Vgl. etwa Aristot. gen. an. 747b-748b.; hist. an. 577a-578b; Varro rust.
2, 6; Colum. 6, 36ff.; Plin. nat. 8, 167ff.; Geop. 16ff.; u. a.
1511
Colum. 7, 1.
1512
Porphyr. abst. 1, 14; 2, 25.
1513
Vgl. Gal. 6, 664 Kühn = Orib. coll. med. 2, 28, 12.
1514
Hdt. 1, 133.
1515
Gal. 6, 486 Kühn.
1516
Aristoph. eq. 1399.
1517
Aristoph. vesp. 194.
1518
Xen. anab. 2, 1, 6.
1519
Lucian as. 33; Apul. met. VII 22.
1520
Plin. nat. 8, 170.
1509
271
Mykenische Enährung
antiken Literatur häufig erwähnt. Sie vereinten zahlreiche
Qualitäten, so waren sie schneller als der Ochse, edler und
leistungsfähiger als der Esel und widerstandfähiger und
weniger anfällig als das Pferd. Damit waren sie von großer
Bedeutung für die Landwirtschaft und das Transportwesen.
Die Last auf dem Rücken eines Maultieres kann die Hälfte
seines Gewichtes betragen, vor einen leichten Wagen gespannt
ist sein Trab gleichmäßig und für den Reisenden angenehm.
Als Reittier1521 ist es zudem sicherer als das Pferd. Das
Maultier wird bei Homer erwähnt,1522 längere Abhandlungen
finden sich in späteren naturkundlichen Schriften.1523 Die
Zucht von Maultieren war ein wichtiger Zweig der
Viehwirtschaft, der in der Fachliteratur auch ausführlich
beschrieben wurde.1524 Maultiere wurden als hervorragende
Arbeitstiere geschätzt,1525 in der Landwirtschaft wurden sie für
die
Bodenbearbeitung
und
den
Transport
von
Agrarerzeugnissen verwendet,1526 auch für den Transport von
Baumstämmen und Brennholz,1527 sie drehten die
Getreidemühlen,1528 nicht zu vergessen ist auch ihre
Bedeutung für den antiken Reiseverkehr.1529 Literarische
Belege für den Verzehr von Maultier- und Mauleselfleisch
sind mir allerings nicht bekannt.
1521
Hor. Sat. 1, 6, 105; Mart. 14, 197.
Hom. Il. 24, 277 f; 24, 324; Hom. Od. 4, 63ff.
1523
Aristot. hist. an. 577b; Aristot. gen. an. 748a; Plin. nat. 8, 167; 8, 170ff.
1524
Varro rust. 2, 8; Colum. 6, 36ff.
1525
Plin. nat. 8, 171.
1526
Hom. Il. 10, 351ff.; 24, 782 f; Hom. Od. 8, 125.
1527
Hom. Il. 17, 742ff.; 23, 120f.
1528
Apul. met. 9, 10ff.
1529
Sen. epist. 87, 4; 87, 7f.
1522
272
7. Fleisch
7. 4. 1. 5. Hunde
Das Fleisch von Hunden (griech. / lat. canis) wurde im
klassischen Griechenland verzehrt, doch war es wohl nicht
sehr angesehen. In der gastronomischen Literatur erscheint es
nie. Doch wurde etwa das Fleisch ausgewachsener Hunde für
bestimmte Diäten empfohlen,1530 das von Hundewelpen für
andere.1531 Von manchen Leuten wurde Hundefleisch sogar
häufig gegessen, wie Galen1532 berichtet, die Griechen des 2.
Jh. n. Chr. gehörten aber nicht mehr dazu.
Das Fleisch von Hunden wurde in Rom bei Amtsantrittsessen
aufgetischt, und auch noch später, in der Kaiserzeit, bei
Gastmählern zu Ehren der Götter.1533 Das Verzehren von
Hunden, wie es in Karthago1534 der Fall war und noch heute in
China üblich ist, ist ja, da diese außerhalb der Jagd oder der
Bewachung der Herden keinen Nutzen brachten, völlig
normal.
7. 4. 2. Wildsäugetiere
7. 4. 2. 1. Hirsch
In der klassischen Antike machte man sich fast alle Teile des
Hirsches (griech. /lat. cervus) nutzbar. Der Hirsch galt
in der römischen Küche als eine Delikatesse, über die Qualität
des Fleisches (vor allem älterer Tiere) war man aber durchaus
geteilter Meinung.1535 Für besonders schmackhaft, nahrhaft,
1530
Hippokr. vict. 79.
Hippokr. vict. 82.
1532
Gal. 6, 664f. Kühn.
1533
Plin. nat. 29, 58; Ov. fast. 4, 908; 4, 936; Colum. 2, 21, 4; Plut. Rom. 21,
8.
1534
Iust. 19, 1.
1535
Cels. 2, 18, 2; Gal. 6, 664 Kühn.
1531
273
Mykenische Enährung
leicht verdaulich und gesund hielt man aber den Braten von
jungen Tieren, den Plinius1536 auch Fieberkranken empfiehlt.
Apicius nennt mehrere Rezepte mit Hirschfleisch,1537 auch das
Fleisch von Hirschkälbern wurde verzehrt.1538 Viele Teile des
Hirsches fanden auch in der Medizin Verwendung.1539
7. 4. 2. 2. Damhirsch
Der Damhirsch (griech. / lat. dama), der im antiken
Italien in Wildgehegen gezogen wurde,1540 wurde in Rom
häufig verzehrt,1541 wenngleich manche meinten, er schmecke
nach nichts.1542
7. 4. 2. 3. Reh
Das Fleisch des Rehs (griech. / lat. caprea) galt den
Römern als nahrhaft,1543 stopfend1544 und wohlschmeckend.1545
In Rom selbst kostete es soviel wie das des Hirschen und kam
daher wohl nur auf die Tische der Reichen.1546 Apicius nennt
drei Rezepte mit Rehfleisch.1547
1536
Plin. nat. 8, 19; 28, 228.
Apic. 8, 2, 1; 8, 2, 3ff.
1538
Anthim. 7.
1539
Siehe dazu: Orth 1913 Sp. 1943f.
1540
Colum. 9, 1, 1.
1541
Etwa: Mart. 13, 94.
1542
Iuv. 11, 121.
1543
Cels. 2, 18, 2; vgl. Cael. aur. chron. 2, 23.
1544
Cels. 2, 30.
1545
Iuv. 11, 142; außer bei: Hor. sat. 2, 4, 43.
1546
Iuv. 11, 142; Edict. Dioclet. 4, 45.
1547
Apic. 8, 3, 1ff.
1537
274
7. Fleisch
7. 4. 2. 4. Hase
Schon Homer benutzte die Jagd auf Hasen (att.
, ion. dor. , aiol. / lat. lepus)
als Gleichnis,1548 und in der späteren Literatur finden sich
zahlreiche Belege.1549 In Szenen der Vasenmalerei des 6. und
5. Jh. v. Chr. ist der Hase oft als Liebesgabe dargestellt. In den
Komödien ist der Hase Kennzeichen eines exklusiven, teuren
und intimen Abendessens.1550
Hasenbraten wurde zu den feinen Speisen gerechnet,1551 nach
Archestratos sollte er nicht ganz durch sein, sondern so, daß
beim Tranchieren das Blut herausläuft.1552 Innereien und Blut
von Hasen wurden späteren Quellen zufolge separat zubereitet
und zu einem Eintopf () verarbeitet,1553 welchen man
gern als Vorspeise aß.
Das Fleisch des Hasen war auch bei den Römern sehr
begehrt.1554 Am meisten geschätzt wurde dabei die
Schulter.1555 Die große Bedeutung des Hasen in der römischen
Küche läßt sich an den vielen Rezepten im Kochbuch des
Apicius ermessen, wo der Hase gekocht, gebraten, gefüllt oder
mit Sauce gereicht wird.1556 Weitere Rezepte überliefert
Athenaios.1557 Aus dem Blut, der Leber und den Lungen wurde
ein minutal zubereitet.1558 Der Verzehr von Hasenfleisch soll
1548
Hom. Od. 17, 295.
Xenoph. ven. 6, 10ff.; Aelian hist. an. 13, 14.
1550
Ath. 9, 399 d-401 b; Nikostratos 4 bei Ath. Epit. 2, 65 d; Antiphanes 295
bei Ath. 3, 96 e.
1551
Luc. hist. conscr. 56.
1552
Archestratos bei Ath. 9, 399 df.
1553
Aristoph. Ach. 1112; Pherekrates 255 bei Hesych s. v. mímarkys.
1554
Mart. 13, 92; 6, 75, 2; 7, 78, 3; Petron. 36, 2.
1555
Hor. sat. 2, 4, 44; 2, 8, 89.
1556
Apic. 8, 8, 1ff.; 4, 3, 7.
1557
Ath. 9, 399 df.
1558
Apic. 4, 3, 7; 8, 8, 5.
1549
275
Mykenische Enährung
auch für mehrere Tage schön machen1559 und gegen zahlreiche
Krankheiten helfen.1560 Aber nicht nur das Fleisch, sondern
viele andere Teile des Hasen fanden in der Medizin
Verwendung.1561
7. 4. 2. 5. Löwe
Nach Plinius1562 lebten die Agriophagen hauptsächlich vom
Verzehr von Löwenfleisch, daß das Fleisch des Löwen
(griech. / lat. leon) aber tatsächlich verzehrt wurde,
belegt eine Stelle bei Galen.1563 Sein Fleisch hielt man für
trocken,1564 die schwarze Milz galt als ungenießbar.1565 Sein
Fett kam in der Medizin sowie in der Kosmetik zur
Anwendung.1566 Begehrt war natürlich auch das Fell des
Löwen.
7. 4. 2. 6. Bär
Im klassischen Altertum wurde der Bär (griech. / lat.
ursus) häufig gejagt, man verwendete Pelz, Fett und Zähne.
Sein Fleisch wurde gegessen, mit Ausnahme der Milz.1567 Man
schätzte es besonders im Herbst.1568
1559
Plin. nat. 28, 260.
Plin. nat. 28, 166; 28, 178f.; 28, 199; 28, 215.
1561
Siehe Gossen 1912 Sp. 2484f.
1562
Plin. nat. 6, 195.
1563
Gal. 6, 664 Kühn.
1564
Gal. 1, 255 Kühn.
1565
Gal. 5, 134 Kühn.
1566
Belege bei: Steier 1926 Sp. 982.
1567
Gal. 5, 134 Kühn; 6, 664 Kühn; Petr. 66.
1568
Orib. 1, 181 d.
1560
276
7. Fleisch
Auch die Römer schätzten das Fleisch der auf der Jagd oder in
der Arena getöteten Bären.1569 Ein Bärenviertel wird bei einem
Totenessen erwähnt,1570 eine beliebte Spezialität waren auch
die Bärentatzen.1571 In der Medizin fanden ebenfalls
verschiedene Teile des Bären Anwendung.1572
7. 4. 2. 7. Fuchs
Das Fleisch des Fuchses (griech. / lat. volpes, vulpes)
gehörte im klassischen Altertum, besonders bei den Griechen,
zu den Nahrungsmitteln. Man schätzte es als wohlschmeckend
und bevorzugte es besonders während der Erntezeit, da sich
die Füchse in dieser Jahreszeit an Trauben weiden können.1573
Es fand auch zahlreiche Anwendungen in der antiken
Medizin.1574
7. 4. 2. 8. Dachs
Das Fett des Dachses (griech. mögl. / lat. meles, taxus)
wurde bereits in der klassischen Antike in der Medizin
verwendet.1575 Über die Rolle von Dachsfleisch in der antiken
Ernährung ist allerdings wenig bekannt.
1569
Tert. apol. 9, 11.
Petron. 66, 5f.
1571
Plut. quaest. nat. 22.
1572
Siehe dazu: Wellmann 1896 Sp. 2760.
1573
Ananios 5 bei Ath. 7, 282b; Gal. 6, 665 Kühn.
1574
Siehe dazu: Wellmann 1910 Sp. 191.
1575
Plin. nat. 28, 156; 28, 190.
1570
277
Mykenische Enährung
7. 4. 2. 9. Igel
In der klassischen Antike wurden Igel (/ lat.
ericius, irenaceus bzw. erinaceus) zum Aufbereiten von Tuch
verwendet,1576 aber man hat sie auch gerne gegessen.1577 In der
Medizin kamen verschiedene Teile des Igels zur Anwendung,
etwa bei Wassersucht,1578 bei Harnverhalten1579 oder bei
Spasmen.1580 Als Schlangenvertilger wurden Igel wohl schon
früh als Haustiere gehalten.1581
7. 4. 2. 10. Robbe
Robben (griech. / lat. vitulus marinus) wurden in
klassischer Zeit mit Netzen gefangen, an Land gezogen und
dann mit Spieß-, Keulen- und Lanzenhieben getötet.1582 Das
Fleisch der Mönchsrobbe galt als hart, salzig und schwer zu
verdauen.1583 Die anderen Teile der Robbe (Lab, Fett, Fell)
waren sehr begehrt und wurden für viele Zwecke
verwendet.1584
7. 4. 3. Vögel
Die klassischen Griechen verzehrten vor allem im Rahmen
kleiner intimer Essen oder Symposia eine Vielzahl von
1576
Plin. nat. 8, 135.
Plin. nat. 30, 65.
1578
Plin. nat. 30, 105.
1579
Plin. nat. 30, 65.
1580
Plin. nat. 30, 110.
1581
Arist. hist. an. 8 (9), 612 b 6.
1582
Opp. hal. 5, 380ff.
1583
Gal. 6, 720 Kühn.
1584
Siehe dazu: Gossen 1914 Sp. 949.
1577
278
7. Fleisch
verschiedenen Vögeln.1585 Auch in der römischen Küche
spielten Federwild sowie domestiziertes Geflügel stets eine
Rolle.1586 So wurde etwa die Gänsezucht von den Römern im
großen Stil betrieben.1587 Gänse stellten in der Kaiserzeit eine
geschätzte Spezialität dar.1588 Auch die Gänseleber war recht
beliebt.1589
Gern verzehrt hat man auch die Ente. Geschätzt wurden vor
allem die Filets und der Hals.1590 Die Ente galt in der
Kaiserzeit als ein plebejisches Gericht.1591 Cato soll sie als
Krankennahrung empfohlen haben.1592 Auf das Huhn, das in
der römischen Ernährung eine wichtige Rolle spielte, soll an
dieser Stelle nicht eingegangen werden, da dieses im
spätbronzezeitlichen Griechenland noch nicht vorkam.1593
Neben zahlreichen anderen Wildvögeln wurde in der
römischen Küche der Kranich sehr geschätzt. Vergil1594 und
Horaz1595 beschreiben den Kranichfang, man hat Kraniche
aber auch in großen Herden gezüchtet.1596 Ihr Fleisch wurde
für nahrhaft gehalten.1597
Auch Eier spielten in der antiken Küche eine wichtige Rolle.
In erster Linie verwendete man die Eier von domestizierten
Vögeln wie Hühnern, Gänsen, Enten, Tauben oder Fasanen,
gelegentlich aber auch von wilden Vögeln. Das Hühnerei war
wohl am gebräuchlichsten, es stellte ein recht preiswertes
1585
Dalby 1998 S. 99ff.
André 1998 S. 100ff.
1587
Cato agr. 89; Varro rust. 3, 2, 14; 3, 10, 1; Colum. 8, 13, 1ff., 8, 14, 1ff.
1588
Petron. 137, 12; SHA Alex. Sev. 37, 5.
1589
Ath. 9, 384 c.
1590
Mart. 13, 52.
1591
Petron. 93, V. 4.
1592
Plut. Marcus Cato 23, 4.
1593
Siehe zum Huhn in der römischen Ernährung André 1998 S. 106ff.
1594
Verg. georg. 1, 307.
1595
Hor. epod. 2, 35.
1596
Varro rust. 3, 2, 14.
1597
Cels. 2, 18, 2.
1586
279
Mykenische Enährung
Nahrungsmittel dar,1598 das oft als Vorspeise serviert
wurde.1599 Man aß die Eier weich aus der Schale,1600 schlug sie
in die Pfanne1601 oder verzehrte sie hart gekocht.1602 Eier
fanden bei der Bereitung verschiedenster Gerichte mit
Gemüse,1603
Fleisch1604
oder
auch
Fischen
und
1605
Meeresfrüchten
Verwendung. Aus Eiern und Milch
konnten Omeletts zum Nachtisch bereitet werden.1606
7. 5. Tiere in den Linear B-Texten
In den Linear B-Texten kommen unzählige Tiere vor. Das
Interesse des Palastes gilt ihrer Aufzucht, ihrem
Aufenthaltsort, der Abgabe und Lieferung von Tieren, wie
auch der Weiterverarbeitung sekundärer Produkte. Die meisten
dieser verzeichneten Tiere sind wohl früher oder später auch
verzehrt worden, in keinem Fall allerdings wird auf Tiere als
Nahrungsmittel konkret angespielt.1607 Es soll daher im
folgenden nur kurz skizziert werden, welche Tiere in den
Linear B-Texten registriert sind.
1598
Edict. Dioclet. 6, 43.
Hor. sat. 1, 3, 6f.: ab ovo usque ad mala.
1600
Apic. 7, 19, 3; Plin. nat. 28, 19.
1601
Plin. nat. 29, 49.
1602
Apic. 7, 19, 2.
1603
Z. B. Apic. 5, 3, 5.
1604
Apic. 2, 1, 5; 6, 9, 15.
1605
Apic. 4, 2, 28; 9, 4, 2ff.
1606
Apic. 7, 13, 8.
1607
Zu möglichen Hinweisen in den Linear-Texten auf kultische Aktivitäten
und Bankette, die mit
Fleischkonsum in Verbindung gestanden haben könnten, siehe Kap. 14.
12 und 14. 13.
1599
280
7. Fleisch
7. 5. 1. Schafe und Ziegen
Schafe1608 sind die auf den Linear B-Täfelchen mit Abstand
meistverzeichneten Tiere. In Knossos handelt ungefähr ein
Drittel der über 3000 Täfelchen von ihnen. Insgesamt sind auf
den knossischen Texten an die 100.000 Schafe verzeichnet.
Schafe werden mit dem Ideogramm *106 OVIS aufgezeichnet.
Weibliche und männliche Tiere können unterschieden werden
(OVISf und OVISm).
In den KN Da-, Db-, Dc-, Dd-, De-, Df-, Dg- und Dv-Serien
werden Schafe an verschiedenen Ortschaften registriert.
Gemeinsam mit diesen Herden ist auch immer ein Hirte
genannt, der für die Tiere verantwortlich ist. Auf etwa einem
Drittel dieser Täfelchen ist zusätzlich eine weitere Person
genannt, die als „Collector“ oder als „Besitzer“ angesprochen
wird, deren Funktion aber unklar ist. Die männlichen und
weiblichen Schafe werden in den KN Da/Dg-Serien
durchwegs in einer Anzahl von je 100 oder mehreren
Hunderten aufgezeichnet und durch weitere Attribute, wie
etwa pa „alt“, o „fehlend“ oder pe „vom vorigen Jahr“ genauer
determiniert. In der Dk-Serie wird berechnet, wieviel Wolle
die in den KN Da-Dg-Serien bzw. der KN Dv-Serie
registrierten Schafe produzieren werden. In den Dl-und DoSerien geht es dagegen nicht nur um die Wolle, sondern auch
um die Aufzucht der Schafe, es wird zusätzlich aufgezeichnet,
wieviele Lämmer (ki) geworfen wurden. Die KN Dn-Serie
verzeichnet eine ungewöhnlich hohe Zahl von Schafen, es
dürfte sich hier wohl um Summierungstafeln handeln.
Interessant ist für unsere Untersuchung der Text KN C (2)
941. Auf diesem werden männliche und weibliche Schafe
zusammen mit dem Terminus sa-pa-ka-te-ri-ja erwähnt, der
wohl mit griechisch , schlachten, in Verbindung zu
1608
Siehe dazu : Killen 1964; Nosch 2000.
281
Mykenische Enährung
bringen ist, möglicherweise *, „Tiere, die zum
Opfer bestimmt sind“.1609
In Pylos finden sich Schafe neben der Cc-, der Ua- und der
Un-Serie vor allem in der Cn-Serie. In den pylischen Texten
sind insgesamt etwa 10.000 Schafe erzeichnet, doch ist unklar,
wieviel vom ursprünglichen Tafelmaterial verloren ist. Nimmt
man etwa die Provinz pi-*82, die keineswegs die Größte und
Produktivste unter den 16 Provinzen des pylischen Reiches
gewesen sein dürfte, und multipliziert die etwa 4.500 für
diesen Bezirk belegten Schafe mit der Zahl der Provinzen, so
kommt man auf einen Wert, der nicht weit hinter den
knossischen Zahlen liegt.1610
Ziegen werden mittels des Ideogrammes *107 CAP registriert.
Es werden männliche (CAPm) oder weibliche (CAPf) Ziegen
unterschieden. In Pylos sind sie in erster Linie in den Serien
Cc, Cn, Ua und Un verzeichnet, oft gemeinsam mit Schafen,
in Knossos vor allem in der Co- und der C-Serie. Unter dem
a3-ki-pa-ta, einer männlichen Personenbezeichnung im
Nominativ auf PY Ae 108, PY Ae 264, sowie auf KN Fh 346
ist wohl ein *, ein Ziegenhirt zu verstehen.1611
7. 5. 2. Rinder
Rinder werden in Linear B als qo-o1612 (auf PY Cn 3.2), wohl
Akkusativ Plural von *w für „“, angesprochen, das
entsprechende Ideogramm *109 BOS zeigt, obwohl es reichlich
stilisiert ist, deutlich ein Horn.
1609
Ventris/Chadwick 1973 S. 436f., 581; Aura Jorro 1993 S. 280; Killen
1994 S. 75f. Deutung als
„Schlachtfest“: Hiller/Panagl 1976 S. 312.
1610
Hiller/Panagl 1976 S. 135ff.
1611
Aura Jorro 1985 S. 135.
1612
Aura Jorro 1993 S. 207.
282
7. Fleisch
Rinderhirten werden in Linear B als qo-u-ko-ro für
*w(= ) bezeichnet und sind auf TI Ef 2
und möglicherweise auf PY Nn 831.5 im Nominativ Singular
sowie auf PY An 18.9, PY An 830.10.11.12.13 und PY An
852.1 im Nominativ Plural und auf PY Ea 781 als qo-u-ko-rojo im Genitiv Singular belegt.1613
Eine weitere Berufsbezeichnung bzw. ein Amtstitel, der mit
Rindern zu tun hat, ist der qo-qo-ta bzw. qo-u-qo-ta, der uns
auf PY Ea 270, PY Ea 757.a, PY Ea 802.a als qo-qo-ta-o im
Genitiv Singular
und auf
KN L 480.b als
Personenbezeichnung qo-u-qo-ta im Dativ entgegentritt und
als ein *ww(= ) interpretiert wird,
dessen genaue Funktion aber obskur bleibt.1614
7. 5. 3. Schweine
Möglicherweise werden Schweine bereits in den Linear ATexten aus Hagia Triada erwähnt.1615 In den Linear B Texten
werden sie mittels des Ideogramms *108 SUS verzeichnet und
können weiters durch Varianten dieses Ideogramms als
männlich SUSm oder weiblich SUSf definiert werden. Schweine
werden häufig mit der Beifügung SI genauer bezeichnet, so
etwa auf PY Cn 608.3.4.5.6.7.8.9.10.11, PY Ua 25.1, PY Un
2.6 und PY Un 138.4, was wohl dem Ausdruck si-a2-ro auf
PY Cn 608.1 für *h „Mastschwein“
entspricht.1616 Auf PY Cn 608 etwa müssen 9 Städte Schweine
mästen.
Manche Schweine, wie etwa auf PY Un 6.1.3.4 und PY Un
853.5, sind mit dem Zeichen KA spezifiziert, das wohl als
1613
Aura Jorro 1993 S. 210f.
Aura Jorro 1993 S. 208, 211.
1615
Calabrese de Feo 1977 S. 45.
1616
Aura Jorro 1993 S. 290.
1614
283
Mykenische Enährung
Eber“ aufzulösen ist.1617 Schweinehirten werden als
su-qo-ta für *w(=
bezeichnet und sind auf PY Ea 822 im Dativ Singular, sowie
auf PY Ea 59.3, PY Ea 109, PY Ea 132, PY Ea 480.a, PY Ea
481.2, und PY Ea 776 als su-qo-ta-o im Genitiv Singular
belegt.1618 Möglicherweise handelt es sich dabei aber nicht um
die Hirten selbst, sondern – aufgrund des großen Landbesitzes
– um einen Berufstitel.
Schweine sind, wie auch Rinder, im Gegensatz zu Schafen nur
in geringen Mengen aufgelistet. In Pylos finden wir
mindestens 540 Schweine, in Knossos zumindest 383.
In den Texten aus Theben findet sich der Ausdruck ko-ro auf
TH Ft 219.1, TH Ft 220 [+] 248.1 und TH Ft 234.1, der von
den Bearbeitern mit griechisch , Schwein, Ferkel, in
Verbindung gebracht wurde.1619 Diese nehmen an, daß auf den
genannten Tafeln Opfergaben an ein „heiliges Schwein“
gegeben wurden, das mit dem Kult der Demeter verbunden
sein soll. Die These scheint mir aber etwas weit hergeholt.
Dagegen spricht etwa die Verbindung von ko-ro auf TH Ft
234.1 mit dem Ideogramm OLIV (Oliven) und dem Wort kapa, das für Früchte steht. Auf den Tafeln KN De 1152.B und
PY Cn 131.11 scheint es sich bei ko-ro jedenfalls um
männliche Anthroponyme zu handeln.1620 Sucht man nach
einer alternativen Interpretation, könnte man auch an eine
Verbindung mit , Nahrung,1621 denken.
1617
Ventris/Chadwick 1973 S. 549.
Aura Jorro 1993 S. 304f.
1619
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 270f., 392.
1620
Aura Jorro 1985 S. 383.
1621
Vgl. Ath. 6, 262 a.
1618
284
7. Fleisch
7. 5. 4. Pferde, Esel, Maultiere
Equiden werden üblicherweise durch das Ideogramm *105
EQU aufgezeichnet. Die Bezeichnung i-qo als Instrumentalis
Singular auf PY Ta 722.1 sowie als Nominativ Plural auf KN
Ca 895.1 bzw. in der Form i-qo-jo als Genitiv Singular auf PY
Ea 59.5 ist wohl mit dem späteren griechischen Wort ,
Pferd, in Verbindung zu bringen, wie auch die Ideogramme,
welche das Wort auf KN Ca 895.1 begleiten, nahelegen. Die
Aussprache in mykenischer Zeit lautete möglicherweise
*w 1622Bei der Erwähnung von i-qo auf PY Fa 16 ist
unklar, ob es sich auch in diesem Fall um ein Zoonym handelt.
Sicher in Verbindung zu i-qo stehen dagegen die Begriffe i-qija auf KN Sd 4401.b, KN Sd 4402.b, KN Sd 4403.b, KN Sd
4404.b, KN Sd 4405.b, KN Sd 4408.b, KN Sd 4409.b, KN Sd
4413.b, KN Sd 4416.b, KN Sd 4422.b, KN Sd <4450>.c, KN
Sd 468.b, KN Sd 8519, KN Sd 9934, KN Sd 9936, KN Sd
9937, KN Sd 9939, KN Sf (2) 4418, KN Sf (2) 4419, KN Sf
(2) 4420.b, KN Sf (1) 4421, KN Sf (1) 4423, KN Sf (2) 4424,
KN Sf (2) 4425, KN Sf (2) 4426, KN Sf (1) 4427, KN Sf (1)
4428.b, KN Sf (2) 4491, KN Sf (2) 5106, KN Sf 8520 sowie
TH V 159 und i-qi-jo auf KN Sd 4401.b und KN Sd 4415.b.
Dabei bildet i-qi-ja den Nominativ Singular eines femininen
Substantivs, i-qi-jo dagegen den Nominativ Dual. Die
Ideogramme CUR und CAPS, die den Terminus in der KN Sdund Sf-Serie begleiten, lassen auf die Bedeutung „Wagen“,
*, mykenisch *w, schließen.1623
Ebenfalls mit i-qo zu verbinden ist der Beiname der Gottheit
po-ti-ni-ja auf PY An 1281.1, nämlich i-qe-ja, der ebenfalls
als *, mykenisch *w, aufzulösen ist.1624
1622
Siehe dazu: Aura Jorro 1985 S. 285f.
Aura Jorro 1985 S. 284f.
1624
van Leuven 1979 S. 118; Aura Jorro 1985 S. 284.
1623
285
Mykenische Enährung
Die Berufsbezeichnung i-qo-po-qo auf TH Fq 198.3 und TH
Fq 247.2 sowie im Dativ Plural i-qo-po-qo-i auf TH Fq 214.6,
TH Fq 252.3, TH Fq 254 [+] 255, TH Fq 269.2, TH Fq
272.3, TH Fq 276.8, TH Fq 305.4 und TH Fq 367.[1] ist mit
, Pferdehalter, Pferdehirt, in Verbindung zu
bringen.1625 Die Reste i-q...o...[ auf TH X 363.1 und i-qop...o...[ auf TH Fq 169.7 sowie TH Gp 199.a lassen sich
möglicherweise auch zu diesem Titel ergänzen. In Pylos findet
sich diese Berufsbezeichnung als i-po-po-qo-i1626 auf PY Fn
79.10.
Die Bezeichnung po-ro, ein maskulines Substantiv, das auf
KN Ca 895.2 im Nominativ Dual und auf Ca 895.1 mit
unklarem Fall zu finden ist, wird einhellig als ,Fohlen,
entweder vom Pferd oder vom Esel, interpretiert.1627
Auf den Tafeln KN Ca 895.2 und KN Ca 7788 findet sich das
Wort o-no, ein Substantiv im Nominativ Plural, das mit ,
Esel, in Verbindung zu bringen ist.1628
7. 5. 5. Hunde
Als Nominativ Plural von griechisch , Hund, wurde der
Ausdruck ku-ne auf TH Fq 229.9 und TH Fq 292.4 in
Verbindung gebracht.1629 Es handelt sich m. E. aber dabei, wie
auch auf MY Fu 711.7, um einen Eigennamen,
möglicherweise .1630 Als Genitiv Plural von
wurde die Bezeichnung ku-no auf TH Fq 205.3, TH Fq 236.5,
1625
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 202, 391.
Aura Jorro 1985 S.283.
1627
Literatur bei Aura Jorro 1993 S. 145.
1628
Literatur bei Aura Jorro 1993 S. 27f.
1629
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 196f., 393.
1630
Ventris/Chadwick 1973 S. 557; Aura Jorro 1985 S. 402, Chadwick 1985
S. 198f.
1626
286
7. Fleisch
TH Gp 150.2 und TH Oh 163.1 angesprochen,1631 auch in
diesen Fällen handelt es sich m. E. nicht um Zoonyme,
sondern um Eigennamen. Als möglicher Dativ Plural von
wurde ku-si auf TH Fq 130.4 interpretiert,1632 was eine
Gabe von V 2[, wahrscheinlich Mehl, an „heilige Hunde“
bezeichnen würde. Auch diese Stelle ist in höchstem Maße
unklar. Die Hypothese von Hunden als Empfänger von
Mehlzuteilungen scheint mir etwa weit hergeholt.
Abgesehen von diesen, in meinen Augen recht zweifelhaften
Belegen, treten uns Hunde nur indirekt in den Linear B-Texten
entgegen. Auf der Tafel PY Na 248 werden ku-na-ke-ta-i,
Dativ
Plural
für
,
Jäger
(wörtlich:
1633
„Hundeführer“)
verzeichnet. Auf TH Av 100.2 findet sich
der Begriff ku-na-ki-si, der von den Bearbeitern als Dativ
Plural von , Jägerin, interpretiert wird, der
Dativ Plural von , Frau, wäre aber ebenso
möglich.1634
7. 5. 6. Wild
Wildtiere und ihre Produkte erscheinen nur selten in den
Texten. Sicher identifizieren lassen sich die beiden
Ideogramme CERV und CORNU, die den Kopf eines Wildes
bzw. das Horn einer Wildziege (agrimi) darstellen. Zahlreiche
Hörner von Wildziegen finden sich etwa in der KN McSerie.1635 Die Identifikation von *150 als Wildziege1636 muß
1631
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 196f., 393.
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 196f., 393.
1633
Aura Jorro 1985 S. 402.
1634
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 167, 393.
1635
Ventris/Chadwick 1973 S. 301ff.; Trantalidou 2001 S. 272.
1636
Siehe dazu: Melena 1972 S. 39ff.
1632
287
Mykenische Enährung
als unsicher gelten. Häute von Wild werden auf PY Ub 1318
verzeichnet und mit e-ra-pe-ja, ,1637 bezeichnet.
Die Ideogramme auf den beiden Tafeln PY Cr 591 und PY Cr
868 + 875 wurden als bereits getötete Tiere angesprochen,1638
die formalen Ähnlichkeiten zwischen der PY Cr-Serie und
Texten der PY Cn-Serie, wie PY Cn 3, PY Cn 418 und PY
Cn 608, auf denen Tiere für Opferungen verlangt werden,
lassen vermuten, daß es sich eher um lebendiges als um bereits
getötetes Wild gehandelt hat.1639
Die herrschaftliche Jagd auf Großwild stellte vielleicht ein
Vorrecht der mykenischen Aristokratie dar. Jagddarstellungen
finden sich häufig in der mykenischen Kunst. Exemplarisch
sei an dieser Stelle nur auf die Wildschweinjagd im
Freskenmaterial des Palastes von Tiryns1640 oder die
Rotwildjagd in den Waldmalereien des Palastes von Pylos1641
verwiesen.
7. 5. 7. Vögel
Der Begriff o-ni-si auf TH Fq 123.2 sowie wohl auf TH Fq
169.5 und TH Fq 342.3 stellt möglicherweise ein Substantiv
im Dativ Plural dar, welches mit griechisch , Vogel, in
Verbindung steht. Es handelt sich bei diesen Texten um die
Auflistung von Opfergaben, im konkreten Fall von Mehl –
auch wenn dies auf TH Fq 169 nicht mehr klar ersichtlich ist
–, das an diese Vögel () abgegeben wird.1642 Vögel
finden sich häufig als Motiv in der minoischen und
1637
Aura Jorro 1985 S. 234.
Ventris/Chadwick 1973 S. 131, 412.
1639
R. Palmer 1999 S. 469.
1640
Immerwahr 1990 S. 129, 202f. und Pl. 68-70.
1641
Immerwahr 1990 S. 132f., 197 und Pl. 73-74.
1642
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 183, 394.
1638
288
7. Fleisch
mykenischen Kunst, oft sind sie Bestandteil kultischer und
sakraler Darstellungen.1643 Sie können als Erscheinung von
Göttern begriffen werden,1644 man denke etwa an die Vögel
auf den Doppeläxten beim Opfer auf dem Sarkophag von
Aghia Triada,1645 an die Goldplättchen aus Schachtgrab III in
Mykene, die Vögel in Verbindung mit einer nackten,
weiblichen Gottheit zeigen,1646 oder an den Vogel, der sich auf
dem großen Goldring aus Tiryns hinter dem Thron der Göttin
befindet.1647
Das Adjektiv o-ni-ti-ja-pi auf PY Ta 707.1, ein Instrumentalis
Plural, ist vermutlich als eine Form von * aufzulösen
und bezeichnet die Verzierung eines Thrones (to-no) mit
Vögeln.1648
Die Formen ka-no auf TH Ft 217.2 und ka-si auf TH Ft
141.2, TH Ft 220 [+] 248.2, TH Ft 234.2 sowie TH Ft 268.2,
ka-si[ auf TH Ft 143.2, ka-s...i...[ auf TH Fq 205.4 und TH Ft
151.2 und k...a...[ auf TH Ft 246.1 wurden als Genitiv bzw.
Dativ Plural von , Gans, interpretiert.1649 Diese
Interpretation ist aber höchst spekulativ und überzeugt nicht.
So ist etwa auf TH Ft 217.2 eher an einen Personennamen
oder eine Berufsbezeichnung zu denken. Ein Genitiv Plural
„der Gänse“ ergibt hier m. E. keinen Sinn.
Ebenfalls recht zweifelhaft ist die Interpretation des Begriffes
ke-re-na-i auf TH Fq 126.3 und TH Gp 176.1 sowie
möglicherweise auf TH Fq 169.3. Dieser Terminus wurde mit
dem späteren in Verbindung gebracht und als
1643
Siehe dazu Davaras 1976 S. 29f.
Nilsson 1950 S. 330ff.; Burkert 1977 S. 78.
1645
Marinatos/Hirmer 1959 Taf. XXVII und XXIX oben.
1646
Nilsson 1950 S. 333 Fig. 154.
1647
Zum großen Goldring aus Tiryns siehe Karo 1930 b S. 121f. und Beil.
XXX unten.
1648
Aura Jorro 1993 S. 27.
1649
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 208, 392.
1644
289
Mykenische Enährung
„Kraniche“ gedeutet. Diese wurden mit dem Kult der Demeter
in Zusammenhang gebracht.1650
7. 5. 8. Schlangen
Als eine Besonderheit ist die Erwähnung von Schlangen in den
Texten von der Odos Pelopidou in Theben zu werten. Auf den
Tafeln TH Gp 164.1, TH Gp 184.2, TH Gp 196.2, TH Gp
201.[b] und TH Gp 233.[2] sowie möglicherweise auf TH Gp
107.[2] und TH Gp 181.[1] findet sich nämlich der Terminus
e-pe-to-i. Dabei handelt es sich vermutlich um ein Substantiv
im Dativ Plural, das mit , Schlange, in Verbindung zu
bringen ist.1651 Auch diese Texte sind in einem kultischen
Umfeld zu sehen. Offenbar werden hier Opfergaben an
„heilige“ Schlangen verzeichnet, auf TH Gp 164 wird ihnen
etwa Wein dargebracht. Schlangen spielen bekanntlich eine
bedeutende Rolle in der minoischen und mykenischen
Religion.1652 Die Schlange war ein Symbol der Ewigkeit,
Unsterblichkeit
und
Wiedergeburt.1653
Zahlreiche
Darstellungen von Schlangen finden sich bereits früh in der
minoischen Kunst, etwa auf Siegeln oder in Ton appliziert an
Kultgefäßen, welche tönerne Nachbildungen von Honigwaben
darstellen, um die sich die Tiere ringeln.1654 In Verbindung mit
dem Schlangenkult steht die offenbar recht populäre und ab
1650
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 194.
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 277.
1652
Siehe dazu Davaras 1976 S. 294f.
1653
Ursprung dieser Vorstellungen war vielleicht die Fähigkeit der Schlange,
ihre Haut abzustreifen und zu
erneuern. Vgl. dazu etwa den kretischen Glaukos-Mythos, in welchem
die Schlange als ein Symbol der
Wiederauferstehung auftritt.
1654
Siehe etwa Davaras 1976 S. 295 Fig. 168.
1651
290
7. Fleisch
MM II häufig dargestellte minoische Schlangengöttin.1655
Zwei bekannte Fayencefigurinen, die entweder die
Schlangengöttin selbst oder ihre Priesterinnen darstellen,
stammen aus den Temple Repositories in Knossos.1656 Große,
eingeringelte, in Ton modellierte und schwarz bemalte
Schlangen stammen aus dem Kultzentrum in Mykene.1657
Möglicherweise wurde die Schlange in mykenischer Zeit als
eine Art „Wächterin des Hauses“ gesehen.1658 Eine derartige
Funktion hatte sie auch in späterer Zeit inne, man denke etwa
an die Schlange im Tempel des Erechtheus, welche die
Athener Akropolis bewachte,1659 oder an Schlangen, welche
Heiligtümer,1660 Brunnen,1661 die goldenen Äpfel der
Hesperiden1662 oder das goldene Vlies1663 bewachten. In erster
Linie sahen die Griechen in der Schlange aber das Tier der
geheimnisvollen Erdentiefe, und viele Erscheinungsformen
chthonischer Gottheiten in Schlangenform sind belegt, so etwa
Python, Echidna, Hydra, Kychreus, Kekrops oder
Trophonios.1664
Wir besitzen keine Hinweis darauf, daß die Mykener auch
Schlangenfleisch verzehrten. In klassischer Zeit war dies aber
der Fall.1665 Es galt als trocken, mäßig wärmend sowie
drückend auf die Haut.1666 Nach Plinius wirkte es
lebenserhaltend, wie bei den Leuten auf dem Athos zu sehen
1655
Siehe dazu Davaras 1976 S. 295ff.
Siehe Davaras 1976 S. 296 Fig. 169.
1657
Siehe etwa Marinatos 1973 S. 189 Fig. 1.
1658
Nilsson 1950 S. 323ff.; Burkert 1977 S. 64.
1659
Hesych. O 270.
1660
Soph. Phil. 1327.
1661
Soph. fr. 226 Pearson.
1662
Apoll. Rhod. 4, 1398.
1663
Pherekydes FGrH 3 F 31.
1664
Siehe dazu Hartmann 1921 Sp. 510ff.
1665
Zu Schlangen in der Antike siehe Gossen/Steier 1921; Hartmann 1921;
Bremmer 2001.
1666
Orib. 2, 731
1656
291
Mykenische Enährung
sei, die sich davon ernährten.1667 Die Spartaner wurden von der
Pythia genannt, weil sie ihre zahlreichen
Schlangen aßen.1668 Die verschiedensten Teile der Schlange
wurden auch in der antiken Heilkunst verwendet.1669
7. 6. Zubereitung der Fleischspeisen
Anhand der Tierknochenfunde sowie der Linear B-Texte
wurde gezeigt, welche Tiere im spätbronzezeitlichen
Griechenland gehalten und gejagt wurden. Wie aber wurde das
so gewonnene Fleisch zubereitet?
Die mykenischen Texte gewähren zwar Einblicke in die
Organisation und Verwaltung der Tierherden, kulinarische
Aspekte fehlen aber völlig. Die in der klassischen Literatur
beschriebenen Zubereitungsarten (Kochen, Braten, Backen)
und die verschiedenen, dort erwähnten Fleischgerichte1670
erlauben durchaus vorsichtige Rückschlüsse auf die
Bronzezeit. Welche Erkenntnisse lassen sich aber aus dem
bronzezeitlichen Material selbst gewinnen?
Einige Einblicke ermöglicht eine genaue Analyse des
Tierknochenfundmaterials. Zu diesem Zweck soll nun
nochmals genauer auf die Faunenreste aus dem
Siedlungshügel von Kastanas eingegangen werden.1671 Dabei
ergeben sich mehrere interessante Aspekte, etwa zur Frage,
welche Teile des Tieres man besonders schätzte. So ist
beispielsweise der Anteil der Rippen und Wirbel bei den
Rinder-,
Schaf-,
Rothirsch-,
Damhirschund
Wildschweinknochen an dieser Fundstelle besonders
1667
Plin. nat. 7, 27.
Plut. Pyth. or. 24.
1669
Siehe dazu Gossen/Steier 1921 Sp. 506.
1670
Siehe dazu oben Kap. 7. 4.
1671
Siehe dazu auch Kap. 7. 2. 3.
1668
292
7. Fleisch
gering,1672 was darauf hindeuten könnte, daß die Rippen und
Wirbel, vielleicht in geräuchertem Zustand, andernorts
verzehrt und die Reste dort weggeworfen wurden.1673 Weiters
fällt bei den Hauswiederkäuern eine Fundlücke bei Pelvis,
Femur und Scapula auf, was möglicherweise auf den
Abtransport von Schulterstücken und Hinterschinken
schließen läßt.1674 Bei den Wildtieren, besonders bei den
Damhirschen, ist eine Fundlücke bei den Schädeln,
Unterkiefern und Phalangen zu konstatieren. Dies weist darauf
hin, daß man die großen Wildtiere bereits am Ort der Erlegung
in Stücke zerteilt und nur die gewünschten Fleischportionen in
die Siedlung gebracht hat.1675 Betrachtet man generell die
Verteilung der Knochenfunde in bezug auf die
Fleischwertklassen, so ist festzustellen, daß in Kastanas
besonders Knochen der obersten Fleischwertklasse – Vorderund Hinterschinken respektive Scapula/Humerus und
Pelvis/Femur – fehlen, während Knochen der niedrigeren
Fleischwertklassen recht gut vertreten sind. Es scheint so, als
hätte man das bessere Fleisch woandershin, eventuell an ein
übergeordnetes Zentrum, exportiert.
Die Knochen geben auch Hinweise auf die Art der
Zubereitung des Fleisches durch Kochen oder Braten.1676
Wenn man nämlich annimmt, daß die Bewohner von Kastanas
nicht nur das reine Fleisch, sondern auch größere Portionen, in
denen gelegentlich noch Teile von Knochen steckten, gebraten
haben, dann muß das Feuer Spuren an den herausragenden
Knochen hinterlassen haben. Insgesamt ließen sich bei 17,1%
aller Säugetierreste Verkohlungs- und Brandspuren feststellen.
Relevant ist aber, ob ein Knochen regellos angesengt oder
verkohlt ist – dies würde ja lediglich bedeuten, daß er in Feuer
1672
Becker 1986 S. 254.
Becker 1986 S. 255.
1674
Becker 1986 S. 255.
1675
Becker 1986 S. 257.
1676
Siehe zum Folgenden Becker 1986 S. 263f.
1673
293
Mykenische Enährung
oder in Holzkohle gelegen hat –, oder ob die Brandspuren
regelmäßig in einem bestimmten Bereich auftauchen. Dies ist
bei 14,6% der Haustier- und 15,1% der Wildtierknochen der
Fall, wovon die verschiedenen Tierarten in etwa
gleichermaßen betroffen sind. Viele dieser Verkohlungen,
besonders häufig bei Wiederkäuern, treten am unteren
Kehlrand von Mandibulae und lateral und medial an den
Schäften der Metapodien auf. Bei Schaf, Ziege und Damhirsch
ist zusätzlich der Radius betroffen. Beim Reh dagegen sind am
häufigsten Humerus, Pelvis und der Unterkiefer mit
Brandspuren gekennzeichnet. Bei Haus- und Wildschweinen
sind die Humeri an erster Stelle zu nennen. Das Entstehen der
Spuren am Unterkiefer ist leicht zu erkären. Diese resultieren
daraus, daß man den Tierkopf als ganzes ins Feuer oder auf
den Rost gelegt hat, wodurch der untere Kehlrand des Kiefers,
der nur von Haut bedeckt ist, schnell verkohlt. Eine derartige
Zubereitung belegen auch die zahlreichen angekohlten
Eckzähne von Schweinen. Die Brandspuren an den
Extremitätenknochen sind wohl durch das Braten von
Fleischpartien auf dem Grill oder Spieß entstanden, wenn die
Knochenendstücke aus den Fleischportionen herausragten.
Als Gradmesser der Intensität der Nutzung der tierischen
Ressourcen ist der Fragmentierungsgrad der Knochen zu
werten.1677 Eine starke Fragmentierung des Knochenmaterials
weist vor allem auf die Nutzung des Knochenmarks hin. In
den älteren Besiedlungsphasen von Kastanas gewinnt man den
Eindruck einer wenig intensiven Zerschlagung der Knochen
und damit einer nur geringen Nutzung des Knochenmarks. In
der Späten Bronzezeit dagegen nimmt die Anzahl der
Fragmente von Extremitätenknochen deutlich zu. Das
Knochenmark wurde in dieser Periode viel intensiver genutzt.
Ein besonders interessantes Detail ist der Befund verschieden
geformter, absichtlich angebrachter Löcher an einer recht
1677
Siehe zum Folgenden Becker 1986 S. 277f.
294
7. Fleisch
großen Zahl von ersten Phalangen vom Damhirsch und vom
Rothirsch. Dabei könnte es sich um Löcher handeln, die durch
das Durchstoßen von Fleischpartien und Knochen mit einem
Fleischerhaken zum Zwecke des Aufhängens großer
Fleischstücke etwa zum Räuchern oder Lufttrocknen
verursacht wurden.1678
Weitere Hinweise zur Zubereitung von Fleischgerichten gibt
die Analyse von prähistorischen Gefäßinhalten. Zahlreiche
Hinweise vor allem auf Eintöpfe aus Fleisch, Getreide,
Hülsenfrüchten und Gemüse haben sich hier erhalten. Reste
eines Gerichtes aus Fleisch, Olivenöl und Blattgemüse fanden
sich etwa in einem SM I B-Dreifußkochtopf aus Chania,1679
Spuren von Fleisch, Olivenöl, Getreide und Hülsenfrüchten,
wohl Linsen, stammen aus einem SM III B-Dreifußkochtopf
aus Armenoi.1680 Olivenöl, Fleisch und Linsen befanden sich
vermutlich auch in zwei SH III B–Kochgefäßen aus
Mykene.1681 Reste eines Schweinefleischgerichtes stammen
aus einem SH III B/C–Kochtopf aus Theben,1682 eine Speise
aus Kichererbsen, Öl und Fleisch wurde wahrscheinlich in
einem SH III B–Gefäß aus Midea bereitet.1683 Bier, Fleisch
und Öl konnten in einem Kochtopf aus Theben festgestellt
werden.1684 In Kastanas fand man in zahlreichen Kochgefäßen,
den sogenannten Pyraunoi, viele Hülsenfruchtreste mit
vergleichsweise wenigen angebrannten Knochen. Dies läßt auf
die häufige Bereitung von Hülsenfrucht-Fleisch-Eintöpfen
schließen.1685
1678
Becker 1986 S. 284ff.
Tzedakis/Martlew 1999 S. 108.
1680
Tzedakis/Martlew 1999 S. 116.
1681
Tzedakis/Martlew 1999 S. 131; 196.
1682
Tzedakis/Martlew 1999 S. 121.
1683
Tzedakis/Martlew 1999 S. 126.
1684
Tzedakis/Martlew 1999 S. 186.
1685
Becker 1986 S. 264.
1679
295
Mykenische Enährung
7. 7. Zusammenfassung
Fleisch spielte, wie die Untersuchung des menschlichen
Skelettmaterials verschiedener mykenischer Nekropolen
zeigte, eine wesentliche Rolle in der spätbronzezeitlichen
Ernährung in Griechenland. Die tierartliche Zusammensetzung
der
Fleischnahrung
läßt
sich
am
besten
im
Tierknochenfundmaterial archäologischer Ausgrabungen
erkennen. Der relative Anteil der einzelnen Tiere am
verzehrten Fleisch variierte je nach Region, vor allem was den
Anteil des Wildtierfleisches betrifft. Stets aber lieferten
Haustiere die Hauptmasse des verzehrten Fleisches. Dabei läßt
sich meist eine Vorrangstellung des Rindfleisches gegenüber
dem Schweine-, Schaf- und Ziegenfleisch erkennen. Erlegtes
Wild supplementierte die Kost, vor allem handelte es sich
dabei um Dam- und Rotwild, Wildschweine sowie
verschiedene kleinere, aber auch größere Tiere. Vergleiche mit
literarischen Quellen der klassischen Antike zeigen, daß –
wenngleich mit gewissen Abweichungen – auch in späterer
Zeit die gleichen Tiere eine bedeutende Rolle in der
menschlichen Ernährung spielten, und wie diese zubereitet
wurden. Die Linear B-Texte listen zwar große Mengen von
Tieren auf und gewähren Einblicke etwa in die Organisation
der Palastherden, sie können zur Frage der Zubereitung und
des Verzehrs von Fleischspeisen aber nur wenige
Anhaltspunkte liefern. Dagegen geben die Zusammensetzung
des
Knochenmaterials,
Verkohlungsspuren
an
den
Knochenenden sowie Speisereste in den Koch- und Eßgefäßen
Einblick in die Zubereitung der Fleischgerichte. Besonders
geschätzt wurden wohl Vorder- und Hinterschinken,
möglicherweise auch die Rippen. Das Räuchern oder
Lufttrocknen größerer Fleischpartien kann vermutet werden.
Gern hat man Fleischbrocken auf dem Grill oder am Spieß
gebraten, es war wohl auch üblich, ganze Schweinsköpfe auf
den Grill zu legen. Man schätzte sicherlich auch die Innereien,
296
7. Fleisch
man verzehrte das Hirn der Tiere und verwendete das
Knochenmark. Beliebt waren offenbar auch verschiedenste
Eintöpfe mit Fleisch, Hülsenfrüchten, Getreide und Gemüse.
297
8. Milch und Milchprodukte
8. Milch und Milchprodukte
8. 1. Allgemeines
Milch1686 ist ein äußerst hochwertiges Nahrungsmittel. Es
enthält alle für den Menschen notwendigen Nähr- und
Wirkstoffe, wie Proteine, Fette, Kohlehydrate, Mineralstoffe
und Vitamine.
Als Milchtiere wurden und werden in Europa im wesentlichen
nur drei Haustierarten genutzt: das Rind, das Schaf und die
Ziege. Eine Nutzung der Milch der Muttertiere war zunächst
nur durch die Schlachtung der Jungtiere möglich, oder indem
man den Jungtieren einen Teil der Milch durch Abmelken
entzog. Später hat man dann auf züchterischem Weg versucht,
die Milchleistung zu steigern.
Die Milchleistung der kleinwüchsigen, prähistorischen Rinder
wird, abhängig natürlich vom Ernährungszustand und der
Beanspruchung für Zugleistungen, auf etwa 400-600 kg in
einer Laktationsperiode geschätzt. Nach Abzug der für die
Kälberaufzucht erforderlichen Milchmenge, die etwa 250 bis
350 kg betrug, verblieben somit 150-250 kg Milch für die
menschliche Ernährung. Der Kalorienwert dieser Menge
Milch reicht knapp an den gesamten Fleischertrag einer Kuh
heran und wurde im Lauf der Haltungsdauer von einem Tier
mehrmals erbracht.
Schafe und Ziegen liefern weniger Milch, nach Schätzungen
während einer Melkperiode von drei Monaten außer dem
notwendigsten Bedarf für die Lämmer etwa 20-25 kg, doch ist
diese nährstoffreicher als die Rindermilch.
Die Anfänge der Milchnutzung und ihre Verbreitung sind nur
schwer faßbar. Die älteste Darstellung, die mit der
Milchnutzung beim Rind in Verbindung gebracht werden
1686
Siehe dazu: Benecke 1994 S. 127ff.
299
Mykenische Enährung
kann, befindet sich auf einem uruk-zeitlichen Zylindersiegel
aus dem Irak. Auf den Beginn der Milchnutzung beim Schaf
im Zeitraum zwischen 5000 und 3000 v. Chr. weisen
archäozoologische
Untersuchungen
im Gebiet
von
Kermanshah im Westen Irans hin.1687 In Südosteuropa bildete
sich die Milchnutzung wohl spätestens im 5. Jt. v. Chr. heraus.
Sie weist damit annähernd dasselbe Alter auf wie in
Vorderasien.1688
Was nun die Geschichte der Milchnutzung im Mittelmeerraum
betrifft, so ist hier eine regionale Besonderheit besonders
interessant.1689 Denn Milch ist zwar die natürliche
Säuglingsnahrung, doch verlieren die erwachsenen Menschen
bei vielen Völkern nach der Stillzeit mit zunehmendem Alter
die Fähigkeit, Milch zu verdauen. Das betrifft vor allem solche
Populationen wie die Ureinwohner Amerikas, Melanesiens
und Australiens sowie viele Völker Afrikas und Südostasiens.
Der Konsum von frischer Milch führt bei ihnen zu Blähungen,
Krämpfen und Durchfall. Verantwortlich für diese Unfähigkeit
zur Milchverdauung ist das Fehlen des vom Darm gebildeten
Enzyms Laktase, das den Milchzucker (Laktose) abbaut, und
das bei den oben genannten Völkern nach der Stillzeit nicht
mehr gebildet wird. Daher können diese Menschen Milch nur
in Form von Milchprodukten zu sich nehmen. Auch bei den
Völkern Vorderasiens (mit Ausnahme der Beduinen SaudiArabiens) ist die Fähigkeit zur Frischmilchverdauung recht
eingeschränkt.
Im
Mittelmeerraum
liegt
die
Milchunverträglichkeit heute noch etwa bei 50%. Im
Gegensatz dazu können in weiten Teilen Europas die meisten
erwachsenen Leute Milch verdauen.
Im Mittelmeergebiet wird Milch hauptsächlich in Form von
Käse oder Joghurt verzehrt. In Griechenland und Zypern etwa
1687
Benecke 1994 S. 128ff.
Benecke 1994 S. 131ff.
1689
Siehe zum Folgenden: Benecke 1994 S. 128.
1688
300
8. Milch und Milchprodukte
werden rund 80% der produzierten Milch zu Käse verarbeitet,
während dieser Anteil beispielsweise in Großbritannien oder
Finnland nur bei rund 10% liegt. Wie ergeben sich diese
Unterschiede? Offenbar stehen sie mit der Fähigkeit der
Laktose in Zusammenhang, bei einem vorliegenden Mangel an
Vitamin D die Absorption von Kalzium zu fördern. Vitamin
D-Mangel kann in Gebieten mit geringem Sonnenschein
auftreten. Für die Menschen in diesen Gebieten war die
Milchverträglichkeit über die Stillzeit hinaus offensichtlich ein
Selektionsvorteil und hat sich deshalb genetisch durchsetzen
können.
Es läßt sich daraus ableiten, daß die Menschen in Vorderasien
und im Mittelmeerraum die gewonnene Milch hauptsächlich in
verarbeiteter Form (Käse, Butter, Joghurt) verzehrten,
während in Europa wohl das Trinken von Frischmilch üblicher
war.
8. 2. Milch
In einem vorindustriellen Zeitalter stand Milch (griech.:
/lat.: lac) nur denjenigen in größerem Umfang zur
Verfügung, die auf dem Land lebten. Nur hier trug sie, da sie
ungekühlt rasch verdirbt, in größeren Mengen zur Ernährung
bei.1690 Das Milchtrinken ist in der griechischen Literatur
daher ein Kennzeichen von Hirtenvölkern, die auf dem Land
lebten.1691 Am Ende der Römischen Republik und in der
Kaiserzeit werden etwa die barbarischen Völker, die um das
Imperium herum wohnten, als Milchtrinker betrachtet.1692 Die
Römer der Frühzeit tranken genauso Milch wie auch noch die
1690
Colum. 7, 2, 1f.
So z. B. Hdt. 1, 216 und 3, 23.
1692
Caes. Gall. 5, 14, 1; Caes. Gall. 6, 22, 1; 4, 1, 8; Tac. Germ. 23, 1;
Colum. 7, 2, 2; Plin. nat. 11, 239.
1691
301
Mykenische Enährung
Bauern des 1. Jh. v. Chr.1693 In den Städten war der Verbrauch
nicht zuletzt aufgrund des hohen Preises1694 viel niedriger,
doch verkauften die Hirten der Umgebung auch in den Städten
ihre Milch.1695
In der klassischen Antike nutzte man Schafs-, Ziegen- und
Kuhmilch als Nahrungsmittel. Die Vorzüge der jeweiligen
Milchsorten wurden von den Ärzten und Agrarschriftstellern
diskutiert.1696
Aufgrund der intensiven Schafszucht, die man wegen der
Wolle betrieb, stand die Schafsmilch an erster Stelle. Nach
Varro war sie auch die beste Milch.1697 Um die Milch der
Mutterschafe nutzen zu können, schlachtete man einen Teil
der Lämmer, noch bevor sie auf der Weide gewesen waren.1698
Darüber hinaus bekamen die Mutterschafe reichhaltiges Futter,
und man salzte das Heu, um sie zum Trinken anzuregen und
so die Milchproduktion zu steigern.1699 Schafsmilch ist auch
die einzige Milch, für die im Edikt Diokletians ein Preis
festgesetzt ist.1700 Als eine besondere Delikatesse galt die erste
Milch eines Mutterschafs, das geworfen hatte, oder
colostrum.1701
An zweiter Stelle kam die Ziegenmilch. Da Ziegen nicht nur
hervorragende Milchlieferanten,1702 sondern auch relativ
anspruchslos sind, weiden sie auch dort noch, wo
Mutterschafe und Kühe keine Nahrung mehr finden können.
1693
Cic. cato 56; Ov. fast. 4, 545; Plin. nat. 20, 112; Colum. 7, 2, 1.
Edict. Dioclet. 6, 95.
1695
Verg. georg. 3, 401f.
1696
Varro rust. 2, 11, 1; Plin. nat. 11, 237f.; 28, 123 ff; Diosk. 2, 70
Wellmann; Gal. 12, 263ff. Kühn.
1697
Varro rust. 2, 11, 1.
1698
Colum. 7, 3, 13.
1699
Verg. georg. 3, 394ff.
1700
Edict. Dioclet. 6, 95.
1701
Varro rust. 2, 11, 2; Plin. nat. 28, 123; Mart. 13, 38.
1702
Eine Ziege kann im Jahr etwa 600-800 l Milch geben.
1694
302
8. Milch und Milchprodukte
Ziegenmilch galt als die nahrhafteste und für den Magen
verträglichste Milch.1703
Die Kuhmilch galt den Römern als am wenigsten nahrhaft. Da
ein Kalb üblicherweise ein ganzes Jahr lang gesäugt wurde,
und man in dieser Zeit die Kuh nicht molk und sie weiter
arbeiten ließ,1704 blieb kaum Milch für die Ernährung oder den
Verkauf übrig.
Stuten- und Eselsmilch ist in der römischen Welt eher als
Heil-1705 denn als Nahrungsmittel verwendet worden, so etwa
in der Hautpflege. Die Gattin Kaiser Neros hielt sich
beispielsweise 500 Eselinnen, in deren Milch sie badete, damit
ihre Haut weich und ausgedehnt wurde,1706 ein Vorbild, dem
andere Frauen nacheiferten.1707
Milch wurde als Vollmilch, also mit dem Rahm, verwendet.
Man nahm sie als Getränk pur, aromatisiert oder gesüßt zu
sich. Man würzte sie, indem man beispielsweise Sellerieblätter
hineingab.1708
Speisen auf Milchbasis waren meistens Grützen oder Breie. In
der gehobenen Küche wurde recht wenig Milch verwendet,
etwa bei diversen Aufläufen,1709 manchen Beilagen1710 sowie
bei den dulcia oder süßen Omeletts.1711 Außerdem findet
Milch bei der Zubereitung einer Art von Brot Anwendung.1712
1703
Plin. nat. 28, 123f.
Colum. 6, 24, 4.
1705
Siehe zur Anwendung der verschiedenen Teile des Esels in der Medizin:
Olck 1907 b Sp. 642ff.
1706
Plin. nat. 11, 238; 28, 183; Cass. Dio 62, 28.
1707
Iuv. 6, 468.
1708
Plin. nat. 20, 112.
1709
Apic. 4, 2, 13; 4, 2, 16.
1710
Apic. 5, 1, 3; 6, 9, 13.
1711
Apic. 7, 13, 2f.; 7, 13, 6ff.
1712
Plin. nat. 18, 105.
1704
303
Mykenische Enährung
Mit Honig versetztes Sahnefett oder eine ähnliche
Zubereitung, , galt als eine geeignete Beilage zu
gegrilltem Hasen oder Wildgeflügel.1713
Eine der renommiertesten römischen Speisen1714 ist die melca,
deren Zubereitung – bei ihm heißt sie allerdings oxygala –
Columella1715 beschreibt: ein Büschel Gewürzkräuter und
Zwiebeln werden in einen Krug mit Schafsmilch gegeben, der
dann gut verschlossen wird. Am fünften Tag läßt man die
Molke ablaufen, drei Tage später wiederholt man diesen
Vorgang, entfernt das Gewürzkräuterbüschel und ersetzt es
durch Saturei und Schnittlauch. Weitere zwei Tage später läßt
man erneut das Milchwasser ablaufen, salzt und mischt das
ganze, und öffnet den Krug erst wieder, wenn man die melca
essen will. Dieses Gericht wurde reichlich mit Pfeffer,
Fischbrühe oder Salz, Öl und Koriander gewürzt.1716
In der griechischen und römischen Frühzeit war Milch als
billiges Trankopfer sehr geschätzt,1717 später lief ihr der Wein
den Rang ab.1718
Frische Milch ist in den mykenischen Linear B-Texten wohl
nicht belegt.1719 Möglicherweise ist dies dadurch bedingt, daß
sie zu rasch verderblich war, um in die Aufzeichnungen der
Palastverwaltung Eingang zu finden. Daß Frischmilch
Verwendung fand, erscheint mir äußerst wahrscheinlich,
darüber, in welchem Ausmaß dies geschah, läßt sich allerdings
nur spekulieren. Die gefundenen Knochenreste von Rindern,
Schafen und Ziegen lassen auf deren Haltung im Sinne einer
ausgewogenen Mischnutzung, also auch zum Zwecke der
1713
Ath. 14, 643c; 14, 646f.
Gal. 6, 811 Kühn und 10, 468 Kühn.
1715
Colum. 12, 8, 1.
1716
Apic. 7, 13, 9.
1717
Plin. nat. 14, 88; Eur. Or. 114f.
1718
Macr. Sat. 1, 12, 25.
1719
Die Interpretation des Ideogrammes *134/*190 als Milch ist
problematisch: Ilievski 1965 S. 276; Pitéros/Olivier/Melena 1990 S. 165.
1714
304
8. Milch und Milchprodukte
Milchwirtschaft, schließen.1720 Tierische Produkte machten,
wie die Ergebnisse der Analysen des bronzezeitlichen
Skelettmaterials nahelegen,1721 einen großen Anteil der
menschlichen Ernährung aus, möglicherweise zählte dazu
auch frische Milch. In Anbetracht der im prähistorischen
Mittelmeerraum, wie erwähnt, wohl recht weit verbreiteten
Unverträglichkeit von Frischmilch bei Erwachsenen wird sich
der Milchkonsum aber vermutlich in Grenzen gehalten haben.
Spuren von Milch konnten möglicherweise in einem
Dreifußkochtopf aus Armenoi festgestellt werden.1722
8. 3. Käse
Die Verarbeitung von Milch zu Käse (griech.: /lat.:
caseus) wird durch zwei Umstände nötig. Einerseits gilt es,
sich für den Winter, wenn die Milchproduktion auf ihrem
Tiefpunkt angelangt ist, Vorräte anzulegen, andererseits muß
man die Milch, die in Gebieten, wo kein unmittelbarer
Verkauf anfällt, etwa wenn die Herden mit Beginn des
Sommers zur Weidewirtschaft in die Berge gebracht wurden,
aufbrauchen.1723
Käse gehörte bereits im Alten Orient zu den wichtigsten
Nahrungsmitteln. Er wurde auch mit verschiedenen Zutaten (u.
a. Getreide, Datteln, Wein und zahlreichen Gewürzen)
gemischt und dann den Göttern dargebracht.1724
Das Vorkommen eines besonderen Wortschatzes bereits bei
Homer1725 zeigt, daß die Käseherstellung schon in dieser Zeit
regelmäßig betrieben wurde. Die enorme Wichtigkeit der
1720
Siehe dazu oben Kap. 7. 3. 1. 1 und 7. 3. 1. 2.
Siehe dazu oben Kap. 1. 4. 1.
1722
Tzedakis/Martlew 1999 S. 115.
1723
Colum. 7, 8, 1.
1724
Englund 1999.
1725
Hom. Od. 9, 219 und 246ff.
1721
305
Mykenische Enährung
Käseherstellung wird durch die Sorgfalt unterstrichen, mit der
Varro1726 und Columella1727 das Verfahren beschreiben. Dazu
nahm man frische Milch und ließ sie mit Hilfe verschiedener
Fermente gerinnen, wie etwa Feigensaft,1728 Kardendistelblüten,1729 Saflorsamen,1730 Eselsmilch1731 und vor allem
geronnene Milch aus den Labmagen von Lämmern, Zicklein
und Rehkälbern und sogar aus dem Magen kleiner Hasen.1732
Die Milch, die sauer werden sollte, wurde mit Feigenzweigen,
Thymian, zerstoßenen Pinienkernen oder ganz belassenen
Pinienkernen gewürzt, diese Zutaten wurden dann wieder
entfernt, bevor man die Masse in die Käseform gab.1733
Anscheinend wurde Kuhmilchkäse am meisten geschätzt,
danach kam der aus Schafsmilch erzeugte und schießlich der
Ziegenkäse, wenngleich es, auch je nach Herkunftsland,
Unterschiede gab.1734
Zur Haltbarmachung des Käses diente das Einsalzen,1735 das
Räuchern,1736 das Aufbewahren in Blättern1737 oder auch die
Beigabe von Wieselhirn zum Ferment, was nach der Aussage
von Plinius dem Älteren1738 das Ranzigwerden verhinderte und
gleichzeitig Ratten fernhielt.
Der Käse wurde frisch1739 gegessen oder getrocknet, er diente
als Nahrungsmittel der Bauern, Reisenden1740 und Soldaten.1741
1726
Varro rust. 2, 11, 4.
Colum. 7, 8.
1728
Varro rust. 2, 11, 4; Colum. 7, 8, 1; Plin. nat. 16, 181; Pall. agric. 6, 9, 1.
1729
Colum. 7, 8, 1; Pall. agric. 6, 9, 1; Geop. 18, 19, 2.
1730
Colum. 7, 8, 1.
1731
Plin. nat. 11, 237.
1732
Varro rust. 2, 11, 4; Colum. 7, 8, 1; Pall. agric. 6, 9, 1; Plin. 11, 239.
1733
Colum. 7, 8, 2; Pall. agric. 6, 9, 2.
1734
Varro rust. 2, 11, 3; vgl. Plin. nat. 11, 240ff.
1735
Colum. 7, 8, 4 ; Plin. nat. 28, 131; Pall. agric. 6, 9, 1; Apic. 4, 1, 3.
1736
Plin. nat. 11, 241; Ulp. dig. 8, 5, 8, 5.
1737
Plin. nat. 24, 148.
1738
Plin. nat. 30, 144.
1739
Plaut. Capt. 851; Varro rust. 2, 11, 3; Petron. 66, 7; Apul. met. 1, 5, 4; 8,
19, 1.
1727
306
8. Milch und Milchprodukte
Käse wurde meist zum Frühstück und zum Mittagessen,1742
nicht aber zur abendlichen Hauptmahlzeit gegessen. Nur bei
opulenten Mählern wurde er manchmal als Vorspeise, vor
allem aber als Nachspeise1743 serviert, damit er den Durst auf
Wein wieder anregte.
Man aß den Käse mit Brot,1744 aber auch mit Honig, mit
Feigen, mit Oliven und mit grünem Gemüse. Er war zudem oft
ein wichtiger Bestandteil von gekochten Gerichten. Dabei
verwendete man je nachdem frischen oder getrockneten Käse,
man nahm ihn etwa für die Gerstengrütze,1745 für ein Gericht
namens sala cattabia1746 oder für ein anderes, das
tyrotarichum1747 hieß. Auch im moretum1748 befindet sich
Käse, und in zahlreichen Kuchenrezepten wurde anstelle von
Mehl pulverisierter trockener Käse verwendet.1749 Käse war
auch eine wichtige Zutat für Getränke, wie etwa für das
1750
Wenn er zu alt geworden war und zu stark nach Salz
schmeckte, legte man ihn in Essig und Thymian ein.1751
Schafskäse, der über ein Jahr alt ist, läßt sich nach
Columella1752 durch Einlegen in Most wieder genießbar
machen. Mediziner warnten vor Käse, weil er schwer
1740
Apul. met. 1, 18, 8.
SHA Hadr. 10, 2.
1742
Mart. 13, 30, 2.
1743
Ath. 11, 462 e.
1744
Apul. met. 1, 18, 8.
1745
Apul. met. 1, 4, 1.
1746
Apic. 4, 1, 1ff.
1747
Cic. Att. 4, 8, 1; in fam. 9, 16, 7; Apic. 4, 2, 17.
1748
Ov. fast. 4, 371.
1749
Siehe dazu: André 1998 S. 183f.
1750
Hom. Il. 11, 639f.
1751
Plin. nat. 11, 242.
1752
Colum. 12, 43.
1741
307
Mykenische Enährung
verdaulich sei,1753 nutzten aber seine therapeutische Wirkung
für innere und äußere Anwendungen.1754
Käse wird in den Linear B-Texten mittels des Begriffes turo2,1755 für griechisch , auf PY Un 718.4 und PY Un
1185.2 sowie durch das syllabische Monogramm *156 =
TURO2 auf PY Un 718.4.8.12 und PY Un 1185.2 verzeichnet.
Auf PY Un 718 wird der Käse als Bestandteil einer Gabe von
Landbesitzern an Poseidon aufgelistet, und auf PY Un 1185
steht er gemeinsam mit verschiedenen pflanzlichen und
tierischen Produkten, die möglicherweise ebenfalls in einem
religiösen Kontext zu sehen sind.1756 Von welchem Tier die zu
Käse verarbeitete Milch stammt, ist unbekannt. Es ist m. E.
wahrscheinlich, daß man sowohl Kuhmilch als auch Schafsund Ziegenmilch zur Käseherstellung verwendete.
Ehe ein Produkt überhaupt Eingang in die Verwaltungstexte
finden kann, vergeht natürlich eine gewisse Zeit. Es ist daher
vermutet worden, daß es sich beim in den Linear B-Texten
verzeichneten Käse wahrscheinlich um Hartkäse gehandelt
hat, da Frischkäse zu schnell verderben würde.1757
Um ein unbestimmtes Ziegenprodukt handelt es sich vielleicht
bei a3-ka-na-jo1758 auf PY Un 1185.5. Der Begriff ist
möglicherweise als *zu interpretieren, auch das
ideogrammatisch gebrauchte A3 dürfte sich darauf
beziehen.1759
Die große Anzahl von Schafen und Ziegen, die in den Texten
vorkommt, würde häufigere Erwähnungen von Käse erwarten
lassen. Die Erklärung mag darin liegen, daß die Erzeugung
1753
Hippokr. vict. 51.
Plin. nat. 28, 205ff.
1755
Aura Jorro 1993 S. 379.
1756
R. Palmer 1994 S. 103, 114.
1757
R. Palmer 1999 S. 467.
1758
Aura Jorro 1985 S. 132.
1759
Palaima 1992 S. 65f.
1754
308
8. Milch und Milchprodukte
und der Handel mit Käse außerhalb des vom Palast
kontrollierten Warenumlaufes organisiert waren.
Als zwei Gerätetermini der mykenischen Milchwirtschaft und
Käseerzeugung wurden die auf MY Ue 611.3 verzeichneten
Begriffe pa-ke-te-re, , Käsekessel, und ka-na-to,
, ein Korb, in welchen man den frisch bereiteten
Weichkäse abtropfen ließ, interpretiert.1760 Wenn man diese
beiden Bezeichnungen auf der aus dem Haus der Sphingen
stammenden Tafel tatsächlich auf die Herstellung von Käse
bezieht, würde dies allerdings bedeuten, daß Käse doch im
Bereich der Paläste produziert wurde.
Reste von prähistorischem Käse sind möglicherweise in einem
Haus in Therasia festgestellt worden.1761
8. 4. Butter
Butter (griech. / lat. butyrum) wurde in der Antike
aus den fetten Teilen der Milch erzeugt, und zwar sowohl aus
Schafs- als auch aus Ziegenmilch,1762 meist aber aus
Kuhmilch.1763
Griechen und Römer kannten zwar die Butter, doch wurde
diese wohl wegen ihrer geringen Haltbarkeit und ihres
geringen Schmelzpunktes nicht sehr geschätzt. Olivenöl bot
ein bei weitem besseres Kochfett, und zusammen mit
tierischen Fetten deckte es den Bedarf ausreichend. Es war
aber auch sicher eine Frage des Geschmacks, so fanden etwa
die Soldaten des Aelius Gallus im Jahre 25/24 v. Chr. keinen
1760
Panagl 1972.
Vickery 1936 S. 27.
1762
Diosk. 2, 72 Wellmann; Plin. nat. 28, 133.
1763
Gal. 6, 683 Kühn; Plin. nat. 28, 133.
1761
309
Mykenische Enährung
Gefallen an der geschmolzenen Butter, die die Eingeborenen
des Hedjaz zum Kochen verwendeten.1764
Von den Barbaren wurde die Butter mehr gebraucht als von
den Griechen und Römern.1765 Sie war bei jenen eine beliebte
Speise und ein Zeichen von Wohlstand.1766 Sie salbten sich
auch mit Butter.1767 Bei einer Hochzeitsfeier in Thrakien saßen
im Jahr 382 v. Chr. an der Tafel des Königs butteressende
Männer.1768 Bei Griechen und Römern war die Butter aber
hauptsächlich als Heilmittel in Gebrauch.1769 Daher sucht man
sie etwa im Kochbuch des Apicius vergebens.
In den mykenischen Texten wird Butter an keiner Stelle
erwähnt, über ihre Erzeugung kann nur gemutmaßt werden, sie
ist
aber,
wenngleich
unwahrscheinlich,
keinesfalls
auszuschließen.
8.5. Zusammenfassung
Im mykenischen Griechenland stellten Schafe und Ziegen
wohl die wichtigsten Milchlieferanten dar, es wurde aber
sicher auch Kuhmilch konsumiert. Über die Milchnutzung von
Pferd und Esel im mykenischen Griechenland ist nichts
bekannt, sie dürfte, wenn überhaupt, nur von höchst
untergeordneter Bedeutung gewesen sein.
Die Milch wurde wohl nur in geringem Umfang frisch
genossen, man hat sie wahrscheinlich in weit größeren
Mengen zu Käse verarbeitet. Während sich frische Milch nicht
in den Linear B-Texten findet, wird Käse in zwei Texten (PY
1764
Strab. 16, 4, 24.
Plin. nat. 11, 239; 18, 105; 28, 133; Strab. 3, 3, 7.
1766
Plin. nat. 28, 133.
1767
Plin. nat. 11, 239.
1768
Anaxandrides bei Ath. 4, 131 b.
1769
Plin. nat. 28, 133f.; Diosk. 2, 72 Wellmann; siehe dazu: Olck 1897 b Sp.
1091f.
1765
310
8. Milch und Milchprodukte
Un 718 und PY Un 1185) erwähnt. Er bildete vermutlich
einen regelmäßigen Bestandteil der Nahrung, seine Erzeugung
und seine Verteilung waren offensichtlich nicht vom Palast
organisiert. Ob die Mykener auch Butter herstellten und aßen,
ist ungewiß.
311
9. Honig
9. Honig
9. 1. Einleitung
Honig ist ein Genußmittel, ein Geschmacks- und
Konservierungsstoff. Er ist nie in so großer Menge vorhanden,
daß er ein Grundnahrungsmittel werden könnte. Im Grunde ist
er ein Luxusgut, das nur eingeschränkt verfügbar ist. Er läßt
sich leicht lagern und ist wegen seiner Geschmacksstärke
begehrt. Die Nachfrage nach Honig überstieg stets das
Angebot. Honig gehörte daher das ganze Altertum hindurch zu
den hochwertigen und teuren1770 Nahrungsmitteln.
9. 1. Ägypten und Orient
Die Honiggewinnung kann im Mittelmeerraum auf eine lange
Tradition zurückblicken. Zu den frühesten Darstellungen des
Sammelns von wildem Honig zählt etwa eine Darstellung eine
honigsammelnden
Frau
auf
einer
paläolithischen
Felszeichnung in der ostspanischen Höhle von La Araña.1771
Besonders reiches Quellenmaterial steht uns aus dem Nahen
Osten zur Verfügung.1772 Dies zeigen etwa Wandmalereien aus
dem neolithischen Çatal Hüyük.1773 In Ägypten, das uns neben
dem hethitischen Kleinasien die wichtigsten Anhaltspunkte
zur vor- und frühgeschichtlichen Bienenhaltung liefert, ist eine
systematische Bienenzucht schon im Alten Reich sowohl
1770
Edict. Dioclet. 3, 10ff.
Buchholz/Jöhrens/Maull 1973 S. 181; Forbes 1957 S. 78.
1772
Siehe zum Folgenden: R. J. Forbes 1957 S. 78ff.; Aravantinos 1985; zur
Geschichte der Bienenhaltung:
Crane 1983; Crane 1999.
1773
Mellart 1967 S. 162; vgl. C. Renfrew 1972 S. 287.
1771
313
Mykenische Enährung
durch zahlreiche bildliche Darstellungen1774 als auch durch
schriftliche Aufzeichnungen1775 überliefert. Die älteste
Darstellung eines Imkers stammt aus dem "Saal der
Jahreszeiten" des in die Zeit der 5. Dynastie gehörenden
Sonnentempels von Abu Gurob.1776 Etwas später datiert eine
Inschrift der 6. Dynastie im Grab des Beamten Sebni, in
welcher große Mengen von Honig erwähnt werden.1777
Während wir für das Mittlere Reich weniger Hinweise zur
Honiggewinnung in Ägypten haben, ist das Quellenmaterial
des Neuen Reiches umso vielfältiger und umfangreicher.
Erwähnt seien etwa die Darstellungen im Grab des
Amenophis, Beamter der Hatschepsut, oder des Rechmire,
Funktionär des Thutmosis III. Die Biographie des Ineni
erwähnt Honig als eine der Wohltaten, die dieser für seine
guten Dienste von Pharao Thutmosis II. erhalten hatte,1778 und
von Thutmosis III. wird berichtet, er habe während seiner
asiatischen Expeditionen aus Syrien und dem Libanon
zahlreiche Gefäße voll Honig erworben.1779 Im berühmten
Papyrus Harris schließlich sind die Zuwendungen des Ramses
III an diverse Heiligtümer aufgelistet, unter denen sich auch
große Mengen von Honig befinden.1780
Anders als in Ägypten sind die Belege in Palästina und
Mesopotamien1781 spärlich. Zwar wird Honig erwähnt, doch
datieren diese Quellen oft spät und lassen nicht auf eine
systematische Honiggewinnung schließen. Honig hat hier nie
eine wirklich bedeutende Rolle gespielt. In Syrien und im
1774
Kuény 1950.
Die Schriftzeugnisse sind zusammengestellt bei: Breasted 1927.
1776
Forbes 1957 S. 80, fig. 16.
1777
Breasted 1927 I S. 366.
1778
Breasted 1927 II S. 117.
1779
Breasted 1927 II S. 462, 518.
1780
Breasted 1927 IV S. 228, 232, 272, 283, 286, 294, 300, 329, 344, 350,
360, 376, 387, 390, 394, 491, 683, 770, 859, 992.
1781
Siehe zum Folgenden : Aravantinos 1985 S. 17ff.
1775
314
9. Honig
Libanon dagegen war Honig ein wichtiges Handelsgut. Die
ägyptischen Quellen für diese Region lassen eine reiche
Produktion vermuten. Eine bedeutende Rolle spielte Honig
auch im hethitischen Kleinasien.
9. 3. Griechenland und Rom
Die Menschen der klassischen Antike schätzten eine relativ
süße Küche. Honig war daher von großer Bedeutung, da er der
wichtigste zur Verfügung stehende Süßstoff war. Als
Alternativen verwendete man getrocknete Datteln, Dattelsirup,
Trockenfeigen oder auch konzentrierten Most. Honig, der als
ein Geschenk der Götter angesehen wurde,1782 war aber das
prestigeträchtigste Süßungsmittel.
Honig kam zum Einsatz, wenn man ein Gericht abmildern
wollte. Man bestrich mit ihm etwa den Schinken, wenn er in
den Ofen kam,1783 man nahm ihn aber auch für Fisch1784 sowie
für Wild- oder Geflügelsaucen1785 und allerlei im voraus
zubereitete Saucen.1786 Bei den Gemüsegerichten nahm man
Honig etwa zur Zubereitung von Kürbis,1787 Gurken,1788
Weißen Rüben und Steckrüben,1789 Endivien oder Lattich,1790
wilden Artischocken,1791 Erbsen1792 oder Saubohnen.1793
1782
Verg. georg. 4, 1.
Apic. 7, 10.
1784
Apic. 10, 2, 3ff.; 10, 3, 1ff.
1785
Apic. 6, 2, 4; 6, 2, 6; 6, 4, 1ff.; 6, 5, 1; 6, 5, 3.
1786
Apic. 1, 29ff.
1787
Apic. 3, 4, 3; 3, 4, 8.
1788
Apic. 3, 6, 2.
1789
Apic. 3, 13, 1.
1790
Apic. 3, 18, 1; 3, 18, 3.
1791
Apic. 3, 19, 2; 3, 20, 3.
1792
Apic. 5, 3, 5.
1793
Apic. 5, 6, 3.
1783
315
Mykenische Enährung
Honig diente auch der Konservierung verschiedener
Nahrungsmittel, wie etwa von Quitten1794 oder Rüben.1795 Er
fand als Süßungsmittel bei der Erzeugung unterschiedlicher
Backwaren Verwendung, so gab man etwa kaum einen
Kuchen ohne Honig.1796 Ebenso benötigte man ihn bei der
Herstellung von Süßspeisen,1797 Breien1798 oder Omeletten.1799
Die Römer der Frühzeit schätzten auch gerösteten Mohn mit
Honig,1800 bei den Griechen war das sehr beliebt, bei
dem frisch gemolkene Milch mit Honig vermischt, in
getrocknete Gedärme gefüllt, ans Feuer gesetzt und dann
genossen wurde.1801
Honig war die gesamte Antike hindurch auch eine beliebte
Zutat zum Aromatisieren von Wein. Bei den Römern war der
Honigwein1802 (mulsum1803) besonders beliebt. Diesen trank
man zum Essen,1804 hauptsächlich aber zu den Vorspeisen,1805
alte Männer tunkten gern ihr Brot in ihn.1806
Eine wichtige Verwendungsmöglichkeit von Honig ist auch
die Herstellung von Met,1807 einem der ältesten Rauschmittel
im Mittelmeerraum (ursprünglich wohl ,1808 später
), welcher zumeist aus Honig und Wasser, aber auch
1794
Apic. 1, 19.
Apic. 1, 24.
1796
Cato agr. 76, 3; 77; 84; Hor. epist. 1, 10, 11; vgl. Mart. 14, 222, 2.
1797
Apic. 7, 13, 2.
1798
Apic. 7, 13, 4ff.
1799
Apic. 7, 13, 8.
1800
Plin. nat. 19, 168.
1801
Ath. 14, 646 e; Ath. 12, 516 e.
1802
Colum. 12, 41; Pall. agric. 11, 17; Geop. 8, 25.
1803
Griech. später .
1804
Plaut. Pers. 87; Varro rust. 3, 16, 2; Cic. Cluent. 166.
1805
Hor. sat. 2, 4, 24 ff; Petron. 34, 1.
1806
Plin. nat. 22, 113f.
1807
Siehe dazu Schuster 1932; André 1998 S. 153f.; Gutsfeld 2000 b.
1808
Im Sanskrit bezeichnet mádhu einen süßen Trank (von mádhu-h „süß“),
bei Homer ist jedwedes berauschende Getränk, vornehmlich Wein.
1795
316
9. Honig
aus anderen Zutaten bereitet wurde.1809 Er wurde manchmal
frisch, häufiger jedoch vergoren mit einem Alkoholgehalt von
bis zu 15% konsumiert.
Außerhalb der Küche erfüllte der Honig wichtige Funktionen
in der Heilkunde.1810 Man machte Gebrauch von seinen
entzündungshemmenden1811 und stärkenden Wirkungen.1812
Ebenso wurde er zu kosmetischen Zwecken eingesetzt.1813 Im
Kult wurde Honig insbesondere im Rahmen von
Übergangsriten etwa anläßlich des Todes geopfert.1814
9. 4. Prähistorisches Griechenland
Wie eingangs gezeigt wurde, wurde die Bienenzucht in den
die Ägäis umgebenden Gebieten schon früh praktiziert. Die
klimatischen Gegebenheiten waren in Griechenland an sich
ideal für Bienenzucht. Honig konnte man aber bereits
genießen, als man Bienen noch nicht eigens zu diesem Zweck
hielt. Auf die Nutzung von wildem Honig spielt etwa Hesiod
an.1815
Im Gegensatz zu Ägypten besitzen wir keine Darstellungen
von Imkern oder dergleichen, doch findet sich die Biene
häufig als Motiv in der Kleinkunst.1816 Eines der berühmtesten
Beispiele ist etwa der Goldanhänger aus der Nekropole von
Chrysolakkos nahe des minoischen Palastes von Mallia, der
1809
Vgl. Colum. 12, 12; Plin. nat. 14, 113f.
Plin. nat. 22, 106.
1811
Theophr. hist. plant. 9, 11, 3; zum Honig in der Medizin siehe: Schuster
1931 Sp. 374ff.
1812
Diosk. 2, 101 Berendes.
1813
Plin. nat. 25, 18; Diosk. 2, 102 Berendes.
1814
Etwa: Hom. Il. 23, 170; Od. 10, 519; siehe dazu: Schuster 1931 Sp.
379ff.
1815
Hes. erg. 232f.
1816
Aravantinos 1985 S. 23 Fn. 41.
1810
317
Mykenische Enährung
zwei Bienen und eine Honigwabe zeigt.1817 Weitere Hinweise
geben die Funde von Bienenstöcken aus Ton, die in der Ägäis
seit der Bronzezeit belegt sind.1818
9. 4. 1. Honig in den Linear B-Texten
Die aussagekräftigste Quellengattung, die uns zur Produktion
von Honig im spätbronzezeitlichen Griechenland zur
Verfügung steht, sind die Linear B-Texte.1819 Honig ist an drei
Orten inschriftlich belegt, nämlich in Pylos, in Knossos und in
Chania. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Honig auf
diesen Tafeln verzeichnet sein kann. Zum einen kennen wir
die Schreibung me-ri für belegt.1820 Diese Form me-ri
findet sich auf den Tafeln KN Gg (1) 702.1.2, KN Gg (1)
704.2, und KN Gg (1) 7369.2, me-ri[ auf KN Nc 4475 und
KN Uc 8032. me-ri[ auf PY Un 718.12 ist mit einiger
Sicherheit zu me-ri-to zu ergänzen; me-ri-[ auf KN B (5) 799
v.3
ist
zu
einem männlichen
Eigennamen
zu
vervollständigen.1821 In den KN Gg-Texten folgt auf die
Angabe von Honig stets das Vasenideogramm *209vas. Dieses
ist als eine Honiggefäß von wohl standardisierter Größe zu
interpretieren.
Eine andere Möglichkeit der Aufzeichnung von Honig in den
Linear B-Texten ist die Ligatur der beiden Silbenzeichen
ME+RI, wie zum Beispiel auf KN Gg (3) 705 und KN Gg (4)
706, oder die abgekürzte Schreibung mittels des ideographisch
gebrauchten Syllabogramms ME, wie sie etwa auf PY Un
1817
Buchholz/Jöhrens/Maull 1973 S. 183f.; Hood 1976; Aravantinos 1985 S.
24 und Anm. 43.
1818
Melas 1999 S. 485ff.
1819
Siehe dazu Melas 1999 S. 489f.
1820
Siehe dazu: Aura Jorro 1985 S. 438f.
1821
Vgl. z. B. me-ri-wa-ta auf KN Dv 1255.B bzw. me-ri-wa auf PY Jn
431.24.
318
9. Honig
267.7 zu finden ist. Des weiteren findet sich der Terminus meri-to,1822 welcher als Genitiv Singular () zu verstehen
ist. Dieser Begriff ist auf PY Un 718.5 zu lesen, ]me-ri-to
findet sich auf KN As (1) 5944.1 sowie wohl auf PY Un
718.13.
9. 4. 2. Berufs- und Personenbezeichnungen in Verbindung
mit Honig
Das Wort me-ri-te-wo auf PY Ea 481.1, PY Ea 771, PY Ea
799, PY Ea 801, PY Ea 813 und PY Ea 820 ist als eine
Berufsbezeichnung im Genitiv Singular zu betrachten. Der
Nominativ muß *me-ri-te-u, *, gelautet haben. Die
Bedeutung dieser Bezeichnung ist nicht völlig zu klären. Es
handelt sich wohl um eine Person, die in irgend einer Weise
mit der Gewinnung oder Verarbeitung von Honig zu tun hat,
entweder einen Honigsammler oder einenImker.1823 Da es
sich aber um jemanden handelt, der große Ländereien besaß –
schließlich sind auf insgesamt sechs Tafeln Nutzanteile (o-nato) an Grundstücken dieses *me-ri-te-u verzeichnet – ist hier
aber kaum ein gewöhnlicher Arbeiter anzunehmen, sondern
vielmehr ein gehobener Funktionär der Palastbürokratie.
Eine weitere Berufsbezeichnung bzw. ein Titel, der mit Honig
zu tun hat, ist der *me-ri-du-ma, der sich im Nominativ Dual
bzw. Plural me-ri-du-ma-te auf PY An 39.2, PY An 424.3, PY
An 427.2 und PY An 594.2, als Dativ Plural me-ri-du-ma-si
auf PY Fn 837.14, als Verschreibung me-ri-du-te für me-ridu-ma-te auf PY Fn 50.5 sowie als Variante me-ri-da-ma-te
auf PY An 39.8 und PY An 207.11 findet. Auch me-ri-du[ auf
KN X 1045 ist wohl zu me-ri-du[-ma zu ergänzen. Unter
diesen Beamten, den bzw. ,
1822
1823
Siehe dazu Aura Jorro 1985 S. 438f.
Ventris/Chadwick 1973 S. 560; Aura Jorro 1985 S. 440.
319
Mykenische Enährung
sind wohl „Aufseher des Honigs“, welche die Produktion, die
Abgabe und den Transport von Honig zu überwachen hatten,
zu verstehen.1824
9. 4. 3. Die Verwendung von Honig
Es lassen sich in den Texten drei unterschiedliche Bereiche
erkennen, in denen Honig registriert wurde. Zum einen, und
dies ist am häufigsten der Fall, erscheint Honig als eine Gabe
an die Götter, wie etwa an Poseidon auf PY Un 718, die
Herrin des Labyrinths auf KN Gg (1)702.2 und an alle Götter
auf KN Gg 702.1 und Kn Gg 705.2. In Chania ist auf KH Gq
5 die Lieferung von Honig an ein Zeusheiligtum und die
Darbringung an Zeus und Dionysos verzeichnet. Auf KN Gg
(3) 705.1 wird Honig an Eleuthia (Eileithyia) gegeben.
Interessant ist bei letztgenannter Gottheit die Angabe des
Ortes, an dem das Opfer dargebracht wird, nämlich a-mi-ni-so,
Amnisos, da Homer gerade für Amnisos eine Grotte der
Eileithyia erwähnt.1825 Eine weitere Gottheit, die regelmäßig
als Empfänger von Honigspenden auftritt, ist nur schwer zu
identifizieren, da ihr Name stets nur unvollständig erhalten ist.
Auf mehreren Tafeln findet sich in Verbindung mit Honig der
Terminus ]o-ne (KN Gg 704.2, KN Gg 705.3, KN Gg
5185.2),1826 auf KN Gg 717.2 ] -da-o-ne.1827 Im allgemeinen
wird dieser Begriff als e-ne-di-da-o-ne,1828 das auch auf KN M
719.2 vorkommt und mit Epitheta des Poseidon wie
bzw.in Verbindung gebracht
1824
Siehe dazu: Aura Jorro 1985 S. 439f.
Hom. Od. 19, 188.
1826
Aura Jorro 1993 S. 27.
1827
Aura Jorro 1993 S. 291.
1828
Aura Jorro 1985 S. 219.
1825
320
9. Honig
wurde, ergänzt.1829 Diese Etymologie ist aber nicht ohne
sprachwissenschaftliche Schwierigkeiten.1830
Man könnte bei ]o-ne bzw. ]si-da-o-ne in den KN Gg-Texten
meines Erachtens aber auch an einen anderen Begriff denken,
nämlich den Namen des Poseidon selbst. Dieser würde im
Dativ in den Linear B-Texten zwar normalerweise po-se-da-one, lauten,1831 im Namen des Poseidonheiligtums, po-si-da-ijo, *h,1832 des Poseidonpriesters, *po-si-da-i-je-u,
*h,1833 sowie einer offenbar zu Poseidon
gehörenden
weiblichen
Gottheit,
po-si-da-e-ja,
*h,1834 finden wir aber auch die Schreibung mit i.
Die kulinarische Verwendung von Honig läßt sich in den
Texten kaum greifen. Eine mögliche Ausnahme stellt die
Bezeichnung me-ri-ti-jo auf PY Wr 1360. dar. Diese steht
zusammen mit dem Wein-Ideogramm und könnte die Art des
Weines als ,„mit Honig gesüßt“ oder „süß wie
Honig“, beschreiben, sie könnte sich aber auch auf
Informationen anderer Art beziehen.1835 Die Sitte, Wein mit
Honig zu würzen, läßt sich jedenfalls auch archäologisch
nachweisen, wie z. B. durch Rückstände in einem SH III A 2
Gefäß aus Mykene.1836 Man kann wohl mit einiger Sicherheit
annehmen, daß man im mykenischen Griechenland auch Met
erzeugte, der Begriff me-tu-wo auf PY Fr 1202 könnte sich
auf Met beziehen, wahrscheinlicher aber auf Wein.1837
1829
Ventris/Chadwick 1973 S. 543; Ruijgh 1967 S. 12; van Leuven 1979 S.
115 und Anm. 11.
1830
Vgl. dazu Chantraine 1968 S. 351; Aura Jorro 1985 S. 219.
1831
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 153f.
1832
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 156.
1833
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 155f.
1834
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 155.
1835
Aura Jorro 1985 S. 440f.; R. Palmer 1994 S. 63.
1836
Tzedakis/Martlew 1999 S. 168.
1837
Aura Jorro 1985 S. 446; R. Palmer1994 S. 64.
321
Mykenische Enährung
Ein dritter Verwendungszweck für Honig findet sich ebenfalls
in den Texten. Es ist die Verarbeitung des Honigs bei der
Erzeugung parfümierter Öle, so etwa auf PY Un 267.1838
9. 5. Zusammenfassung
Honig war das wichtigste Süßungsmittel im prähistorischen
Griechenland. Andere Süßstoffe, wie etwa Feigensirup oder
verdickter Most, kommen in den Texten nicht vor. Sie spielten
in der Wirtschaft der Paläste, wenn überhaupt, nur eine
untergeordnete Rolle. Ihre Verwendung zum Süßen von
Speisen durch die einfache Bevölkerung kann aber, bedenkt
man vor allem die große Häufigkeit von Feigen, durchaus
vermutet werden.
Honig wird in den Texten dagegen recht häufig erwähnt. Seine
Erzeugung stand offenbar unter der Kontrolle der
mykenischen Paläste und wurde von deren Beamten
überwacht. Was die Verwendung von Honig betrifft, so tritt er
uns in den Tafeln in erster Linie als eine Gabe an diverse
Götter entgegen, er fand aber ohne Zweifel reichlich Eingang
in die Ernährung der Bevölkerung. Seine Verwendung zum
Würzen von Wein, die sich sowohl in klassischer Zeit als auch
archäologisch für die Bronzezeit greifen läßt, ist
möglicherweise in den Texten dokumentiert. Ebenfalls ist
seine Verwendung in der Erzeugung parfümierter Öle in den
Tafeln erkennbar.
1838
Siehe dazu Shelmerdine 1985 S. 19.
322
10. Fisch
10. Fisch
10. 1. Allgemeines
Das Meer spielte in Griechenland stets eine wichtige Rolle. Es
liegt auf der Hand, daß die Menschen auf dem griechischen
Festland, auf Kreta und den Kykladen die maritimen
Ressourcen zu allen Zeiten nützten. Man fing Fische und
andere Meerestiere, entweder um sie selbst zu verzehren, oder
um mit ihnen zu handeln. Fisch stellt eine wesentliche Quelle
von tierischem Protein, Vitamin A und D, Kalzium und
Phosphor dar.
Allerdings wurde und wird die Rolle von Fisch in der antiken
Ernährung oft überschätzt.1839 Wie Gallant1840 m. E.
überzeugend dargelegt hat, waren Fische im antiken
Griechenland, und ganz besonders in den frühen Epochen, nie
ein Grundnahrungsmittel. Eine solche Funktion wäre schon
allein aufgrund der dafür benötigten riesigen Mengen an
Meerestieren schlichtweg unmöglich.1841 Betrachtet man die
Zusammensetzung der Nahrung, so diente Fisch immer nur als
eine willkommene Ergänzung, als eine Bereicherung der Kost,
nicht aber als ein Grundnahrungsmittel. Dies war noch in der
ersten Hälfte des 20. Jh. so. Ein Bericht über die kretische
Ernährung aus dem Jahr 1948 etwa besagte, daß diese weniger
als 2% Fisch enthielt.1842
Auch die wirtschaftliche Bedeutung von Fischfang und
Fischhandel in der griechischen Antike wird oft überschätzt.
Ein Gewerbezweig, der jährlich derartig schwankende Erträge
1839
Z. B. Rostovtzeff 1941 S. 1254; Buchholz/Jöhrens/Maull 1973 S. 178;
zuletzt: Riley 1999 S. 56ff.
1840
Gallant 1985.
1841
Gallant 1985 S. 31ff.
1842
Nordquist 1987 S. 31f.
323
Mykenische Enährung
liefern und in schlimmen Fällen auch mehrere Jahre
hintereinander fast völlig ausfallen kann, wie das bei der
Fischerei der Fall ist, ist nicht dazu geeignet, die
wirtschaftliche Grundlage einer Gemeinschaft zu bilden.
Fisch ist zudem nicht lange haltbar. Um ihn über weitere
Strecken verhandeln zu können, muß man ihn konservieren,
meist durch Einpökeln. Das Pökeln von Fisch ist aber viel zu
zeit- und arbeitsaufwendig, einmal ganz abgesehen von den
riesigen Mengen Salz, die beim Einpökeln einer größeren
Anzahl von Fisch benötigt worden wären, als daß der Export
von gepökeltem Fisch wirtschaftlich eine große Rolle gespielt
hätte.1843 Fisch war daher auch eher teuer, wie ein Blick auf
die bekannte Inschrift aus Akraiphia, welche sich mit den
Preisen für Fisch befaßt, beweist.1844
Es läßt sich folglich vermuten, daß Fisch auch in der
mykenischen Ernährung wohl nur von sekundärer Bedeutung
war und vor allem als eine zusätzliche Bereicherung der
Nahrung eine Rolle spielte. Daß in der Bronzezeit nur geringe
Mengen von Fisch verzehrt wurden, scheinen auch die
Untersuchungen
am
prähistorischen
menschlichen
Knochenmaterial zu bestätigen.1845 Auch regionale und soziale
Unterschiede lassen sich durch diese Analysen erkennen. So
ergab ein Vergleich Attika – Messenien, daß man in
erstgenannter Landschaft mehr Fisch zu sich nahm. Auffällig
ist auch, daß offenbar höhergestellte Personen eine größere
Menge von Fischen und anderen Meerestieren konsumierten
als der Rest der Bevölkerung. Im Gegensatz dazu spielte Fisch
in der Ernährung der in den Kammergräbern um Mykene
bestatteten Personen der Mittelschicht wie auch der in den
Kammergräbern von Armenoi begrabenen Menschen so gut
wie gar keine Rolle.
1843
Gallant 1985 S. 36f.
Feyel 1936 S. 27ff.; Salviat/Vatin 1971 S. 95ff.
1845
Siehe dazu Kap. 2.
1844
324
10. Fisch
10. 2. Fischfang
Die Funde von Fischfanggerät, wie etwa Angelhaken,
Harpunen oder Netzbeschwerer,1846 in der prähistorischen
Ägäis belegen eine rege Fischfangtätigkeit. Dies wird bestätigt
durch mehrere bildliche Darstellungen des Fischfangs.
Hier sind etwa eine Larnax aus Theben,1847 auf der mehrere
Fische in einem Netz gezeigt werden, sowie ein Gefäß aus
Naxos,1848 auf dem 6 Männer, die ein Netz einholen,
dargestellt sind, zu nennen. Menschliche Figuren, die einzelne
Fische oder ganze Bündel von Fischen tragen, findet man auf
Siegeln, Keramik und Fresken. Ein bekanntes Beispiel sind
etwa die Fischerknaben aus Akrotiri.1849 Die Interpretation
derartiger Bilder als Darstellungen von Fischern, die mit ihrem
Fang zurückkehren, ist aber nicht völlig gesichert. Man sollte
auch andere denkbare Deutungen im Auge behalten, etwa die
Möglichkeit, daß es sich vielleicht um Männer handelt, welche
die Fische den Göttern darbringen.1850
Obgleich es manche Vollzeitfischer gegeben haben mag, war
der Fischfang in der bronzezeitlichen Ägäis im allgemeinen
vermutlich eher ein gelegentlich betriebener Nebenerwerb, der
wohl mit Ackerbau, Jagd oder ähnlichem kombiniert war. Die
Fischerei stellt ein unsicheres und gefährliches Gewerbe dar
und ist daher als alleinige Existenzgrundlage unbeliebt, wenn
es Alternativen gibt.
1846
Buchholz/Jöhrens/Maull 1973 S. 167ff.; Riley 1999 S. 61; J. Powell
1996 S. 91f.; 112ff.; 139ff.
1847
Vermeule/Karageorghis 1982 Cat. no. VII.K; Powell 1996 S. 111.
1848
Powell 1992 S. 311; Powell 1996 S.109f. und Fig. 69.
1849
Marinatos 1974 S. 34ff.
1850
Rose 1994 S. 160.
325
Mykenische Enährung
10. 2. Funde von Fischresten
Die relative Bedeutung von Fisch in der täglichen Ernährung
ist anhand der Ausgrabungsbefunde nur schwer einzuschätzen.
Nur wenige Grabungsstellen wurden adäquat untersucht. Doch
selbst wenn man berücksichtigt, daß Fischgräten leichter
vergänglich sind als die Knochen anderer Tiere, fällt ihre
geringe Anzahl auf.1851 An keiner Fundstelle läßt sich aus den
Fischgrätenfunden eine dominierende Rolle von Fisch in der
Ernährung erkennen.
Funde von Fischresten traten an zahlreichen ägäischen
Grabungsstätten zu Tage.1852 Mindestens 36 Spezies konnten
dabei identifiziert werden: Heringshai (Lamna nasus), Blauhai
(Prionace glauca), Grundhai (Galeorhinus galeus),
Hammerhai (Sphyrna zygaena), Gewöhnlicher Adlerrochen
(Myliobatis aquila), Afrikanischer Adlerrochen (Pteromylaeus
bovinus), Europäischer Flußaal (Anguilla anguilla), Karpfen
(Cyprinus carpio), Schleie (Tinca tinca), Wels (Silurus
glanis), Hecht (Esox lucius), Blauer Wittling (Micromesistius
poutassou), Gemeine Quappe (Gaidropsarus mediterraneus),
Nilbarsch (Lates niloticus), Zackenbarsch (Epinephelus),
Wrackbarsch
(Polyprion
americanus),
Wolfsbarsch
(Dicentrarchus labrax), Meerbarbenkönig (Apogon imberbis),
Stachelmakrelen (Carangidae), Bernsteinmakrele (Seriola
dumerili), Adler- oder Rabenfisch (Argyrosomus regius),
Meer- oder Seerabe (Sciaena umbra), Meerbarbe (Mullus),
Zahnbrassen (Dentex dentex), Meerbrassen (Diplodus),
1851
So bemerkten bereits von den Driesch und Boessneck (von den
Driesch/Boessneck 1990 S. 117) die
auffallend geringe Zahl von
Fischknochen in Tiryns und vermuteten eine untergeordnete Bedeutung des
Fischfangs sowie den Verzehr von Fisch nur durch bestimmte
Volksschichten. Auch in Kastanas wird dieser Eindruck bestätigt, Fischreste
machen nur 0,1% des Fundmaterials aus und weisen darauf hin, daß der
Fischfang keine große Bedeutung besaß (Becker 1986 S. 223, 290).
1852
Siehe dazu die Aufstellung bei Rose 1994 S. 211ff.
326
10. Fisch
Marmorbrassen (Lithognathus mormyrus), Brandbrassen
(Oblada melanura), Rotbrassen (Pagellus erythrinus), Seeoder Sackbrassen (Pagrus pagrus), Goldbrassen (Sparus
auratus),
Seekarausche
(Spondyliosoma
cantharus),
Schnauzenbrassen
(Spicara),
Lippfische
(Labridae),
Meerjunker (Coris julis), Seepapagei oder Papageienfisch
(Sparisoma cretense), Fregattmakrele (Auxis rochei), Thonine
(Euthynnus alletteratus), Großer Thun (Tunnus thynnus),
Pfeilhecht oder Mittelmeer-Barrakuda (Sphyraena sphyraena),
Meeräsche (Mugilidae), Dicklippige Meeräsche (Chelon
labrosus), Großköpfige Meeräsche (Mugil cephalus),
Hundsbarbe (Barbus meridionalis) und Roter Knurrhahn
(Trigla lucerna). 1853
Dabei gehören 8 dieser 36 Arten allgemein zur Familie der
Meerbrassen (Sparidae). Der Zackenbarsch (Epinephelus)
kommt am häufigsten vor (an 10 Fundstellen), gefolgt vom
Thunfisch (Thunnus thynnus, sechs Fundorte), der Meeräsche
(Mugilidae, an fünf Fundstellen), verschiedenen Meerbrassen
(Sparus auratus, an vier, möglicherweise fünf Orten,
Diplodus, Pagellus erythrinus und Pagrus pagrus, die je
dreimal belegt sind), dem Grundhai (Galeorhinus galeus, an
vier Fundorten), dem Heringshai (Lamna nasus, an drei
Fundorten) und dem Mittelmeer-Barrakuda (Sphyraena
sphyraena) an drei Fundorten.
Meeresfische spielten eine wichtigere Rolle, doch darf die
Süßwasserfischerei nicht vernachlässigt werden. Nimmt man
die Ergebnisse neolithischer Fundstellen hinzu – die im
Neolithikum genutzten Arten spielten sicher auch in der
Bronzezeit eine Rolle – ergibt sich folgendes Spektrum an
Süßwasserfischen: Stör (Acipenser sturio), Hecht (Esox
lucius), Karpfen (Cyprinus carpio), Barbe (Barbus sp.),
Schleie (Tinca tinca), Brachse (Abramis sp.), Rotfeder
(Scardinius sp.), Nase (Chondrostoma sp.), Döbel (Leuciscus
1853
Rose 1994 S. 390ff. Tab. 65; Stanzel 1991 S. 142f.
327
Mykenische Enährung
sp.), Flußwels (Silurus glanis) und möglicherweise Plötze
(Rutilus).1854
10. 3. Ikonographie
Fische finden sich häufig als Motiv in der minoischen und
mykenischen Kunst.1855 Sie erscheinen auf Gefäßen, Fresken,
auf Fußböden und Siegeln. Dabei sind sie vor allem auf Kreta
und den Kykladen verbreitet. Frühe Darstellungen von Fischen
finden
sich
etwa
auf
den
frühbronzezeitlichen
1856
Kykladenpfannen.
Erst in SH III werden Darstellungen von
Fischen oder anderen Meerestieren dann auch auf dem
Festland populär. Bekannte Fischdarstellungen sind etwa die
fliegenden Fische auf dem bekannten Fresko aus Phylakopi1857
oder die Fische auf dem Delphin-Fresko aus dem Areal des
Queen’s Megaron in Knossos.1858 Ebenfalls erwähnt werden
muß die Fischervase aus Phylakopi,1859 ein Ständer, der mit
vier nach rechts gewandten Jünglingen, die große Fische
tragen, dekoriert ist.
Die große Anzahl von Fischdarstellungen auf einer so breiten
Palette von Medien könnte nahelegen, daß Fische und
Meerestiere ein ganz üblicher Teil des täglichen Lebens und
auch Bestandteil der menschlichen Ernährung waren. Wie wir
gesehen haben, war dies aber wohl nicht der Fall.
1854
Rose 1994 S. 393 Tab. 66. In Kastanas fanden sich neben der
Hundsbarbe (Barbus meridionalis) noch
mehrere Reste unbestimmter Weißfische (Cyprinidae).
1855
Eine Aufstellung siehe bei Buchholz/Jöhrens/Maull 1973 S. 136ff.
1856
Siehe dazu: Coleman 1985.
1857
Immerwahr 1990 S. 189 und Pl. 16.
1858
Evans 1930 S. 379, Fig. 251.
1859
Immerwahr 1990 S. 18 und Pl. 2.
328
10. Fisch
Nur wenige der vorgeschlagenen Identifizierungen von
Fischen in der Kunst der Ägäis können als gesichert gelten.1860
Auf einem Fresko aus der Nordostecke von Raum 5 des
Westhauses in Akrotiri, auf welchem ein Fischerknabe zwei
Bündel von Fischen hält, werden Goldmakrelen (Coryphaena
hippurus) gezeigt.1861 Dabei handelt es sich um die einzige
sicher identifizierbare Fischart in der ägäischen Kunst.1862
Kleine Thune unbestimmter Art, die von einem zweiten
Fischer getragen werden, sind im selben Raum dargestellt.1863
Andere mögliche Darstellungen von Thunen sind unsicher.
Die Darstellung einer Meerbarbenart (Mullus barbatus oder
M. surmuletus) im Inneren von Gefäßen der Kamares-Ware1864
ist möglich, aber genauso unsicher. Damit bleibt die
Goldmakrele die einzige mit absoluter Sicherheit bestimmte
Art.1865 Es fällt natürlich auf, daß diese in der Liste der
archäozoologisch nachgewiesenen Fischreste nicht vorkommt.
Das ist allerdings nicht weiter verwunderlich, da diese
Zusammenstellung weit davon entfernt ist, das tatsächliche
Spektrum der verzehrten Fische wiederzugeben.
10. 4. Klassische Literatur
Wenngleich die Helden Homers Fisch nicht sonderlich
geschätzt haben mögen,1866 waren Fischspeisen im alten
Griechenland sonst doch recht beliebt.
1860
Rose 1994 S. 140ff.
Gill 1985 S. 65 Fig. 1 a.
1862
Rose 1994 S. 145.
1863
Gill 1985 S. 65 Fig. 1 b; Rose 1994 S. 147.
1864
Poursat 1984 S. 27.
1865
Rose 1994 S. 155.
1866
Hom. Od. 4, 360ff.; 12, 327ff.; aber: Hom. Il. 16, 745ff.; Od. 19, 107ff.;
Ath. 1, 13 af.; 1, 25 d.
1861
329
Mykenische Enährung
Gern gegessen in klassischer Zeit wurde etwa der Thunfisch
(Thunnus thynnus), , den man nicht nur frisch, sondern
auch eingesalzen verzehrte.1867 Eine etwas seltenere
Delikatesse war der Stör (Acipenser sturio), , man
aß ihn oft eingesalzen, und er bildete eher eine Vorspeise als
eine Beilage zum Hauptgericht.1868 Als ein guter Fisch galt die
Meeräsche (Mugilidae), , die sorgfältig
zubereitet werden mußte.1869 Das Fleisch der Aale, sowohl des
Meeraals1870 (Conger conger), , als auch des Aals1871
(Anguilla anguilla), , wurde hoch geschätzt und galt
als der Feinschmecker würdig. Auch Haie (Selachoidei,
Selachii, Squaliformes), und Dornenhaie
(Acanthias acanthias), hatten in der Antike einen
guten Ruf.1872 Seebarsch (Morone labrax), , Brauner
Zackenbarsch (Serranus gigas), , und Schriftbarsch
(Serranus scriba), , wurden, wenn sie groß genug
waren, als Steaks verwendet.1873 Auch die Makrele (Scomber
scomber), war wohlbekannt.1874 Die Meerbrassen
(Diplodus), die im Mittelmeer häufig vorkommen, wurden auf
den griechischen Märkten genau und sorgfältig unterschieden,
eine Vielzahl von Fischnamen der klassischen Zeit scheint zu
1867
Archestratos 34 bei Ath. 7, 301f.; Strab. 5, 2, 6; 5, 2, 8; Theokrit eid. 3,
26; Philoxenos b 21 bei Ath. 4, 147 c; Ath. 7, 301 e; 7, 319 a.
1868
Lynkeus bei Ath. 4, 132 a; wohl auch Archestratos 39 bei Ath. 7, 284 e.
1869
Archestratos 45 bei Ath. 7, 311 a.
1870
Archedikos 3 u. a. bei Ath. 7, 288 cff.; Archestratos 18-19 bei Ath. 7,
293f.
1871
Aristoph. Ach. 889ff.; Strattis 45 bei Ath. 7, 327 e; Ath. 7, 297 cff.;
Hikesios bei Ath. 7, 298 b.
1872
Ath. 7, 294 c; 7, 306 d; 7, 310 a.; vgl. Archestratos 23 bei Ath. 7, 310 c.
1873
Ath. 7, 315 a; Kratinos 154 bei Ath. 7, 315 b; Antiphanes 130 bei Ath. 7,
295f.
1874
Hermippos 63 bei Ath. epit. 1, 27 e.
330
10. Fisch
dieser Familie zu gehören.1875 Einer der geschätztesten Fische
der Griechen war der Goldbrassen1876 (Sparus auratus),
. Lippfische wurden mit einigen ähnlichen kleinen
Fischen unter dem Begriff „Felsenfische“
zusammengefaßt.1877 Weiters sind auch der Meerjunker (Coris
julis), , und der Papageienfisch (Sparisoma cretense),
, belegt, die allerdings nur ein bescheidenes Lob
fanden.1878
Auch die Römer aßen gern Fisch.1879 Der Stör (Acipenser
sturio), acipenser, wurde von Plautus sehr geschätzt,1880 und
Martial hält ihn des Tisches der Kaiser für würdig. 1881 Auch
verachtete dieser nicht den Aal1882 (Anguilla anguilla),
anguilla, für den Apicius auch zwei Saucenrezepte angibt.1883
Der Goldbrassen (Sparus auratus), aurata, chrysophrys,
wurde auch in Meeresfischteichen und sogar in Seen
gezüchtet,1884 er wurde mit Sauce angerichtet oder
gebacken.1885 Auch der Zahnbrassen (Dentex dentex), dentex,
war so begehrt, daß man ihn an den Küsten in Fischteichen
züchtete,1886 es gab ihn gekocht oder gebacken.1887 Als ein
Leckerbissen galt auch der See- oder Wolfsbarsch
(Dicentrarchus labrax), lupus, besonders der im Tiber
zwischen den beiden Brücken, wo die Kloaken in den Fluß
1875
Siehe dazu: Dalby 1998 S. 109f.
Vgl. Ath. 7, 328 b-c.
1877
Theop. Com. bei Ath. 14, 649.
1878
Archestratos 13 bei Ath. 7, 320 b.
1879
Siehe zum Folgenden: André 1998 S. 79ff.
1880
Plaut. frg. in Macr. Sat. 3, 16, 1 ff; siehe auch: Laelius in Cic. fin. 2, 24;
Cic. tusc. 3, 43; fin. 2, 91.
1881
Mart. 13, 91.
1882
Mart. 12, 31, 5.
1883
Apic. 10, 4, 1ff.
1884
Colum. 8, 16, 8; Mart. 13, 90.
1885
Apic. 4, 2, 31; 10, 3, 8f.
1886
Col. 8, 16, 8.
1887
Apic. 4, 2, 31; 10, 3, 6ff.
1876
331
Mykenische Enährung
mündeten, geangelte, den man catillo, Leckermaul, nannte.1888
Auch er wurde in Fischteichen gezogen und sogar in Seen
ausgesetzt.1889 Apicius nennt ein Rezept für seine
Zubereitung.1890 Für die Meeräsche (Mugilidae), mugil, finden
sich drei Rezepte.1891 Am häufigsten wird in der römischen
Literatur die Meerbarbe (Mullidae), mullus, erwähnt. Man
schätzte vor allem die großen Exemplare, für die horrende
Preise gezahlt wurden.1892 Apicius nennt mehrere Rezepte,1893
seine Raffinesse ging sogar soweit, daß er die Tiere in garum
verenden ließ, um anschließend aus ihrer Leber allex1894
zuzubereiten.1895 Als Spezialität betrachteten die Römer auch
den Papageienfisch1896 (Sparisoma cretense), scarus. Als einer
der meistverzehrten Fische muß auch die Makrele1897
(Scomber scomber), scomber, gelten. Auch der Thunfisch
(Thunnus thynnus), thynnus, thunnus, wurde häufig serviert.
Nach seinem Alter, seiner Größe und Art trug er
unterschiedliche Namen: cordula, pelamys, sarda. Bei Apicius
sind zwei Rezepte für den thunnus und sechs für die cordula
verzeichnet; der Fisch wird gegrillt, gefüllt oder mit Sauce
zubereitet.1898 Beim frischen Thunfisch schätzte man
besonders den Bauch, den Hals und die Kehle.1899 Wenig
1888
Lucilius in Macr. Sat. 3, 16, 17f.; Hor. sat. 2, 2, 31; Plin. nat. 9, 169.
Colum. 8, 16, 1; 8, 17, 8.
1890
Apic. 4, 2, 32.
1891
Apic. 4, 2, 31; 9, 10, 6ff.
1892
Sen. epist. 95, 42; Iuv. 4, 15; Macr. sat. 3, 16, 9; Plin. nat. 9, 67.
1893
Apic. 4, 2, 22; 9, 12.
1894
Zum (h)allex, bei dem es sich um eine Fischsauce handelt, siehe André
1998 S. 93.
1895
Plin. nat. 9, 66.
1896
Ennius in Apul. apol. 39, 3; Hor. epod. 2, 50; sat. 2, 2, 22 u. ö.; Petron.
93, 2; Plin. nat. 9, 62.
1897
Plaut. Capt. 851; Catull. 95, 8; Mart. 3, 50, 9; 4, 86, 8.
1898
Apic. 10, 3, 4f.; 9, 10, 1f.; vgl. Cael. Aur. chron. 1, 27.
1899
Lucilius in Gell. 10, 20, 4; Plin. nat. 9, 48.
1889
332
10. Fisch
Anklang fand dagegen bei den Römern der Meerbrassen
(Diplodus), sparus, sparulus.1900
10. 5. Linear B-Texte
Zwar wurde in den mykenischen Palästen Fisch gegessen – die
Befunde der Analysen menschlichen Skelettmaterials legen
seinen Konsum ja gerade für Personen höheren Ranges und
größeren Reichtums nahe1901 – , in den Linear B-Texten
scheinen Fische, Fischfang und Fischer allerdings mit keinem
Wort erwähnt zu sein. Wenn man nicht davon ausgehen will,
daß die entsprechenden Texte noch nicht gefunden bzw. noch
nicht entziffert werden konnten, kann das Fehlen von Fisch
natürlich damit erklärt werden, daß dieser zu rasch verderblich
war, um ihn länger einzulagern, und er so nicht Eingang in die
Verwaltungsdokumente der Paläste fand. Möglicherweise
spiegelt sich hier auch der Umstand wider, daß das Gewerbe
der Fischerei einen nicht von der Palastadministration erfaßten
Bereich der Wirtschaft darstellte. Es ist aber auch zu
bedenken, daß Fisch – nach Aussage der Analysen
menschlichen Knochenmaterials – vor allem von den
Angehörigen der mykenischen Aristokratie in den Palästen
verzehrt wurde. Das völlige Schweigen der frühgriechischen
Texte scheint mir aber auch ein weiterer Hinweis auf die nur
marginale Rolle zu sein, die Fisch in der spätbronzezeitlichen
Ernährung Griechenlands spielte.
1900
1901
Cels. 2, 18, 7; Mart. 3, 60, 6; vgl. Ov. hal. 106f.
Siehe oben.
333
Mykenische Enährung
10. 6. Zusammenfassung
Die natürlichen Ressourcen des Meeres wurden von den
prähistorischen Bewohnern Griechenlands ausgiebig genutzt.
Funde von Fischereigerät sowie zahlreiche Darstellungen von
Fischen und Fischfang weisen auf eine ausgeprägte
Fischereitätigkeit
hin.
Das
Fischgrätenfundmaterial,
ethnographische und wirtschaftstheoretische Überlegungen,
wie auch die Analyse menschlichen Skelettmaterials aus
Griechenland weisen aber darauf hin, daß Fisch nur einen
geringen Teil der Ernährung ausmachte.
Verschiedene Arten sind zoologisch nachgewiesen, in erster
Linie handelt es sich dabei um Zackenbarsche, Meeräschen,
Thunfische, verschiedene Meerbrassen, Heringshaie oder
Grundhaie. Neben den Meeresfischen, die im Fundmaterial
klar überwiegen, verzehrte man auch Süßwasserfische wie
Störe, Hechte oder Karpfen. Die zahlreichen Darstellungen
von Fischen sind meist zu unspezifisch, um eine klare
Identifikation zu gewährleisten. Einzige sicher erkannte Art
bleibt die Goldmakrele.
Die Linear B-Texte erwähnen weder Fische, noch geben sie
irgendwelche Auskünfte über das Fischereigewerbe. Dies ist
zum einen wohl durch die marginale Rolle von Fisch in der
mykenischen Ernährung, zum anderen vermutlich durch den
Umstand bedingt, daß die Fischerei nicht Bestandteil des vom
Palast verwalteten Teils der Wirtschaft war.
Der Vergleich mit dem Fischkonsum der klassischen Antike
zeigt, daß in späterer Zeit ähnliche Arten konsumiert wurden,
und wie man diese zubereitete. Es darf natürlich nicht
vergessen werden, daß in späterer Zeit, besonders in der
römischen Epoche, Fisch wohl eine größere Rolle in der
menschlichen Ernährung spielte als während der späten
Bronzezeit.
334
11. Weichtiere
11. Weichtiere
Neben den Fischen stellten auch andere Meerestiere stets
einen Bestandteil der Ernährung im prähistorischen
Griechenland dar. Dazu kamen auch Mollusken aus Flüssen
bzw. Landschnecken. Diesen Tieren kam aber noch weitere
Bedeutung zu. Ihre festen Schalen lieferten etwa ein
hervorragendes Rohmaterial zur Herstellung von Schmuck
und Geräten. Purpurschnecken spielten auch zur Gewinnung
des begehrten Farbstoffes eine wichtige Rolle. Im folgenden
soll nun ein Überblick über die in der bronzezeitlichen Ägäis
gefundenen Weichtiere gegeben werden. Wie beim Fleisch in
Kapitel 7 möchte ich mich hier auf den Vergleich der fünf
Fundstellen Kastanas, Pylos, Tiryns, Kalapodi und Magula
Pevkakia beschränken, hinzu kommen überdies die reichen
Molluskenfunde aus Akrotiri.
11. 1. Molluskenfunde
In Kastanas1902 wurde eine große Zahl von Molluskenschalen
gefunden, die sich in marines Material, das fast ausschließlich
aus Exemplaren der Gattung Cardium (Herzmuschel) besteht,
und limnisches Material, das durch die Gattung Unio
(Flußmuschel) vertreten ist, unterteilt. An vielen dieser
Exemplare aus Kastanas läßt sich der Verzehr bzw. das
Herauslösen
des
Fleisches
durch
charakteristische
Bruchspuren an den Rändern belegen.1903
1902
Becker 1986 S. 230ff.
Für die in Kastanas gefundenen Reste der marinen Schnecken Cypraea
lurida, Tricolia speciosa, Cyclope neritea, Cerithium vulgatum und Littorina
neretoides sowie den terrestrischen Arten Helix pomatia und Aegopinella
schließt die Bearbeiterin den Verzehr aus. Siehe dazu Becker 1986 S. 236.
1903
335
Mykenische Enährung
Die dicke Flußmuschel (Unio crassus bruguierianus) und die
gewöhnliche Herzmuschel (Cerastoderma glaucum), deren
Fleisch eine leicht zu gewinnende, hochwertige, eiweiß- und
kalorienreiche Nahrung darstellt, sind auch im Fundgut von
Pylos1904 vertreten. Dazu kommen Funde der Stachelauster
(Spondylus gaederopus), der Archenmuschel (Arca noae), der
Teppichmuschel (Tapes decussatus) und der bunten
Trogmuschel (Mactra corallina stultorum).
Weiters wurden an diesem Fundort zahlreiche Reste der
Purpurschnecke (Trunculariopsis trunculus) sowie der
gemeinen Turmschnecke (Turritella communis) gefunden. Da
die Gehäuse der Purpurschnecken weitgehend unversehrt
waren, dienten die Tiere wohl nicht zur Gewinnung des
kostbaren Purpursekrets. Dessen Gewinnung zeigt sich
gewöhnlich daran, daß die Gehäuse in charakteristischer
Weise aufgeschlagen sind. Es ist vielmehr anzunehmen, daß
die Tiere zur Fleischgewinnung in kochendes Wasser
geworfen wurden, worauf sich der Körper leicht herausziehen
ließ.
Aus der Magula Pevkakia1905 stammen aus den mykenischen
Schichten
Reste
der
gewöhnlichen
Herzmuschel
(Cerastoderma glaucum), aus den vorangehenden Perioden
(Neolithikum – Mittelhelladikum) sind die Archenmuschel
(Arca noae), die bärtige Archenmuschel (Barbatia barbata),
die Seedattel (Lithophaga lithophaga), die Steckmuschel
(Pinna nobilis), die Stachelauster (Spondylus gaederopus), die
Auster (Ostrea edulis), Gien-Muscheln (Chama sp.), die
Warzige Herzmuschel (Rudicardium tuberculatum), die
Venusmuschel (Venus verrucosa), die Teppichmuschel
(Venerupis bzw. Amygdala decussata) und die Messermuschel
(Ensis minor) belegt.
1904
1905
Nobis 1993 S. 165.
Falkner 1975 S. 189f.
336
11. Weichtiere
Von den Schnecken wurden Napfschnecken (Patella
coerulea), Turbankreiselschnecken (Monodonta turbinata),
die gemeine Seenadelschnecke (Gourmya vulgata), die Braune
Kauri (Luria lurida), die Trompeter- oder Heroldsschnecke,
auch Kinkhorn oder Tritonshorn genannt, (Tritonium
nodiferum = Charonia lampas), die Purpurschnecke
(Trunculariopsis trunculus), die Netzreusenschnecke (Hinia
reticulata) sowie die Schnecke der Art Helix figulina
gefunden.
In Kalapodi1906 fanden sich in den Schichten der Zeitstufe SH
III C/Submykenisch insgesamt 65 Molluskenreste. Von den
Landschnecken
fanden
sich
die
Gesprenkelte
Weinbergschnecke
(Helix
aspersa),
die
Schöne
Landdeckelschnecke (Pomitans elegans), die KorfuInselschnecke (Lindholmiola girva corcyrensis), die
Karthäuserschnecke (Monacha cartusiana) sowie die Große
Heideschnecke (Helicella obvia). Zu den Meeresschnecken
gehören aus Kalapodi die Gemeine Hornschnecke (Cerithium
vulgatum), die Turbankreiselschnecke (Monodonta turbinata),
die Purpurschnecke (Trunculariopsis trunculus) und die
Herkuleskeule (Murex brandaris). Von den Muscheln fanden
sich in Kalapodi die Gewöhnliche Herzmuschel
(Cerastoderma glaucum), die Knotige Herzmuschel
(Acanthocardia tuberculata) sowie einige nicht näher
bestimmte Herzmuscheln (Cardium spec.). Dazu kamen die
Archenmuschel (Arca noae), eine Pastetenmuschel
(Glycymeris spec.), die Stachelauster (Spondylus gaederopus)
sowie die Europäische Auster (Ostrea edulis).
In Akrotiri1907 wurden insgesamt 2.349 Molluskenreste
gefunden, die insgesamt 23 marinen und einer terrestrischen
Spezies zugeordnet werden konnten. Mehr als die Hälfte
davon gehört zu den Leistenschnecken (Murex ssp.), 1.196
1906
1907
Stanzel 1991 S. 144ff.
Siehe zum Folgenden: Karali-Yannacopoulou 1990.
337
Mykenische Enährung
sind
Purpurschnecken
(Murex
trunculus),
24
Stachelschnecken, auch Brandhorn (Murex brandaris). Gut ein
Drittel der gefundenen Mollusken gehört zu den
Napfschnecken allgemein (Patella spp.), die meisten davon
sind Blaue Napfschnecken (Patella coerulea), bei manchen
handelt es sich um Rauhe Napfschnecken (Patella aspera), bei
einigen um Gewöhnliche Napfschnecken (Patella vulgata).
Die restlichen wirbellosen Meerestiere sind nur in geringen
Mengen vertreten und machen zusammen 13% des Fundgutes
aus. Es sind dies die Kreiselschnecke (Monodonta turbinata),
die Gemeine Samtmuschel bzw. Archenkammmuschel
(Glycimeris glycimeris), das Tritonshorn (Triton tritonis), die
Steckmuschel (Pinna nobilis), der Steinseeigel (Paracentrotus
lividus), die Helmschnecke (Cassidaria cassidaria), die
Schlichte Täubchenschnecke (Columbella rustica), die
Gemeine Seenadelschnecke (Cerithium vulgatum), die Braune
Kauri (Luria lurida), Muscheln der Art Gibbula divaricata,
die Stachelauster (Spondylus gaederopus), die Braune
Venusmuschel (Callista chione), das Geflecktes Klipphorn
(Pisania maculosa), das Spindelhorn (Euthria cornea), die
Gemeine Herzmuschel (Cardium edule), die JakobsPilgermuschel (Pecten jacobaeus), die Archenmuschel (Arca
noae), die Große Wurmschnecke (Lemintina arenaria),
Reusenschnecken der Art Nassa neritea sowie die
Mittelländische Kegelschnecke bzw. die MittelmeerKegelschnecke (Conus ventricosus). Zusätzlich zu diesen
Meerestieren ist auch noch die Landschnecke Helix cincta, die
von den Bewohnern Akrotiris offenbar sehr als Nahrung
geschätzt wurde, mit 196 Resten (8%) vertreten.
Die meisten Molluskenfunde stellen Speisereste dar. Nur
wenige der in Akrotiri gefundenen Muschel- und
Schneckenschalen wiesen Brandspuren auf. Das deutet darauf
hin, daß sie wohl meist roh verzehrt wurden.
Allerdings fanden Muschelschalen und Schneckengehäuse
auch anderweitig Verwendung, so etwa beim Polieren von
338
11. Weichtiere
Keramik, als Behältnisse oder als Horn, wie zahlreiche
Tritongehäuse mit weggeschnittener Spitze belegen. Die
Erzeugung des Purpurfarbstoffes erscheint auch für Akrotiri
unwahrscheinlich, da auch hier, wie in Pylos, die Gehäuse der
Tiere weitgehend unversehrt waren. Zahlreiche, oft
zerbrochene, Schalen und Gehäuse fanden auch als
Baumaterial Verwendung.
11. 2. Ikonographie
Mollusken spielen eine wichtige Rolle als Motiv in der
minoischen und mykenischen Kunst.1908 Ihre Darstellung ist
meist sehr schematisch, die Interpretation dieser Darstellungen
ist in Unkenntnis ihrer möglichen symbolischen Bedeutung
schwierig bis unmöglich.
Von den zahlreichen Mollusken auf minoischen Siegeln
konnten mehrere identifiziert werden,1909 so etwa die
Trompeter- oder Heroldsschnecke (Tritonium nodiferum), der
Seeigel (Echinus melo), die gewöhnliche Strandkrabbe
(Carcinus mediterraneus Cjernavski), der gewöhnliche Krake
oder Oktopus (Octopus vulgaris) sowie der gemeine
Tintenfisch (Sepia officinalis).
Interessant, wenn auch in keiner Verbindung zur Rolle der
Mollusken in der Ernährung, ist ein SM III-Siegel aus der
Idäischen Höhle,1910 das möglicherweise ein Tritonshorn zeigt,
welches in kultischem Kontext als eine Art von Trompete
verwendet wird.1911
1908
Siehe dazu etwa: Karali-Yannacopoulou 1996.
Karali-Yannacopoulou 1985.
1910
CMS II, 3:7.
1911
J. Powell 1996 S. 63 und Fig. 27; Karali-Yannacopoulou 1990 S. 413
und Diskussion.
1909
339
Mykenische Enährung
Mollusken werden in mittelminoischer Zeit auch häufig als
keramisches Relief1912 dargestellt, so etwa Muscheln, Krebse,
Stachelschnecken, Napfschnecken, Tritonshörner oder
Krabben.1913 Während andere Tiere – z. B. Schafe, Ziegen,
Rinder oder Sphingen – bis SM III dargestellt werden, endet
die Darstellung von wirbellosen Meerestieren mit MM III.
Auffällig ist auch das völlige Fehlen des Oktopus im
keramischen Relief.
Meerestiere wie Oktopus, Tritonshorn oder Seestern bilden
auch das Motivrepertoire des Meeresstils in SM I B und SM II
A.1914 Mollusken auf Keramik sind meist realistischer
dargestellt als ihre Gegenstücke in der Siegelglyptik. Ein
häufig dargestelltes Motiv ist etwa der Nautilus oder Argonaut
(Argonauta argo). In der mykenischen Keramik1915 werden
wirbellose Meerestiere erst relativ spät, und zwar in SH III,
regelmäßig abgebildet.
Nachbildungen von Muschel- und Schneckenschalen wurden
in mittel- und spätminoischer Zeit in Stein, Terrakotta und
Fayence angefertigt.1916 Aus dem Schachtgräberkreis A in
Mykene1917 stammen mehrere Goldplaketten, die in der Form
von Oktopoden gestaltet sind. Auch Fußböden in Agia
Triadha, Tiryns, Pylos und möglicherweise Knossos zeigen
Meerestiere, einschließlich Oktopoden.1918
1912
Siehe dazu: K. Foster 1982.
J. Powell 1996 S. 64.
1914
Siehe dazu: Mountjoy 1984.
1915
Siehe dazu: Mountjoy 1986.
1916
Baurain/Darcque 1983 S. 59ff.
1917
Siehe dazu: Karo 1930 a.
1918
J. Powell 1996 S. 66.
1913
340
11. Weichtiere
11. 3. Klassische Literatur
In der späteren griechischen Literatur1919 begegnen mehrere
Muscheln als Nahrungsmittel. Zu den besten gehörten
zweifellos die Austern1920 (Ostrea edulis), , weiters
sind die Miesmuschel1921 (Mytilus edulis), , die
Kammmuschel1922 (Pecten maximus), GienMuscheln1923 (Chama sp.), und , ScheideMuscheln1924
(Solenoidea),
Tell-Muscheln1925
(Tellinidae), eventuell , Steckmuscheln1926 (Pina
nobilis, rudis und squamosa), und das Tritonshorn
(Tritonium nodiferum), , zu identifizieren.1927
Auch andere Meeresfrüchte erscheinen als Nahrungsmittel in
den griechischen Quellen,1928 so etwa Krabben (Brachyra),
, Langusten (Palinurus vulgaris) und Hummer
(Homarus gammarus), ,1929 sowie Langustinen wie
etwa der Kaisergranat (Nephrops norvegicus), .1930
Des weiteren werden Bärenkrebse1931 (Scyllarus arctus),
, und Garnelen (Macrura natantia),1932 ,
1919
Zu Muscheln in der griechisch-römischen Antike vor allem: Steier 1933;
André 1998 S. 86ff.
1920
Z. B. Diphilos bei Ath. 3, 92 a; u. v. a.
1921
Diokles bei Ath. 3, 86 c.
1922
Aristot. hist. an. 4, 4; Archippos bei Ath. 3, 86 c.
1923
Aristot. hist. an. 5, 15, 547 b 13 –15; Ath. 3, 92 d.
1924
Ath. 3, 86 e; 87 e; 90 d.
1925
Ath. 3, 85 e.
1926
Aristot. hist. an. 5, 15, 547b 15f.; Ath. 3, 93 e-f.
1927
Siehe dazu: Dalby 1998 S. 113.
1928
Dalby 1998 S. 114 und Anm. 92.
1929
Ath. 3, 104f.
1930
Kallias bei Ath. 7, 286 b; Ath. 3, 104 cff.
1931
Archestratos bei Ath. 3, 92 d.
1932
Ath. 3, 105 dff.
341
Mykenische Enährung
erwähnt, ebenso die Seeanemone1933 (Actiniaria),
oder , und schließlich der Seeigel1934 (Echinus melo),
. Außerdem sind Tintenfisch1935 (Sepia officinalis),
,
und
Krake
(Octopus
vulgaris),
oder, belegt.1936
Auch bei den Römern waren Mollusken und Schalentiere,
conchae und conchylia, die bereits Tertullian Meeresfrüchte,
maris poma, nannte,1937 sehr beliebt. Sie wurden roh oder
gekocht verzehrt, zubereitet nach mehr oder weniger
komplizierten Rezepten.1938
Sehr begehrt war etwa schon von alters her der Seeigel1939
(Echinus melo), echinus, dessen Beliebtheit sich an der Zahl
der Rezepte bei Apicius1940 ablesen läßt. Der Kalmar (Loligo
vulgaris), lolligo, lolliguncula, wurde als Klößchen oder als
Pfannengericht zubereitet.1941 Man schätzte auch den Polypen
(Octopus vulgaris), polypus.1942 Den Tintenfisch (Sepia
officinalis), sepia, sepiola, aß man schon zur Zeit des
Plautus.1943 Er wurde als Klößchen, gefüllt oder in Sud,
manchmal aber auch in seiner Tinte gekocht.1944 Die
Stachelauster (Spondylus gaederopus), spondylus, wurde für
eine erlesene Speise gehalten und als Vorspeise serviert.1945
1933
Aristot. hist. an. 4, 6; Ath. 3, 90 b.
Vgl. Ath. 3, 91 c-d.
1935
Alexis 192 bei Ath. 7, 324c.
1936
Siehe dazu: Ath. 7, 323 c, 7, 316 a.
1937
Tert. cult. fem. 1, 6.
1938
Plaut. Rud. 297; Cels. 2, 18, 3; Hor. sat. 2, 2, 74; Mart. 11, 52, 13; Apic.
9, 7.
1939
Plaut. Rud. 297; Ennius in Apul. apol. 39, 3; Hor. sat. 2, 4, 33; 2, 8, 52;
Sen. epist. 95, 26; Iuv. 4, 143; Mart. 13, 86; u. ö.
1940
Apic. 4, 2, 13; 9, 8, 1ff.
1941
Plaut. Cas. 493; Ov. hal. 132 ; Apic. 2, 1, 1 f ; 9, 3, 1f.
1942
Ennius in Apul. apol. 39, 3; Plaut. Rud. 1010; Apic. 9, 5.
1943
Plaut. Cas. 493; Rud. 659.
1944
Apic. 2, 1, 1; 9, 4, 1ff.; 5, 3, 3.
1945
Sen. epist. 95, 26; Macr. Sat. 3, 13, 12; Mart. 7, 20, 14.
1934
342
11. Weichtiere
Austern (Ostrea edulis), ostrea, waren in Rom sehr beliebt,1946
man aß sie gewöhnlich roh.1947 Man würzte sie mit garum, mit
einer Kümmelsauce oder einer Sauce aus mehreren
Zutaten,1948 man kochte sie aber auch und verarbeitete sie
sogar zu Klößchen.1949 Auch Gien-Muscheln (Chama sp.),
glycomarides1950 oder pelorides,1951 wurden gerne verzehrt,1952
ebenso Kammmuscheln (Pecten maximus), pecten und
pectunculus, die gekocht oder gebraten geschätzt wurden.1953
11. 4. Linear B
In die mykenischen Linear B-Texte fanden Mollusken, wie
auch Fische, keinen Eingang. Wir können diese
Nahrungsmittel nur indirekt in den Texten fassen, dann
nämlich wenn Meerestiere als Dekormotiv auf Vasen oder
Möbelstücken beschrieben werden. Ein Begriff, der sich hier
etwa anführen läßt, ist das Adjektiv ko-ki-re-ja, *,
„verziert mit Muscheln“, das sich auf PY Ta 711.2 auf eine
Vase und auf PY Ta 713.3 und PY Ta 715.1 auf einen Tisch
bezieht.1954 Ein weiterer Terminus ist po-ru-po-de-qe auf PY
Ta 722.1, hinter dem sich wohl ein Substantiv im
Instrumentalis Singular, möglicherweise *,1955
verbirgt.1956 Dieser Begriff bezieht sich also auf elfenbeinerne
1946
Plaut. Rud. 297; frg. in Non. 551, 3; Ennius in Apul. apol. 39, 3.
Sen. epist. 95, 26.
1948
Apic. 9, 6; Mart. 13, 82.
1949
Sen. epist. 95, 28; Apic. 9, 14.
1950
Macr. sat. 3, 13, 12.
1951
Hor. sat. 2, 4, 32.
1952
Mart. 6, 11, 5; 10, 37, 9; Lucil. 132 M.
1953
Petron. 70, 6.
1954
Aura Jorro 1985 S. 373; Trantalidou 2001 S. 276.
1955
Vgl. dazu das spätere .
1956
Aura Jorro 1993 S. 152.
1947
343
Mykenische Enährung
Einlegearbeiten in Form einer Krake bei einem Fußschemel
(ta-ra-nu, vgl. 1957).
Einen Hinweis auf die Gewinnung und Verwendung des
Purpurfarbstoffes könnten Bezeichnungen wie po-pu-re-ja auf
KN L 474, po-pu-re-jo[ auf KN X 976.1a und po-pu-ro2 auf
KN L 758.a geben, die mit der Purpurfarbe, , in
Verbindung stehen.1958 Abgesehen von diesen spärlichen
Erwähnungen nehmen die Linear B-Texte auf Weichtiere nicht
Bezug.
Wie ist dies zu erklären? Wie für die Fische gilt auch für die
Weichtiere,
daß
sie
zum
einen
wohl
kein
Grundnahrungsmittel, sondern bloß eine geschätzte Zusatzkost
darstellten und daher nur einen geringen Teil der Nahrung
ausmachten. Zum anderen fiel ihre Beschaffung
möglicherweise nicht in den von den Palästen verwalteten Teil
der Wirtschaft. Muscheln und Schnecken sind außerdem rasch
verderblich und müssen bald konsumiert werden. Es blieb
daher kaum Zeit, daß sie in den Speisekammern der Paläste
hätten eingelagert und in den jeweiligen Bestandslisten hätten
verzeichnet werden können. Trotzdem gilt es zu bedenken,
daß offenbar gerade die Eliten in den Palästen noch am
meisten Meeresfrüchte verzehrten.
11. 4. Zusammenfassung
Terrestrische und vor allem marine Weichtiere waren im
spätbronzezeitlichen
Griechenland
zwar
kein
Grundnahrungsmittel, sie stellten aber sicher eine wertvolle
und geschätzte Zusatznahrung dar. Dies zeigen die großen
Mengen von Weichtierresten, die an verschiedenen
1957
1958
Aura Jorro 1993 S. 316.
Aura Jorro 1993 S. 141.
344
11. Weichtiere
Fundstellen
festgestellt
werden
konnten.1959
Die
archäozoologischen Funde führen uns auch ein breites
Spektrum genutzter Arten vor Augen.
Zahlreiche Darstellungen von Mollusken in der minoischen
und mykenischen Kunst unterstreichen die Bedeutung dieser
Tiere. Ein durchaus zu postulierender symbolischer
Hintergrund der Bilder bleibt uns allerdings verschlossen. In
den Linear B-Texten sind Weichtiere nicht direkt verzeichnet.
Sie lassen sich nur indirekt in der Beschreibung von Vasen
und Möbeln, die mit Meerestiermotiven verziert waren,
greifen.
Der Ausblick auf die spätere griechische wie römische
Literatur gibt einen guten Einblick in die Nutzung von
Mollusken im Laufe der Zeiten und ihre Rolle in der
menschlichen Ernährung.
1959
Einen guten Hinweis auf die Beliebtheit von Weichtieren in der
spätbronzezeitlichen Ernährung geben die
Funde von Kastanas, wo insgesamt fast 19.000 Molluskenreste entdeckt
wurden (Becker 1986 S. 230).
345
12. Lagerung
12. Lagerung der Nahrungsmittel
Nahrungsmittel sind nicht zu allen Zeiten in der gleichen
Menge und Qualität verfügbar. Der Schaffung ausreichender
Vorräte kam daher stets vorrangige Bedeutung zu. Es gab im
bronzezeitlichen Griechenland verschiedene Möglichkeiten
der Lagerung von Lebensmitteln. Manchmal wurden Räume in
größeren Gebäudekomplexen dafür bestimmt, in anderen
Fällen war ein kleineres Gebäude ausschließlich diesem
Zweck gewidmet, aber auch mit Ton oder Stein ausgekleidete
Gruben (Bothroi) oder große Tongefäße (Pithoi) in
bestimmten Räumen oder Höfen hatten diese Funktion
inne.1960
12. 1. Pithoi
Als Pithoi1961 werden die größten, oft übermannshohen,
tönernen Vorratsgefäße bezeichnet. Sie dienten in
Bauernhöfen und Stadthäusern sowie in Palästen der
Aufbewahrung von trockenen Lebensmitteln wie Getreide
oder Hülsenfrüchten,1962 oder von flüssigen wie Honig,1963
Wein oder Olivenöl.1964 Sie waren äußerst dickwandig, und sie
1960
Zur Lagerung von Nahrungsmitteln im jungpalastzeitlichen Kreta siehe
Christakis 1999.
1961
Siehe dazu etwa Sauer 1962; Davaras 1976 S. 252f.
1962
Getreide und Hülsenfrüchte fanden sich etwa in den größeren
Vorratsgefäßen in den Magazinen östlich des Zentralhofes des Palastes von
Mallia (Graham 1987 S. 131). Siehe zu diesen auch unten Kap. 12. 4.
1963
Dem Mythos zufolge ertrank Glaukos, der Sohn des Minos und der
Pasiphae, kopfüber in einem mit Honig gefüllten Pithos.
1964
Wein und ein Gerstenprodukt fanden sich etwa in frühhelladischen
Pithoi aus Myrtos (Tzedakis/Martlew 1999 S. 161), von der selben
Fundstellen stammen Pithoi mit Rückständen von möglicherweise
geharztem Wein (Tzedakis/Martlew 1999 S. 144f.), Wein konnte auch in
347
Mykenische Enährung
besaßen oft vertikale oder horizontale Henkel. Diese waren
gelegentlich in zwei Gruppen angebracht, die eine um die
Schulter, die andere oberhalb des Gefäßbodens. Die Größe der
Pithoi hatte zur Folge, daß der Inhalt nicht herausgegossen
wurde, sondern herausgeschöpft werden mußte. Meist wurden
die Pithoi in den Boden eingelassen, wodurch sich zum einen
eine niedrigere und gleichmäßigere Aufbewahrungstemperatur
ergab, welche die Haltbarkeit des Inhalts verlängerte, zum
anderen erleichterte dies auch den Zugriff auf die gelagerten
Güter. Reste von Pithoi fanden sich an fast allen mittel- und
spätbronzezeitlichen
Ausgrabungsstätten,
sowohl
in
Siedlungs- als auch in Grabzusammenhang. Es sind
verschiedene Typen zu beobachten.1965 Viele der minoischen
Exemplare sind reich bemalt. Interessant ist das bei frühen
minoischen Pithoi auftretende sog. „trickle pattern“, ein
Muster, welches Flecken von übergelaufenem Öl imitiert.1966
Wülste und Wellenbänder können als plastische Elemente
aufgesetzt sein, oft sind sie auch mit eingeritzten Mustern
verziert. Bisweilen findet sich auch ein „Seilmuster“ als
Imitation von zum Transport tatsächlich um die Gefäße
geschlungenen Seilen. Trotz ihrer für den Transport eigentlich
ungeeigneten Größe sind Pithoi über weite Distanzen
verbreitet, so fand sich etwa ein Exemplar im Schiffswrack
von Ulu Burun.1967 Der Linear B-Ausdruck qe-to1968 auf PY
Ta 641.2 und MY Ue 611.4 sowie das korrespondierende
Ideogramm *2031969 wurden mit Pithoi in Verbindung
gebracht. Auf der Vasenliste MY Ue 611.3 sowie auf MY Wt
einem Pithos aus dem mittelminoischen Monastiraki (Tzedakis/Martlew
1999 S. 147) festgestellt werden.
1965
Siehe dazu Furumark 1941 S. 74, 76, 586f. Typ 13 und 13a.
1966
Siehe Davaras 1976 S. 252 Fig. 142.
1967
Bass 1986 S. 279.
1968
Aura Jorro 1993 S. 202f.
1969
Vandenabeele/Olivier 1979 S. 239f.
348
12. Lagerung
504. findet sich auch das zu qe-to gehörende Diminutiv qe-tija.1970
Pithoi haben in Griechenland bei der Aufbewahrung von
Lebensmitteln eine lange Tradition. Sie waren auch noch in
der ersten Hälfte des 20. Jh. n. Chr. im ländlichen Kreta das
Vorratsgefäß par excellence.1971 Die Pithoi waren für ihre
Besitzer von großem Wert, daher hat man sie immer wieder
ausgebessert und so lange wie möglich verwendet. Dies
belegen Reparaturen, wie etwa eine Bleiflickung an einer
Scherbe aus dem spätbronzezeitlichen Kastanas.1972
12. 2. Weitere Vorratsgefäße
Neben den Pithoi dienten noch andere Gefäße von
verschiedenster
Form
der
Aufbewahrung
von
Nahrungsmitteln. Dazu zählen beispielsweise grobe,
zylindrische Gefäße von unterschiedlicher Größe,1973 wie auch
verschiedene Gefäße von kugeliger oder ovoider Form.1974
Bügelkannen1975 weisen meist einen ovalen Körper auf, die
einzige Öffnung des Gefäßes besteht aus einer röhrenartigen
Ausgußtülle, die azentrisch auf der Schulter sitzt. Der
ursprüngliche, zentrale Hals bildet einen verschlossenen
Knauf, an den sich die Henkel lehnen. Dieses
Henkelarrangement, das an einen Steigbügel erinnert, gab der
Gefäßform ihren Namen. In SH II A war eine große ovoide
Variante mit drei Henkeln üblich, diese verschwindet dann
aber, und ab SH III A 1 findet sich eine zweihenkelige Form,
die in SH III A 2 üblich wird. Hier sind drei Typen zu
1970
Aura Jorro 1993 S. 202.
Christakis 1999 S. 6.
1972
Hochstetter 1984 S. 155.
1973
Furumark 1941 S. 76, 585 Typen 2-5.
1974
Etwa Furumark 1941 S. 594f. Typen 58-64.
1975
Zu den verschiedenen Formen siehe Furumark 1941 S. 610ff.
1971
349
Mykenische Enährung
unterscheiden, ein birnenförmiger, ein runder sowie ein etwas
flacherer. In SH III B tritt eine konische Variante hinzu, in SH
III C überlebt nur mehr die runde Form. Bügelkannen waren
die typischen Gefäße zur Aufbewahrung und zum Transport
von Öl. Aber auch andere Flüssigkeiten, wie etwa Wein,
konnten in ihnen aufbewahrt werden.1976 In den mykenischen
Texten treten sie uns in Form des Ideogrammes *210 1977 bzw.
auf KN K 778.1 und PY Fr 1184.3 als ka-ra-re-we,1978
möglicherweise *, Plural für *, entgegen.
Auf KN K 700.1.2 wird der Name des Gefäßes zwar nicht
ausgeschrieben, dafür aber durch ein in das Ideogramm
eingefügtes KA verdeutlicht. Bügelkannen wurden häufig mit
einem mit einer Schnur versehenen Tonstöpsel verschlossen.
Über diesen Stöpsel und den Gefäßhals kam dann nochmals
eine Tonkappe, welche mit einem Siegel gekennzeichnet
wurde. Diese Siegelung war zum einen wohl eine Garantie für
den Inhalt, zum anderen stellte sie sicher, daß sich niemand
Unbefugter am Inhalt zu schaffen gemacht hatte.1979
Daneben existierten diverse Typen von Amphoren,1980 in
welchen Wein, Öl oder Honig aufbewahrt wurde, wie die
Untersuchung von Nahrungsmittelrückständen in den Gefäßen
zeigt.1981 Im späten Mittelhelladikum und am Übergang zur
Spätbrozezeit sind bauchige Amphoren mit fast kugeligem
Körper, abgesetztem Hals und drei waagrechten Henkeln auf
der Schulter typisch. In SH I lebt zum einen diese Form fort,
zum anderen beginnt man die Proportionen zu strecken und
die Kontur birnenartig zu gestalten. Unter dem Einfluß der SM
1976
Dies zeigen etwa die Rückstände von Wein aus einer SH III BBügelkanne aus dem Kultzentrum von Mykene: Tzedakis/Martlew 1999 S.
196. Weitere Beispiele: Tzedakis/Martlew 1999 S. 153, 173.
1977
Vandenabeele/Olivier 1979 S. 266f.
1978
Aura Jorro 1985 S. 321.
1979
Siehe dazu Mountjoy 1993 S. 80 und Fig. 186.
1980
Furumark 1941 S. 595f.
1981
Z. B. Tzedakis/Martlew 1999 S. 153, 197.
350
12. Lagerung
I B-Amporen entwickeln sich konischere Exemplare mit drei
senkrechten Reihen mit je drei vertikalen Henkeln. In SH II B
erscheinen bauchige Gestaltungen mit engem Hals, die in SH
III A in den Vordergrund treten.1982 In den Linear B-Texten
kommen Amphoren häufig vor. Sie sind mittels des
Ideogrammes *209,1983 manchmal auch mit in das Zeichen
eingefügtem A, bzw. auf KN Uc 160 v. 2 als a-pi-po-re-we,1984
für *, Plural von *, bzw. auf PY
Tn 996.3, TH Ka 113.1.B und MY Ue 611.1 als a-po-rewe,1985 für *, den Dual von *,
verzeichnet. Feste Nahrungsmittel wurden zwar in der Regel
in Gefäßen von offener Form gelagert, bisweilen bewahrte
man sie aber auch in Vasen von geschlossener Form auf. So
fanden sich etwa getrocknete Erbsen in einer
Kragenhalsamphore in Chania.1986
Für die Aufbewahrung und den Transport von Flüssigkeiten
benötigte man in der Küche auch verschiedenste Krüge und
Kannen. Das Typenspektrum der auf Ausgrabungen
gefundenen Formvarianten ist reichhaltig.1987 Zahlreiche
Varianten von Krügen und Kannen sind auch in den Linear BTexten verzeichnet. Diese Gefäßnamen sollen im folgenden
kurz betrachtet werden. Die Texte kennen etwa einen
Wasserkrug, der auf PY Tn 996.3 mittels des Ideogrammes
*2061988 bzw. mit dem Wort ka-ti,1989 möglicherweise *,
bezeichnet wird, welches an das klassische erinnert.
Derartige mykenische Hydrien mit drei Henkeln sind relativ
1982
Niemeier 1985 S. 10f.
Vandenabeele/Olivier 1979 S. 259ff.
1984
Aura Jorro 1993 S. 83.
1985
Aura Jorro 1993 S. 87.
1986
Mountjoy 1993 S. 123f.
1987
Z. B Furumark 1941 S. 35 Fig. 7, 36 Fig. 8.
1988
Vandenabeele/Olivier 1979 S. 257f.
1989
Aura Jorro 1985 S. 331.
1983
351
Mykenische Enährung
häufig von SH III A 2 bis SH III C.1990 Gut erhaltene
Exemplare dieses Typs stammen etwa aus Elis,1991 Perati,1992
oder – in Bronze – aus Mykene.1993
Die Bezeichnung qe-ra-na1994 auf PY Ta 711.2, deren
griechische Interpretation umstritten ist, möglicherweise
*w, oder auch *w, steht in Verbindung mit
dem Ideogramm *204,1995 das auch auf PY Ta 711.3 und KN
K 93. auftaucht. Es handelt sich dabei um einen Krug mit
zylindrischem Hals, ausgestelltem Rand und vertikalem
Henkel, welcher mit verschiedenen auf Kreta sowie dem
Festland gefundenen Gefäßen in Beziehung gesetzt werden
kann, etwa zwei SH III B-Bronzekrügen aus Dendra.1996
Wohl ebenfalls ein Wasserkrug ist das Gefäß, das im Plural
den Namen pe-ri-ke,1997 , entsprechend dem
klassischen , führte und auf MY Ue 611.1 verzeichnet
ist. Desgleichen eine Krugform zeigt Ideogramm *205 auf PY
Tn 996.3,1998 das mit dem Terminus a-te-we1999 verbunden ist.
Für diesen Begriff konnte allerdings noch keine
zufriedenstellende Etymologie gefunden werden. Der Form
des Ideogramms entspricht jedenfalls ein Gefäß aus
Mykene.2000
Neben den Keramikgefäßen existierten sicher auch
Behältnisse aus Holz und Körbe, die ebenfalls aus organischen
1990
Furumark 1941 S. 35 Fig. 7, 604f.
Daux 1963 S. 793 Abb. 8.
1992
Daux 1959 S. 597f. Abb. 30; Iakovidis 1980 S. 67.
1993
Karo 1930 a Taf. 154ff.
1994
Aura Jorro 1993 S. 195.
1995
Vandenabeele/Olivier 1979 S. 246ff.
1996
Vandenabeele/Olivier 1979 S. 250 Fig. 171 und 172.
1997
Aura Jorro 1993 S. 110.
1998
Vandenabeele/Olivier 1979 S. 252f.
1999
Aura Jorro 1985 S. 117.
2000
Karo 1930 a Taf. 169.
1991
352
12. Lagerung
Materialien gefertigt waren.2001 Von diesen haben sich
naturgemäß kaum Reste erhalten. Die Bezeichnung ka-ra-to
auf MY Ge 603.1a, MY Ge 605.1 sowie möglicherweise .6A
wird wohl als , „Korb“, zu interpretieren sein.2002
12. 3. Bothroi
Bothroi2003 sind unterirdische, teils in den anstehenden
Felsboden gegrabene, teils auch mit Lehm verputzte
Gruben,2004 die sich von der neolithischen Epoche an die ganze
Bronzezeit hindurch finden. Am häufigsten treten sie in der
frühen Bronzezeit auf. Ihr Verbreitungsgebiet umfaßt das
griechische Festland und Anatolien, während sie auf Kreta und
den Kykladen nicht üblich waren. Bothroi wurden sowohl
innerhalb der Häuser als auch in Höfen angelegt. Manchmal
liegen zwei oder drei dieser Gruben auch nahe beieinander und
sind durch Kanäle miteinander verbunden. In den meisten
Fällen enthielten die Bothroi Asche, die oft besonders pur und
rein war. In manchen fanden sich auch Reste von Getreide,
Tierknochen, Geweih oder Muschelschalen.
Am Beginn des 20. Jh. deckte H. Bulle2005 in Orchomenos eine
derart große Zahl von Bothroi auf, daß er zwei Straten als
Bothrosschichten bezeichnete. Seither fanden sich weitere
Bothroi in fast allen frühen Fundstätten Griechenlands, wie
etwa Asine,2006 Eutresis,2007 Korakou,2008 Zygouries,2009
2001
So war etwa Gerste in der Caravanserai in Holzbehältnissen gelagert
(Vickery 1936 S. 15).
2002
Aura Jorro 1985 S. 322.
2003
Siehe zu Bothroi Hutchinson 1935; Marinatos 1968; Strasser 1999.
2004
Man sollte sie deutlich von einfachen Erdgruben unterscheiden, da ihre
Anlage im Gegensatz zur Schaffung zweiterer einen größeren
Arbeitsaufwand erfordert.
2005
Bulle 1907 S. 25-36.
2006
Frödin/Persson 1938 S. 91, 212.
353
Mykenische Enährung
Berbati2010 oder Lerna,2011 wo eine besonders große Anzahl
aufgedeckt werden konnte. In Aghios Kosmas2012 wurden auch
zu den Bothroi gehörende Deckel gefunden.
Was nun die Bedeutung dieser Gruben anbelangt, so wurde
ihre Funktion unterschiedlich beurteilt. Bulle hielt die Bothroi
von Orchomenos für Behältnisse für heilige Asche, Wace und
Thompson2013 lehnten diesen Vorschlag ab und schlugen
stattdessen vor, daß es sich um Öfen handelt, in welchen
umhüllte Lebensmittel in die heiße Asche gelegt wurden.
Diese These wird allerdings dadurch in Frage gestellt, daß
offenbar am Lehmverputz der Bothroi keine hitzebedingten
Farbveränderungen
festgestellt
werden
konnten.
Hutchinson2014 kam in seiner Studie zum Ergebnis, daß es sich
in den meisten Fällen wohl um Vorratsgruben, manchmal aber
auch um Sickergruben handeln würde. Andere interpretierten
die Bothroi auch als Abfallgruben.2015 Diese Deutung ist
problematisch. Es ist natürlich sehr schwierig, im
archäologischen Kontext zwischen gelagerten Lebensmitteln
und weggeworfenen Nahrungsresten zu unterscheiden. Aber
warum sollte sich jemand die Mühe machen, extra eine Grube
in den Fels zu arbeiten bzw. einen Lehmverputz anzubringen,
wenn für eine Abfallgrube ein simples Loch doch ebenso
genügen würde?
S. Marinatos2016 wies auf moderne, lokale Traditionen auf
Zypern hin, die bei der Interpretation hilfreich sind. Um
Hülsenfrüchte, Getreide und besonders Früchte gut
2007
Goldman 1931 S. 16, 19, 26.
Blegen 1921 S. 75f., 113.
2009
Blegen 1928 S. 26, 28, 76f., 215.
2010
Säflund 1965 S. 121ff.
2011
Caskey 1960 S. 294f.
2012
Mylonas 1959 S. 16ff.
2013
Wace/Thompson 1912 S. 195.
2014
Hutchinson 1935.
2015
Etwa Säflund 1965 s. o.
2016
Marinatos 1968.
2008
354
12. Lagerung
einzulagern, ist es nötig, direkten Luftkontakt der Produkte zu
vermeiden, sie bei gleichmäßiger Temperatur aufzubewahren
und ihnen die korrekte Menge Feuchtigkeit zukommen zu
lassen. Aus diesen Gründen gruben noch im 20. Jh.
Dorfbewohner auf Zypern seichte Gruben, gaben die
Lebensmittel hinein und bedeckten sie mit Asche, Sand, Stroh
oder Blättern. In manchen Gegenden war es auch üblich,
Bohnen in Tongefäßen aufzubewahren, diese im Ofen zu
erhitzen, was der Abtötung der Eier diverser Käfer diente, den
Topf dann mit Asche aufzufüllen und schließlich im Keller zu
lagern.
Aufgrund dieser Parallelen ist es m. E. anzunehmen, daß es
sich bei vielen der im bronzezeitlichen Griechenland
angelegten Bothroi ebenfalls um Vorratsgruben für die
Aufbewahrung von Nahrungsmitteln handelte.
12. 4. Koulouras
Durchaus umstritten sind die runden, mit Steinen
ausgekleideten runden Gruben, die sogenannten Koulouras,2017
im Palast von Knossos sowie im Palast von Phaistos. Von den
knossischen Koulouras befinden sich drei im Westhof und
eine unter dem Theaterbereich. Sie waren während der älteren
Palastzeit (MM I B-MM III A) in Benützung.2018 Beim
Wiederaufbau des Palastes in MM III B wurden sie
überpflastert. Die drei Gruben im Westhof weisen einen
Durchmesser von etwa 5,1 bis 6,2 m auf, ihre Tiefe beträgt
ungefähr 3 m. Die vierte im Theaterbereich ist mit einem
Durchmesser von 6,7 m etwas breiter, ihre Tiefe ist allerdings
nicht bekannt.
2017
Siehe zum Folgenden Strasser 1997.
Unterhalb der Koulouras 2 und 3 fanden sich Reste von MM I A–
Häusern: Evans 1935 S. 66ff.
2018
355
Mykenische Enährung
In Phaistos fanden sich vier Koulouras im Westhof,2019 drei
von diesen haben einen Durchmesser von etwa 4 m und eine
Tiefe von 2,3 bis 2,8 m. Eine fünfte Grube befand sich
möglicherweise nördlich der ersten vier.2020 Die Koulouras
von Phaistos datieren etwa von der dritten proto-palatialen
Phase bis in die Zeit der jüngeren Paläste, die fünfte wurde
möglicherweise bereits in MM I überpflastert.
Was nun die Funktion dieser Strukturen betrifft, wurden sie in
der archäologischen Forschung meist entweder als Zisternen
oder als Getreidespeicher interpretiert, aber auch kultische
Deutungen wurden vorgebracht,2021 so etwa die Vorstellung,
die Koulouras hätten als Pflanzgruben für Bäume gedient.2022
Diese Interpretation bezieht sich vor allem auf das Sacred
Grove and Dance Fresco,2023 das Frauen zeigt, welche vor
Bäumen auf dem Westhof des Palastes von Knossos tanzen.
Warum sollte man aber Pflanzgruben für Bäume in einer
derart aufwendigen Weise mit Steinen ausmauern? Vor allem
spricht aber die Chronologie des Freskos gegen diese
Interpretation. Das Sacred Grove and Dance Fresco datiert in
MM III B/ SM I A und damit in eine Zeit, als die Koulouras
bereits überpflastert waren.
Wenn es sich bei diesen Anlage tatsächlich um
Getreidespeicher handelte, so wären die darin eingelagerten
Mengen riesig gewesen. Die Gruben in Knossos hätten
genügend Getreide für ein Jahr für 1000 Leute, die Speicher in
Phaistos immerhin für 300 Personen enthalten können.2024
Ob die Koulouras aber überhaupt für die Lagerung von
Getreide geeignet waren, ist in der Forschung umstritten. In
2019
Pernier 1935 S. 181; Levi 1976 S. 349ff.
Damiani-Indelicato/Chighine 1984.
2021
Siehe dazu Strasser 1997 S. 74 und 94 Anm. 2.
2022
Zuletzt zur Funktion der Koulouras: Preziosi/Hitchcock 1999 S. 78ff.
2023
Immerwahr 1990 S. 65ff.; 173, Pl. 23.
2024
Branigan 1987 S. 247f.
2020
356
12. Lagerung
einer neueren Studie kommt nun Strasser2025 zum Schluß,
diese Anlagen hätten keinesfalls der Speicherung von Getreide
gedient, da sie aufgrund ihrer Konstruktion, vor allem wegen
des Fehlens eines wasserdichten Verputzes, dafür völlig
unzweckmäßig waren. Weiters fehlen direkte Hinweise auf die
Lagerung von Getreide in den Koulouras, etwa in Form von
Getreidefunden. Auch gibt es keine überzeugenden,
zeitgleichen Parallelen für derartig große, unterirdische
Getreidespeicher. Dagegen hält Halstead2026 ihre Verwendung
als Getreidespeicher sehr wohl für möglich. Er argumentiert,
daß zum einen rund 4.000 Jahre nach Auflassen der Speicher
kaum Funde von Getreidekörnern zu erwarten wären, und daß
zum anderen das Fehlen bronzezeitlicher Parallelen nichts
über die Funktion dieser Strukturen aussagt. Ob die
Feuchtigkeit des Bodens aber, wie Halstead meint, nicht nur
kein Problem sondern möglicherweise sogar günstig für das
hier aufbewahrte Getreide war, ist m. E. fraglich, da eine zu
hohe Feuchtigkeit des Bodens zum Verderben des Körnerguts
beitragen könnte. Ungeklärt ist auch das Problem des oberen
Abschlusses dieser Anlagen, denn für die Lagerung von
Getreide wäre ja eine relativ dichte Deckung der Gruben nötig.
Es wäre m. E. auch vorstellbar, daß in den Koulouras Gefäße
deponiert wurden, deren Inhalt auf diese Weise kühl gelagert
werden konnte.
12. 5. Speicherbauten und Magazine
Oft wurden kleinere oder größere Bauten ausschließlich dem
Zweck der Lagerung von Nahrungsmitteln gewidmet. Ein
Komplex von Speichern, welche zwar in der Literatur
ebenfalls oft als Koulouras bezeichnet werden, sich in ihre
2025
2026
Strasser 1997.
Halstead 1997.
357
Mykenische Enährung
Größe, Anzahl, Lage und Konstruktion aber deutlich von den
Bauten in Knossos und Phaistos unterscheiden, befand sich im
mittelminoischen Palast von Mallia.2027 Es handelt sich dabei
um zwei Reihen von je vier runden Speicherbauten in der
Südwestecke des Palastes, die an drei Seiten von einer Mauer
umgeben sind. Sie sind von Ost nach West orientiert und
weisen einen Durchmesser zwischen 3,7 und 4 Metern auf,
wobei die Strukturen 1 und 5 mit einem Durchmesser von 4,0
bis 4,2 m etwas größer waren. Sie wurden in MM I konstruiert
und auch noch zur Zeit der Jüngeren Paläste benutzt. Ihre
Höhe, wie auch die Form der Dachkonstruktion, ist unbekannt.
Wahrscheinlich ist ein Flachdach,2028 das von einer zentralen
Mittelstütze, welche in den Bauten 1, 2, 5, 6 und 7 von 0,5 bis
1,5 m Höhe erhalten ist, getragen wurde. In ihrem Inneren sind
sie, auch das ein wichtiger Unterschied zu den Koulouras in
Knossos und Phaistos, mit einem wasserundurchlässigen
Verputz abgedichtet. Als runde Getreidespeicher auf den
Dächern eines Gebäudekomplexes wurden auch die konischen
Strukturen auf der Master Impression aus Chania
angesprochen.2029
Ein besonders interessanter Bau, der meist als
Getreidespeicher interpretiert wird, ist das Hypogaeum von
Knossos.2030 Es befindet sich unterhalb der South Porch und
wurde aufgefüllt, um die Fundamente dieses Baues zu tragen.
Im Füllmaterial fand sich hauptsächlich MM I-Keramik. Das
Hypogaeum wurde wohl in FM III in den weichen, dort
anstehenden Fels eingegraben. Es weist einen runden Grundriß
auf und hat einen Durchmesser von etwa 8 Metern. Der Boden
des Hypogaeums liegt etwa 15 Meter unter dem späteren
Bodenniveau, das ursprüngliche Laufniveau lag aber wohl
2027
Strasser 1997 S. 78f.; Curtis 2001 S. 263.
Strasser 1997 S. 78f.; Graham 1987 S. 134f. und Fig. 58 rekonstruiert
allerdings Kuppelbauten.
2029
Strasser 1997 b.
2030
Evans 1921 S. 103ff.
2028
358
12. Lagerung
mindestens einen Meter höher, da der Fels hier für die Anlage
des South Corridor terrassiert wurde. Der Durchmesser nahm
zum Boden hin ab, die Decke war gerundet. Dadurch ergab
sich der Eindruck eines bienenstockartigen, bauchigen
Gewölbes.2031 Der Abstieg erfolgte mittels einer sich außen um
das Hypogaeum windenden Stiege. Das Stiegenhaus war
teilweise zur unterirdischen Halle hin geöffnet, Reste einer
Brüstung haben sich streckenweise erhalten. Die Ausgrabung
dieser Struktur gestaltete sich sehr schwierig, nur ein kleiner
Teil konnte daher tatsächlich freigelegt werden. Viele Details
der Rekonstruktion sind deswegen unklar. Auch die exakte
Stratigraphie des Baues bleibt unbekannt. Ein ähnliches,
zeitgleiches Hypogaeum, auch dieses nur ungenau bekannt,
liegt unter der Südostecke des Palastes.
Wozu dienten nun diese Bauten, die möglicherweise mit
einem frühminoischen Vorläufer des Palastes in Verbindung
standen? Ihre Funktion als Zisterne oder als Grabbau ist
auszuschließen, man hat daher an unterirdische Speicher für
Nahrungsmittel gedacht. Zwar weisen auch die Hypogaea von
Knossos keinen inneren Verputz auf, wie bei den Koulouras
ist aber vorstellbar, daß die Nahrungsmittel hier in diversen
Gefäßen oder Kisten aufbewahrt wurden.
Frühe
Rundbauten,
die
möglicherweise
ebenfalls
Getreidespeicher darstellten, sind die in FH II datierenden
Gebäude von Orchomenos,2032 der Rundbau B in Eutresis2033
sowie das in der zweiten Hälfte der Periode FH II in Tiryns2034
im Bereich des großen späthelladischen Megarons errichtete
Bauwerk. Dieser letztgenannte Rundbau weist einen
Durchmesser von 27,60 bis 28 m auf. Die Anlage besteht aus
einem kreisrunden Zentrum von 12,20 m Durchmesser, um
2031
Vgl. die Skizze bei Evans 1921 S. 105 Fig. 74.
Marinatos 1946 S. 338ff.
2033
Caskey/Caskey 1960 S. 138f.
2034
Müller 1913 S. 86ff.; Müller 1930 S. 80 ff; Jantzen 1975 S. 77ff.; Kilian
1986.
2032
359
Mykenische Enährung
dieses podiumsähnlich erhöhte Zentrum führt ein 1,10 m
breiter Gang, dann folgt nach außen eine 0,80 m breite
Lehmziegelmauer, die den eben genannten Gang von einem
zweiten von 1,25 m Breite trennt. Nach außen begrenzt eine
1,85 m dicke Lehmziegelmauer den Gang. Der Unterbau der
Lehmziegelwand ist Teil eines 4,70 m breiten
Bruchsteinsockels, auf welchem sich in geringem Abstand
circa vierundvierzig 2,15 m lange und im Mittel 1,30 m breite
Strebepfeiler fußten. Von der äußeren Lehmziegelwand führte
eine Lehmziegelwand durch die beiden Gänge zum zentralen
Podium hin, neben dieser sind noch weitere Radialmauern
anzunehmen, die den Kreisgrundriß in gleichgroße Segmente
gliederten. Es ist kein Zugang gesichert, wahrscheinlich
konnten die einzelnen Abteile von oben über eine Leiter
erreicht werden.
Da aus dem Inneren des Baus weder nennenswerte Funde von
Geräten noch von Keramik vorliegen, ist der Zweck dieses
Rundbaus nur schwer zu beurteilen. Zu seiner Funktion
wurden verschiedene Hypothesen vorgebracht. Man hielt es in
der früheren Forschung meist für einen Fürstensitz,2035 P.
Haider deutete es in Analogie zu Mesopotamien als ein
Gebäude, in welchem „eine göttlich verehrte Herrschergestalt
ihre Kultstätte und ihre Residenz in einem besaß“.2036 Die
Architektur des Bauwerks läßt aber m. E. weder an einen
Palast, noch an einen sakralen Bau denken. Vielmehr scheint
es sich um ein wirtschaftlich genutztes Gebäude zu handeln.
Schon S. Marinatos hatte in dem Bau einen Getreidespeicher
gesehen,2037 und auch K. Kilian vertrat diese Ansicht.2038 Die
Deutung als Magazin ist auch m. E. die wahrscheinlichste.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das
frühkykladische Modell eines Speicherkomplexes, das
2035
Z. B. Karo 1934 S. 31; Schachermeyr 1955 S. 196; Matz 1956 S. 26f.
Haider 1980 S. 169.
2037
Marinatos 1946 S. 345ff.
2038
Kilian 1986.
2036
360
12. Lagerung
vermutlich auf Melos gefunden wurde2039 und sich heute in
München befindet.2040 Es ist aus Steatit geschnitten, mißt in
der Ebene 15,1 x 16,3 cm und ist 9,5 cm hoch. Dargestellt sind
sieben siloartige, zylindrische Bauten, welche an drei Seiten
eines Hofes angeordnet sind, während sich auf der vierten
Seite ein Propylon mit Giebeldach befindet. Im Inneren des
Propylons ist die eigentliche Türöffnung eingetieft. Die
Bodenplatte ruht auf vier breiten, jedoch dünnen Füßen. Die
Außenwände des Modells sind mit Spiralmustern verziert, auf
dem Dach des Propylons sind schraffierte Dreiecksmuster
eingeritzt. Die Füße werden durch kräftige Horizontallinien
gegliedert. Möglicherweise wiesen die einzelnen Pyxiden einst
– in Analogie zu einer Pyxis desselben Materials aus
Amorgos2041 – separate, kegeldachförmige Deckel auf. Von
diesen haben sich aber keine Spuren erhalten.
Das Stück gehört in die Kultur der Keros-Syros-Gruppe und
ist damit in FK II zu datieren. Das Modell hat im Laufe der
Zeit mehrere Deutungen erfahren. Die frühere Forschung
sprach das Stück meist als Hausurne oder als „hausurnenartig“
an,2042 doch fehlt ihm jeder sepulkrale Bezug. Es handelt sich
eher um eine Pyxis.
Des weiteren stellt sich die Frage, was das Modell überhaupt
darstellt, und ob es denn überhaupt real existente Baukörper
nachahmt, oder ob der Steinschneider vielmehr seiner
Phantasie freien Lauf gelassen hat. Im folgenden wird davon
ausgegangen, daß der Künstler durchaus existierende
Vorbilder eingearbeitet hat. Die Füße des Modells sind m. E.
allerdings Bestandteil des Pyxidenentwurfes und sind nicht für
2039
Das Material stammte wohl aus Siphnos: Duemmler 1886 S. 445f.
Oelmann 1925 S. 19ff.; Höckmann 1975; Strasser 1997 S. 83f.
2041
Duemmler 1886 S. 18 und Beil. 1 A 4.
2042
Z. B. Pfuhl 1905 S. 336; Bossert 1923 S. 15; Schachermeyr 1955 S. 181.
2040
361
Mykenische Enährung
das tatsächlich existierende Bauwerk vorauszusetzen.2043 Sie
sind daher weder als Argument für noch als Beweis gegen
einen Interpretationsvorschlag heranzuziehen. Auf keinen Fall
stellt das Modell aus Melos aber einen Pfahlbau dar.2044
Welche Art von Bauwerk haben wir hier nun vor uns?
Zunächst sah man in diesem Modell eine Gruppe von runden
Häusern, die um einen Zentralhof angeordnet sind. E. Pfuhl
erkannte etwa „das erste Beispiel der später typischen Form
des griechischen Wohnhauses“, des Hofhauses.2045 O.
Höckmann hält dagegen die Rundbauten des Modells – sowie
generell die meisten Rundbauten der frühen Bronzezeit im
Ostmittelmeerraum – für „Sakralgebäude ostmediterranen
Typs“.2046
Bereits 1925 hatte aber F. Oelmann vorgeschlagen, in dem
Stück die Nachbildung eines Speicherkomplexes zu sehen.2047
Er wies auch auf eine überzeugende Parallele zu diesem Stück
aus Ägypten hin. Dort wurde in einem Mastabagrab des Alten
Reiches in El Kab das tönerne Modell einer
Kornspeicheranlage gefunden, das in der -förmigen
Anordnung der 12 Einzelspeicher dem Modell von Melos
durchaus gleicht.2048 Auch der Grundriß der oben behandelten
Getreidespeicher im Palast von Mallia weist trotz gewisser
Unterschiede – die Rundbehälter in Mallia befinden sich in
einem geschlossenen Hof und sind in den Boden eingesenkt –
durchaus bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit dem Stück aus
Melos auf. Der Interpretation als eine Anlage von
Getreidespeichern ist m. E. daher der Vorzug zu geben.
So ist etwa auch ein Hausmodell der Tripoljekultur aus Suškovka auf
hohe Füße gestellt, während die Wohnstätten der Tripoljekultur eindeutig
ebenerdig waren: Höckmann 1975 S. 272 Anm. 10.
2044
Etwa bei Pfuhl 1905 S. 349.
2045
Pfuhl 1905 S. 349.
2046
Höckmann 1975.
2047
Oelmann 1925.
2048
Oelmann 1925 S. 24 und 21 Abb. 2.
2043
362
12. Lagerung
In den minoischen Palästen, wie auch in einfacheren Häusern,
finden sich regelmäßig Nahrungsmittelspeicher. Meist handelt
es sich dabei um Magazine, in welchen die Lebensmittel in
großen Pithoi gelagert wurden. In Vathypetro2049 scheinen sich
diese mit kleineren Gefäßen, die auf hölzerne Regale gestellt
wurden, abgewechselt zu haben. Die Westmagazine in
Knossos,2050 der größte bisher entdeckte Vorratskomplex im
minoischen Kreta, bestand aus einem langen Korridor, von
welchem aus 18 langgestreckte, schmale Magazinräume
erreicht werden konnten. Diese Magazinräume konnten in
ihrer Größe zwischen etwa 10,5 bis 18,5 m Länge und 1,5 bis
2,5 m Breite variieren. In ihnen fanden sich zahlreiche Pithoi
und in den Boden eingelassene, mit Steinplatten ausgekleidete
Kisten. Diese Räume könnten entlang den Wänden jeweils
zwischen 30 und 40 Gefäße aufgenommen haben. Bei einer
Annahme von 586 l Fassungsvermögen je Gefäß und einer
Maximalzahl von 420 Gefäßen würde die Gesamtkapazität der
knossischen Westmagazine über 246.000 l betragen.
Durchaus umstritten sind die sogenannten „Pens“ im
Nordostquartier des Palastes von Knossos.2051 Dabei handelt es
sich um elf Abteile von 2,30 x 1,50 m bis 2,70 x 1,70 m
Größe, deren gemeinsame Zwischenmauern offenbar
Türöffnungen, die mit herausnehmbaren Paneelen versehen
waren, aufwiesen. Ihr westlicher Abschluß ist nicht erhalten,
die östlichen Mauern wiesen jeweils im Südosteck eine kleine
Öffnung auf. Die Funktion dieser Räumlichkeiten ist unklar.
Die Haltung von Haustieren, wohl Schweinen, ist ebenso als
ein möglicher Verwendungszweck vorgeschlagen worden, wie
die Nutzung als Nahrungsmittelspeicher.
Einen guten Eindruck von der effizienten Art und Weise, in
welcher die minoischen Paläste verwaltet wurden, geben die
2049
Graham 1987 S. 130.
Davaras 1976 S. 190; Graham 1987 S. 130f.
2051
J. W. Shaw 1978 a; Hood 1985; J. W. Shaw 1985; Boyd 1985.
2050
363
Mykenische Enährung
Magazine östlich des Zentralhofes in Mallia.2052 Vom Eingang
gelangt man dort in einen Korridor, der nach rechts abbiegt,
und in einen Raum mit sechs gleichartigen Zellen von 6,35 m
Länge und 2,10 m Breite – eine der Zellen wurde später durch
eine Quermauer verkürzt – mündet.
Entlang beider Wände dieser Magazinzellen waren niedrige,
etwa 76 cm breite Fundamente aufgemauert, die Platz für 14
große und 14 kleine Gefäße boten, insgesamt etwa 158
Gefäße. Nimmt man die große Menge von Gefäßen vor den
Zellen bzw. im Eingangskorridor hinzu, kommt man auf etwa
190 Stück und ein Fassungsvermögen von etwa 23.000 Litern.
Reste des Inhalts dieser Behältnisse verraten, daß die größeren
Gefäße Getreide und Hülsenfrüchte, die kleineren wohl Öl
enthielten.
Besonders bedacht war man darauf, kein Öl zu vergeuden.
Jede Plattform war mit 14 Rinnen versehen, die in Kanäle
neben den Plattformen mündeten, welche zu jeweils an den
Enden der Magazinzellen in den Boden eingelassenen Gefäßen
führten, die jegliches vergossenes oder übergelaufenes Öl
aufnahmen.
Räumlichkeiten zur Lagerung von Olivenöl fanden sich auch
in Mykene, im sogenannten Haus des Ölhändlers2053 außerhalb
der Burg. Von einem Nord-Süd verlaufenden Korridor, an
dessen nördlichen Ende etwa 30 Bügelkannen, die meisten
davon noch verschlossen und versiegelt, entdeckt wurden,
öffnen sich nach Osten hin mehrere Räume. In Raum 1, dem
nördlichsten dieser Räume, fanden sich entlang der Wände elf
Pithoi. Sie besaßen eine schmale Basis und einen weiten
Gefäßkörper, deshalb mußten sie an beiden Seiten von
niedrigen Lehmwänden gestützt werden. Unter einem Pithos
konnte eine Heizvorrichtung festgestellt werden. Solche
Heizungsinstallationen in Öllagern haben den Zweck, das
2052
2053
Graham 1987 S. 131.
Wace 1953 S. 9ff.
364
12. Lagerung
Gerinnen des Öls bei zu kalter Witterung zu verhindern. In der
Mitte des Fußbodens befindet sich ein ovales Auffangbecken,
das wohl übergeflossenes Öl auffangen sollte. Eine niedrige,
gerundete Leiste, die vom westlichen Ende der Südwand quer
über den Türbereich führt, sollte wohl das Ausfließen des Öls
in den Korridor verhindern.
Im Palast von Pylos2054 befinden sich direkt hinter dem
Megaron zwei Lagerräume (Raum 23 und 24), in denen sich
17 respektive 16 Pithoi fanden, welche in stucküberzogene
Postamente eingelassen waren, und die der Aufbewahrung von
Olivenöl dienten. In Raum 23 wurden darüber hinaus mehrere
Linear B-Texte (PY Fr 1215-1246) entdeckt, die sich mit
Olivenöl befassen.
Hinweise auf die Lagerung von Wein sind im bronzezeitlichen
Griechenland recht selten. Von besonderem Interesse ist daher
das sogenannte Wein-Magazin im Palast von Pylos.2055 Dabei
handelt es sich um ein zweiräumiges Gebäude nordöstlich des
zentralen Palastkomplexes. Die darin gefundenen gesiegelten
Tonnoduli, aus denen in manchen Fällen auch hervorgeht,
welches Produkt, nämlich Wein, hier gelagert wurde,
gewähren weitere Einblicke in die Organisation des
Warenverkehrs im mykenischen Pylos. Es ist zu erkennen, daß
der Wein wohl von lokalen Landbesitzern angebaut und
abgeliefert wurde, die Anzahl von 41 verschiedenen
Siegeltypen im pylischen Weinmagazin läßt auf mindestens 41
Landbesitzer, die hier Wein ablieferten, und/oder Beamte, die
auf den hier gelagerten Wein Zugriff hatten, schließen.
Rechnet man das Fassungsvermögen der in diesem Magazin
gefunden 25 Pithoi hoch, wobei man auf etwa 4.500-6.200 l
kommt,2056 und geht man zusätzlich von der Annahme aus, daß
all diese Vorratsgefäße Wein enthielten, was keinesfalls
2054
Blegen/Rawson 1962 S. 14.
Siehe dazu: R. Palmer 1994 S. 143ff.
2056
R. Palmer 1994 S. 168f.
2055
365
Mykenische Enährung
gesichert ist (Getreide oder Feigen wären auch denkbar), so ist
diese Menge um vieles kleiner als die Gesamtsumme des in
den pylischen Linear B-Tafeln verzeichneten Weines von etwa
16.000 l.2057 Dazu kommt, daß die uns aus Pylos erhaltenen
Tafeln nur die Transaktionen weniger Monate verzeichnen, die
tatsächliche Menge Weins, mit der der Palast zu tun hatte,
muß noch um einiges größer gewesen sein. Dieses
Weinmagazin war daher nur eines von vielen, die sich wohl
verteilt im Umkreis des Palastes wie auch im übrigen Reich
von Pylos befunden haben dürften.
Aber nicht nur in den Palästen wurden Nahrungsmittel
gespeichert, auch einfache minoische Privathäuser hatten, wie
bereits erwähnt, oft eigene Räumlichkeiten für die Lagerung
von Lebensmitteln reserviert.2058 Dabei handelte es sich meist
um kleine Räume, oft ohne Türen, die über Falltüren oder
Leitern von oben zu erreichen waren, häufig auch um
Hinterzimmer oder Verschläge unter Treppen, die als
Magazine verwendet wurden. Auch in den oberen
Stockwerken der Häuser lagerte man Nahrungsmittel. Pithoi
wurden entlang der Wände und in den Ecken aufgestellt bzw.
in den Erdboden eingelassen. Vorrichtungen wie in die
Fußböden eingetiefte Kisten, aufgemauerte Podeste zur
Aufstellung von Pithoi oder Abflußkanäle für übergelaufene
Güter, wie sie in den Palästen vorkommen, finden sich seltener
in den einfacheren Häusern, durchaus aber in aufwendigeren
Baukomplexen. In den jungpalastzeitlichen, großen Häusern,
die sich oft in der Nähe der kretischen Paläste befinden, lehnt
sich die Architektur stark an die der Fürstensitze an. Auch die
Gestaltung der Vorratsräume ist standardisiert, Räume mit
Säulen und parallel entlang von Korridoren angeordnete
Kammern prägen das Bild. Vorratsgefäße befanden sich aber
nicht ausschließlich an für die Lagerung von Nahrungsmitteln
2057
2058
R. Palmer 1994 S. 196.
Siehe zum Folgenden Christakis 1999 S. 8ff.
366
12. Lagerung
reservierten Orten, häufig standen sie auch in den Räumen, die
der Zubereitung oder auch dem Verzehr von Speisen
gewidmet waren. Ein gutes Beispiel eines Lagerraumes eines
kleineren minoischen Hauses – vom Typ 3 nach McEnroe2059 –
bietet das jungpalastzeitliche Haus von Hagia Varvara.2060 Die
Vorräte wurden dort in Raum Nr. 5 aufbewahrt.2061 Hier
fanden sich entlang der Wände, vermischt mit karbonisiertem
Holz, das vielleicht von Stellagen oder ähnlichem herrührt,
mehr als zwanzig Gefäße. Das Spektrum der Vasenformen
reichte dabei von kleinen Tassen bis zu mittelgroßen Pithoi.
Oft wurden die kleineren Gefäße in den größeren gefunden
und dienten wohl zum Herausschöpfen des Inhalts. In
manchen Gefäßen konnten auch noch Reste des
ursprünglichen Inhalts festgestellt werden, nämlich Gerste und
Wicken.
Ein weiteres, sehr anschauliches Beispiel findet sich in
Tylissos, wahrscheinlich dem tu-ri-so2062 der Linear B-Texte,
einem Dorf westlich von Heraklion, wo drei bedeutende
minoische Villen ausgegraben wurden. Haus A2063 ist eine
typische, minoische Stadtvilla (Typ 3 nach McEnroe). Der
Eingang, der in eine L-förmige Portikus führte, befand sich an
der Ostseite des Gebäudes, in dessen südlichem Trakt die
Wohnräume lagen. Im Norden des Baukomplexes waren zwei
große Räumlichkeiten (16 und 17), bei welchen es sich um die
Vorratsspeicher des Hauses handelte.2064 Im Zentrum von
Raum 16 befanden sich zwei axial angeordnete Pfeiler, an den
Wänden entlang waren große Pithoi aufgereiht, die zur
größeren Stabilität in Löcher, welche in den Felsen gegraben
worden waren, eingelassen waren. Eine interessante
2059
Zur Typologie jungpalastzeitlicher Häuser siehe McEnroe 1982.
Siehe dazu Pelon 1966.
2061
Pelon 1966 S. 562ff. und Fig. 4.
2062
Aura Jorro 1993 S. 379.
2063
Hazzidakis 1934 S. 6ff. und Pl. VI.
2064
Hazzidakis 1934 S. 21ff. und Pl. V.1.
2060
367
Mykenische Enährung
Konstruktion fand sich in der Südostecke dieses
Magazinraumes. Hier war ein viereckiger Verschlag
aufgemauert, dessen Innenwände rauh und unregelmäßig
waren, und der sowohl durch einen kleinen Kanal mit Raum
16 als auch durch einen größeren Kanal mit Raum 15
verbunden war. Die Funktion dieser Konstruktion ist
unklar.2065 Auch Raum 17, der etwas größer als Raum 16 war,
besaß zwei zentrale Pfeiler, und auch hier waren entlang der
Wände große Vorratsgefäße in den Erdboden eingelassen.
12. 6. Zusammenfassung
Die Lagerung von Nahrungsmitteln war für die Bewohner des
prähistorischen Griechenland von größter Bedeutung. Daher
entwickelten sie schon früh verschiedene Möglichkeiten der
Aufbewahrung von Lebensmitteln.
Bereits in der neolithischen Epoche begann man, sorgfältig
konstruierte Vorratsgruben (Bothroi) anzulegen. Die darin
aufbewahrten Nahrungsmittel wurden häufig mit Asche
bestreut, um so ihre Haltbarkeit zu verlängern. Dies geschah in
manchen Gegenden Griechenlands bis ins 20. Jh. hinein.
Ebenfalls von der Bronzezeit bis in die Gegenwart dienten
große, tönerne Gefäße (Pithoi) als Aufbewahrungsbehältnisse
für Lebensmittel. Diese waren oft in den Boden eingelassen,
was nicht nur den Zugriff auf die gelagerten Güter erleichterte,
sondern auch für eine gleichmäßige Aufbewahrungstemperatur
sorgte. Neben den Pithoi, welche gewissermaßen das
Vorratsgefäß par excellence im prähistorischen Griechenland
darstellten, kamen aber auch andere Behältnisse zum Einsatz,
etwa Bügelkannen, die in erster Linie zur Lagerung und zum
Transport von Olivenöl dienten, Amphoren, in welchen Wein
oder Honig aufbewahrt wurde, sowie verschiedenste Krüge
2065
Siehe Hazzidakis 1934 S. 22 Fig. 4.
368
12. Lagerung
und Kannen, genauso aber auch Kisten und Körbe aus
organischen Materialien.
Diese Vorratsbehältnisse plazierte man entweder in den Höfen
oder in den Wirtschaftsräumen, oft wurden auch eigene
Räume oder separate Gebäude der Lagerung von
Lebensmitteln gewidmet. Bereits in der frühen Bronzezeit
wurden große, meist runde Getreidespeicher errichtet, so etwa
in Orchomenos oder in Tiryns. Große, runde Silos fanden sich
auch im älteren Palast von Mallia. Ob die unterirdischen
Anlagen in den älteren Palästen von Knossos und Phaistos
(Koulouras) allerdings der Aufbewahrung von Getreide
dienten, muß fraglich bleiben. In den mykenischen Palästen
wurden ausgedehnte Magazintrakte angelegt, die enorme
Mengen von Nahrungsmitteln fassen konnten. Meist handelte
es sich dabei um langrechteckige Räume, an deren Wänden
Podeste aufgemauert waren, auf welchen große Pithoi standen.
Ausgefeilte Installationen, wie etwa Abflußkanäle für
übergelaufenes Öl oder Heizvorrichtungen, zeugen von der
effizienten Vorratshaltung in den Palästen.
369
13. Zubereitung und Verzehr
13. Zubereitung und Verzehr der Speisen
Im Folgenden soll nun die Zubereitung und der Verzehr der
Nahrungsmittel anhand der erhaltenen Installationen und
Gerätschaften untersucht werden. Im Zentrum der Betrachtung
stehen in diesem Kapitel Mörser, Mahlsteine und
Preßvorrichtungen. Des weiteren soll auf Küchenräume,
Herdstellen und Öfen ebenso eingegangen werden wie auf das
Kochgeschirr und diverse Küchengeräte. Abschließend soll
noch ein kurzer Blick auf das mykenische Speisegeschirr und
das Eßbesteck geworfen werden.
13. 1. Mörser und Mühlen
Getreide mußte, um es für den menschlichen Genuß geeignet
zu machen, aufbereitet werden. Zuerst wurde es von den
Spelzen befreit. Dazu mußte es angefeuchtet oder geröstet
werden, um die Hüllspelzen leichter vom Korn zu trennen.
Dann stampfte man es als Vorbereitung zum Mahlen. Dies
geschah in Mörsern, die wohl aus Holz und Stein,2066
möglicherweise auch aus Ton mit Quarzzusätzen
bestanden.2067 Nacktweizen bedurften einer derartigen
Behandlung im Mörser nicht, diese waren aber, wie oben
gezeigt wurde, eher die Ausnahme.
Dann mußte das Getreide gemahlen werden. Dazu benutzte
man die Sattelmühle.2068 Die Untersteine, die in der Bronzezeit
deutlich größer waren als im Neolithikum, wurden wohl ein
wenig in die Erde eingegraben. Die kleinen, sich in Form und
Größe im Laufe der Zeiten wenig ändernden Obersteine, oft
2066
Vgl. dazu Buchholz 1963.
Forbes 1955 S. 148.
2068
Siehe dazu Runnels 1981; Runnels 1992; Curtis 2001 S. 264.
2067
371
Mykenische Enährung
aus Andesit oder Grünstein, waren so gestaltet, daß sie rund
über den Unterstein geführt werden konnten. Eine solche
Getreidemühle stammt etwa aus dem mittelminoischen
Chamalevri.2069 Der Unterstein ist hier 28,7 x 28,3 cm groß
und 12,1 cm hoch. Er besteht aus Sandstein. Ein Oberstein aus
der gleichen Grabung, der aber natürlich nicht zu diesem
Unterstein gehören muß, ist ebenfalls aus Sandstein und weist
die Maße von 15,1 x 9,6 cm bei einer Höhe von 4,6 cm auf.
Auf den Mahlflächen waren die Obersteine oft mit Riefen
versehen. Das Mahlprodukt mußte nach jedem Mahlgang
entfernt und gesiebt werden, damit die Riefen nicht
verklebten. Die Mehlsiebe waren wohl aus vergänglichem
Material und sind deshalb nicht erhalten. Für das Mahlen von
Getreide waren nach der Aussage der Linear B-Texte wohl
Frauen,
die
sogenannten
me-re-ti-ri-ja/me-re-ti-ra2,
zuständig.2070 Nach einer solchen Behandlung war das
Getreide nicht mehr für gesäuertes Brot verwendbar.2071 Eine
ähnliche Vorgehensweise ist in manchen Fällen wohl auch für
die Verarbeitung von Hülsenfrüchten zu postulieren. Auch
diese wurden vermutlich gelegentlich angeröstet, im Mörser
zerstampft und zu Mehl vermahlen. Ebenso bereitete man aus
Hülsenfrüchten Brot.2072
Ein Arbeitsbereich, in welchem Getreide und Hülsenfrüchte
gemahlen wurden, konnte etwa in Akrotiri festgestellt
werden.2073 Ebenfalls aus Akrotiri stammen Funde von
Weizen-, Gersten- und Hülsenfruchtmehl sowie von
Gerstenschrot.2074
2069
Tzedakis/Martlew 1999 S. 43 Fig. 10-11.
Siehe oben Kap. 3. 4.
2071
Zur Verarbeitung von Getreide und der Bereitung von Brot siehe auch
Kap. 3. 4. 7.
2072
Sarpaki 2001 a S. 33f. Tab. 1 und 2.
2073
Sarpaki 2001 a S. 36ff.
2074
Sarpaki 2001 a S. 33f. Tab. 1 und 2.
2070
372
13. Zubereitung und Verzehr
13. 2. Wein- und Ölpressen
Die Erzeugung von Wein und vor allem von Olivenöl war ein
wichtiger Bereich der Landwirtschaft im spätbronzezeitlichen
Griechenland. Dementsprechend fanden sich zahlreiche
Installationen, die dem Auspressen von Trauben und/oder
Oliven dienten. Die Unterscheidung von Wein- und Ölpressen
gestaltet sich äußerst schwierig. Im folgenden sollen nun
einige dieser Anlagen aus Kreta, wo derartige Installationen
besonders gut untersucht sind, betrachtet werden. Eine neuere
Studie2075 hat 42 minoische Preßvorrichtungen in 3 Typen
unterteilt. Jeder dieser Typen bestand aus zwei Teilen, einem
oberen, griechisch , in welchem die Frucht getreten oder
gepreßt wurde, und einem unterem, griechisch , in
dem die Flüssigkeit aufgefangen wurde. Typ I,2076 der mit 32
Exemplaren am häufigsten belegt ist, ist in Form eines
Kegelstumpfes aus Terrakotta mit einem sich am Boden
befindlichen Ausguß konstruiert. Der Ausguß führt in das
Auffanggefäß, gewöhnlicherweise ein Pithos, ein anderes
Tongefäß oder ein flaches Becken, das fix montiert ist.
Installationen dieses Typs datieren vom 3. Jt. v. Chr. bis in
mittelminoische und spätminoische Zeit. Funde von mit Most
befleckten Bottichen sowie von karbonisierten Kernen und
Trauben lassen vermuten, daß diese Vorrichtungen zum
Pressen von Wein dienten, verkohlte Olivenkerne in der Nähe
derartiger Installationen lassen ebenso auf die Verarbeitung
von Oliven schließen. Preßvorrichtungen des Typs I fanden
sich etwa in Phourni,2077 Knossos,2078 Mallia2079 oder
Vathypetro.2080
2075
Kopaka/Platon 1993.
Kopaka/Platon 1993 S. 41ff.
2077
Kopaka/Platon 1993 S. 41ff.
2078
Raison 1969 pl. LXXXVIII a; Kopaka/Platon 1993 S. 43f.
2079
Chapouthier 1941 S. 12 Fig. 3.
2080
Marinatos/Hirmer 1959 S. 87 und Pl. 62 (oben).
2076
373
Mykenische Enährung
Die beiden übrigen Typen sind nur in wenigen Exemplaren
belegt. Typ II2081 besteht aus einem rechteckigen, über einem
ortsfesten Aufnahmebehältnis konstruierten Arbeitsboden.
Sein genauer Verwendungszweck, ob also eher Wein oder
Oliven oder beides in gleichem Maße gepreßt wurde, ist noch
unklar. Beispiele für Vorrichtungen des Typs II fanden sich
etwa in Palaikastro2082 und Zakros.2083
Typ III,2084 der durch sechs Exemplare belegt ist, ist ein
flaches, steinernes Becken mit einem schmalen Ausguß, somit
von birnenförmigem Aussehen, welches oberhalb eines
Gefäßes errichtet ist, das die Flüssigkeit aufnehmen soll. In
diesen Vorrichtungen wurden möglicherweise sowohl Öl als
auch Wein verarbeitet, am besten sind sie wohl für Oliven
geeignet. Wie sie genau gehandhabt wurden, ist noch
ungeklärt. Exemplare von Pressen des Typs III stammen unter
anderem aus Knossos2085 und Kommos.2086
Typ II und III datieren etwas später als Typ I. Typ II findet
sich manchmal zeitgleich mit Typ I. Typ III, der nicht in
Verbindung mit den beiden anderen Varianten auftritt, ist eine
spätere Entwicklung.
13. 3. Herdstellen und Öfen
Tragbare Öfen und Kohlebecken finden sich häufig in
minoischen Häusern und Palästen. Fixe und permanente
2081
Kopaka/Platon 1993 S. 59ff.
Kopaka/Platon 1993 S. 59f.
2083
Kopaka/Platon 1993 S. 60.
2084
Kopaka/Platon 1993 S. 61ff.
2085
Kopaka/Platon 1993 S. 61.
2086
J. W. Shaw 1978 b S. 119 und Pl. 35 a, b; J. W. Shaw 1982 S. 169f. und
Pl. 51 e,f.
2082
374
13. Zubereitung und Verzehr
Öfen2087 sind zwar seltener, aber auch sie stellen ein immer
wiederkehrendes Element der ägäischen Architektur sowohl
des Neolithikums als auch der Bronzezeit dar. In ihrer Form
können sie stark variieren. Oft sind sie im archäologischen
Befund nur als eine mehr oder weniger gut durch Steine
abgegrenzte Konzentration von Asche erkennbar,2088 häufig
handelt es sich um eine leicht erhöhte, auf einem Fundament
von Steinen oder Scherben errichtete, mit Gips oder Lehm
ummantelte Plattform, welche rund, rechteckig oder auch
hufeisenförmig gestaltet sein kann.2089
Permanente Kochvorrichtungen fanden sich sowohl innerhalb
als auch außerhalb der Räumlichkeiten. Ein Herd in einem
Innenhof wurde etwa in Kephala2090 aufgedeckt. Einen
geschlossenen Ofen in einem Haus in Thermi in der Troas
erwähnt bereits Vickery,2091 und er bringt diesen mit
Strukturen aus Dimini und Sesklo in Verbindung. Weitere
Hinweise für solche Öfen stammen etwa aus Chania,2092
Palaikastro2093 und Kommos.2094 Die Bezeichnung e-ka-ra2095
auf der Tafel PY Ta 709.2 ist möglicherweise als ,
Herd, zu deuten.
Feste Feuerstellen gab es ebenfalls in Gräbern, etwa im
Innenraum eines mykenischen Tholosgrabes in Peristeria.2096
Auf diesem stand auch noch ein großer, tönerner Topf mit
Asche ringsum. Die mächtigen, oft prächtig verzierten Herde
2087
Zu prähistorischen Herdstellen in der Ägäis siehe Muhly 1984; M. C.
Shaw 1990; Tournavitou 1999.
2088
Z. B. Theocharis 1956 S. 6.
2089
Z. B. Daux 1968 S. 1066 Fig. 7; Deshayes 1970 S. 806 Fig. 15-16;
Demakopoulou 1975 S. 192ff.; Fig. 2 und 3; Blegen 1921 S. 79, 83, 85.
2090
Daux 1958 S 780f., Abb. 7.
2091
Vickery 1936 S. 49.
2092
Hallager/Tzedakis 1984 S. 17.
2093
MacGillivray/Sackett/Driessen/Smyth 1987 S. 146f.
2094
M. C. Shaw 1990 S. 238.
2095
Aura Jorro 1985 S. 204f.
2096
Daux 1963 S. 783 Abb. 8f.
375
Mykenische Enährung
in den mykenischen Megara2097 sind wohl eher als Herdaltäre
denn als Kochstellen anzusprechen, ihr Typ entspricht aber
wirklichen Herden.
Häufiger als feste Herde waren wohl tragbare
Kochvorrichtungen. Berühmt ist etwa der Inhalt des „Grabes
mit dem Dreifußherd“ in Knossos.2098 Neben den
verschiedensten Kochgefäßen in Metall fand sich dort ein
tragbarer Herd, bestehend aus einer runden, in der Mitte
vertieften Platte, auf welcher die Kohlen liegen, und die von
drei kurzen, auswärts geschwungenen Beinen gehalten wird.
Eine Besonderheit stellt ein Tonzylinder mit großem
Feuerloch und einer Öffnung auf der gegenüberliegenden Seite
aus Mallia dar.2099 Auf den Tonboden stellte man dann ein
Gefäß oder buk direkt. Als Backofen für Brot wurde ein
ähnliches Gefäß aus Palaikastro, allerdings mit siebartig
durchlöchertem Boden, angesprochen.2100
Primitivste Formen des Kochens bzw. Erwärmens, wie etwa
das Backen von Brotfladen auf dem heißen Stein oder das
Erhitzen von Flüssigkeiten durch das Hineinlegen eines heißen
Steines, kamen im spätbronzezeitlichen Griechenland mit
Sicherheit auch zur Anwendung.
Ein wesentliches Element des Kochens ist natürlich das Feuer.
Ein Feuer zu entfachen war eine äußerst mühsame
Angelegenheit. Man hat sich deshalb wohl stets bemüht,
dieses andauernd zu unterhalten. Mußte es aber neu angemacht
werden, so geschah dies vermutlich durch das
Aneinanderreiben von Stöcken, die Verwendung eines Drills
oder das Zusammenschlagen geeigneter Steine.2101 Zum
Schüren des Feuers dienten Schürhaken, die in den Texten als
2097
Siehe dazu Pierpont 1990.
Evans 1928 S. 634ff. Abb. 398.
2099
Bruns 1970 S. 6 und Taf. Q I a. b.
2100
Dawkins 1902/03 S. 325 Abb. 25.
2101
Siehe dazu Forbes 1958 S. 4ff.; Bruns 1970 S. 6; Furley 1998 Sp. 4.
2098
376
13. Zubereitung und Verzehr
qa-ra-to-ro,2102 *w (vgl. ), belegt
sind. Ein wichtiges Utensil war auch die Feuerzange, welche
als pu-ra-u-to-ro,2103 , Dual von ,
auf PY Ta 709.2 verzeichnet ist.
13. 4. Küchen
Ein Beispiel für eine Küche befindet sich am nördlichen Ende
des Zentralhofes des minoischen Palastes von Kato Zakros.
Dieser Raum konnte aufgrund des darin festgestellten Herdes
sowie der dort gefundenen Tierknochen, Küchenutensilien und
großen Mengen von Eß-, Trink- und Kochgeschirr als
Küchenraum identifiziert werden.2104
Auch in Makritichos, etwa 250 m vom Palast von Knossos
entfernt, wurde ein Raum aufgrund seiner Einzelfunde als
Küche angesprochen.2105 Es handelt sich dabei um einen
kleinen, rechteckigen Raum von 3,25 x 2,20 m, der durch eine
schmale, nur 0,58 m breite Tür betreten werden konnte. Die
Identifikation als Küchenraum erfolgte aufgrund der
gefundenen Keramik, bei der es sich in der Hauptsache um
einfache Haushaltsware handelt. Man stieß auf eine
Kohlenpfanne, einen Dreifußkochtopf mit zwei Henkeln,
einen Deckel, eng- und weithalsige Amphoren, einen
Schöpfer, Krüge und Kannen mit und ohne Ausgüsse, eine
tiefe Schüssel, Breischüsselchen, einen kleinen Pithos sowie
Reste von Kylikes, Bechern, Tassen und Spendegefäßen.
Ebenfalls als eine Küche ist ein Raum im Westhaus von
Mykene2106 anzusprechen, in welchem sich neben einem
2102
Aura Jorro 1993 S. 186.
Aura Jorro 1993 S. 172.
2104
Graham 1987 S. 252.
2105
Hood/de Jong 1958/59.
2106
Bruns 1970 S. 2f.
2103
377
Mykenische Enährung
großen, tiefergelegten Herd, in dem noch die Kloben lagen,
mit Zugloch und Höhlung in der Wand, auch größere Mengen
Küchengeschirr fanden.
13. 5. Kochgeschirr
Kochgefäße sind in großer Zahl erhalten. Gekocht wurde in
unbemalten,
groben
Gefäßen.
Typisch
für
das
spätbronzezeitliche Griechenland sind Gefäße auf drei Beinen,
die in der Form allerdings durchaus variieren können.2107 In
Pylos sind diese Gefäße auf PY Ta 641.1.1.1 und PY Ta
709.3.3 mittels des Ideogrammes *2012108 bzw. des
Begriffes ti-ri-po, *, und im Dual ti-ri-po-de,2109
sowie in Mykene auf MY Ue 611.4 in der Verkleinerungsform
als ti-ri-po-di-ko,2110 , verzeichnet. Ein in
Makritichos2111 gefundener Dreifußkrug zeigt eine klassische
Kochtopfform für direktes, offenes Feuer: nicht zu hohe
Beine, flacher Boden, stark gebauchter Gefäßkörper, starke
Einziehung der Lippe und nahe der Mündung stehende,
senkrechte Henkel. Diese Form ist nur in Ton erhalten, sie
eignet sich ganz besonders für die Zubereitung von Eintöpfen,
Breien oder Suppen. In Kommos2112 fanden sich zwei
Grundtypen des Dreifußkochtopfes. Bei Typ A handelt es sich
um tiefe Gefäße mit einem S-förmigen Profil, ausgestelltem
Rand und einem flachen oder leicht gerundeten Boden mit drei
Füßen. Zwei Henkel sitzen normalerweise auf der Schulter.
2107
Furumark 1941 S. 76 und 640.
Siehe dazu: Vandenabeele/Olivier 1979 S. 225ff.
2109
Aura Jorro 1993 S. 352f.
2110
Aura Jorro 1993 S. 353.
2111
Hood/de Jong 1958/59 S. 188 Nr. 12, Fig. 6, Taf. 46 a.
2112
Zum Kochgeschirr aus Kommos siehe Betancourt 1980; speziell zu den
Dreifußkochtöpfen siehe Betancourt 1980 S. 3ff.
2108
378
13. Zubereitung und Verzehr
Diese Töpfe variieren in ihrer Größe, der Durchmesser der
Öffnung schwankt zwischen 10 und 25 cm. Typ A datiert vor
allem in SM III, aber auch frühere Exemplare kommen vor.
Typ B weist ein geraderes, offeneres Profil auf. Diese Gefäße
haben meist eine Ausgußtülle und auf der gegenüberliegenden
Seite einen Griff. Die Öffnung dieser Töpfe ist wegen ihres
Profiles größer als bei Gefäßen des Typs A und schwankt
zwischen 10 und 30 cm. Typ B ist besonders in MM und SM I
üblich. Bei beiden Typen sind die Henkel eher horizontal als
vertikal plaziert. Die Oberfläche der Gefäße ist geglättet, das
Innere der frühen Töpfe ist oft mit einem feinen Überzug
versehen (Fine Buff) und poliert. Die Dreifußtöpfe eignen sich
hervorragend, um sie über ein zwischen den Beinen
brennendes Feuer zu stellen und Wasser oder andere
Flüssigkeiten zu kochen.
Weiters finden sich geschlossene Gefäße von ovoider Form
und durchaus unterschiedlicher Größe, die einen flachen
Boden aufweisen und keine Füße besitzen. Solche Gefäße
stammen etwa aus dem SM III C-zeitlichen Phaistos.2113 Sie
wurden vielleicht direkt in die heiße Asche gestellt. Sie eignen
sich sehr gut etwa zum Bereiten von Eintöpfen oder
ähnlichem.
Daneben finden sich große, offene Gefäße mit sehr kräftigem
Rand, oft ohne klare Abgrenzung von Rand und Gefäßkörper.
In Kommos2114 haben diese meist eine ungewöhnlich dünne
Wandung, der Rand ist gerade oder ausgestellt. Ihre Form ist
unregelmäßig, oft handelt es sich um recht tiefe Gefäße.
Gelegentlich besitzen sie einen Ausguß. Die Gestaltung des
Randes macht Henkel meist unnötig, manche Exemplare
weisen aber solche auf. Diese Kochtöpfe haben keine Beine.
Man kann sich gut vorstellen, daß die Gefäße in ein
Kohlenbett gestellt wurden. Aufgrund ihrer geringen
2113
2114
Borgna 1997 S. 193 und 195 Fig. 4.
Betancourt 1980 S. 5ff.
379
Mykenische Enährung
Wandstärke konnte sich die Wärme schnell und gleichmäßig
ausbreiten. Etliche Töpfe dieses Typs stammen auch aus dem
SM III C–zeitlichen Phaistos.2115
Eng mit diesen Gefäßen verwandt sind die ebenfalls,
allerdings nicht so häufig in Kommos gefundenen Kochplatten
(cooking trays).2116 Gefäße jenes Typs stammen aus Phaistos
und datieren in SM III C.2117 Sie besitzen aber einen dicken,
flachen Boden und drei Beine. Meist weisen sie niedrige,
zylindrische Wände und einen flachen Rand auf, gelegentlich
ist ihre Form aber offener mit konischer Wandung und
gerundetem Rand. Griffe oder Henkel sind entweder
horizontal oder vertikal am Gefäßrand plaziert. Gelegentlich
finden sich kleine Ausgüsse. Das Innere der Kochplatten ist
meist mit einem Überzug versehen und poliert, manchmal aber
auch nur geglättet. Die Platten wurden wohl direkt übers Feuer
gestellt und ermöglichten so ein rasches Garen oder Braten der
Speisen. In einem diesen Gefäßen ähnlichen, allerdings
quadratischen, kleinen, flachen Tongeschirr aus Mykene mit
niedrigem Rand an drei Seiten, das als souvlaki tray
bezeichnet wird, fanden sich Spuren von Fleisch.2118
Möglicherweise legte man auf den nicht sehr hohen Rand der
Kochplatten auch mit Fleisch bestückte Spieße.
Das Auflegen von Spießen ist mit ziemlicher
Wahrscheinlichkeit für einige als Feuerböcke, im
späteren Griechisch, angesprochene Gefäße aus Mallia
anzunehmen.2119 Derartige Geräte sind bereits aus dem
spätneolithischen Kleinasien bekannt. Ein einfaches,
zeitgleiches Exemplar stammt aus Thermi auf Lesbos.2120 In
Mallia sind zwei Typen belegt. Der eine ist in Form einer
2115
Borgna 1997 S. 193 und 197 Fig. 6.
Betancourt 1980 S. 7. Vgl. Mountjoy 1993 S. 118 Fig. 349.
2117
Borgna 1997 S. 193 und 196 Fig. 5.
2118
Tzedakis/Martlew 1999 S. 134.
2119
Chapouthier/Demargne 1942 S. 51 Abb. 28.
2120
Lamb 1928–30 S. 45 Fig. 16 a.
2116
380
13. Zubereitung und Verzehr
vierkantigen Tonwanne gestaltet, deren beide oberen Ränder
Kerben zum Einlegen kleiner Spieße aufweisen, beim anderen
stehen die Tonstege auf schmalen Fußplatten und sind oben
unregelmäßig gewellt. Zudem hat man wohl auch, etwa zum
Braten ganzer Tiere, Spieße aus dünnen Baumstämmen
gefertigt und diese auf Holzböcke gelegt. Davon blieb
natürlich nichts erhalten.
Neben den bisher erwähnten sind noch zahlreiche weitere
Formen von Kochgeschirr belegt. Dies sind etwa
Knopffußtöpfe, die von SH I bis SH III A 1 zu den am
häufigsten gefundenen Gefäßen gehörten. In SH III A 1
verschwinden sie schließlich. Es handelt sich um Gefäße von
geschlossener Form, bauchigem Körper und ausgestelltem
Rand. An der Basis besitzen sie einen knopfartigen Fuß. Diese
Töpfe wurden möglicherweise direkt in die heiße Asche
gestellt. Dazu kamen kleine Amphoren mit weiter Öffnung,
die in der groben Keramik ebenso vorhanden sind wie kleine
Töpfe mit vertikalen Henkeln.2121 Auch Pfannen waren
bekannt. Zwei kupferne Exemplare stammen etwa aus
Mykene.2122 Eine dieser Pfannen hatte einen Durchmesser von
28,5 cm und eine Tiefe von 6,5 cm, die andere wies einen
Durchmesser von 30 cm auf und war 9 cm tief.
Möglicherweise ein Kochgeschirr wird durch das Ideogramm
*2132123 auf KN 7353, KN Uc 160 v .3 und PY Tn
316.4.4{.4}, v.5.6.6.9.9.10 bezeichnet. Auf KN Uc
160 v .3 steht dieses Ideogramm in Verbindung mit dem
Begriff i-po-no,2124 der wohl mit griechisch , Ofen oder
Backofen, in Verbindung zu bringen ist. Es handelt sich um
ein Gefäß in Form einer Kugelkalotte.
2121
Mountjoy 1993 S. 124.
Karo 1930 a Taf. 163.
2123
Vandenabeele/Olivier 1979 S. 183ff.
2124
Aura Jorro 1985 S. 283.
2122
381
Mykenische Enährung
Auf die Kochtöpfe gab man mitunter Deckel, einige
grobtonige Exemplare stammen z. B. aus Kommos.2125 Eines
dieser Stücke zeigt klare Spuren von Feuer, das rund um den
Topf aufloderte, auf welchem sich der Deckel befand. Es
schwärzte nämlich den äußeren Rand des Deckels, der über
das Kochgefäß hinausragte. Manchmal befinden sich kleine
Knöpfe in der Mitte der Deckel, die zum Hochheben dienten.
Eine Sonderform von Kochgeschirr stellten die Pyraunoi, die
etwa in Kastanas gefunden wurden, dar.2126 Diese Gefäße
bestanden aus einem häufig mit Henkeln versehenen Topf, der
im Bauchungsbereich von einem dazugehörigen Ständer
umschlossen wird. Dieser Ständer reicht wesentlich tiefer als
der Gefäßboden, er weist unten eine bogenförmige Öffnung
und am Ständeransatz oder etwas tiefer mehrere runde Löcher
auf. Diese dienen der Belüftung, der offene Boden ist zum
Beheizen gedacht. An manchen Exemplaren sind außerdem
noch ein oder mehrere Kamine angebracht. Diese gehen vom
oberen Ständeraufsatz aus und führen an der Außenwand des
Behälters entlang nach oben.2127 Diese Gefäße konnten mit
Hilfe des Ständers auf eine Feuerstelle gestellt werden, durch
ihre geschlossene Form konnte selbst bei wenig Glut die Hitze
direkt auf das Gefäß gelenkt werden. Durch den Ständer
konnte außerdem der Funkenflug und damit die Brandgefahr
deutlich reduziert werden. Viele der Pyraunoi besaßen auch
Griffe, sodaß man das ganze Gerät von der Glut nehmen und
bequem zum Eßplatz tragen konnte. Die meisten Ständer sind
zwischen 13 und 35 cm hoch, ihr Durchmesser beträgt häufig
zwischen 30 und 40 cm. In Kastanas finden sich diese Gefäße
während der gesamten Spätbronze- und Eisenzeit. In vielen
Pyraunoi wurden Reste von Hülsenfrüchten und Knochen
gefunden.
2125
Betancourt 1980 S. 7.
Zu den Pyraunoi aus Kastanas siehe Hochstetter 1984 S. 155ff.
2127
Vgl. dazu die Zeichnung bei Hochstetter 1984 S. 156 Abb. 41.
2126
382
13. Zubereitung und Verzehr
13.6. Weitere Küchenutensilien
Von fundamentaler Bedeutung für das Kochen ist natürlich
Wasser. Es muß Gefäße gegeben haben, um es aus tiefen
Brunnen heraufzuheben. Diese waren wohl aus Holz.2128 Auf
dem Sarkophag von Hagia Triada ist ein Mädchen dargestellt,
das Eimer an einer Tragestange zur Libation trägt.2129 In den
Linear B-Texten hat das Ideogramm *2122130 auf KN Uc 160
v.4 und PY Tn 996.2 eine Eimerform, auf KN K 774, KN K
775, KN K 776 und KN K 877 [+] 1052 ist es durch ein
beigefügtes U näher determiniert. Sein Lautwert auf PY Tn
996.2 beträgt u-do-ro,2131 muß also mit
zusammenhängen und ist wohl als Wassergefäß anzusprechen.
Ein wichtiges Küchenutensil waren sicherlich auch Waagen.
Es sind nicht nur die zarten Goldgebilde aus Schachtgrab III
erhalten, sondern auch bronzene Waagebalken und
Bleigewichte.2132
Zum Zerreiben diverser Zutaten dienten Reibschüsseln, wie
sie etwa in Phaistos erhalten sind.2133
Belegt sind weiters mehrere Tontrichter,2134 etwa aus
Palaikastro.2135 Mohnkapselförmige Exemplare stammen
bereits aus dem frühhelladischen Eutresis.2136 Es gab auch
2128
Bruns 1970 S. 7.
Siehe etwa Marinatos/Hirmer 1986 Taf. XXXff.
2130
Vandenabeele/Olivier 1979 S. 190ff.
2131
Aura Jorro 1993 S. 385.
2132
Karo 1930 a S. 247 und Taf. 34.
2133
Pernier 1935 S. 294 Abb. 171.
2134
Furumark MP 75 Abb. 21.
2135
Bosanquet-Dawkins 1923 S. 73 und Fig. 58 b; Deshayes 1962 S. 563
Fig. 22.
2136
Goldman 1931 S. 86 und Fig. 107, S. 95, 119; Deshayes 1962 S. 563
Fig. 21.
2129
383
Mykenische Enährung
Metalltrichter,2137 die wohl in erster Linie als Spendegefäße im
Kult Verwendung fanden.2138
Ebenfalls wichtig waren Siebgefäße. Ein sehr interessantes
Gefäß stammt etwa aus Kastanas.2139 Es handelt sich dabei um
eine tiefe Schale, deren Mündung von einem Querhenkel
überspannt wird. Die gesamte Wandung des Gefäßes weist in
Abständen von 1,5 cm sitzende, ca. 0,5 cm große, schräg
sitzende Löcher auf. Möglicherweise haben wir es hier mit
einer Art von „Teesieb“ zu tun, das man in größere Gefäße
eingetaucht hat. Es könnte z. B. Würzkräuter enthalten haben,
mit denen man Wein aromatisieren wollte, ohne ihn zu
verunreinigen.
Um an das Mark der Knochen zu gelangen, konnte man diese
zersägen.2140 Das Wort für Säge, pi-ri-je,2141 möglicherweise
(vgl. ), ist auf KN K 740.5 belegt. Auch Beile
konnten zum Aufschlagen der Knochen dienen.
13. 7. Eßgeschirr und Besteck
Als Eßgeschirr dienten in mykenischer Zeit in erster Linie
Gefäße von offener Form. Zahlreiche Typen finden sich
während der gesamten späten Bronzezeit. Zu erwähnen sind
hier etwa die im späten SH I auftauchenden, besonders aber
von SH II bis SH III A 1 recht populären zweihenkeligen
Becher (goblets).2142 Herauszuheben sind die für SH II B
typischen, in Süd- und Zentralgriechenland sowie auf den
Inseln weit verbreiteten Ephyräischen Becher, die im Zentrum
jeder Seite mit je einem Motiv sowie einem Füllmotiv unter
2137
Karo 1930 a Taf. 122.
Bruns 1970 S. 17.
2139
Hochstetter 1984 S. 177.
2140
Zu Sägen siehe etwa Evans 1928 S. 630 Abb. 394; Catling 1964 Taf. 9.
2141
Aura Jorro 1993 S. 124.
2142
Siehe z. B. Mountjoy 1993 S. 54 Fig. 82 und 83.
2138
384
13. Zubereitung und Verzehr
den Henkeln verziert waren. Ebenso wurden die ab SH III A 1
anzutreffenden tiefen Kylikes2143 sowohl als Eßgeschirr als
auch als Trinkgefäße verwendet. Es handelt sich dabei um
flache Schalen mit ausgestelltem Rand und zwei großen
Henkeln auf einem hohen Fuß. Im frühen SH III A 2 werden
die Schalen tiefer und der Fuß kürzer. Im späten SH III A 2
werden die Füße wieder höher, die Henkeln aber kleiner. Eine
der Leitgattungen von SH III B 1 ist die Zygouries-Kylix,2144
die als Dekoration nur ein Motiv auf einer Seite aufweist. Im
Verlauf der folgenden Perioden wird die Kylix aber immer
mehr ersetzt durch die deep bowl,2145 die häufigste Gefäßform
in SH III B und SH III C. Diese Gefäße tauchen in SH III A
auf. Es handelt sich um tiefe, halbrunde bis glockenförmige
Schüsseln, welche die Henkel direkt über dem Bauch haben.
Die Bemalung innen am Boden dieser Vasen ist oft
abgearbeitet, was als Indiz für häufiges Rühren und Kratzen in
diesen Gefäßen zu werten ist.2146
Weitaus weniger häufig, aber durchaus auch bekannt waren
Teller. In Knossos etwa fanden sich Exemplare von 12 bis 19
cm Durchmesser und 5 bis 7 cm Tiefe,2147 die wohl als
Eßteller anzusprechen sind. Hölzerne Teller und Brettchen, die
m. E. auch anzunehmen sind, haben im archäologischen
Befund natürlich keine Spuren hinterlassen. Erhalten haben
sich dagegen – etwa in Kastanas – flache, glatte Steinplatten.
Diese sind tellerartig rund oder leicht oval, bisweilen auch
eckig. Ihr Durchmesser beträgt 30 bis 40 cm, ihre Dicke 1 bis
3 cm. Manchmal sind die Randzonen etwas höher,
gelegentlich ist aber auch der Rand dünner als der Mittelteil.
Eine Seite dieser Steinplatten ist meist gut geglättet.
2143
Z. B. Mountjoy 1993 S. 72 Fig. 152, S. 75 Fig. 157.
Z. B. Mountjoy S. 86 Fig. 205.
2145
Z. B. Mountjoy 1993 S. 87 Fig. 206, 207.
2146
Mountjoy 1993 S. 123.
2147
Evans 1928 S. 134 Abb. 68; vgl auch Furumark 1941 S. 53 Abb. 15,
222.
2144
385
Mykenische Enährung
Zahlreiche Ritzspuren, die kreuz und quer verlaufen, stammen
von Messereinschnitten und legen daher eine Interpretation als
Schneideunterlagen oder Hackbretter nahe. Einige Exemplare,
die durch Ruß geschwärzt waren, könnten vielleicht auch als
Wärmesteine oder Backplatten genutzt und in den Ofen
geschoben worden sein.2148
Einhenkelige Schalen mit hochstehendem Henkel und
Gießtülle könnten als Saucengießer gedient haben.2149 Tönerne
Schöpfer2150 sind schon aus der frühen Bronzezeit belegt,
beispielsweise aus Zygouries2151 oder Eutresis,2152 ein
mykenisches Exemplar stammt etwa aus Argos.2153 In den
Linear B-Texten ist ein Schöpfer mittels des Ideogrammes
*2292154 auf KN K 434.1 verzeichnet.
Aus manchen Gefäßen hat man den Inhalt mit Löffeln
gegessen. Tonlöffel sind etwa aus Mochlos2155 oder Lerna2156
erhalten. Häufiger waren sicherlich Holzlöffel, die sich aber
nicht erhalten haben. Für spezielle Zwecke, möglicherweise
kultischer Natur, gab es auch besonders wertvolle Exemplare
aus Bein und Alabaster.2157 Es ist anzunehmen, daß ebenso
Löffel aus Horn oder Metall verwendet wurden.2158 Ein kleines
silbernes Schöpflöffelchen aus Vapheio2159 ist aufgrund seines
Fundzusammenhanges als Salbenlöffel interpretiert worden.
2148
Hochstetter 1987 S. 56ff.
Bruns 1970 S. 16 und S. 14 Abb. 4 h.
2150
Vgl. Furumark 1941 S. 49 Abb. 14, 236, S. 75, Abb. 21, 311.
2151
Blegen 1928 S. 96 Fig. 84, 108 Fig. 94, usw.; Deshayes 1962 S.562 Fig.
19.
2152
Goldman 1931 S. 86 Fig. 106.
2153
Deshayes 1962 S. 562 Fig. 20.
2154
Vandenabeele/Olivier 1979 S. 188f.
2155
Evans 1921 S. 57 und Abb. 16.
2156
Daux 1955 S. 243 Fig. 27.
2157
Karo 1930 a Taf. 136 Nr. 824/825 und Tafel 139 Nr. 164.
2158
Bruns 1970 S. 13.
2159
Evans 1935 S. 940 Abb. 911.
2149
386
13. Zubereitung und Verzehr
Wichtige Küchenutensilien waren Messer, welche in großer
Zahl belegt sind.2160 Ebenso fand man die dazugehörigen
Wetz- und Schleifsteine.2161 Diese dienten dazu, Bronze- und
Eisengeräte zu schärfen, und sie bestanden meist aus einem
zum Schleifen günstigen Material wie grobkörnigem
Siltgestein oder Sandstein. Feuerstein- und Obsidianklingen
spielten offenbar ab der mittleren Bronzezeit mit der größeren
Verfügbarkeit von Bronze im täglichen Gebrauch so gut wie
keine Rolle mehr.
Wein wurde wohl, wie auch in späterer Zeit, mit Wasser
gemischt getrunken. Das Wort für Mischgefäße, Krater, ist in
der Form ka-ra-te-ra,2162 , Akk. Sing. von ,
in den Texten belegt. Gefäße, die sich als Mischkrüge
eigneten, wurden in den verschiedensten Formen gefunden.2163
Besonders schöne Kupfergefäße, die Karo als Kratere
bezeichnete, fanden sich in den Schachtgräbern von
Mykene.2164 In ihrer Form erinnern diese an das Ideogramm
*202,2165 welches sich auf KN K 875.6, PY Ta
641.2a.2b.2g.3a.3b sowie in Verbindung mit DI auf KN K
829.2a.2b.3a.3b und auf KN K 740.2 als *214 + DI findet.
Dieses Gefäß wird auf KN K 875.1-5, PY Ta 641.2.3 sowie
auf KN K 740.2, hier allerdings im Plural, als di-pa,2166 auf
PY Ta 641.2 im Dual als di-pa-e bezeichnet, was dem
homerischen entspricht. Hier ist allerdings ein
Bedeutungswandel eingetreten, denn während es sich in den
2160
Etwa Karo 1930 a S. 221f. Taf. 72, 96f. Besonders schöne Exemplare
auch bei Daux 1966 S. 903 Abb. 12 und Mylonas 1962 Pl. 121.3. Zu
Dolchen in der späten Bronzezeit siehe Papadopoulos 1998.
2161
Karo 1930 a Taf. 102 Nr. 512, S. 118 Nr. 594, S. 149 Nr. 859-861.
2162
Aura Jorro 1985 S. 322.
2163
Furumark 1941 S. 23 Abb. 4.
2164
Karo 1930 a Taf. 160.
2165
Vandenabeele/Olivier 1979 S. 234ff.
2166
Aura Jorro 1985 S. 175.
387
Mykenische Enährung
Texten um ein Mischgefäß handelt, ist es bei Homer meist ein
Trinkbecher.
Aus den Krateren wurde der Wein mit Hilfe von Schöpfern
oder kleinen Vasen in die Trinkgefäße geschöpft. Hinter kara-te-ra stehen auf MY Ue 611 vier po-ro-ko-wo,2167 die wohl
mit *, hom. , gleichzusetzen sind. Damit
sind wohl solche kleinen Schöpfgefäße gemeint. Man könnte
in diesem Zusammenhang etwa an das Goldkännchen aus
Mykene2168 denken, aus dem gleichen Grab stammen aber
auch eine tönerne Schöpfkanne und der dazu passende
Becher.2169
Als Trinkgefäße dienten verschiedene Formen von Tassen und
Bechern,2170 etwa die semi-globular cups2171 oder die VapheioTassen.2172 Bei beiden handelt es sich um kleine, feine
Gefäßformen, die während der mittleren Bronzezeit aus Kreta
eingeführt wurden und sowohl in Ton als auch in Metall
ausgeführt wurden. Die Vapheio-Tasse findet sich in Kreta
bereits in MM II. Die semi-globular cups sind ebenso im
minoischen Formenrepertoire seit langem bekannt, besonders
schöne Exemplare gehören zur MM II Kamares-Ware.2173 Die
Tassen dieses Typs haben einen bauchigen bis
glockenförmigen Körper. Die Vapheio-Tassen verjüngen sich
konkav nach unten und besitzen eine ausgeprägte Mittelrippe.
Herausragende Exemplare dieses Typs und in ihrer Art
einmalig sind natürlich die beiden namengebenden Exemplare
aus Vapheio selbst.2174 Die Form der Vapheio-Tassen
2167
Aura Jorro 1993 S. 148.
Karo 1930 a Taf. 103.
2169
Karo 1930 a Taf. 166.
2170
Furumark 1941 53 Abb. 15 Nr. 224ff., 228.
2171
Z. B. Mountjoy 1993 S. 35 Fig. 27.
2172
Siehe etwa zwei Exemplare aus SH I bei Mountjoy 1993 S. 36 Fig. 36,
37 sowie aus SH II A Mountjoy 1993 Fig. 81.
2173
Mountjoy 1993 S. 34.
2174
Siehe etwa Marinatos/Hirmer 1986 Taf. 200ff.
2168
388
13. Zubereitung und Verzehr
verschwindet in SH III A 1, dafür finden sich ab dieser
Periode Trinkkrüge (mugs), die möglicherweise auf
metallische Vorbilder zurückgehen.2175 Auch diese besitzen
eine betonte Mittelrippe. Ebenfalls häufiger wird in SH III A 1
die bereits in SH II A belegte, karinierte, konische Tasse, die
sich von minoischen Gefäßformen ableitet.2176
Eine recht eigentümliche Form besitzen die sogenannten
Saugfläschchen (feeding bottles).2177 In SH III A 1 besitzen sie
einen recht langen Schnabel, manche Exemplare sind in dieser
Periode auch recht groß. Bis zum Ende der mykenischen
Epoche werden sie wieder kleiner, und auch der Schnabel wird
kürzer. Häufig wird angenommen, diese Gefäße hätten dazu
gedient, kleinen Kindern Flüssigkeiten zu verabreichen, auch
ihre Anwendung als eine Art von Pipette in der Herstellung
parfümierter Öle kann vermutet werden. Aber gerade die
großen Exemplare aus SH III A 1, die die Größe einer
Teekanne erreichen, könnten für ein heißes Getränk verwendet
worden sein.2178 In einem dieser Gefäße aus Midea, das in SH
III B datiert, befand sich ursprünglich ein alkoholisches
Getränk, möglicherweise Met oder Bier.2179
13. 8. Zusammenfassung
Zahlreiche Geräte und Anlagen, die der Verarbeitung und
Zubereitung von Nahrungsmitteln dienten, sind im
spätbronzezeitlichen Griechenland belegt. Mörser dienten zum
Zerstampfen von Getreide und auch Hülsenfrüchten, in
Sattelmühlen wurden diese dann zu Mehl vermahlen.
Verschiedene Typen von Preßvorrichtungen dienten zum
2175
Mountjoy 1993 S. 63, 68 Fig. 135, 136.
Mountjoy 1993 S. 63, 68 Fig. 137.
2177
Siehe etwa Mountjoy 1993 S. 67 Fig. 132.
2178
Mountjoy 1993 S. 123.
2179
Tzedakis/Martlew 1999 S. 169.
2176
389
Mykenische Enährung
Pressen von Oliven und Wein. Einige Räume, wie in
Makritichos oder in Mykene, konnten aufgrund der in ihnen
dokumentierten Funde und Befunde als Küchen identifiziert
werden. Die Speisen wurden entweder auf fest installierten
Herden oder auf tragbaren Öfen zubereitet. Zahlreiche Typen
von Kochgeschirr sind archäologisch und epigraphisch belegt.
Am häufigsten sind dabei Töpfe von unterschiedlicher Form,
die auf drei Beinen ruhten und direkt über das Feuer gestellt
werden konnten, dazu kamen verschiedenste Schalen,
Schüsseln und auch Kochplatten aus grober Keramik. Des
weiteren sind viele Küchenutensilien, wie Schöpfer, Trichter,
Messer, Siebe oder Waagen belegt. Bei etlichen der
angeführten Beispiele handelt es sich zwar um kostbare
Prunkgeräte aus Gräbern, diese erlauben aber durchaus
Rückschlüsse auf die einfachen Gerätschaften in privaten
Haushalten, die oft nicht erhalten sind. Gegessen wurde aus
Gefäßen von offener Form – Näpfen, Schüsseln, Bechern und
Schalen. Den Wein mischte man bei festlichen Gelagen – wie
auch in späterer Zeit – in großen Krateren, schöpfte ihn mit
kleinen Gefäßen heraus und trank ihn aus Tassen, Bechern und
Kelchen unterschiedlichster Form. Die Formen der
Gebrauchskeramik änderten sich im Laufe der Zeit wenig, das
mykenische Formenrepertoire entspricht in vielen Belangen
auch dem der späteren, klassischen Zeit, wenngleich natürlich
Gefäße der gehobenen Tafelkultur, man denke etwa an den
Psykter, noch fehlen.
390
14. Historische Auswertung
14. Historische Auswertung
14.1. Die Zusammensetzung der Ernährung
Was läßt sich nun zusammenfassend zu den im
spätbronzezeitlichen
Griechenland
verzehrten
Nahrungsmitteln sagen? Generell kann man festhalten, daß
pflanzliche und tierische Ernährung meist in einem
ausgewogenen Verhältnis zueinander standen, während Fisch
und Meeresfrüchte stets nur eine untergeordnete Rolle
spielten.2180
Einen wesentlichen Teil der spätbronzezeitlichen Nahrung
machte das Getreide2181 aus, wobei unter Berücksichtigung
regionaler Unterschiede am wichtigsten wohl die Gerste war,
gefolgt vom Emmer als wichtigster Weizensorte. Saatweizen
waren nur von geringer Bedeutung.
Ebenfalls recht bedeutend waren die Hülsenfrüchte,2182 von
denen für die späte Bronzezeit 11 Spezies belegt sind. Hier
kommt vor allem die nur bedingt genießbare Linsenwicke
besonders häufig vor, gefolgt von der Linse, der Bohne, der
Erbse und diversen Platterbsen und Wicken, und zwar der
Saat-Platterbse, der Purpur-Platterbse, der Flügel-Platterbse,
der Saatwicke, der Kicher-Platterbse und der Lupine.
Der Anbau von diversen Früchten war ein wichtiger
Bestandteil der mykenischen Landwirtschaft, die Olive 2183 als
wichtigste Ölpflanze war eines ihrer Haupterzeugnisse. Auch
Feigen2184 waren von außerordentlicher Bedeutung. Sie waren
Bestandteil der Nahrungsmittelrationen, die abhängige
2180
Siehe Kap. 2.
Siehe dazu Kap. 2.
2182
Siehe dazu Kap. 3.
2183
Siehe Kap. 5. 2.
2184
Siehe Kap. 5. 4.
2181
391
Mykenische Enährung
Arbeiterinnen vom Palast erhielten, und spielten in der
mykenischen Ernährung eine besonders wichtige Rolle. Der
Wein2185 war ein weiteres traditionelles Produkt der
frühgriechischen Landwirtschaft, er war aber wohl nicht
jedermann in großen Mengen zugänglich. Er stellte ein
Getränk der Aristokratie dar und war oft im kultisch-religiösen
Umfeld anzutreffen. Wie in späterer Zeit wurde er
aromatisiert, etwa mit Harz oder Honig.
Weitere Früchte und Nüsse,2186 die im spätbronzezeitlichen
Griechenland wohl regelmäßig verzehrt wurden, waren Birne,
Granatapfel, Apfel, Kornelkirsche, Blasenkirsche, Weißdorn,
Schlehe, Pflaume, Zwergholunder, Brombeere, Walderdbeere,
Myrte und Honigmelone, dazu kamen Eichel, Kastanie,
Mandel und Pistazie.
Gemüse- und Gewürzpflanzen,2187 die sowohl in Gärten
angebaut als auch wild gesammelt wurden, spielten stets eine
wesentliche Rolle in der griechischen Ernährung. Zwischen
diesen beiden Verwendungsarten von Pflanzen – Gemüse oder
Gewürz – läßt sich meist nicht trennen. Belegt sind –
archäologisch, epigraphisch wie auch sprachwissenschaftlich –
Malve, Asphodill, Natterkopf, Eisenkraut, Bilsenkraut,
Edelgamander, Feldsalat, Fuchsschwanz, Möhre, Kaper,
Gurke, Knoblauch, Zicherie, Lauch sowie möglicherweise
Pastinake und Rote Bete. Dazu kamen Koriander, Sellerie,
Kümmel, Fenchel, Minzen, Salbei, Sesam, Zyperngras,
verschiedene andere aromatische Gräser, Disteln, Safran, Dill,
Anis, Kresse, möglicherweise Sumach, Mohn, Wermut, Raute
und das noch nicht sicher identifizierte po-ni-ki-jo.
Fleisch2188 wurde in erster Linie von Haustieren geliefert.
Meist ist eine Vorrangstellung von Rindfleisch zu erkennen,
gefolgt vom Fleisch von Schweinen, Schafen und Ziegen.
2185
Siehe Kap. 5. 3.
Siehe zu diesen Kap. 5. 5.
2187
Zu diesen siehe Kap. 6.
2188
Siehe Kap. 7.
2186
392
14. Historische Auswertung
Erlegte Wildtiere ergänzten die Kost, meist Rot- und
Damwild, Wildschweine sowie diverse andere, größere und
kleinere Wildtiere. Milch wurde wohl nur in geringem
Umfang frisch genossen, die Herstellung von Käse ist in den
Linear B-Texten belegt.2189 Das wichtigste Süßungsmittel im
spätbronzezeitlichen Griechenland war der Honig.2190 Er
diente nicht nur als Nahrungsmittel, sondern war auch eine
beliebte Opfergabe an die Götter.
Wenngleich die maritimen Ressourcen natürlich genutzt
wurden, so spielte Fisch stets nur eine geringe Rolle.
Nichtsdestotrotz konnten auf archäologischen Fundstellen der
späten Bronzezeit bisher mindestens 36 Meeres- und
Süßwasserfische identifiziert werden. Gleiches gilt für die
verschiedensten Weichtiere, die sicher eine geschätzte und
willkommene Zusatznahrung darstellten.2191
Als Getränk läßt sich im minoischen Bereich – vor allem in
kultischem Umfeld – ein Mischgetränk aus Bier, Wein und
Honigmet nachweisen. Wein war allerdings nur einem
beschränkten Personenkreis zugänglich und spielte noch nicht
die Rolle wie etwa in römischer Zeit. Bier und Met sind nur
recht spärlich nachgewiesen. Frische Milch wurde wohl nur in
sehr eingeschränktem Maß getrunken. Vermuten könnte man
die Erzeugung diverser Fruchtsäfte. Hauptgetränk dürfte aber
in der Bronzezeit stets Wasser gewesen sein.
14. 2. Regionale Unterschiede
Es liegt auf der Hand, daß es eine mykenische Ernährung
schlechthin nicht gab. Nicht allerorts verzehrte man die
gleichen Nahrungsmittel in der gleichen relativen Häufigkeit.
2189
Siehe Kap. 8.
Siehe zu diesem Kap. 9.
2191
Zu Fischen und Weichtieren siehe Kap. 10 und 11.
2190
393
Mykenische Enährung
Besonders regionale Unterschiede lassen sich im
Quellenmaterial gut erkennen. So ergab etwa der Vergleich
des Strontiumgehaltes in menschlichen Skelettresten aus
Nichoria in Messenien sowie aus Athen, daß man in Attika die
pflanzliche Kost möglicherweise durch mehr Meerestiere
ergänzte als in Messenien, während die Nichorianer mehr
Fleisch von Landtieren verzehrten als die Athener.2192
Ein Vergleich der Tierknochenfunde zeigt, daß im
spätbronzezeitlichen Tiryns mehr Rindfleisch gegessen wurde,
während man im zeitgleichen Pylos möglicherweise mehr
Schweinefleisch
verzehrte.
Ebenfalls
im
Tierknochenfundmaterial erkennbar ist der Umstand, daß man
im Norden, also in Thessalien oder Makedonien, weit mehr
Wildtiere verzehrte als in Messenien oder in der Argolis.
Vergleicht man Festland und Kykladen, so ist festzustellen,
daß auf den Inseln zu allen Zeiten relativ gesehen weniger
Rinder und mehr Schafe und Ziegen gehalten wurden.2193 Daß
auf den Kykladen Fisch eine größere Rolle in der Ernährung
spielte als auf dem Festland oder auf Kreta, ist möglich, kann
mangels ausreichender Daten aber nicht verifiziert werden.
Deutliche Unterschiede lassen sich auch beim Getreide
erkennen. Weizen war etwa in Makedonien von größerer
Bedeutung, während in Mittel- und Südgriechenland, wie auch
auf den Kykladen, die Gerste das Hauptgetreide war. Ähnlich
verhält es sich mit der Hirse, die im Norden in großen Mengen
angebaut wurde, während sie im Süden keinerlei Bedeutung
besaß.2194
Auch der Lebensraum spielte offenbar eine nicht
unbeträchtliche Rolle. P. J. P. McGeorge hat auf die deutlichen
Unterschiede der Lebensweise zwischen „städtischer“ und
ländlicher Bevölkerung im spätbronzezeitlichen Kreta
2192
Siehe dazu Bisel/Angel 1985.
Siehe dazu Kap. 7. 2.
2194
Siehe Kap. 3. 2. 4.
2193
394
14. Historische Auswertung
hingewiesen. So hatten die Bewohner Chanias etwa eine
höhere Kindersterblichkeit, eine niedrigere Lebenserwartung
der Erwachsenen, eine kleinere Statur, eine doppelt so hohe
Kariesrate und mehr Mangelerkrankungen als etwa die Leute
aus Armenoi. Der Grund dafür lag offenbar in einer
chronischen Unterernährung der Stadtbewohner, die mehr
Kohlehydrate und zu wenige Mineralien und Vitamine zu sich
nahmen.2195
14. 3. Soziale Differenzierung
Ebenso lassen sich soziale Unterschiede feststellen. Die in den
beiden Schachtgräberkreisen von Mykene bestatteten
Mitglieder der lokalen Aristokratie ernährten sich besser und
konnten sich ein gesünderes Leben leisten als ihre
Zeitgenossen. Auffällig ist etwa, daß offenbar höhergestellte
Personen eine größere Menge von Fischen und anderen
Meerestieren konsumierten als der Rest der Bevölkerung. Im
Gegensatz dazu spielte Fisch in der Ernährung der in den
Kammergräbern um Mykene bestatteten Personen der
Mittelschicht wie auch der in den Kammergräbern von
Armenoi begrabenen Menschen so gut wie gar keine Rolle.
Besonders bei den Leuten aus Armenoi waren Zahnprobleme,
Infektions- und ernährungsbedingte Krankheiten verbreitet.
Interessant ist weiters, daß es offenbar auch Unterschiede
zwischen der Ernährung der Geschlechter gab, so aßen die
Männer aus dem Schachtgräberkreis A anscheinend mehr
Meeresfrüchte als die Frauen, und in Armenoi nahmen die
männlichen Individuen
mutmaßlich
mehr
tierische
2196
Nahrungsmittel zu sich als die weiblichen.
2195
2196
Hallager/McGeorge 1992 S. 43f.
Siehe dazu Kap. 1. 4. 1.
395
Mykenische Enährung
14. 4. Das Konzept der „mediterranen Trias“
In Arbeiten zu prähistorischer sowie klassischer
Landwirtschaft und Ernährung ist immer wieder davon die
Rede, daß die sogenannte „mediterrane Trias“ – Getreide,
Wein und Olive – die wichtigsten in Griechenland angebauten
Pflanzen gewesen wären und auch den Hauptbestandteil der
Ernährung gebildet hätten.2197 Dieses Modell läßt sich
allerdings nur schwer aufrecht erhalten. Eine auf Getreide,
Oliven und Wein basierende Kost erfüllt keineswegs die
diätetischen Voraussetzungen für eine ausgewogene
Ernährung, es fehlt vor allem eine ausreichende Menge
Eiweiß.2198 Dieses mußte entweder durch den regelmäßigen
Verzehr von Fleisch oder den Konsum von proteinreichen
Hülsenfrüchten, auf deren immense Bedeutung in diesem
Zusammenhang
besonders
A.
Sarpaki
hinwies,2199
aufgenommen werden. Das Konzept der mediterranen Trias
übersieht aber auch die Wichtigkeit der Feigen, die sowohl im
archäobotanischen Fundmaterial als auch in den Linear BTexten eine so bedeutende Rolle spielen. Dagegen wird die
Bedeutung des Weines klar überschätzt. Wie gezeigt wurde,
war Wein zwar ein traditioneller Bestandteil der griechischen
Landwirtschaft, er stand der Bevölkerung in mykenischer Zeit
wohl aber nur in eingeschränkten Maßen zur Verfügung.
14. 5. Ernährungszustand
Die Zusammensetzung der Nahrung wies, wie oben gezeigt
wurde, zahlreiche regionale wie auch soziale Unterschiede auf.
Gleiches gilt natürlich für den Ernährungszustand der
2197
Zuletzt: Curtis 2001 S. 259.
Siehe dazu auch Hondelmann 2002 S. 2f., 58.
2199
Sarpaki 1992.
2198
396
14. Historische Auswertung
Menschen im spätbronzezeitlichen Griechenland. Angehörige
höherer Schichten, wie sie etwa in den beiden
Schachtgräberkreisen von Mykene bestattet sind, waren besser
ernährt als das einfache Volk, wie man es etwa in der
Nekropole von Armenoi antrifft.2200
S. C. Bisel und J. L. Angel kamen in ihrer Studie zu
Ernährung und Gesundheit in mykenischer Zeit2201 zum
Schluß, daß die Mykener im allgemeinen wohl die nötigen
Aminosäuren und Mineralien bekamen, die der Körper
benötigte, daß sie möglicherweise aber zuwenig Eisen sowie
nicht genügend Proteine und Kalorien zu sich nahmen. Dies
hatte vermutlich ein nicht optimales Wachstum, desgleichen
eine geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten
und Infektionen zur Folge. Es lassen sich immer wieder
Erkrankungen (z. B. Anämien) feststellen, die mit einem
Mangel an bestimmten Nährstoffen in Verbindung stehen, so
z. B. in Chania.2202 Ein hoher Anteil von Kohlehydraten, wie
er der spätbronzezeitlichen Ernährung in Griechenland wohl
zu eigen war, scheint außerdem mit einer geringeren
Lebenserwartung in Verbindung zu stehen.
Das Fehlen von Rohzucker und das wohl nur sporadische
Verwenden von Honig trug zu einem allgemein guten Zustand
der Zähne bei. P. J. P. McGeorge stellte bei der Untersuchung
von SM III-Skelettmaterial aus Chania aber einen relativ
hohen Prozentsatz von Zahnkaries (36,9%) fest.2203
Der Gebrauch von Olivenöl anstatt tierischer Fette brachte mit
sich, daß die mykenische Ernährung relativ cholesterinarm
war, ein Faktum, das aufgrund der Tatsache, daß die meisten
Leute nicht alt genug wurden, um Herzerkrankungen zu
entwickeln, allerdings nur von eingeschränkter Bedeutung
war. Alles in allem war die mykenische Ernährung nach
2200
Siehe Kap. 2.
Bisel/Angel 1985.
2202
Hallager/McGeorge 1992 S. 40, 42.
2203
Hallager/McGeorge 1992 S. 39.
2201
397
Mykenische Enährung
modernen Standards unter dem optimalen Niveau, sie erlaubte
aber einen hinreichenden Grad an guter Gesundheit.
14. 6. Qualität der Nahrungsmittel
Die starke Abnutzung, die sich oft beim Zahnmaterial der
Menschen der späten Bronzezeit feststellen läßt, so etwa in
Chania, ist zum einen auf den Verzehr von mehr rohen
Nahrungsmitteln, zum anderen auf Sand und Erde an nur
schlecht gewaschenen Pflanzen und auf unreines und nur
mangelhaft gemahlenes Mehl zurückzuführen.2204
Die Qualität der Nahrungsmittel war im Laufe der Zeiten, wie
oben gezeigt wurde, auch durchaus unterschiedlich. Die
Überbeanspruchung des Bodens durch die intensive
Palastlandwirtschaft führte etwa im Laufe der Zeit zu einer
verminderten Körnergröße des Saatgutes.2205
Eine weitere Folge war eine häufige Verunkrautung.
Regelmäßig tritt etwa der Taumellolch2206 (Lolium
temulentum), ein unaufälliges Bartgras, das durch den Befall
mit spezifischen parasitischen Pilzen gefährlich werden kann,
auf. Der Verzehr der Früchte des Lolches kann durch
Stoffwechselprodukte dieser Pilze zu mehr oder minder
schweren Vergiftungserscheinungen führen.
14. 7. Nahrungsmittelknappheit und Hungersnöte
Nahrungsmittelknappheit und Hungersnöte,2207 verursacht
durch die verschiedensten Faktoren – seien es nun
geographische, klimatische oder politische Gründe – kamen in
2204
Hallager/McGeorge 1992 S. 39f.
Kroll 1984 S. 217ff.
2206
Kroll 1982 S. 483; Kroll 1993 S. 165.
2207
Siehe dazu Garnsey 1999 b, dort auch weitere Literatur.
2205
398
14. Historische Auswertung
der klassischen Antike regelmäßig vor. Auch für die
mykenische Epoche kann man derartige Hungerperioden
vermuten. Archäologisch lassen sich solche Zeiten des
Mangels natürlich kaum nachweisen, einen Hinweis können
aber die vor allem gegen Ende der späten Bronzezeit
nachgewiesenen Schädlinge des Ackerbaus geben. Diese
lassen zu dieser Zeit katastrophale Mißernten erahnen, die die
Bevölkerung mangels Ausweichmöglichkeiten hart getroffen
haben müssen. Einem flexiblen Reagieren, wie etwa einem
schnellen Ersatz der betroffenen Art durch eine andere,
unbeeinträchtigt wüchsige, stand möglicherweise die starre
ökonomische Struktur – von Kilian2208 als eine „bis ins Detail
gelenkte Planwirtschaft“ bezeichnet – entgegen.2209
14. 8. Vorratshaltung
Nahrungsmittel sind nicht zu allen Zeiten in gleichem Maße
verfügbar. Um eine geregelte Versorgung der Bevölkerung mit
Nahrungsmitteln sicherzustellen, war daher eine durchdachte
Schaffung von Lebensmittelvorräten unabdingbar. Im Laufe
der Zeit entwickelten sich unterschiedliche Formen der
Vorratshaltung.2210
So legte man bereits im Neolithikum Vorratsgruben (Bothroi)
an, die innen auch sorgfältig ausgekleidet wurden. Die
Nahrungsmittel in den Bothroi wurden zur Verlängerung ihrer
Haltbarkeit häufig mit Asche bedeckt.2211
Als Vorratsgefäße dienten in erster Linie die großen,
gelegentlich übermannshohen Pithoi. In der Regel waren diese
mehr oder weniger weit in den Boden eingelassen, oft auch in
Podeste eingemauert. Das Einlassen der Gefäße in den Boden
2208
Kilian 1980 a S. 192.
Kroll 1984 S. 219.
2210
Siehe dazu Kap. 12.
2211
Siehe zu den Bothroi Kap. 12. 3.
2209
399
Mykenische Enährung
sorgte
durch
die
so
erreichte
gleichmäßige
Aufbewahrungstemperatur nicht nur für eine verlängerte
Haltbarkeit der Lebensmittel, sondern erleichterte auch den
Zugriff auf die Güter.2212
Daneben verwendete man aber noch andere Arten von
Vorratsgefäßen.2213 Hier sind etwa die Bügelkannen zu
nennen, welche als die Ölgefäße par excellence gelten, sowie
Amphoren, in denen Öl, Wein oder Honig aufbewahrt wurde.
Dazu kamen verschiedenste Formen von Kannen, Krügen,
Kisten und Körben. Diese Behältnisse standen oft in Höfen
oder Wirtschaftsräumen, wenn man es erübrigen konnte,
widmete man der Vorratshaltung eigene Räume oder gar
Gebäude.
Beispiele für Speicherbauten2214 gibt es in der Ägäis
zahlreiche. Besonders in der frühen Bronzezeit finden sich
große, runde Getreidespeicher, etwa in Orchomenos oder
Tiryns. Im frühbronzezeitlichen Knossos wurden gewaltige
Hypogaea festgestellt, die ebenso der Aufbewahrung von
Lebensmitteln dienten. Im Palast von Mallia konnten große,
runde Silobauten aufgedeckt werden. Die Funktion von
unterirdischen Bauten in den Palästen von Knossos und
Phaistos (Koulouras) ist zwar umstritten, aber auch diese
dürften der Lagerung von Nahrungsmitteln gedient haben.2215
In den minoischen und mykenischen Palästen befanden sich
ausgedehnte Magazintrakte. Meist sind dies langrechteckige
Räume, an deren Wänden Podeste aufgemauert waren, auf
welchen dann die Vorratsgefäße standen. In diesen palatialen
Vorratsräumen finden sich gelegentlich Spuren ausgefeilter
Installationen, etwa Heizvorrichtungen oder Abflußkanäle für
übergelaufene Flüssigkeiten, die Zeugnis von der Effizienz der
Palastverwaltung ablegen.
2212
Zu den Pithoi siehe Kap. 12. 1.
Siehe dazu Kap. 12. 2.
2214
Siehe dazu Kap. 12. 5.
2215
Zu den Koulouras siehe Kap. 12. 4.
2213
400
14. Historische Auswertung
14. 9. Zubereitung
Einiges läßt sich auch über die Zubereitung dieser
Nahrungsmittel sagen. Kochgeschirr, in dem sich Reste des
Inhalts erhalten haben, Speisen, die durch Verkohlen
konserviert wurden, sowie Brandspuren an Knochen dienen
hier als wertvolle Quellen.
Das Getreide wurde gemahlen, aus dem so gewonnenen Mehl
erzeugte man Breie und Fladenbrote. Auch Hülsenfrüchte
wurden teilweise vermahlen und zu Brot weiterverarbeitet.
Besonders beliebt war die Zubereitung von einer Art
Hülsenfruchtpüree (Fava).2216
Das Fleisch wurde vermutlich sowohl frisch als auch
geräuchert oder getrocknet verzehrt. Man briet große
Fleischstücke am Spieß oder auf dem Rost, üblich war es
offenbar auch, ganze Tierköpfe – meist vom Schwein – auf
dem Rost zu braten. Überaus geschätzt waren in der
mykenischen Küche anscheinend Eintöpfe, die aus Fleisch,
Getreide, Hülsenfrüchten, Gemüse und Olivenöl bereitet
wurden.2217
Über die Zubereitung der Fische läßt sich nichts Sicheres
sagen, es ist allerdings anzunehmen, daß diese in erster Linie
gegrillt oder gebraten wurden, gelegentlich hat man sie wohl
auch in diversen Eintöpfen verarbeitet. Die Weichtiere wurden
wohl häufig lebend in kochendes Wasser geworfen. Dann ließ
sich das Fleisch problemlos aus dem Gehäuse ziehen.2218
Zahlreiche Geräte und Anlagen, die der Verarbeitung und
Zubereitung von Lebensmitteln dienten, sind für die späte
Bronzezeit belegt,2219 so etwa Mörser, in denen Getreide und
Hülsenfrüchte zerstampft wurden, oder Sattelmühlen, die dazu
2216
Zur Zubereitung von Hülsenfrüchten siehe Kap. 4. 6.
Zur Zubereitung von Fleisch siehe Kap. 7. 6.
2218
Siehe dazu Kap. 11. 1.
2219
Siehe dazu Kap. 13.
2217
401
Mykenische Enährung
dienten, die Körner zu Mehl zu vermahlen.2220
Unterschiedliche Typen von Installationen konnten
identifiziert werden, in welchen Wein und Oliven gepreßt
wurden.2221 Die Speisen selbst wurden schließlich entweder
auf festen Herdstellen oder – dies ist häufiger belegt – auf
tragbaren Öfen bereitet. Auf überkuppelte Öfen gibt es nur
wenige Hinweise.2222
Eine Vielzahl von Koch-2223 und Eßgeschirr2224 trat in
archäologischen Ausgrabungen zu Tage.2225 Häufigste Form
beim Kochgeschirr sind Töpfe von unterschiedlicher
Gestaltung, die auf drei Füßen ruhten und so direkt über das
Feuer gestellt werden konnten. Dazu kamen verschiedenste
Platten, Schalen und Schüsseln aus grobtoniger Keramik. Des
weiteren sind zahlreiche Küchenutensilien wie Trichter, Siebe,
Reiben, Waagen oder Schöpfer bekannt.2226
Als Eßgeschirr bevorzugte man verschiedenste Schalen, Näpfe
und Schüsseln von offener Form, erhalten sind aber auch
Teller und Schneidbretter. Als Trinkgefäße sind zahlreiche
Tassen, Kelche und Becher belegt. Messer und Löffel dienten
als Besteck. Die Gabel taucht ja erst im Hochmittelalter auf
und diente bis ins späte Mittelalter nur zum Vorlegen, vor
allem von Fleisch. Vom 16. Jh. an wurde sie dann zunehmend
auch als Eßgerät verwendet.
2220
Zu Mörsern und Mühlen siehe Kap. 13. 1.
Zu den Preßvorrichtungen siehe Kap. 13. 2.
2222
Zu Öfen und Herdstellen siehe Kap. 13. 3.
2223
Siehe dazu Kap. 13. 5.
2224
Siehe dazu Kap. 13. 7.
2225
Unbemalte Gebrauchskeramik macht in Siedlungen bis SH III B etwa
90% des Keramikfundmaterials aus: Mountjoy 1993 S. 32.
2226
Siehe dazu Kap. 13. 6.
2221
402
14. Historische Auswertung
14. 10. Nahrungsmittelproduktion und die Paläste
Die Linear B-Texte lassen erkennen, daß bestimmte Teile der
Nahrungsmittelproduktion von den Palästen genau überwacht
und kontrolliert wurden. So zeigen etwa die Texte aus
Knossos – KN E 848, E 850, E 1035, F 845, F 851, F 852 –,
die durch das Wort a-ma charakterisiert sind, wie die
Getreideernte bestimmter Regionen verzeichnet wurde.2227
Auch der Anbau und die Ernte von Oliven wurde überwacht,
denn die Erzeugung von und der Handel mit Olivenöl stellten
einen der wesentlichen Wirtschaftszweige der mykenischen
Paläste dar. KN F (2) 852+8071 und KN F (2) 841+867
scheinen beispielsweise die Olivenernte zweier Orte in der
kretischen Mesara-Ebene aufzulisten. Auch das Potential und
der Ertrag von Weingärten wurde von Palastbeamten
kontrolliert, so etwa auf PY Er 880 und KN Gv 863.
Eine Zusammenstellung der in den Linear B-Texten
vorkommenden Berufbezeichnungen, die mit Nahrungsmitteln
in Zusammenhang stehen, zeigt, in welche Bereiche der
Nahrungsmittelproduktion der Palast involviert war.
Der Gärtner wurde als pu-te,2228 , bzw. im Plural als
pu2-te-re,2229 *, bezeichnet. Verantwortlich für die
Überwachung der Olivenpflanzungen waren möglicherweise
Beamte, die den Titel o-pi-ka-pe-e-we,2230 dessen zweiter Teil
wohl in Verbindung mit steht, trugen. Ebenso wurden
die Feigenpflanzungen überwacht, die dafür zuständigen
Aufseher wurden wohl als o-pi-su-ko,2231 *,
bezeichnet. Ob sich die Berufsbezeichnung te-u-ta-ra-ko-ro2232
2227
Siehe dazu Kap. 3. 4. 4.
Aura Jorro 1993 S. 174f.
2229
Aura Jorro 1993 S. 179.
2230
Aura Jorro 1993 S.39f.
2231
Aura Jorro 1993 S. 43.
2232
Siehe dazu: Aura Jorro 1993 S. 343f.
2228
403
Mykenische Enährung
auf PY An 424.1 und PY Eo 276.1 möglicherweise als
*, als „Sammler von Roter Bete“, interpretieren
läßt, bleibt unklar. Umstritten ist auch die Bezeichnung po-qate-u auf PY Qa 1295. Möglicherweise ist dieser Begriff mit
po-qa, *w, Nahrung,2233 auf PY Un 138.2 und TH Ug
17 in Zusammenhang zu bringen. M. Lindgren dachte an eine
Person, die die Verantwortung über die Verteilung von Oliven
an das Palastpersonal trägt.2234 In Verbindung mit der
Hesychglosse
747
()wurde aber auch an einen
„Spezialisten für Kräuter“ gedacht.2235 Ein religiöser Titel
*w(vgl. ) wurde ebenso in Betracht
gezogen.2236 Eine sichere Entscheidung läßt sich hier nicht
treffen.
Genauso hielt die mykenische Administration penibel fest, wo
und unter wessen Aufsicht sich die diversen, zum Palast
gehörenden Herden befanden. Die Hirten wurden als pome,2237 , bezeichnet, wobei es sich hier durchaus nicht
nur um Leute, die tatsächlich auf den Feldern die Tiere
beaufsichtigten, sondern möglicherweise auch um höhere
Beamte gehandelt haben könnte.2238 Unter dem a3-ki-pa-ta,
einer männlichen Personenbezeichnung im Nominativ auf PY
Ae 108, PY Ae 264 sowie auf KN Fh 346 ist wohl ein
*, ein Ziegenhirt zu verstehen.2239 Rinderhirten
werden in Linear B als qo-u-ko-ro für *w(=
2233
Aura Jorro 1993 S.141f.
Lindgren 1973 II S. 121.
2235
Perpillou 1973 S. 158, 317; Aura Jorro 1993 S. 142.
2236
Ventris/Chadwick 1973 S. 485, 573; Aura Jorro 1993 S. 142.
2237
Aura Jorro 1993 S. 136f.
2238
Siehe etwa Olivier 1988 S. 220f.; L. R. Palmer (L. R. Palmer 1963 S.
192f.) hält etwa den po-me ti-pa2-jo für einen Palastfunktionär, dessen Titel
als „Master of the Royal Herds“ übersetzt werden sollte.
2239
Aura Jorro 1985 S. 135.
2234
404
14. Historische Auswertung
) bezeichnet,2240 eine weitere Berufsbezeichnung
bzw. ein Amtstitel, der mit Rindern zu tun hat, ist der qo-qo-ta
bzw. qo-u-qo-ta, der als ein *ww(= )
interpretiert wird, dessen genaue Funktion aber obskur
bleibt.2241 Schweinehirten werden als su-qo-ta für
*w(= bezeichnet.2242
Die Benennung me-ri-te-wo ist als eine Berufsbezeichnung im
Genitiv Singular *,Imker, zu betrachten.2243 Eine
weitere Berufsbezeichnung bzw. ein Titel, der mit Honig zu
tun hat, ist der me-ri-du-ma bzw. me-ri-da-ma. Unter diesen
Beamten, den bzw. , sind wohl
„Aufseher des Honigs", welche die Produktion, die Abgabe
und den Transport von Honig zu überwachen hatte, zu
verstehen.2244
Als a-to-po-qo,2245 , bezeichnete man den
Bäcker.2246 Eine verwandte Berufsbezeichnung ist a-si-to-poqo,2247 das entweder als Konfusion von und bzw.
a-to-po-qo und si-to-po-qo, Koch,2248 oder als eine
Verschreibung von a-pi-to-po-qo, „einer der mit
kocht“, aufzufassen ist. Bei den me-re-ti-ri-ja/me-re-ti-ra22249
handelt es sich wohl um die Frauen, die Mehl, me-re-u-ro,
produzierten. Die Frauen mit dem Titel si-to-ko-wo2250 hatten
2240
Aura Jorro 1993 S. 210f.
Aura Jorro 1993 S. 208, 211.
2242
Aura Jorro 1993 S. 304f.
2243
Ventris/Chadwick 1973 S. 560; Aura Jorro 1985 S. 440.
2244
Siehe dazu: Aura Jorro 1985 S. 439f.
2245
a-to-po-qo findet sich fünfmal in den Texten: PY An 39.11, PY An
427.3, PY Fn 50.7, MY Au 102.14, MY Oe 117.
2246
Ventris/Chadwick 1973 S. 535; Aura Jorro 1985 S. 120f.
2247
Aura Jorro 1985 S. 109f.
2248
Ventris/Chadwick 1973 S. 534.
2249
Siehe dazu Aura Jorro 1985 S. 437f.
2250
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 298f.
2241
405
Mykenische Enährung
wohl ebenfalls mit der Verarbeitung von Getreide zu tun, die
genaue Bedeutung dieser Berufsbezeichnung ist jedoch unklar.
Ebenfalls umstritten ist die Bedeutung des Wortes do-qe-ja2251
auf PY An 607.1.2.3.5.6.7. Einige Forscher halten das Wort
für den Namen einer Gottheit.2252 Andere Gelehrte halten den
Terminus für eine Berufsbezeichnung, die sich auf die auf
dieser Tafel registrierten Frauen bezieht. Dabei wurde
einerseits an eine Verbindung mit , schneiden bzw.
pflücken, gedacht, und die Frauen wurden als Schnitterinnen
bzw. Pflückerinnen interpretiert.2253 Andererseits wurde auch
ein Zusammenhang mit , Abendessen bzw. Mahlzeit,
vorgeschlagen, und die Frauen wurden als Frauen, die mit der
Mahlzeit beschäftigt sind, also Köchinnen, angesprochen.2254
Eine klare Entscheidung läßt sich hier m. E. nicht treffen,
beide Vorschläge sind etymologisch möglich.
Wenn wir die Bereiche, für die wir Berufbezeichnungen
aufgelistet haben, nun zusammenfassen, so sind dies die
Erzeugung und Verarbeitung von Getreide, der Anbau von
Wein, Öl und Feigen, sowie die Schaf-, Ziegen-, Schweine-,
Rinder- und Bienenzucht. Dazu kamen der Anbau und der
Vertrieb von Gewürzen. Für diesen Sektor sind zwar keine
Berufsbezeichnungen belegt, er tritt uns aber sonst aus den
Texten deutlich entgegen.
Andere Teilbereiche der Nahrungsmittelproduktion scheinen
in den Linear B-Texten völlig zu fehlen, diese Güter wurden
wohl außerhalb der Kontrolle der Paläste erzeugt und
verhandelt. Beispiele dafür sind etwa der Anbau von
Hülsenfrüchten, von Gemüse und von diversen Früchten und
2251
Siehe dazu Aura Jorro 1985 S. 189.
Z. B. L. R. Palmer 1957 S. 566; Adrados 1957; Bennett 1961 S. 10;
Palmer 1965 S. 112.
2253
Ventris/Chadwick 1973 S. 167, 541.
2254
Z. B. Pugliese Carratelli 1954 S. 95; Deger-Jalkotzy 1972 S. 153ff.
2252
406
14. Historische Auswertung
Nüssen, welcher offenbar dem privaten Sektor oblag, sowie
der Fischfang.
14. 11. Handel mit Nahrungsmitteln
In Griechenland wurde zu allen Zeiten auf lokaler wie auch
auf überregionaler Ebene mit Nahrungsmitteln gehandelt. Ein
Fragment des Dichters Hermippos2255 macht dies anschaulich:
Musen, Bewohner olympischer Höhen, jetzt sagt mir,
wieviel Güter Dionysos, seit er das purpurne Meer überquerte,
auf seinen schwärzlichen Schiffen den Menschen schon
brachte:
Silphion-Kraut aus Kyrene [...]
und vom Hellespontos fette Makrelen und alles Gepökelte,
Grütze sodann aus Thessalien und Rippen vom Rinde. [...]
Schweine und Käse, das liefern die Syrakusaner.
Rhodos (bringt) Rosinen, getrocknete Feigen für glückliche
Träume.
Aber von Euboia kommen die Birnen und glänzende Äpfel. [...]
Die Eicheln des Zeus und die schimmernden Mandeln,
diese gewährt Paphlagonien; sie geben das Beiwerk zum
Mahle.
Aus dem phönizischen Land stammen Dattel und Weizen [...].
Unglücklicherweise geben uns die Linear B-Texte so gut wie
keine Auskunft zur Frage des Handels in mykenischer Zeit.2256
Die Bezeichnung ke-se-ni-wi-jo, *, fremd bzw. „für
den Export bestimmt“,2257 auf PY Fr 1231.2 in Verbindung
2255
Bei Ath. 1, 27 eff. Übersetzung von Claus Friedrich.
Zum Handel in mykenischer Zeit siehe: Killen 1985 S. 262ff.; Knapp
1991; Palaima 1991; Cline 1994; Olivier 1997.
2257
Aura Jorro 1985 S. 353f.
2256
407
Mykenische Enährung
mit Olivenöl weist auf die Ausfuhr dieses Produktes hin, was
durch die große Menge mykenischer Keramik etwa in der
Levante oder auf Zypern weitere Bestätigung erfährt.
In einem akkadischen Text aus Ugarit (PRU 3, 107 [RS
16.238]) ist der Import von Getreide (še'u), einem
fermentierten Getränk (šikaru) sowie Öl (šamnu) aus Kreta
verzeichnet.2258 Im Papyrus Ebers ist zwar die Rede von
Bohnen aus Keftiu, aber aus dieser Stelle läßt sich kein
direkter Handel ableiten.2259
Einen weiteren Hinweis auf den Handel mit Nahrungsmitteln
stellen die Funde aus dem bronzezeitlichen Wrack von Ulu
Burun dar.2260 In diesem Schiff, welches im späten 14. Jh. v.
Chr. vor der türkischen Küste sank, fanden sich Koriander,
Schwarzkümmel, Sumach, Saflor, Kapern, Trauben, Feigen,
Granatäpfel, Oliven, Mandeln, Eicheln, Pinienkerne und vor
allem um die hundert kanaanitische Amphoren, die Reste von
Terebinthenharz enthielten. Diese kanaanitischen Amphoren
stellen die häufigsten Orientalia in spätbronzezeitlichem
Kontext in der Ägäis dar.2261 Exemplare, in denen Spuren von
geharztem Wein festgestellt werden konnten, stammen etwa
aus dem Kultzentrum von Mykene.2262 Dabei handelt es sich
offensichtlich um einen Import aus dem Osten. Sollte es sich
bei dem noch unidentifizierten po-ni-ki-jo tatsächlich um
Datteln handeln, was aber, wie oben besprochen, recht
unsicher ist, würden auch diese aus dem Osten importiert
worden sein, desgleichen möglicherweise diverse Gewürze,
wie etwa Sesam2263 oder Kümmel.2264
2258
Knapp 1991 S. 37. Diese Güter stammen zwar nicht sicher aus Kreta, die
Wahrscheinlichkeit ist aber recht hoch.
2259
Cline 1994 S. 109, A. 9.
2260
Siehe dazu: Knapp 1991 S. 27f.; Haldane 1993.
2261
Cline 1994 S. 94ff., 168ff.
2262
Tzedakis/Martlew 1999 S. 156ff.
2263
Cline 1994 S. 128.
2264
Cline 1994 S. 128.
408
14. Historische Auswertung
14. 12. Nahrungsmittel und Heiligtümer
In der Antike war es üblich, den Göttern Opfergaben ()
darzubringen. Dies geschah, um den Gottheiten Ehre zu
erweisen, ihnen zu danken, aber ebenso, um ein Anliegen an
sie zu richten.2265 Opfer dienten der Abwehr von Übel, der
Reinigung vor bestimmten Handlungen sowie der Sühnung
von Vergehen. Sie bildeten seit jeher einen zentralen Teil des
griechischen Kultes.
Grundsätzlich wurde ein Teil davon geopfert, was dem
Menschen wichtig und wertvoll war. Die Formen des
griechischen Opfers waren mannigfaltig und hingen oftmals
von der Art der Gottheit, der man opferte, vom Anlaß des
Opfers sowie von der Eigenart des Opfernden nach
Geschlecht, Alter, Berufs- und Stammeszugehörigkeit ab.
Zunächst soll das unblutige Opfer betrachtet werden. Hierbei
wurden verschiedenste Feldfrüchte dargebracht, entweder
einzeln oder von allem etwas.2266 Eine der häufigsten
Opfergaben war Getreide, sowohl in Form einzelner Körner,
wie beim Streuen der bei jedem Opfer, als auch in
Form von Mehlbrei2267 oder als ausgebackene Kuchen.2268
Auch Früchte bildeten einen wichtigen Bestandteil der
geopferten Nahrungsmittel. Am häufigsten scheint Demeter
diese Opfer erhalten zu haben, so opferte man ihr in Arkadien
alle veredelten Früchte außer der Granate,2269 aber auch
Poseidon erhielt Früchte.2270
2265
Theophr. fr. 584 a Fortenbaugh.
Porph. abst. 2, 7; Eur. Fr. 912 N.
2267
Aisch. Pers. 523f.; Dion. Hal. 2, 74;
2268
Aristoph. Thesm. 285.
2269
Paus. 8, 37, 7.
2270
Plut. Thes. 6.
2266
409
Mykenische Enährung
Auch von den anderen Nahrungsmitteln der Menschen
erhielten die Götter ihren Anteil, so findet man etwa den Käse
häufig unter den Opfergaben.2271
Erwähnt werden müssen auch die Trankopfer,2272 sowohl von
Wasser2273 als auch von Wein.2274 Man spendete den Wein
auch nach dem Mahle2275 und beim Gelage nach jeder neuen
Füllung des Mischkruges,2276 aber ebenso bei der Bestattung
der Toten.2277 Manche Götter verlangten aber auch einen
nüchternen Trank () aus Milch, Honig und
Wasser.2278
Das wichtigste Opfer aber war das Tieropfer. Dieses betraf in
der Regel nur der Nahrung dienende Tiere: Rind, Schwein,
Schaf, Ziege, Huhn, Gans, gelegentlich Wildbret und Fische,
nur äußerst selten andere Tiere wie Hunde2279 oder Pferde.2280
Die Tiere hatten physisch untadelig zu sein, je nach Gott, dem
sie zugedacht waren, mußten sie weiters eine bestimmte Farbe
bzw. ein bestimmtes Geschlecht haben. Am meisten wurde das
Rind als Opfertier geschätzt, billiger waren Schweine sowie
Schafe und Ziegen, die die häufigsten Opfertiere darstellten.
Unterschieden werden die Speiseopfer () und die Opfer,
die vollständig verbrannt und den Göttern überantwortet
wurden (). Über die einzelnen Opferhandlungen sind
wir aus der antiken Literatur2281 nur zum Teil unterrichtet, die
Etappen des Speiseopfers waren Wahl, Reinigung und
2271
Hom. Od. 9, 232.
Z. B. Hdt. 7, 192.
2273
Eur. Phoin. 662.
2274
Apoll. Rhod. 1, 534.
2275
Z. B. Eur. Ion 1032.
2276
Plat. Symp. 176 A.
2277
Hom. Il 23, 273; 24, 791; Eur. Iph. Taur. 633ff.
2278
Schol. zu Soph. Oid. Kol. 100; Plut. Praec. sanit. 19 p. 132f.
2279
Plut. qu. Rom. 52; 68; 111; Paus. 3, 14, 9.
2280
Paus. 8, 7, 2.
2281
Z. B. Hom. Il. 1, 447ff.; Hom. Od. 3, 429ff.
2272
410
14. Historische Auswertung
Schmückung des Tieres, Waschung, Kleidung und
Bekränzung der Teilnehmer, Bereitstellen des Opfergeräts,
dann als Einleitung der eigentlichen Handlung die rituelle
Waschung der Hände, das Herausnehmen und Hinwerfen der
Gerste sowie das Gebet mit Responsion der Teilnehmer.
Mittelpunkt der Zeremonie war schließlich die Schlachtung
des Tieres, dessen Halsschlagader so geöffnet wurde, daß das
Blut über den Altar floß. Daraufhin wurde das Tier zerlegt, die
für die Gottheit bestimmten Teile wurden herausgenommen,
ins Altarfeuer gelegt und mit Wein übergossen. Weitere Teile
für die Gottheit wurden auf einem Speisetisch hinter dem Altar
deponiert, vom übrigen wurde ein Rest für die Priester sowie
vielfach für die Magistrate ausgesondert, der Anteil der
Menschen konnte entweder gleich als Opfermahl gemeinsam
verzehrt, nach Hause mitgenommen oder schließlich verkauft
werden.
Bei den scheint nicht nur die Art der Schlachtung
eine andere gewesen zu sein, sondern das Tier mußte auch
vollständig geopfert werden, und kein Teil davon durfte
genossen werden.
Auch in den Linear B-Texten gibt es viele Hinweise auf die
Verbindung von Nahrungsmitteln und Kult. An erster Stelle
sei hier der Titel si-to-po-ti-ni-ja2282 auf MY Oi 701 erwähnt.
Dabei handelt es sich wohl um eine mit Getreide verbundene
Gottheit,2283 deren Darstellung man im bekannten Fresko der
Göttin mit dem Ährenbündel in der Hand aus dem Raum der
Fresken im Kultzentrum von Mykene vermuten kann.2284
Ebenfalls mit Getreide, im konkreten Fall mit , Gerste,
hat wohl die sowohl in Knossos als auch in Pylos bezeugte, als
2282
Siehe dazu Aura Jorro 1993 S. 299.
L. R. Palmer 1963 S. 489.
2284
Iakovidis 1996 S. 183.
2283
411
Mykenische Enährung
ki-ri-te-wi-ja2285 bezeichnete Gruppe von weiblichem
Kultpersonal zu tun.
Häufig werden in den Texten Nahrungsmittel an Heiligtümer,
Kultpersonal oder Gottheiten verteilt. Eindeutig in einem
kultischen Kontext stehen etwa die Tafeln der KN FsSerie,2286 auf denen Gerste, Feigen, Honig, Wein, Öl und Mehl
verzeichnet werden. Eine Verbindung mit Kult und Religion
scheint auch bei den Angaben von *120 in den „do-so-moTexten“ der PY Es-Serie2287 (außer PY Es 644) zu bestehen.
Weitere Getreidezuteilungen in kultischem Kontext sind etwa
auf den Tafeln KN E 842, KN E 777, KN E 847, KN F 51,
KN F 193, PY Un 1426, PY Un 718, PY Un 443.3, PY Un
47 oder PY Un 443.3 zu finden. Bei diesen
Getreidezuteilungen an Heiligtümer bzw. bei Einträgen von
Getreide in kultischem Kontext überwiegt *121, aber auch
*120 kommt vor.2288 Eine Verbindung zu Kult und Religion ist
auch in den TH Fq-Texten greifbar, *121 wird hier etwa an
die ma-ka, die , gegeben.2289
Olivenöl wird in der KN Fp- und in der PY Fr-Serie den
Göttern dargebracht, so etwa auf KN Fp 1 unter anderen dem
di-ka-ta-jo di-we, dem Dikteischen Zeus, oder den pa-si-te-o-i,
allen Göttern. Auf PY Vn 202290 wird die Zuweisung einer
größeren Menge Wein an die neun Hauptstädte der
diesseitigen Provinz, wohl anläßlich eines religiösen Festes,
verzeichnet. Auch auf PY Gn 428 ist Wein für bestimmte
Personen und Gruppen in religiösem Zusammenhang
bestimmt. Wein bildete auch einen Teil der gesammelten
Nahrungsmittel und Kleidungsstücke, die vom Palast an
2285
Aura Jorro 1985 S. 363; siehe dazu auch Kap. 2. 4. 3.
Zu den KN Fs-Tafeln aus Knossos siehe R. Palmer 1994 S. 125ff.
2287
Ventris/Chadwick 1973 S. 275ff.
2288
R. Palmer 1992 S. 485.
2289
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 180ff.
2290
R. Palmer 1994 S. 75f.
2286
412
14. Historische Auswertung
Heiligtümer gesandt wurden,2291 so etwa auf PY Un 718 für
Poseidon, wo sich unter anderem auch Getreide, Mehl, Honig
oder Käse unter den Opfergaben fanden. Die Funde aus
verschiedenen
Heiligtümern
im
spätbronzezeitlichen
Griechenland legen nahe, daß Wein als Bestandteil des
religiösen Rituals getrunken wurde.2292 Möglicherweise bildete
das Trinken von Wein auch einen Bestandteil von
Initiationsriten, wie dies Wright vermutet.2293
Käse findet sich abgesehen von PY Un 718 gemeinsam mit
verschiedenen pflanzlichen und tierischen Produkten, die
möglicherweise ebenfalls in einem religiösen Kontext zu
sehen sind, auf PY Un 1185.2294 Honig erscheint in den Texten
öfters als eine Gabe an die Götter, wie etwa an Poseidon,
außer auf PY Un 718 noch auf KN Gg (3) 717.2, an Eleuthia
auf KN Gg (3) 705.1, die Herrin des Labyrinths auf KN Gg
(1)702.2 und an alle Götter auf KN Gg 702 und Kn Gg 705.
Auch Tiere wurden an Gottheiten entrichtet, so etwa der Stier
und die beiden Schafe als Opfergabe an Poseidon auf PY Un
718. Der Ausdruck sa-pa-ka-te-ri-ja2295 auf KN C 941.B und
KN X 9191.a könnte für * stehen und für das
Opfer bestimmte Tiere bezeichnen.
Zusammenfassend läßt sich also festhalten, daß Lieferungen
von Nahrungsmitteln an Heiligtümer häufig in den Texten
vorkommen. Getreide, Olivenöl, Wein, Feigen, Honig,
Milchprodukte und Tiere werden vom Palast an die Götter,
ihre Heiligtümer, die Priester oder anderes Kultpersonal
gegeben. Die Lebensmittel wurden wohl den Göttern
dargebracht, über die Art der Riten kann nichts ausgesagt
werden. Es ist allerdings zu vermuten, daß zumindest ein
bestimmter Teil dieser Opfergaben im Rahmen von sakralen
2291
Siehe dazu: R. Palmer 1994 S. 101ff.
Siehe dazu: R. Palmer 1994 S. 110f. und 135ff.
2293
Wright 1996.
2294
R. Palmer 1994 S. 103, 114.
2295
Aura Jorro 1993 S. 280.
2292
413
Mykenische Enährung
Mahlzeiten von den Priestern, den Kultdienern oder den
Teilnehmern an der Zeremonie verzehrt wurde. Auf solche
Kultmähler weisen auch große Mengen von Kylikes hin, die
immer wieder in mykenischen Kulträumen und Kultgebäuden
auftauchen, so etwa im Heiligtum der Aphaia auf Aigina, dem
„Tempel“ in Aghia Irini auf Keos oder dem Kultzentrum von
Mykene.2296
14. 13. Öffentliche Mähler und Staatsbankette
Das gemeinsame Mahl besaß die ganze Antike hindurch eine
wichtige politische, soziale und kulturelle Bedeutung. Der
Brauch, eine Mahlzeit zu teilen, existierte seit jeher in der
griechischen Welt, die ältesten literarischen Zeugnisse dafür
finden sich in den homerischen Epen, der Ilias,2297 wo etwa
Agamemnon die achäischen Helden häufig zu einem Opfer
oder einer Mahlzeit ruft, und der Odyssee, wo etwa Nestor, der
König von Pylos, den Telemachos2298 bzw. Alkinoos, der
Herrscher der Phäaken, den Odysseus2299 einlädt.
Homer schildert Szenen reichhaltiger Gastmähler, welche
meist nach einem ähnlichen Schema ablaufen. Gelegentlich
wird vor dem Essen gebadet,2300 dann nehmen die Teilnehmer
Platz. Auf einen eventuell noch fehlenden Teilnehmer wird
mit dem Essensbeginn gewartet.2301 Eine Dienerin bringt
Kanne und Becken, und die Gäste waschen sich die Hände.2302
Dann wird der Tisch hingestellt und mit allerlei Speisen
2296
Siehe dazu Säflund 1980 S. 240.
Z. B. Hom. Il. 9, 89ff.
2298
Hom. Od. 3, 387 ff; 3, 469ff.
2299
Hom. Od. 8, 39ff.
2300
Hom. Od. 4, 48; 17, 87.
2301
Hom. Od. 24, 394ff.
2302
Hom. Od. 1, 136ff.; Hom. Od. 4, 52ff.; Hom. Od. 7, 172ff.; Hom. Od.
15, 135ff., Hom. Od. 17, 91ff.
2297
414
14. Historische Auswertung
beladen.2303 Jeder bekommt seinen angemessenen Anteil.2304
Gelegentlich wird die Handwaschung während des Mahles
wiederholt.2305 Während des Essens oder auch nachher singt
ein Sänger, auch Tänze werden aufgeführt.2306 Vor dem Essen
wird oft geopfert,2307 am Ende des Essens wird eine Spende
dargebracht.2308 Dann sitzt man noch eine Weile zusammen
und trinkt nach Belieben. Dieses gesellige Zusammensitzen,
etwa bei den Freiern im Haus des Odysseus2309 oder bei den
Phäaken,2310 bildete wohl den Ursprung der , denen
wir bald nach Homer begegnen.
Im klassischen Griechenland2311 waren öffentliche Gastmähler
ein wichtiger Bestandteil des politischen und kulturellen
Lebens. In Sparta und den kretischen Städten etwa waren die
Bürger
verpflichtet,
täglich
im
Rahmen
des
2312
2313
bzw. des miteinander zu speisen.
Diese Mahlzeiten waren nicht nur ein wichtiger Bestandteil
der , sie betonten auch sowohl die Gleichheit unter
den Bürgern als auch den Unterschied zu den Nichtbürgern.
Sie stellten ein die Staatsbürgerschaft definierendes Element
dar und wurden so zum Grundstein der ökonomischen und
sozialen Organisation.
2303
Hom. Od 1, 138 ff, Hom. Od. 4, 54ff.; Hom. Od. 7, 174ff.; Hom. Od. 8,
69f.; 15, 134f.; 17, 93ff.
2304
Hom. Il. 1, 468.
2305
Hom. Od. 4, 216f.
2306
Hom. Od. 1, 150 ff; Hom. Od. 4, 17ff.; 8, 97 ff, Hom. Od. 8, 248; Hom.
Od. 9, 7; Hom. Od. 17, 270; Hom. Od. 18, 304.
2307
Hom. Il. 9, 219 f; Hom. Od. 9, 231; Hom. Od. 14, 422f., Hom. Od. 435f.
2308
Hom. Od 7, 137f.; Hom. Od. 7, 179ff.; Hom. Od. 13, 55; Hom. Od. 18,
426.
2309
Hom. Od. 1, 151ff.
2310
Hom. Od. 8, 485ff.
2311
Siehe dazu: Schmitt-Pantel 1992; Schmitt-Pantel 199?.
2312
Xen. Lak. pol. 5; Plut. Lycurgos 10; 12 ; Aristot. pol. 2, 1271a.
2313
Ephor. FGrH 70 F 149; Dosiadas bei Ath. 4, 143 a; Pyrgion bei Ath. 4,
143 e; Aristot. pol. 2, 1272a.
415
Mykenische Enährung
Auch in anderen Städten speisten die Beamten während ihrer
Amtszeit gemeinsam. In Athen aßen die Prytanen während
ihrer Prytanie in der Tholos und bekamen eine
Unkostenvergütung für ihr Essen.2314 Eine Ehre, die
normalerweise offiziellen Vertretern anderer Städte, die als
Gesandte zur Volksversammlung kamen, zuerkannt wurde, ist
die , eine Einladung der Bürgerschaft zu einer
gemeinsam mit den Prytanen eingenommenen Mahlzeit.2315
Eine besonders große Ehre war das Recht, lebenslang im
Prytaneion zu speisen, die , welche nur in
außergewöhnlichen Fällen verliehen wurde.2316 Ein weiteres
Beispiel für eine öffentliche Bewirtung war der Dienst der
in Athen, in der die Stadt jedes Jahr zehn der
reichsten Bürger eine Mahlzeit für alle Bürger ihres jeweiligen
Stammes ausrichten ließ. Diese Liturgen wurden dann
genannt.2317
Auch in anderen, vergleichbaren Gesellschaften, etwa der
Kultur der Inka in Südamerika,2318 spielten Gastmähler und
öffentliche Staatsbankette eine wichtige Rolle. Es ist in
Analogie dazu mit Killen zu vermuten, daß öffentliche Mähler
und Staatsbankette auch an den Höfen mykenischer Fürsten
eine gewisse Rolle gespielt haben. Das archäologische und
epigraphische Material gibt in dieser Hinsicht aber nur
spärliche Auskünfte.
Als ein möglicher minoischer Bankettsaal wurde ein Raum im
Palast von Kato Zakros identifiziert, in welchem man
zahlreiche Amphoren und Oinochoen, einen Bronzedreifuß
2314
Aristot. Ath. pol. 43, 3.
Vgl. etwa IG II2 102; 107.
2316
Auf einem Beschluß aus der Mitte des 5. Jh. v. Chr. (IG I3 131) wurden
festgelegt: Priester von Eleusis, die Nachkommen von Harmodios und
Aristogeiton, von Apollon erwählte Persönlichkeiten und die Sieger der
olympischen, pythischen, isthmischen und nemeischen Wettkämpfe.
2317
Demosth. or. 20, 21; 39, 7.
2318
Vgl. Killen 1994 S. 70 f; 79.
2315
416
14. Historische Auswertung
und ein dreihenkeliges Tongefäß fand.2319 Auch in den
minoischen Palästen von Phaistos und Mallia2320 sowie in
einem Privathaus in Tylissos2321 wurden bestimmte
Räumlichkeiten als Banketthallen angesprochen, ebenso im
Unexplored Mansion.2322
Neben den Megara der mykenischen Paläste, die
möglicherweise nicht nur dem Empfang von Besuchern und
öffentlichen Audienzen, sondern auch der Abhaltung von
Staatsbanketten dienten,2323 wurde in Pylos Raum 65 im
Southwestern Building als Bankettsaal gedeutet.2324
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Programm
der Freskenausstattung des Megarons im Palast von Pylos.2325
Im Vestibül 5 findet sich eine Prozession von Gabenbringern,
die auch einen überlebensgroßen, wohl zu opfernden Stier mit
sich führen. Ebenfalls dargestellt ist ein gebauter „Altar“.
Derartige Prozessionsdarstellungen finden sich an zahlreichen
Stellen, sowohl in der Glyptik2326 als auch auf Fresken.2327 Es
ist vermutet worden, daß sich diese Darstellungen alle auf eine
bestimmte Form der Prozession beziehen, welche zu
ausgewählten Anläßen stattfand.2328
In Raum 6, dem Thronraum des Palastes von Pylos, findet sich
die Darstellung eines Lyra-Spielers und eines Vogels.2329
Diese Musiker bildeten wohl einen fixen Bestandteil von
2319
Daux 1965 S. 888ff.; Bruns 1970 S. 30f.
Graham 1961.
2321
Graham 1961 S. 169 Fn. 37.
2322
Graham 1975.
2323
Wace/Stubbings 1962 S. 494; Mylonas 1966 S. 47.
2324
Graham 1967.
2325
Siehe dazu: McCallum 1987.
2326
Z. B. CMS I 17, 86, 179.
2327
Z. B. Immerwahr 1990 S. 174f.; 191; 200f.; 202.
2328
Vermeule 1964 S. 193.
2329
McCallum 1987 S. 124ff.
2320
417
Mykenische Enährung
Banketten, Prozessionen und Opferhandlungen.2330 Auf TH
Av 106.7 sind Lyra-Spieler als ru-ra-ta-e, Nominativ Dual
von *, verzeichnet.2331 In Verbindung mit dem
Lyra-Spieler stehen schließlich zwei Paare von Männern, die
jeweils an einem Tisch sitzen, die wohl gerade trinken oder
sich zuprosten.2332 Auf den Tischen befinden sich keine
Speisen, und es sind, wenngleich man Darstellungen
Trinkender kennt, meines Wissens auch sonst keine
Speiseszenen in der ägäischen Kunst erhalten. Eine bekannte
Darstellung eines Trinkenden ist etwa die kleine, in FK II
datierende, sitzende Marmorfigur im Goulandris-Museum in
Athen, die in ihrer rechten, erhobenen Hand einen Becher
hält.2333 Die beste Parallele für die Darstellung in Pylos stellen
das Camp Stool Fresco aus Knossos2334 sowie die Szenen auf
einer SH III C-Kragenhalsamphora aus Tiryns2335 und dem
Goldring aus dem Schatz von Tiryns2336 dar. Die beiden
letzteren Darstellungen zeigen allerdings keine Bankettszenen
oder ähnliches, es handelt sich vielmehr um Bilder von
weiblichen Gottheiten.
Ebenfalls in Verbindung mit dem Lyra-Spieler steht die
Darstellung eines Opfertieres, eines Stieres, auf einer
Plattform oder einem Altar.2337 Vervollständigt wird das
Freskenprogramm im Megaron durch das Bild eines Löwen
und eines Greifen, welche den Thron flankieren.2338
2330
Vgl. dazu etwa eine Siegelung aus Pylos (CMS I 361) bzw. die
Darstellung auf dem Sarkophag von Hagia Triada (z. B. Siebenmorgen 2000
S. 119 Abb. 103).
2331
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 178, 396.
2332
McCallum 1987 S. 130ff.
2333
Getz-Preziosi 1994 S. 40 Fig. 27; Doumas 1983 a S. 129 Fig. 159.
2334
Immerwahr 1990 S. 176.
2335
Kilian 1980 b S. 22f., Abb. 1 und 2, Tafeln 9 und 10.
2336
Karo 1930 b S. 121f.
2337
McCallum 1987 S. 132f.
2338
McCallum 1987 S. 133ff.
418
14. Historische Auswertung
Wir haben hier im Thronraum des Palastes von Pylos also ein
systematisches Bildprogramm vor uns, das wohl die einzelnen
Stufen eines religiösen Festes darstellt, die Prozession der
Gabenbringer, die Opferung eines Stieres sowie das
anschließende Bankett.2339 Daß sich diese Darstellungen
gerade im Megaron finden, unterstreicht nicht nur den
Stellenwert der Religion in Pylos, sondern auch die kultische
Stellung des mykenischen Königs (wanax).
Einen Hinweis auf große Gastmähler, die in den Palästen
standfanden, stellen natürlich auch die großen Mengen von
Kylikes dar, die dort gefunden wurden, so etwa in der Kadmeia
in Theben oder dem Palast von Pylos. Dort traten etwa in
Raum 19, also in unmittelbarer Nähe des Megarons, 2.853
Kylikes zu Tage.2340
Was können nun die Linear B-Texte zur Frage mykenischer
Bankette beitragen? Die Darstellung von Prozessionen von
Gabenbringern ist in Verbindung gebracht worden mit Texten,
die die Abgabe von diversen Gütern an verschiedene Götter
bzw. Heiligtümer verzeichnen, etwa PY Un 718, wo Gaben an
Poseidon aufgelistet werden.2341 Die hier registrierten
Nahrunsmittel – Getreide, Mehl, Wein, Honig, Käse sowie ein
Rind und zwei Schafe – könnten durchaus als Bestandteile
eines kultischen Mahles im Heiligtum des Poseidon gedient
haben. Wie gezeigt wurde,2342 war die Zuteilung von
Nahrungsmitteln an Heiligtümer durchaus üblich und läßt sich
in den Texten gut greifen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch eine Reihe von
gesiegelten Tonplomben,2343 die 1982 in Theben gefunden
wurden. Diese Noduli verzeichnen die Abgabe von
Nahrungsmitteln, in der Hauptsache von Tieren, an den Palast
2339
McCallum 1987 S. 149.
Säflund 1980 S. 237f.
2341
McCallum 1987 S. 111ff.
2342
Siehe Kap. 14. 12.
2343
Pitéros/Olivier/Melena 1990.
2340
419
Mykenische Enährung
von Theben, vielleicht in Zusammenhang mit einem großen
Festgelage. Ähnlichkeiten sowohl im Formular als auch in der
Größe der aufgezeichneten Mengen zwischen den
Tonplomben und der Tafel PY Un 138 lassen einen ähnlichen
Zweck
beider
Transaktionen
vermuten.
Ebenfalls
Ähnlichkeiten weist die Tafel PY Un 2, auch diese eine Liste
verschiedener Güter, auf. Auf dieser Tafel ist auch ein
konkreter Anlaß für die Warenlieferung gegeben: mu-jo-me-no
e-pi wa-na-ka-te, „zur Initiation des Königs“.2344 Damit muß
nicht unbedingt eine Einweihung des Königs in irgendwelche
Mysterien gemeint sein, auch seine Thronbesteigung wäre hier
durchaus denkbar,2345 ein Anlaß, der sowohl bei den Inkas als
auch bei den späteren Griechen mit Opfern und Banketten
begangen wurde.2346
Ebenfalls mit Staatsbanketten werden auch die KN C (2)Texte in Zusammenhang gebracht. Die Texte KN C (2) 908,
KN C (2) 913, KN C (2) 922 und KN (C 2) 8225 weisen
große Ähnlichkeiten mit einigen Noduli aus Theben auf.2347
Sie könnten daher Tiere bezeichnen, die während religiöser
Feierlichkeiten geschlachtet und verzehrt wurden. Dies scheint
durch den Ausdruck sa-pa-ka-te-ri-ja auf KN C (2) 941 und
wohl KN C 1561 und KN X 9191 bestätigt zu werden, der in
diesem Zusammenhang als Bezeichnung für zu schlachtende
Tiere verstanden wird.2348 Nach Godart bezeichnen die KN
Ch-Texte möglicherweise Tiere, die anläßlich von
Begräbnisfeierlichkeiten geopfert wurden.2349
Abgesehen von diesen Texten finden sich auf den Tafeln nur
wenige, verstreute Hinweise auf festliche Bankette. So steht
auf MY Ue 661, gefolgt von Nahrungsmitteln, etwa der
2344
Ventris/Chadwick 1973 S. 440f.; 562.
Killen 1994 S. 72 Fn. 24.
2346
Killen 1994 S. 72 und Fn. 25.
2347
Killen 1994 S. 73ff.
2348
Killen 1994 S. 75f.
2349
Godart 1999 S. 249.
2345
420
14. Historische Auswertung
Ausdruck
jo-po-ro-te-ke,
der
mit
in
Zusammenhang gebracht und als „so servierte er (als Speise)“
übersetzt wurde.2350 Ebenfalls nur einen vagen Anhaltspunkt
kann eine Tafel aus Theben liefern. Der Begriff de-qo-no auf
TH Fq 254 [+] 255.1 wurde mit griechisch *in
Verbindung gebracht und als „banquetier“ übersetzt, der poro-de-qo-no dagegen als * und somit dessen
Stellvertreter.2351
All diese Texte sind aber alles andere als eindeutig und
können verschieden interpretiert werden. Sie weisen nicht
zwingend auf mykenische Staatsbankette hin und genügen
meines Erachtens daher nicht, solche zeremoniellen
Festmähler epigraphisch belegen zu können, wenngleich man
mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, daß
derartige Bankette in den mykenischen Palästen stattfanden.
14. 14. Diachrone Entwicklung
Ernährung ist natürlich dem Wandel der Zeiten unterworfen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein kurzer Vergleich
mit den Ernährungsgewohnheiten der Griechen im 1. Jt. v.
Chr.2352 Im Wesentlichen ist die Ernährung gleich geblieben,
manche Unterschiede lassen sich aber feststellen. Erschwert
wird ein solcher Vergleich allerdings durch die
unbefriedigende
archäobotanische
Forschungssituation.
Gerade für klassische und hellenistische Fundstellen in
Griechenland
liegen
kaum
naturwissenschaftliche
Untersuchungen vor. Wir sind daher in erster Linie auf die
Evidenz der literarischen Texte angewiesen.
2350
Killen 1992 S. 375f.
Aravantinos/Godart/Sacconi 2001 S. 224f., 390.
2352
Zur Ernährung in klassischer Zeit siehe Blanck 1980; André 1998;
Dalby 1998, Garnsey 1999 a.
2351
421
Mykenische Enährung
Was das Getreide anbelangt, so war auch im klassischen
Griechenland die Gerste das meistangebaute Getreide.
Allerdings begannen die Athener im 5. Jh. v. Chr. Weizen aus
dem Schwarzmeergebiet zu importieren. Die gehobene
Stadtbevölkerung entwickelte fortan eine starke Vorliebe für
Weizenbrot, während die Gerste, deren Prestige sank, die
wichtigste Grundnahrung auf dem Land und bei den unteren
Schichten blieb. Was die Weizensorten betrifft, läßt sich eine
Veränderung feststellen. In archaischer und klassischer Zeit
wurde nämlich nackter Weizen – wohl Saatweizen – die
Hauptbrotfrucht Griechenlands. Der Übergang läßt sich an
verschiedenen Fundstellen gut nachvollziehen. Während im
spätbronzezeitlichen Tiryns noch überwiegend Spelzweizen
nachgewiesen wurden, fanden sich in den protogeometrischen
Perioden von Kalapodi Emmer und Einkorn nur noch als
Gastgetreide
in
Saatweizenpopulationen.
Diese
Saatweizensorten erlaubten die Herstellung von besserem
Brot, viele Brotsorten waren ungesäuert, doch kannte man
bereits Backtriebmittel.2353
Neben dem Getreide machten auch in klassischer Zeit
Hülsenfrüchte, diverse Gemüse sowie Früchte einen Hauptteil
der täglichen Ernährung aus. Der Fleischkonsum scheint in
klassischer Zeit geringer gewesen zu sein als in mykenischer.
Fleischkost war auch in reicheren Häusern selten, in der Regel
stammte sie von Opfertieren. Der Anteil von Fleisch in der
täglichen Ernährung hing zum einen von der Kaufkraft der
Bevölkerung, zum anderen natürlich auch von den örtlichen
Gegebenheiten ab. In Bergregionen, wie etwa in Epeiros, wo
es eher Viehzucht als Ackerbau gab, wurde mehr Fleisch
produziert und konsumiert, in dicht bevölkerten Regionen wie
Attika standen dagegen kaum ausreichende Weideflächen für
die Tiere zur Verfügung. Auch das Artenspektrum der
verzehrten Tiere erweiterte sich. Haushuhn und Hahn kamen
2353
Siehe dazu Dalby 1998 S. 134.
422
14. Historische Auswertung
am Beginn der historischen Zeit, noch vor 600 v. Chr., nach
Griechenland.
Käse und andere Milchprodukte ergänzten diese Speisen.
Zumindest in den großen Städten, wie etwa Athen und später
auch Rom, wurde mehr Fisch gegessen als in prähistorischer
Zeit. Neben frischem Fisch, wie etwa Sprotten oder Sardellen,
wurden auch große Mengen von Salz-, Dörr- und Räucherfisch
verzehrt.
Viele für die heutige mediterrane Küche so typische
Nahrungsmittel kamen erst in späterer Zeit nach Griechenland.
Reis lernten die Griechen in hellenistischer Zeit kennen,
ebenso den Pfirsich. Auch die Zitronatzitrone erreichte in den
letzten Jahrhunderten v. Chr. den Mittelmeerraum, die
eigentliche Zitrone ist als erstes in Pompeji ikonographisch
belegt. Die Marille wurde Griechen wie Römern im 1. Jh. n.
Chr. bekannt. Orange und Zucker kamen zur Zeit der
Kreuzzüge. Kartoffel, Mais, Grüne Bohne, Tomate und
Truthahn wurden aus Amerika eingeführt.2354
2354
Zur Ernährung der nachklassischen Ägäiswelt siehe Dalby 1998 S.
183ff.
423
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Über dieses Buch
Die mykenische Zivilisation war die erste Hochkultur auf dem
europäischen Festland. Die Grundlage der von den Mykenern
erbrachten Kulturleistungen bildete ihre Ernährung. Das
vorliegende Buch unternimmt den Versuch, unter
Heranziehung aller verfügbaren archäologischen und
epigraphischen Quellen sowie im Vergleich mit der Ernährung
der zeitgleichen Kulturen des Vorderen Orients sowie des
klassischen Altertums ein möglichst detailliertes Bild der
mykenischen Ernährung zu zeichnen.
Über den Autor
Josef Fischer (Jahrgang 1976) studierte
Alte
Geschichte
und Klassische
Archäologie an der Universität Salzburg.
Er war am Deutschen Archäologischen
Institut sowie an der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften tätig und
unterrichtete an den Universitäten
Salzburg, Trier, Wien und Passau. Die griechische
Frühgeschichte, die griechische Epigraphik sowie die antike
Sozialgeschichte zählen zu seinen Forschungsschwerpunkten.